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Dritter und letzter Teil. Als wir das letzte Mal über die alten Damen sprachen, hatte mir Frau G. gerade mitgeteilt, dass sie den Holocaust an den Juden für eine Erfindung hielt.
Dass sich eine „meiner“ Omas als stolze Antisemitin entpuppen würde, war schon statistisch zu erwarten gewesen. Aber Frau G.? Die kleine, runzelige, freundliche Frau G.? Hier war größte Vorsicht angeraten. Es galt immer noch: Respekt und Rücksicht. Ich hatte als Zivi kein Recht, die Frau umerziehen oder belehren zu wollen. Ich konnte nur innerlich abkoppeln und mich von jeder Sympathie frei machen.
Es stellte sich auf meine nervöse Nachfrage heraus,..  [weiterlesen]

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Wo waren wir stehen geblieben? Beim ersten Tag meines Zivildienstes, genau.
Zum Einstieg nahm mich mein „Vorgänger“, der noch ein paar Monate bleiben würde, zu den alten Damen mit. Es ist wichtig, offiziell vorgestellt zu werden – könnte ja sonst jeder kommen und behaupten, er sei vom Amt.
An dieser Stelle ist es vielleicht angebracht, noch einmal genauer zu erklären, worin mein Job bestand. 25 Damen im Alter zwischen 60 und 92 hatte ich zu betreuen, jede wurde mit einer knappen Stunde pro Woche eingeplant. Es ging NICHT um Pflege. Ich musste die alten Damen weder ins Bad schleppen noch ins Bett,..  [weiterlesen]

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Dieser Beitrag kommt zu spät, in vielerlei Hinsicht. Ich hätte ihn vielleicht 1990 schreiben sollen, da war alles noch frisch in meinem Kopf. Oder im Juli 2011, als mit der allgemeinen Wehrpflicht auch der Zivildienst abgeschafft wurde.

Es ist allerdings nicht schwer zu verstehen, warum ich ihn heute schreibe. Über die Weihnachtstage musste ich viel an meine Nachbarin Frau C. denken, die mit 106 Jahren verstorben ist und deren Wohnung gerade mit Schleifmaschinen und Brecheisen renoviert wird, als müsse man das Leben dieser Frau gewaltsam aus den Mauern stemmen.

In meinem Nachruf auf Frau C…  [weiterlesen]