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Jan 2009

Philips Odyssey 2001: Geek Love

Themen: Neues |

Meine Familie hortet nicht. Die Mitglieder ziehen zu oft um, rümpeln zu oft aus, schmeißen zu oft weg. Da sammelt sich nichts an.

Nur Onkel Dieter und Tante Monika, die wohnen seit 40 Jahren in der selben Wohnung, haben den selben Keller, und ziehen nicht am Wochenende auf den Trödelmarkt, um alten Krempel loszuwerden. Nicht mißverstehen: Die beiden sind super ordentlich und aufgeräumt, aber es kann halt mal vorkommen, dass in den labyrinthinischen Gewölben des zweistöckigen Dreiwohnungs-Hauses, welches der Familie seit Mitte der 50er gehört, mal was liegenbleibt.

Neulich wurden die Nachtstromspeicher gegen eine moderne Zentralheizung ausgetauscht, und dafür musste im Keller einiges umgeräumt werden. Ich war in diesen Tagen zufällig in der Gegend, und wollte mich gerade auf den Heimweg nach München machen, als Dieter mir eine schäbige graue Plastiktüte hinhielt: “Kannst du das brauchen? Schmeiße ich sonst weg”. Ich schaute hinein.

Eine Videospiel-Konsole. Eine, die ich noch nie gesehen hatte. Natürlich von Philips.

Dazu muss man wissen: Mein Onkel kannte in den 70ern jemanden, der bei Philips arbeitete. Der gesamte Familienclan kam daher in den Genuss von Philips G7000-Konsolen samt spottbilliger Spiele zum Herstellungspreis. Das machte mich auf dem Schulhof zum Außenseiter, denn Atari VCS war die Hardware der Ära. Mir machte das nichts: keiner meiner Kumpel konnte sich mehr als zwei, drei Module leisten. Ich hatte 12!

Die obskure Alt-Konsole, die Dieter mir mitgab, lag jetzt zwei Monate lang im Kofferraum meines Wagens. Ich holte sie bloß raus, als ich Platz für den Wertstoffhof-Abfall brauchte, und ehrlich: ich dachte dran, die Alt-Elektronik gleich mit zu entsorgen.

Tat ich aber nicht.

Und heute Abend kribbelte es mich auf einmal. Ich holte die Tüte heraus, fummelte die verknoteten Kabel auseinander, steckte das Netzteil in die Steckdose (kein Funkenregen, schon mal beruhigend), und stöpselte den Coaxial-Stecker in die Antennenbuchse.

Zwei Dinge fielen mir auf, weil sie fehlten: Das “Odyssey 2001”, wie ich dem stylishen Schriftzug der Front entnehmen konnte, hatte keinen Modulschacht, und keine Betriebsleuchte. Spiele mussten demnach eingebaut sein – und ob das Gerät noch Leben barg, musste sich bei der Suche nach der richtigen Frequenz beweisen.

Was soll ich sagen:

odyssey2001Läuft wie eine 1! Zwar nur drei Pong-Varianten, aber immerhin in Farbe, und mit Ton aus dem Fernseher-Lautsprecher (damals erzeugten viele Konsolen ihre Piepser noch im Gerät selbst).

Selbst die beiden Paddel funktionieren noch klaglos, auch wenn sie nach ca. 30 Jahren Kelleraufenthalt ein wenig schwergängig geworden sind (morgen wird geölt).

Keine Ahnung, warum mich das so begeistert, zumal die Konsole keinen Raritäten-Wert besitzt – funktionierende Exemplare gehen bei Ebay für 10 Euro weg. Aber der Gedanke, dass die Hardware nach 30 Jahren klaglos ihren Dienst versieht, und dass die Kompatibilität zu meiner aktuellen technischen Infrastruktur (Strom, Fernseher) immer noch besteht, ist irgendwie beruhigend.

So müssen sich Vinyl-Freaks fühlen, wenn auf einen alten Schuhkarton mit verstaubten Singles stoßen.

Ich habe nun ein wenig recherchiert – hier findet man einen sehr schönen Artikel über die Geschichte der Konsole. Von der Webseite habe ich auch den überraschenden Blick in die Eingeweide der Odyssey 2001 – das Ding hätte man auch damals schon in der Größe eines Gameboy bauen können:

inside Für mich war der heutige Abend die Definition von “blast from the past”. Crysis? GTA 4? Suck my dick.



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14 Kommentare
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OnkelFilmi
OnkelFilmi
24. Januar, 2009 01:39

Sowas habe ich hier auch noch stehen. Zwar keine Odyssey, aber alle möglichen Videospiel-Opas, von Atari VCS und Colecovision über PC-Engine, Sega Master System und Atari Lynx bis zum Wii (Ich mag keine Egoshooter, deshalb habe ich auch keine PS3 oder 360. Pfui Schmetterling).

Die alten Teile laufen alle noch wie eine Eins, wie auch mein C64, während meine ersten PCs (ja, ich kann nichts wegschmeissen) allesamt in den binären Himmel entschwebt sind, wie ich letztens feststellen musste.

Wortvogel
Wortvogel
24. Januar, 2009 01:45

Ich hatte Anfang der 90er mal begonnen, Konsolen zu sammeln, weil ich beim GONG sehr viele Geräte umsonst überlassen bekam. Es stellte sich aber schnell heraus, dass meine 1 bzw. 2 Raum-Wohnungen für so ein Hobby in etwa so geeignet sind wie zur Aufzucht von Springböcken. Ich habe die Kisten dann einem Kumpel gegeben, der den ganzen Schmodder verkauft hat. Vermissen tue ich eigentlich nur das Vectrex, weil es technisch einfach saucool war.

Dieter
Dieter
24. Januar, 2009 01:49

Also doch kein Wunder, dass es die Menschheit bis auf den Mond geschafft hat und die Voyager-Sonde jahrzehntelang funkte, bis sie das Sonnensystem verließ und die Funkzeiten zu lange wurden.

Mein mit moderner Computer-Technik ausgestattetes Auto hat seit Jahren Probleme mit der Elektronik. Und unser Apple gab nach ca. fünf Jahren seinen binären Geist auf. Früher war nicht alles besser. Aber vielleicht doch einfacher und deshalb nicht so anfällig.

Wortvogel
Wortvogel
24. Januar, 2009 01:56

@ Dieter: Ich denke, so kann man das sehen – je mehr Bauteile, desto mehr Fehlerquellen.

Tinitus
24. Januar, 2009 03:03

Ja leider. Nur bringen die vielen Bauteile auch eine Leistung, die mich ihre “Kurzlebigkeit” verschmerzen lässt. Hab neulich mal meinen alten Amiga 600 an den Fernseher gestöpselt. Erstaunlich, was die Pc´s in den letzten Jahren für einen Sprung gemacht haben.

Lari
Lari
24. Januar, 2009 05:12

Cooool! Ich hab hier noch ein VC4000 mit zig Modulen stehen. Muss ich dieser Tage mal wieder aufbauen. 8)

Marko
24. Januar, 2009 10:21

“Aber der Gedanke, dass die Hardware nach 30 Jahren klaglos ihren Dienst versieht, und dass die Kompatibilität zu meiner aktuellen technischen Infrastruktur (Strom, Fernseher) immer noch besteht, ist irgendwie beruhigend.”

Witzbold — Dein Fernseher sieht aus, als sei er auch genauso alt wie die Konsole. :p

Ich habe – zum Leidwesen meiner Frau – ein komplettes Schrankfach unseres Sideboards vollgestopft mit c64, Floppy und Disketten. An der Wand darüber hängt ein 46 Zoll Plasma. Also — das ist zwar nett, aber nostalgisch irgendwie nicht, ganz zu schweigen von stilecht. Ich bin am überlegen, mir einen alten 1702 anzuschaffen, ebay macht’s möglich (64er-Kenner wissen, was das ist). Dafür würde ich zwar auch weibliches Stirnrunzeln ernten, aber wenn ich dafür das Sideboardfach räume, kann ich das vielleicht aufpuffern …

Hat hier jemand vielleicht einen 1702 abzugeben? 😉

Gruß,
Marko

PS: Ein c64-Bild auf 46 Zoll ist trotzdem eine Wucht, vor allem nachts, wenn das ganze Wohnzimmer im beruhigenden “Ready”-Cursor mitblinkt, weil er so groß ist wie ein Legostein 😀

Wortvogel
Wortvogel
24. Januar, 2009 11:05

@ Marko: mein Fernseher ist drei Jahre alt. In der Ecke bringt mir ein Flachmaxe platztechnisch keinen Vorteil, das Bild ist auch nicht besser, und ich schaue mittlerweile 90 Prozent auf meinem Notebook. Bevor die Röhre nicht den Geist aufgibt, kommt mir auch kein neues Gerät ins Haus.

Generell reicht es mir, die alten Konsolen über Emulatoren auf dem PC zu spielen (ich habe einen zum USB-Arcade-Board umgebautes Steuerbrett einer Dreamcast). Der Atari VCS-Emulator mit ALLEN Spiele-Roms, die je erschienen sind, passt auf eine Diskette. Eine DISKETTE! Schreibe ich auch mal einen Artikel drüber, wenn die Zeit reif ist.

OnkelFilmi
OnkelFilmi
24. Januar, 2009 15:10

Mein C64 läuft immer noch über meinen ersten FARBfernseher (davor war die binäre Welt schwarz-weiss für mich)! Nunmehr fast 25 Jahre alt, aber läuft immer noch die Kiste. Telefunken for teh win!

Wortvogel
Wortvogel
24. Januar, 2009 16:37

Ich hatte in meinem Apartment in Düsseldorf bis vor ein paar Jahren noch einen knallroten tragbaren Fernseher aus den 70ern stehen, den ich in den 80ern schwarz angepinselt hatte. Funktionierte einwandfrei.

Ich vermisse Drehknöpfe und richtige Schalter. Tastaturen und Buttons und Sensoren saugen. Ich war freudig überrascht, als sich herausstellte, dass mein neues Notebook wieder ein Rädchen an der Front hat, wo man die Lautstärke regeln kann.

Joe
Joe
25. Januar, 2009 12:22

So langsam kommen wir wohl in ein Alter, in dem manche Dinge lang genug her sind, um echte Nostagie auszulösen. 😉
Momentan habe ich eine gewisse Affinität zu Schallplatten und zur TV Serie “Bonanza”.
So ein Spiele-Dings hatte ich von Quelle Universum. Wurde vor ein paar Jahren entsorgt, da nicht mehr gebraucht und nicht mehr funktionsfähig. Wie heißen die Dinger – Paddel? Na, zumindest eins davon ging nicht mehr.
Um einen Schüler mit dem Stück “Andorra” vertraut zu machen, gestaltete ich gestern eine komplette Doppelstunde mit einem fünfundzwanzig Jahre alten Referat aus meiner Feder (Feder ist wörtlich zu nehmen. Pelikano. Linkshänderversion. :-)) Zwar mit einer Menge neuer Anmerkungen, aber im Wesentlichen dem damaligen Text folgend. War irgendwie eine Begegnung mit einem jüngeren Ich.

Jana
Jana
25. Januar, 2009 22:02

Wie kann man einen roten fehrnseher nur schwarz lackieren?? Gibt es den noch irgendwo? >Kann man die schwarze Farbe abkratzen ohne die rote zu zerstören? oder ist das Teil schon lange Zeit begraben?
ICh liebe rote Möbel etc. Gerade heute hat mein Vater mich gefragt ob ich sein altes Wählscheibentelefon haben möchte, letzte woche hat die Wählscheibe ihren Dienst eingestellt (ist runtergefallen, sonst hätte mein Vater wohl die nächsten 30 Jahre noch mit telefoniert). Das Telefon ist auch rot…

Wortvogel
Wortvogel
25. Januar, 2009 22:07

Der Fernseher ging vor fünf Jahren auf den Wertstoff-Hof, als ich in meinem Düsseldorfer Apartment auch die Satellitenschüssel abgeschafft habe. Ebenso ein rotes Telefon aus der Zeit, als Tastentelefone/Handset-Einheiten noch von der Post verboten waren 😉

Bernd
31. Januar, 2009 12:23

Danke für die Anregung! Ich werde gleich auch mal im Keller stöbern. Habe auch noch so ein Gerät. Sogar noch die Variante mit einem Plastikgewehr, bei der man auf einen Punkt auf dem Bildschirm schissen muss. Sehr Amüsant……