27
Jan 2007

Kino-Kritik: The Host (Korea 2006)

Themen: Film, TV & Presse |

Host PosterEin Monsterfilm aus Asien? Wahrlich keine Überraschung. Aus Korea? Die brauchen noch eine Weile, bis ich ihnen „Reptilian“ verziehen habe. Und außerdem sollen die endlich mal mit „D-Wars“ in die Puschen kommen, der müsste doch schon seit Jahren fertig sein. Was soll überhaupt der Titel? „The Host“ – klingt wie einer dieser unerträglichen und austauschbaren Brutal- Schlitzerstreifen, die gerade so en vogue sind. Wie lange ist es eigentlich her, dass es sich gelohnt hat, auf die Lobpreisungen von Harry Knowles bei AICN zu hören? Ewig, so lange ist’s her. Und dann diese widerliche Anbiederei – ein halbes Dutzend US-Schauspieler, alle Spezialeffekte von einer Trickfirma aus San Francisco… das hässliche Gesicht der cineastischen Globalisierung, so sieht’s aus. Gibt es da in Korea eigentlich welche, die nicht Park oder Kim heißen? Solche Filme können bei mir auf der Festplatte liegen, bis der Sektorenfraß einsetzt…

So oder ungefähr so ähnlich war meine Einstellung gewesen, ich geb’s ja zu. Meine Toleranz für Asien-Horror hält sich dieser Tage schwer in Grenzen. Ich bin nun mal jemand, der gerne richtige Geschichten erzählt bekommt, und nicht irgendwelchen kruden Unsinn, der zwar prima „buh!“ macht, aber weder Hand noch Fuß hat. „The Grudge“ und „Dark Waters“ können mir gestohlen bleiben.

Aber es kommt der Tag, da will die Säge sägen, und da hat der Dewi keine Lust auf nochmal 20 „Simpsons“-Episoden, oder den Audiokommentar von „Life of Brian“. Und dann nagt auch die Frage im Oberstübchen: wozu besorge ich mir so etwas, wenn ich es dann doch nicht gucke? Also werfe ich den Film ein – weniger aus Interesse, mehr aus Pflichtschuldigkeit. Kommt ja manchmal auch was Gutes bei rum.

Die Handlung, und ja – erste Überraschung -, es gibt eine: Gang ist der leicht zurück geblieben wirkende Verkäufer am Lebensmittelkiosk seines Vaters. Man bedient hauptsächlich das Lumpenproletariat am Ufer des großen Han-Flusses. Eines Tages taucht dort unter einer Brücke ein ziemlich fettes amphibisches Monster auf, das auch sofort beginnt, die Bevölkerung zu dezimieren. Das gesamte Flussgebiet wird großräumig abgesperrt, denn die prahlerischen Amerikaner (denen das Vieh vermutlich zu verdanken ist) faseln was von einem Virus, dessen Verbreitung verhindert werden muss – und praktischerweise haben sie dafür den neuen Super-Kampfstoff „Agent Yellow“ testbereit. Gang, sein Vater, seine Schwester, und sein Schwager (wenn ich die Familienverhältnisse richtig verstanden habe) brechen aus der unmenschlichen Quarantäne aus, weil sie überzeugt sind, dass Gos kleine Tochter, die vom Monster gepackt wurde, noch lebt. Der Versuch, Hyun-Seo zu retten, ist ein Wettrennen gegen die Zeit und gegen die kampfgeilen US-Truppen, die mächtig Dreck am Stecken haben. Das Monster selbst wird dabei zur Nebensache…

YouTube

Mit dem Laden des Videos akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von YouTube.
Mehr erfahren

Video laden

Okay, da darf man dann doch ein gepflegtes „wow!“ in die Welt lassen. „The Host“ ist ganz bestimmt nicht das, was ich erwartet habe. Unter dem Deckmantel des Monsterfilms hat Regisseur Bong hier einen blitzsauberen Propagandastreifen gegen die Amis und die koreanische Bürokratie abgeliefert. Wenn es jemals einen kommunistischen Horrorfilm gegeben hat – das ist er. Der Gegner ist nur oberflächlich das vom gesichtslosen System erschaffene Monster. Es geht um das Proletariat gegen die Obrigkeit, um die Möglichkeit jedes Einzelnen, sich aufzulehnen, und die Tatsache, dass Einigkeit stark macht, auch wenn sie Opfer verlangt. Der von einem skrupellosen US-Wissenschaftler erschaffene Homunkulus, den man unter den Teppich kehren will, auch wenn es viele Menschenleben kostet, steht stellvertretend für alle Missetaten der amerikanischen Außenpolitik, die als „bilaterale Beziehungen“ verkauft werden. Man lässt sich als Retter bei der Lösung von Problemen feiern, die man selber geschaffen hat (Irak, anyone?). In den 50er Jahren hätte man diesen Film vielleicht über ein Bananenmonster gemacht, das durch die Düngemittel von United Fruit in Mittelamerika entsteht. Heute ist es halt die skrupellose Forschung, die Hand in Hand mit militärischer Übermacht ein Problem nicht nur kreiert, sondern bei der Beseitigung auch komplett über Leichen geht. Konsequent verweigert sich Bong deshalb auch dem klassischen Heldenbild: Gang ist ein tumber Trottel, der den Ereignissen wenig mehr entgegen zu setzen hat als seine Entschlossenheit, und die Liebe zu seiner Tochter. Seine Schwester ist fast katatonisch, während sein Schwager von der Uni zwar intellektuelle Kapazität mitbringt, aber auf der Schwelle zum moralischen Ausverkauf steht. Sie bilden ein denkbar ungeeignetes Team, wenn es darum geht, die Staatsmacht UND ein Monster zu überlisten. Doch Gemeinsamkeit macht stark, und am Ende wird aus jeder Schwäche eine Stärke.

Seine politische Agenda trägt „The Host“ von der ersten Szene an offen – der böse US-Wissenschaft zwingt den untergebenen koreanischen Forscher, Giftstoffe in den Han-Fluss zu entsorgen. Jede Nachrichtensendung berichtet darüber, wie die Amerikaner die „Lösung“ des Monster-Problems in die Hand genommen haben, und am Schluss kommt ein Untersuchungsausschuss der US-Regierung gar zu dem Schluss: es gab kein Monster. Alles Einbildung, es gibt nichts zu sehen, bitte gehen Sie weiter. „Agent Yellow“ ist natürlich ein wenig verklausulierter Hinweis auf das in Vietnam eingesetzte Entlaubungsmittel „Agent Orange“. So wie Asiaten in US-Filmen oft klischeehaft dargestellt werden, so sind die Amerikaner in „The Host“ geradezu lachhaft böse, selbst wenn es keinem Zweck dient.

Technisch ist „The Host“ eine Augenweide – wo man bei dem heiklen Thema eher einen Low Budget-Film erwartet, legt Regisseur Bong richtig war vor: exzellente Kameraarbeit, flotter Schnitt, viele beeindruckende (echte) Locations, und ein Monster zwischen Fisch und Echse, das nicht nur perfekt animiert ist, sondern in den Bewegungsabläufen auch wirklich etwas Neues bietet. Wenn sich die Bestie am Schwanz von Stahlträger zu Stahlträger schwingt, wirkt das keine Sekunde lächerlich. Außerdem ist das Monster perfekt in die Szenerie integriert, selbst bei schnellen Kamerafahrten und wilden Verfolgungsjagden.

Ich brauchte eine Weile, bis ich den Finger darauf legen konnte, was Park in der Inszenierung macht, dass die Monster-Attacken so ganz anders wirken als in vergleichbaren US-Produktionen. Dann ging es mir auf: Er bleibt komplett bei den Protagonisten. Die Kamera sucht niemals die Bestie, um sie dem Zuschauer zu offenbaren. Wir sehen sie vielfach nur im Hintergrund wüten, oder ins Bild drängen, wenn die Helden vor ihr flüchten. Diese Weigerung, das Monster auf den Präsentierteller zu stellen, damit wir alle mal „boah!“ sagen können, ist absolut überraschend und wirkungsvoll. Es verstärkt den Eindruck, dass wir es hier mit einer Bestie zu tun haben, die Teil der Umgebung ist.

Aber keine Filmkritik ohne Kritik: In der Weigerung Bongs, dem Monster ein Ziel zu geben, nimmt er auch einigen Schwung aus der Dramaturgie. Wenn unsere Helden nicht das Mädchen retten wollten, bräuchten sie sich mit dem Monster gar nicht auszusetzen. Es bleibt ohne eigenen Antrieb, ohne Dynamik. Dadurch fehlt ein gewisser Druck, der konsequenterweise extern aufgebaut werden muss (durch den Countdown bis zur „Säuberung“ mit Agent Yellow). Ausgerechnet in einem Monsterfilm die Bedrohung durch das Monster zu vernachlässigen – das gibt Minuspunkte.

Trotzdem ist „The Host“ eine absolute Überraschung in einem Genre, dass nicht gerade für seine Überraschungen bekannt ist. Ein hochpolitischer Effektreißer, der vieles anders macht, als man es erwartet, und genau dadurch punktet. Kudos.



Abonnieren
Benachrichtige mich bei
guest

5 Kommentare
Älteste
Neueste
Inline Feedbacks
Alle Kommentare anzeigen
barryW
barryW
2. Februar, 2007 06:51

alta vadder,sorry , aber ich glaub ja du hast absolut keine ahnung vom asia-kino…
asia kino ist nur schlitzerfilm und ohne handlung?! und nur weil sie evtl gerade “en vogue” sind, wird der europäische markt damit zugekloppt?!
das womit wir hier meist zugekloppt werden sind u.a. billigadaptionen aus USA & Co.

In Asien hat die Filmkunst einen komplett anderen Stellenwert wie bei uns, unser Stellenwert ist der allsonntagliche Tatort. in asien gibt es dafür den allsamstaglichen “schlitzerfilm ohne Handlung”, der meist genausoviel handlung und vor allem bei weitem IMMER mehr einfallsreichtum bietet wie 80% aller deutschproduktionen und von usa braucht man da ja nicht sprechen, weil die klauen bekanntlich ja schon seit mehreren Jahren Asiatische Filme und ziehen sie auf Hollywoodformat, BSP. Departed
naja dann schreib noch´n bisschen über die set´s bei der märchenstunde, da scheinst du ja echt ahnung zu haben.
In diesem Sinne

Wortvogel
Wortvogel
2. Februar, 2007 07:41

Dafür scheinen dir Begriffe wie “eigene Meinung”, “Rechtschreibung” und “konstruktive Auseinandersetzung” fremd zu sein – jedem das Seine…

Thorsten
Thorsten
26. März, 2007 16:29

tja, da komm ich grad aus der Sneak (Stuttgart Innenstadt Kinos) und ich muss sagen: Der Film kam an.
Gerade weil er streckenweise einfach nur sinnlos war. Was daran kommunistisch ist, wenn eine Familie versucht sich selbst zu beschützen und ihren jüngsten Spross aus der Gewalt eines (meiner Meinung nach von Godzilla abgeschauten) Monsters zu retten will mir nicht einleuchten. Was den Film aber eindeutig sympathisch macht ist das Versagen der Protagonisten in einer Welt die nur noch Superhelden gewöhnt ist. Was mit übertriebenen Weinkrämpfen bei der Totenwache in einer Turnhalle anfängt trägt den Film auf einer einzigen Welle der Absurdität weiter:

“Muss ich das Kopfgeld eigentlich versteuern?”
“Euer großer Bruder ist nicht dumm oder zurückgeblieben, ihm fehlen nur die Proteine”
“Das ist langweilig, schalt den Fernseher aus” (als im Hintergrund gerade die “Ursachen” für die Tragische Situation der Familie im pro-amerikanischen Koreanischen Fernsehen dargelegt werden.)

Man wird sich als “gebildeter Europäer” sehr bald bewusst, das Allgemeinbildung längst nicht das ist, was wir uns in unseren Köpfen als selbstverständlich angenommen wird.

Was ist das für ein Land (auch wenn es stellenweise nur Fiktion sein könnte) in dem in den Medien nur über einen einzigen amerikanischen Soldaten als Opfer des Monsters berichtet wird, in dem sich die Regierung vollkommen ohne Gegenwehr von den Amerikanern entmachten lässt und alle Hilferufe des Protagonisten seine Tochter zu retten ohne Wirkung verschallen, aber am Ende hunderte Aktivisten einer Demo gegen den Gifteinsatz sein Bild auf shirts, Bannern und Kissen tragen. Und was ist das für eine Familie, die vollkommen blind der Gefahr entgegentritt um mit illegal erworbenen Gewehren, Molotov-Cocktails sowiePfeil und Bogen Jagd auf das zu machen, was sonst absolut niemanden zu interessieren scheint: Das Monster.

Mein persönliches Fazit: Absurd und gerade deswegen eine interessante Interpretation der viel zu normal und langweilig gewordenen Katastrophenfilme, gerade weil es um die Familie und nicht um das Monster geht.

Karlchen
Karlchen
2. April, 2007 16:35

Jetzt mal ehrlich. Ich gehe fast jede Woche in die Sneak und das war seit Jahren das Schlechteste was ich gesehen habe. Die Kritiken der anderen Sneak Besucher fielen auch entsprechend aus.
Story: drittklassig, viele ungewollte Lacher
Darsteller: Da sehnt man sich nach der Vorabendserie … (Trauerszene)
Effekte: Zugegeben, das Vieh war nicht so schlecht.

Fazit: Bitte nur in Programmkinos zeigen.

Peroy
Peroy
29. Oktober, 2007 23:09

Gute Creature-F/X, aber schon sehr lächerlich insgesamt. Holzhammer-Satire und Monster Movie-Krimskrams passen nicht zusammen. “Agent Yellow” ? Oh, bitte ! Der erste “Godzilla” war damals politisch relevanter und von der Message her bedeutsamer. Der hatte auch weniger exaltiertes Overacting…

Hat mir nicht gefallen. Dachte auch, das Vieh wäre größer… dafür aber mal wieder ein sehr genitales Creature Design, uncanny…