Filmverbrechen-Fotostory:
GINA WILDKATZE oder: Happy End am Krankenbett (2)
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Okay, wo waren wir stehen geblieben? Ach ja, die Rückblenden, die keine Rückblenden hätten sein müssen, sind endlich rum. Wir haben uns auch daran gewöhnt, dass Gina Arnold sich an keiner Form von erkennbarer Emotion versucht und dass über weite Strecken wechselnde Erzählerstimmen die Scherben des "Plots" zusammenfegen müssen.
In mancherlei Beziehung ist GINA WILDKATZE wie der Trash-Klassiker MANOS – HANDS OF FATE: produziert von Leuten, die kein Interesse oder keine Kenntnis von den Mechanismen des Filmemachens hatten. Die Abwesenheit der üblichen Erzählstrukturen macht ihre Notwendigkeit umso schmerzhafter sichtbar.
Nachdem Gina und Peter endlich ihre gesamte Romanze nochmal vollumfänglich rekapituliert haben, schlägt er ihr einen Ausflug in das "Hotel Adler" nach Hinterzarten vor – da kann man auch tanzen. An dieser Stelle dachte ich noch, hier würde frech Regionalwerbung in den Film eingeschleust. Aber wartet ab.
Klaus hadert immer noch mit seiner Entscheidung, den Pornoschnäuzern beim Bruch zu helfen – hadern ist genau genommen sein einziger Charakterzug.
Der idiotensichere "Plan": Er stellt sich besoffen, damit Gina ihn im Club übernachten lässt und er dann die Pornoschnäuzer durch den Hintereingang reinlassen kann.
Ich zitiere mal Douglas Adams:
„Das grösste Problem von Leuten, die versuchen, etwas absolut Idiotensicheres zu konstruieren, ist, dass sie den Einfallsreichtum von absoluten Idioten unterschätzen.“
Zuerst einmal muss er aber Töchterchen Susi eine Geschichte vorlesen – was in den 70ern als pädagogisch wertvolle Kinderlektüre durchging, dürfte euch überraschen.
Ich hab’s recherchiert – wir haben es hier mit diesem Buch zu tun:
"Im Mittelalter gab es einmal in einer Stadt eine große Hungersnot. Alle Vorräte waren zu Ende gegangen, und kein Mensch hatte Geld, neues Getreide zu kaufen. Auch die Stadtkasse war leer. Nur ganz selten lief ein Boot in den Hafen, das den Menschen ein paar armselige Fische brachte. Sie sahen keinen Ausweg aus ihrer entsetzlichen Armut, ihre Verzweiflung war groß."
Träum schön, Susi!
Es sollte an dieser Stelle niemand versuchen, eine Chronologie der Ereignisse aufzustellen – wenn Gina und Peter schon seit Wochen zusammen sind, dann müssten die Pornoschnäuzer ebenfalls seit Wochen tatenlos im Hotel hocken, nur um irgendwann mal die Bank zu knacken.
Hauptsache, Gina und Peter bringen den Abend dekadent rum – die Tatsache, dass wir weder einen Tanz noch das Hotel von innen sehen, lässt mich meine Meinung revidieren, dass es sich hier um eine Gefälligkeitswerbung handelt.
Das Hotel gibt es heute noch und das Entrée hat sich kaum verändert.
Peter schafft es fast zur "second base" – da war ich in der Pubertät schon weiter:
Gab es in den 70ern schon Simps?
"Wenn jemand dankbar zu sein hat, dann bin ich es. Ich bin nicht bescheiden, ich bin glücklich."
Alle Wege führen bekanntlich nach Rom – in Freiburg allerdings in den PLAYBOY, wo neben Gina, Poppy, Peter, und Klaus auch die Pornoschnäuzer abhängen:
Peter hat sichtlich Samenstau und flüstert Gina ein, man möge doch ein bisschen mehr trinken – augenscheinlich, um sie besoffen in die Kiste zu kriegen:
Gina verkündet, sie hätte eine "bessere Idee" – und ich glaube kaum, dass der Ausdruck "bessere Idee" jemals schnöder missbraucht wurde:
"Wir gehen alle miteinander auf den Markt zum einkaufen! Morgens um diese Zeit ist es dort am schönsten!"
Man fasst es nicht – alle Beteiligten sind begeistert von der Idee und wir werden Zeugen eines Bummels durch die Freiburger Innenstadt:
Schnöde Masturbanten kommen bei GINA WILDKATZE vielleicht nicht auf ihre Kosten, der Touristikverband der Stadt dürfte sich aber gefreut haben.
Hand in Hand, Freund und Feind:
Dass Gina Arnold sogar im Freiburger Münster drehen durfte, lässt mich vermuten, dass sie auch Kundschaft aus dem Klerus hatte:
Ohne eine Mütze Schlaf sitzen die Beteiligten danach beim Frühstück und Gina verkündet, erstmal in den Nachmittag poofen zu wollen – den geilen Peter schiebt sie mit Klaus in den hauseigenen Pool ab. Vorher haut sie aber erstmal eine Hammer-Idee raus: Peter soll seine Gattin herbeischaffen, damit Gina sie kennenlernen kann, zuerst bei einem Abend im Theater, dann auf einer eigens organisierten Party.
Am Pool kommt es zum Männergespräch. Peter und Klaus sind sich einig – es ist unmöglich, Gina nicht zu lieben. Mehr noch: es ist unmöglich, sie nicht augenblicklich heiraten zu wollen. Eine steile These, wie ich finde.
Hebt die Hand, wenn ihr den Fehler im folgenden Dialog findet.
Klaus:
"Wir kennen uns jetzt schon so lange und lieben auch noch dieselbe Frau. Sollten wir uns nicht duzen?"
Peter:
"Ja gerne. Wissen Sie, ich dachte immer, Sie seien mir böse, weil ich Ihnen Gina weggenommen habe."
Klaus:
"Aber was, ich bin Ihnen nicht böse."
Auch Klaus ist der abstrusen Meinung, dass ein Treffen von Gina und Erna dazu beitragen würde, dass Peter endlich zum Schuss kommt.
Szenenwechsel. Susi möchte Gina das nachmittägliche Frühstück ans Bett bringen. Morgens um 7 ist die Welt noch in Dortmund.
Gina ist natürlich auch nach mehreren Stunden Schlaf perfekt geschminkt und frisiert, während sie das kleine Mädchen in ihr Lotterbett lässt:
Danach gibt es gemeinsame Gymnastik – das ist alles so furchtbar falsch:
Und gerade wenn du denkst, es ginge nicht noch falscher, kommt die einzige Topless-Szene des Films aus der bedenklichsten Ecke gekrochen:
Nichts wie zurück zum Heimatfilm hoch zu Pferde! Hier kann Peter seiner Gina sagen, wie gerne er ihr seine Pferde zeigen würde, um mit ihr auszureiten.
Denkt nicht drüber nach. Das führt zu nix.
Wir haben schon gemerkt, dass die Beziehungsgeflechte in GINA WILDKATZE auffällig vage sind. Klaus ist geschieden und lässt seine Tochter bei Gina aufwachsen, Peter ist verheiratet, will aber Gina heiraten. Und jetzt kommt es noch toller: Peter erzählt von "Charlie" (siehe erster Teil). Charlie ist nicht etwa sein Vater, sondern ein Freund. Seines Schwiegervaters. Der seinem Vater einst das Kapital für die Firma stellte.
Was, warum und wieso? Ist nicht weiter von Belang. Ich habe das Gefühl, irgendwann hat auch Gina Arnold die Übersicht verloren, wer hier mit wem…
Was macht die bessere Gesellschaft nach dem Ausritt? Tontauben schießen!
Und dann geht es auf den Schießstand – peng, du bist tot!
Tja, so schnell kann man sich vom Trailer täuschen lassen – die vermeintliche Actionszene entpuppt sich als Freizeitsport.
Ich habe die Vermutung, dass irgendwer im Freundeskreis Gina Arnold irgendwann gesteckt hat, dass ein Film nicht aus 90 Minuten schwülstigen Liebesschwüren und badischer Enthaltsamkeit bestehen kann, also schiebt sie nun komplett sinnfrei ein bisschen Drama ein.
Susi ist fort! Wo ist sie hin? Gina hat eine böse Ahnung:
"Oh mein Gott, hoffentlich ist Susi nicht allein an den Teich gegangen. Sie hat mich immer wieder darum gebeten, seit wir zum ersten Mal dort waren."
Und so packt sich Puffmuttern ihre Hunde und rennt busenwackelnd los:
Nach ein paar Minuten hektischer Handkamera im Wald stellt sich heraus – das Kind ist tatsächlich in einem Boot auf dem Wasser:
Was daran groß Drama sein soll? Keine Ahnung, aber ich hatte bereits erwähnt, dass Gina Arnold nur eine sehr sedative Definition von Spannung bedient. Sie wirft eine Hundeleine, damit Susi das Boot festbinden kann.
Es ist kaum zu übersehen, dass die Nussschale bestenfalls einen Meter vom Ufer entfernt dümpelt. Von tatsächlicher Gefahr keine Spur.
So, genug Aufregung für heute. Zeit für den versprochenen Theaterabend. Charlie und Erna sind dabei.
Peters Ehefrau lässt keinen Zweifel, aus welchem Holz sie geschnitzt ist:
"Besonders die Männer haben mir gefallen. Mich würde der jugendliche Liebhaber interessieren, du kennst ja meinen Geschmack."
Und auch bei der folgenden Party zeigt sie ausgiebig, dass ihr der Sinn nur nach Partys and Petting mit wechselnden Männerbekanntschaften steht:
Sinn und Zweck der Szenen ist comic-esk überdeutlich: Die Liebe von Gina und Peter hat ihre Berechtigung, weil Erna Peter nicht verdient. Und Gina ist der perfekte Gegenentwurf zu Erna – häuslich, familiär, aufopfernd, rein.
Charlie rekapituliert für Gina die Familiengeschichte von Erna: Vater verstorben, Mutter kränklich, kein Kindeswunsch.
Gina weiß das mit einem Kalenderspruch zu kommentieren:
"Ja Charlie, es gibt viele Menschen, die verwenden sehr viel Zeit darauf, die Aufmerksamkeit und Achtung anderer Leute zu gewinnen. Aber es gibt wenige, Charlie, die etwas tun, um Achtung vor sich selbst zu erringen. Glaube ich."
Peter kommt dazu und die Wildkatze möchte nun endlich wissen, warum Peter vor zehn Jahren die Kackbratze geheiratet hat. Es kommt zu einer unnötig verworrenen Erklärung samt Flashback, in der wir Peter mit seiner jüngeren Perücke sehen:
Kurioserweise ist Charlie in dieser Erinnerung schon ein alter Mann:
Von Ernas siechem Vater sehen wir nur die Zähne und die Nasenlöcher:
Ich fasse mal knapp zusammen: Peters Eltern sind früh bei einem Autounfall ums Leben gekommen. Ernas Vater Kurt war mal wieder ein "väterlicher Freund", diesmal der Mutter. Bei ihm wuchs Peter auf. Peter und Erna waren wie Geschwister. Dann starb Ernas Mutter. Als Kurt ihr auf das Totenbett folgte, übergab er die Aufgabe des "väterlichen Freundes" an Charlie und bat Peter, seine "Schwester" Erna zu heiraten. Da konnte Peter natürlich schlecht nein sagen.
What the hell? Seriously? Noch komplexer, blöder, und vor allem unnötiger konnte man das nicht konstruieren?
Wenigstens haben wir diesen Strang damit weitgehend durch, die Familienverhältnisse werden fürderhin nicht mehr von Bedeutung sein. Nach einer geschlagenen halben Stunde ist es vielmehr Zeit, den Krimi-Plot nochmal aufzuwärmen, der ungefähr so homogen in die Liebesgeschichte passt wie der Ausflug der kleinen Susi an den See.
Klausi schüttet im PLAYBOY die Alkoholika in den Pool, um einen höheren Verbrauch zu simulieren:
Er spielt ungefähr so glaubwürdig besoffen wie ich, wenn ich einen Witz erzähle, der mit "Kommt ein Besoffener in die Kneipe…" anfängt:
Der Masterplan geht auf! Gina und Poppy legen Klaus auf ein Sofa und verlassen ahnungslos das Etablissement.
Peter kündigt Charlie eine kurze Geschäftsreise nach Italien an. Bei der Gelegenheit versichert Charlie Peter, dass Kurt niemals verlangt hätte, dass er Erna heiratet, wenn er klar im Kopf gewesen wäre.
Peter gesteht, dass die Sache nicht so einfach ist, denn vor der Eheschließung mit Gina muss ja noch der Koitus vollzogen werden:
Um sich nicht von ihrem standesgemäßen Galan pimpern lassen zu müssen, flüchtet die Chefin des örtlichen Bordells lieber mit Salto in den Pool:
Ich gestehe: GINA WILDKATZE ist einer der verklemmtesten "Liebesfilme", die ich je gesehen habe. Im Kontext des Sittenspiels kannte ich so etwas bisher gar nicht.
An dieser Stelle springt der Zug der Zeit erneut völlig aus der Bahn: Klaus kann noch gar nicht im Club auf dem Sofa liegen, weil die nachfolgenden Ereignisse erst ein paar Tage später stattfinden. Aber das ist jetzt auch schon egal.
Augen auf, die Herren – mehr als dieses züchtige Bad in geschmackloser Deko bekommt ihr von Gina nicht zu sehen:
Doch nun endlich – Zeit für Krimi, Zeit für Spannung, Zeit für Äktschn! Die Pornoschnäuzer in illegaler Mission! Perfekt getarnt schleichen sie im hellen Tageslicht über ein Dach zum Hinterhof des PLAYBOY:
Drinnen pfui, draußen aber auch – im Hinterhof gibt es keine Müllabfuhr:
Ich hatte schon erwähnt, dass GINA WILDKATZE sich an keiner Stelle bemüht, plausiblen Druck aufzubauen. So müssen wir uns nun allen Ernstes erzählen lassen, dass Klaus' gesamte Aufgabe darin besteht, den Pornoschnäuzern die Hintertür zu öffnen.
Echt jetzt? Dafür haben sie gedroht, der kleinen Susi was anzutun? Damit hadert Klaus seit Wochen? Das ist das Risiko eines weiteren Mitwissers wert?
Alder, die Jungs sind PANZERKNACKER! Die werden gleich Mauerwerk durchbrechen und einen komplizierten Tresor öffnen! Die Tür zum Hof war ihr unüberbrückbares Hindernis, für das sie Klaus brauchten?!
Egal, es gibt Wichtigeres – Gina bekommt auf einem dieser antiken Telefone, die man sonst nur in Sexfilmen sieht, einen schockierenden Anruf, auch wenn ihr Gesichtsausdruck das nicht wirklich widerspiegelt:
Peter ist mit dem Wagen verunglückt! Ein Unfall mit einem LKW! Schwer verletzt! Krankenhaus! Womöglich letzte Ölung! Kommen Sie schnell!
Da lässt sich die Wildkatze nicht zweimal bitten und wirft sich in ihr wildestes Outfit, um ihrem Geliebten an die Seite zu eilen.
Das Problem: Luzern ist weit und jede Sekunde zählt! Was tun? Was tun?
Dachte ich eben noch, das Faux-Antiktelefon sei der perfekte Ausdruck für die Geschmacklosigkeit der 70er gewesen, muss ich das gleich zurücknehmen – wir haben Brokat!
Gina Wildkatze hat so wenig Probleme wie Gina Arnold, für ihre Zwecke einen kleinen Flieger zu organisieren. Wenn es um die Liebe geht, müssen die Vorschriften der Luftfahrt schon mal hintenan liegen.
Der Pilot wirkt ausnehmend zuverlässig und hätte damals sicher auch als Elvis-Imitator in der Provinz reüssieren können:
Hellsichtig dokumentiert GINA WILDKATZE derweil 14 Jahre vor dem Umbruch in der DDR den Mauerfall – und hier wie da ist nun der Weg zum Westgeld frei!
Dummerweise kommt Poppy dazu, die im Auftrag von Gina "schon mal die Kühlschränke anstellen" soll. Widerstand ist zwecklos!
Selbst die unfreiwillige Fesselung auf dem Sofa läuft für diese Sorte Film unangemessen gesittet ab.
Ich hätte mich amüsiert, wenn Poppy an dieser Stelle etwas gesagt hätte wie "das ist gar nichts gegen die Sachen, die ich sonst für die Freier machen muss".
Obwohl wir klare Sicht haben, lügt sich der Tower in Luzern was von "Sichtweite unter 50 Metern" zusammen und verweigert die Landung. Gina so:
Was eine echte Wildkatze ist, die greift entschlossen zum Fallschirm:
Ich hatte gehofft, nun tatsächlich (als Ausgleich? Entschädigung?) einen Absprung der drallen Perückenträgerin zu erleben, aber Pustekuchen – der Pilot lässt sich weichkochen und dreht die Maschine rasant gen Boden:
Klaus hilft mehr, als er muss, denn die Pornoschnäuzer haben es immerhin mit einem Garny zu tun – die Firma existiert heute noch:
Dann aber packt Klaus das schlechte Gewissen (und eine gewisse Zuneigung zu Poppy) – er bindet sie los und bringt sie in Richtung Ausgang:
No chance – Pornoschnäuzer ist ja nicht blöd (bzw. doch):
Man gönne sich den Dialog:
Pornoschnäuzer:
Wollt ihr etwa die Kurve kratzen? Bleibt gefälligst stehen!
Klaus:
Ich, ich wollte sie nur mal schnell zur Toilette bringen.
Pornoschnäuzer:
Kommt wieder runter. Dann soll sie sich eben in die Hose machen. Klaus, hast du meine Pistole gesehen?
Klaus:
Ja, sie hat dort unten auf dem Sessel gelegen. Ich habe sie eingesteckt.
Pornoschnäuzer:
Okay, dann fessel sie wieder. Und komm danach gleich runter und hilf uns tragen. Wir müssen vor dem nächsten Kontrollgang verschwunden sein.
Na also, man kann Probleme doch wahrlich auch ohne Gewalt lösen!
Klaus, der bisher keinerlei "special skills" bewiesen hat, entlädt Pornoschnäuzers Waffe schnell und professionell:
Poppy schafft es zwar nicht zur Tür raus, kann aber die Errungenschaften moderner Telekommunikation nutzen, um die Bullen zu rufen.
Bezeichnenderweise flüstert sie hier was vom "Gina-Club", nicht vom PLAYBOY.
Die Pornoschnäuzer wollen nun langsam den Abgang machen:
Poppy versteckt sich kongenial im Pool hinter aufblasbarem Spielgut:
Die Pornoschnäuzer können es kaum fassen – ausgetrickst von einer Blondine?!
Zu niemandes Überraschung ist das Versteck von Poppy eher so mittel und in Nullkommanix hat sie einen Pornoschnäuzer am Hacken:
Klaus kommt dazu, sieht die Gewalt, die seiner "Freundin" angetan!
Was nun? Ist es sein "popeye point", wird er nun zum Mann, beweist er seine Eignung als Lover und Fighter?
Ääähhh… nein. Er dreht sich weg und murmelt "oh je, arme Poppy".
Das ist aber nur noch zweiten Ranges, denn tatü tata, die Ordnungsmacht ist da:
Die Pornoschnäuzer ahnen es – sie haben die Arschkarte gezogen. Da hilft nur noch "Geisel nehmen und Weg freischießen", als wäre es BLUTIGER FREITAG.
Werden die Bullen sich bluffen lassen? Gibt es ein Blutbad? Ein Happy End für Poppy und Klaus? Gerechte Strafe für die Pornoschnäuzer?
Wie alles in diesem Film lautet die Antwort… meh. Klaus brüllt, dass eine der Pistolen entladen ist und Pornoschnäuzer ist daraufhin so wütend, dass er mit Klaus eine Rauferei beginnt, die von den Polizisten schnell unterbunden wird.
Auf dem Schulhof meiner Gesamtschule ging es erheblich dramatischer zu.
Poppy kümmert sich aufopfernd um den gerade mal angekratzten Klaus, was dem Film die Gelegenheit gäbe, deren bisher nur implizierte Zuneigung auf ein höheres Level zu hieven. Aber nein, Klaus bittet Poppy nur, dass sie seine Tochter weiterhin in der Obhut von Gina lässt, während er im Knast vor sich hin modert.
Mal abgesehen davon, dass Klaus als Erpressungsopfer bei diesem Magermilch-Coup vermutlich mit Bewährung davon kommt, halte ich es für sehr unwahrscheinlich, dass ein Gericht das Sorgerecht eines kleinen Mädchens nicht der leiblichen Mutter, sondern einer stadtbekannten Animierdame zuspricht.
Und damit ist Klaus raus.
Wir rekapitulieren: Der B-Plot mit dem Bankeinbruch hatte null mit der Liebesgeschichte von Gina und Peter zu tun und diente ausschließlich dazu, die Laufzeit zu strecken und ein wenig Äktschn zu liefern.
Gina hat derweil den Piloten genötigt, irgendwo auf einer Wiese in der Nähe von Luzern zu landen, weil der Flughafen weiter zickte:
Brav, wie sie nun einmal ist, bedankt sich Gina beim Großgrundbesitzer Dr. von Bergen, der sehr augenscheinlich ein Freiburger Bekannter ist, dem Gina einen Auftritt in ihrem Film versprochen hatte:
Wie alle Personen in diesem Film mag er dem verdienten Glück nicht im Weg stehen und leiht Gina sogar seine Luxuskarosse:
"Nun, Liebenden muss man ganz einfach helfen."
Endlich, ENDLICH ist Gina am Krankenbett des platonisch Geliebten! Der Doktor versichert ihr, dass Peter an einer Variation des "Seifenopern-Siechtums" leidet, bei dem man schnieke aussieht und an keine Geräte angeschlossen werden muss. Außerdem kann man aus dem tiefsten Koma erwachen, wenn die Liebe winkt.
Und natürlich reicht ein zartes Wort von Gina (bzw. der vermutlich bestialische Gestank ihrer Halbliter-Flasche Parfüm), um Peter ins Leben zurück zu holen:
Nicht nur stimmt Gina nun endlich der Eheschließung zu, sie schwört auch dem liderlichen Lebenswandel ab:
"Mit den Partys ist jetzt Schluss. Je mehr wir allein sein können, desto lieber ist es mir."
Auch Matratzensport wird nun in Aussicht gestellt:
"Ich kann es kaum mehr erwarten, Peter. Wir haben so unendlich viel nachzuholen."
Die eher entspannt herbei schlendernde Erna hört vom jungen Liebesglück und sieht ein, dass sie keinen Pokal mehr gewinnen kann:
Ich schätze mal, ihr nächster Weg führt vom Krankenhaus direkt zum Scheidungsanwalt, um Peter ordentlich bluten zu lassen.
Auch Charlie schaut noch einmal stickum vorbei:
Während Gina unter Tränen (wäre Gina denn zu solchen fähig) verspricht "ich werde dir immer eine gute und liebende Frau sein", freut sich der alte Zausel aus dem Hintergrund:
"Na, wer sagt’s denn? Jetzt wird unsere Firma doch noch einen Juniorchef bekommen und ich werde Großvater."
Laut meinen Notizen bist du nur der "väterliche Freund". Nix Großvater, du dementer Hornochse! Und den Nachwuchs als zwangsläufig anzusehen, ist auch nicht die feine englische. Scher dich weg!
ENDE
Okay, das war ja mal… was. Es war was. Aber WIE war es? Wer weiß das schon?
GINA WILDKATZE ist, wie ich vorab schon vermutet hatte, eine totale Nebelkerze. Er verspricht viel und hält wenig. Kein Kolportage-Reißer wie die Hamburg-Filme von Jürgen Roland, kein Enthüllungs-Report aus dem Rotlichtmilieu. Stattdessen eine holperig erzählte Liebesgeschichte, der es an keiner Stelle gelingt, ihre Nachkriegs-Ideale mit der Swinger-Realität der 70er unter einen Hut zu bringen.
Der von der Macherin versprochene "Sex, der nicht zu kurz kommt" ist schlicht nicht vorhanden. Nicht einmal im Kontext des Bordells wird Geschlechtliches angedeutet. Im Rahmen dieses Genres sollte Sex eine billige Währung sein – hier ist er ein Versprechen, das den Ehering voraussetzt.
Man spürt in jeder Sekunde, dass Gina Arnold versucht, ein vergoldetes Bild ihrer öffentlichen Persona zu zeigen und eine verlogene "Moral" zu verteidigen, nach der sie sich im wahren Leben vermutlich gesehnt hat. Sie ist alles, nur keine Wildkatze. Eine Puffmutter, die erst vor den Altar treten will, bevor sie ins Bett steigt. Das ist auf gewisse Weise so traurig wie verzweifelt.
Auch in technischer Hinsicht ist GINA WILDKATZE ein Armutszeugnis. Aber klar, wo soll ihre filmische Expertise auch hergekommen sein? Als Autorin, Regisseurin, Produzentin und Hauptdarstellerin konnte sie sich auf jeder Ebene alles durchgehen lassen – inklusive des permanent überfordert wirkenden "Schauspiels".
Schade eigentlich, hatte GINA WILDKATZE doch alle Elemente beisammen. Wäre man eher dem Trailer gefolgt, hätte man die Liebesgeschichte und den Bankraub besser verknüpft, hätte man Klaus eine tatsächliche Läuterung mit Poppy gegönnt – da wäre was gegangen. So aber bleibt der Film primär für Freunde des Abseitigen reserviert.
Was GINA WILDKATZE hochgradig sehenswert macht, ist seine ungeschminkte Rückschau in die Provinz der 70er. Wo die LISA-Filme der Ära schon das urbane, sexuelle befreite Disco-Deutschland feiern, steckt GINA WILDKATZE noch zu 100 Prozent im Wirtschaftswunder der Nachkriegsjahre fest. Die Herren bedienen sich der Damen, Anstand ist Äußerlichkeit. Man zeigt, was man hat – schwere Ringe, schwere Stoffe, schwere Schrankwände. Gold ist die Farbe, Marmor der Stein. Zitternde Finger greifen unablässig nach Zigaretten und Whiskygläsern. Ekliger Protz ohne Charme.
Das Ziel ist nicht die Liebe – das Ziel ist die Ehe, der Nachwuchs, der Hausstand. Soweit ich weiß, hat Gina Arnold nichts davon erreicht.
Wenn man Trash als die Diskrepanz von Anspruch und Ergebnis definiert, dann ist GINA WILDKATZE ganz großartiger Trash im Gegensatz zu den Filmen der LISA, die nichts leisten wollen und deshalb nichts leisten müssen.
Ich lege mich jetzt mal fest: Die nächste Fotostory wird eine Reise in die Vergangenheit der Zukunft, mit Siff und Beton, aber auch mit Anspruch. Wetten auf den Titel werden angenommen!
Lieber Wortvogel, vielen Dank für die Vorstellung dieses mal wieder höchst unterhaltsame und interessanten Filmverbrechens. Wie hast du diese Perle denn gefunden? Und wurde der Film auch ausserhalb Freiburgs in westdeutschen Kinos gezeigt?
Siehe die Kommentare zum ersten Teil. Nein, der Film wurde wohl nach der Premiere komplett auf Eis gelegt, bis Gina Arnold starb.
stimmt, gesehen. Hat ja auch ein Schlingel digitalisiert. Rein technisch gesprochen ist das durchaus professionell gefilmt und ausgeleuchtet, und gut nachvertont.
einfach auf YT nach dem Titel suchen. ist dort seit Monaten online.
Vergangenheit der Zukunft mit Siff und Beton und "Anspruch" … kommt nun vielleicht "Der Apfel"?
Ich tippe auf etwas in Richtung Das kleine Fernsehspiel… Kamikaze 1989 vielleicht, oder Decoder…
Ich harre gespannt der Dinge die da kommen!