Aus Archiven gerettet: Deutsche Science Fiction unserer Väter (3)
Themen: Film, TV & Presse, Neues |Ich will mich ja nicht selber loben, aber es ist mir zu meiner großen Zufriedenheit gelungen, ungefähr die Hälfte der Filme auf der Liste zu lokalisieren. Viele trieben sich unbeaufsichtigt auf YouTube herum, andere gab es in Newsgroups oder bei einer der freien TV-Plattformen wie Tubi und Pluto.
Ausgelassen habe ich natürlich die Filme, die nie obskur oder verschollen waren wie DAS ARCHE NOAH-PRINZIP, OPERATION GANYMED und KAMIKAZE 1989.
1. April 2000 (1952)
Es ist der 1. April 2000 und die frisch gewählte Regierung wird durch die Hohen Kommissare angelobt. Nach unzähligen, ergebnislosen Verhandlungen mit den alliierten Siegermächten über die Unabhängigkeit Österreichs innerhalb der letzten 55 Jahre fordert der österreichische Ministerpräsident seine Landsleute auf, ihre viersprachigen, von den Alliierten ausgegebenen Personalausweise zu zerreißen, um ein Signal zu setzen. Österreich wird daraufhin von den Alliierten vor dem Weltgericht des Bruchs des Weltfriedens angeklagt.
Der vielleicht erste österreichische SF-Film, als Kulturkomödie angelegt:
Algol – Tragödie der Macht (1920)
Robert Herne ist ein Hauer in einer Kohlegrube. Eines Tages stößt er während der Arbeit in der Grube des Kohlebergwerks auf einen in Bergarbeiterkluft gekleideten kleinen Außerirdischen vom Planeten Algol. Dieser offenbart ihm das Geheimnis der Algolwellen und gibt ihm eine kleine Maschine, die diese vom Algol-Stern ausgehenden Wellen in Energie verwandelt. Herne hat nun eine unerschöpfliche Energiequelle in der Hand.
Die zeitgenössische Kritik lobte insbesondere die Dekorationen Reimanns und Graatkjaers Kameraarbeit. Der Film komme jedoch in einer seltsamen Mischung von Realistik und Phantastik daher.
Alraune (1952)
Der junge Medizinstudent Frank Braun verliebt sich in Alraune, die angebliche Tochter seines Onkels Professor ten Brinken. Als sein Onkel von der Beziehung erfährt, offenbart er seinem Neffen, dass Alraune kein natürlicher Mensch, sondern das Produkt eines wissenschaftlichen Experiments sei, bei dem die Erbanlagen eines Doppelmörders und einer Prostituierten gekreuzt worden seien.
Ein mehrfach verfilmter Klassiker, den sowohl Robert Sigl als auch ich selber seit Jahren gerne neu auflegen würden:
Automärchen (1983)
Autoschlosser Ali Kuslowski glaubt, dass zahlreiche Unfälle in seiner Werkstatt durch übernatürliche Dinge verursacht worden seien. Sein Vorgesetzter Kalle Sengebusch hält Ali für einen Spinner und will unter anderem deswegen verhindern, dass seine Tochter Ina sich weiterhin mit Ali trifft.
Die zeitgenössische Kritik stellte fest, dass Regisseur Stranka mit dem Film zwar „das poetisch-phantastische Element in unsere sonst meist rationale Lustspiel- und Komödiantenlandschaft eingepflanzt“ habe, er jedoch scheinbar Angst vor der eigenen Courage bekommen habe und vieles nur halbherzig angegangen wurde.
Begegnung im All (1963)
Das Raumschiff einer außerirdischen Zivilisation will die Erde besuchen und muss aufgrund eines technischen Defekts auf dem Mars notlanden. Eine irdische Hilfsexpedition verliert bei der Rettung ein Besatzungsmitglied. Schließlich stellt sich heraus, dass die ganze Handlung ein Traum Tanjas ist, die Kosmonautin werden möchte.
Ja ja, kein deutscher Film, aber einige Ausreißer seien mir erlaubt.
„Wenig unterhaltsamer Science-Fiction-Film“ (Filmdienst)
Besuch bei Van Gogh (1985)
Im 22. Jahrhundert stellt die Ärztin und Professorin auf dem Spezialgebiet der Neuroendokrinologie Marie Grafenstein fest, dass fast alle ihrer Freunde und Bekannten an der atmosphärischen Staubkrankheit gestorben sind. Das ist für sie der Anlass, der Ursache auf den Grund zu gehen, wozu sie ein Labor und jede Menge an Energieeinheiten benötigt. Bei der Beschaffung soll ihr der alte Freund Amadeus Bergk helfen. Ihm kommt die Idee, Marie mittels einer Zeitschleife, die seit 20 Jahren verboten ist, in das Jahr 1896 zu schicken.
Ein deutscher Science Fiction-Film des DEFA-Studios von Horst Seemann, frei nach der Erzählung VINCENT VAN GOGH von Sewer Gansowski.
Direkte Verlinkung nicht möglich, Film hier.
Der Herr vom anderen Stern (1948)
Der Herr vom andern Stern reist durch den Weltraum, allein durch Konzentration. Als er an der Erde vorbeikommt, wird seine Konzentration gestört und er muss landen. Bei seiner Landung fällt er gleich der Polizei ins Auge. Die Polizisten möchten seinen Ausweis sehen, doch er besitzt keinen, also gehen sie mit ihm auf das Amt. Dort wird er von der einen Stelle an die andere weitergeleitet, denn man hält ihn für gefährlich, weil er Gegenstände verändern oder verdoppeln kann.
Rühmanns erster Nachkriegsfilm.
"Ein betulicher Unterhaltungsfilm von gedämpfter Heiterkeit, an dem allenfalls viel guter Wille, der Mut zur Improvisation und das humane Engagement positiv zu vermerken sind." (Filmdienst)
Der Unsichtbare (1987)
Eine deutsche Filmkomödie aus dem Jahre 1987 mit Klaus Wennemann, Barbara Rudnik und der Sängerin Nena (!) in den Hauptrollen.
Benjamin, ein Mann mittleren Alters, der als Gastgeber einer Fernsehtalkshow Erfolg hat, ist zum zart besaiteten Stadtneurotiker und Nervenbündel geworden. Denn seit sein viel gereister Onkel Josef gestorben ist und ihm eine geheimnisvolle Mütze hinterlassen hat, ist Benjamins Leben komplett aus der Bahn geraten. Die karierte Kopfbedeckung macht eigentlich nicht viel her, aber sie verfügt über magische Kräfte. Einmal auf den Kopf gesetzt, macht sie den Träger schlagartig für seine Mitmenschen unsichtbar.
Nenas zweite und letzte Hauptrolle, immer mal wieder als Kandidat für eine Filmverbrechen-Fotostory angedacht:
Die letzte Rache (1982)
Produktbeschreibung bei Amazon:
DIE LETZTE RACHE erzählt die abenteuerliche Geschichte des Welt-Kenners, eines Glücksritters, der in den Dienst des alternden Herrschers tritt, um für ihn einen Nachfolger zu suchen. Der Welt-Kenner findet keinen würdigen Erben und gerät in Versuchung, selbst nach der Macht zu greifen.
DIE LETZTE RACHEhatte 1982 als "Kleines Fernsehspiel" im ZDF Premiere und erlangte bald Kultstatus unter Filmkennern in ganz Europa, Japan und den USA. Auch in den folgenden zwei Jahrzehnten verlor der Film nicht an Anziehungskraft und kam immer wieder in Arthouse-Kinos zur Aufführung. Die außergewöhnliche Mischung aus expressionistischem Figurendrama, Comic, Film Noir und Pop-Musical macht das Spielfilm-Debut von Rainer Kirberg bis heute zu einem stilistisch einzigartigen Werk des deutschen Films.
Das kann man für verquasten und verkünstelten Quatsch halten, aber eine starke Bildsprache ist dem Film nicht abzusprechen. Macht euch selber ein Bild:
Die Nackte und der Satan (1959)
Nachkriegsklump der erfreulich trashigen Art, auch als DES SATANS NACKTE SKLAVIN und in den USA als THE HEAD vermarktet.
Dr. Ood trennt den Kopf eines genialen Professors vom Körper, so dass er fortan in Nährflüssigkeit auf dem Labortisch von einem Apparat am Leben gehalten zusehen muss, wie sein Kollege Gott spielt und einer buckligen Krankenschwester den Körper einer leichtlebigen Striptease-Tänzerin gibt.
Die stählerne Stadt (1979)
Von der Webseite fernsehserien.de:
Zwei Wissenschaftler nutzen ihr geerbtes Vermögen unterschiedlich. Der eine entwirft eine moderne Stadt für 50.000 Einwohner namens „Fortuna“, der andere baut eine Stadt aus Fabriken, die als „stählerne Stadt“ bekannt wird.
15 Jahre nach Gründung der Städte flieht ein Mann aus der stählernen Stadt und will sich über den Grenzfluss retten. Dabei wird er angeschossen und verblutet. Seine letzten Worte geben den Ärzten Rätsel auf: „Das Eis ist da. Es wird euch alle vernichten."
Ich könnte schwören, das Poster schon als Gruselroman-Cover gesehen zu haben:
Die Stunde des Skorpions (1968)
STUNDE DES SKORPIONS ist ein Science-Fiction-Fernsehfilm in drei Teilen des Deutschen Fernsehfunks DFF und wurde im DEFA-Studio für Spielfilme produziert. Literarische Vorlage war der Roman DIE UNSICHTBAREN von Günther Krupkat.
Glint, der Staatspräsident eines überseeischen demokratischen Staates, wird mit einer Strahlenpistole umgebracht. In dem namentlich nicht genannten Staat lebt der ehemalige Konzernchef Barry Vanderbrook. Er führt eine Organisation, die den Sozialismus bekämpft, um wieder kapitalistische Verhältnisse wie vor der Oktoberrevolution 1917 herzustellen.
Ästhetisch und akustisch lehnt sich der Film deutlich an die westdeutsche Fernsehserie RAUMPATROUILLE an, die zwei Jahre zuvor ausgestrahlt und 1968 wiederholt wurde. Dies wird besonders deutlich bei einer Tanzsequenz, bei der sich die Paare zu elektronischer Musik bewegen und die an die Tänze im Starlight-Café erinnern. Die IKOM weist Parallelen zum Galaktischen Sicherheitsdienst GSD der Raumpatrouille auf.
Den Dreiteiler kann man auf YouTube relativ preiswert digital "ausleihen".
Ein großer graublauer Vogel (1970)
Von Filmportal.de:
Thomas Schamoni erzählt in seinem mit großem Aufwand vorbereiteten Regiedebüt eine komplex konstruierte, rätselhaft bleibende Geschichte um eine "Weltbeherrschungsformel". Der Dichter Tom-X trifft den Landstreicher und ehemaligen Wissenschaftler Belotti, der die Formel mit vier Kollegen entwickelt hat. Sie wurde laut Belotti in einem Gedicht verschlüsselt, von dem er jedoch nur einen einzigen Vers kennt. Als Belotti kurze Zeit später ums Leben kommt, macht sich Tom-X auf die Suche nach den vier anderen Wissenschaftlern. Außer ihm scheinen noch zahlreiche Agenten dem Geheimnis der Formel nachzujagen. Ob es sich dabei nur um Ausgeburten der poetischen Einbildungskraft von Tom-X handelt, bleibt allerdings ungewiss.
Ein Mann geht durch die Wand (1959)
Herr Buchsbaum ist ein kleiner Steuerbeamter 3. Klasse. Als es bei ihm in der Wohnung einen Kurzschluss gibt und die ganze Wohnung dunkel ist, versucht er, die Tür zu finden, um dem Hausmeister Bescheid zu sagen, allerdings steht er plötzlich im Treppenhaus und stellt fest, dass er durch Wände gehen kann. Er sucht deswegen einen Arzt auf, von dem er aber nur Tabletten bekommt.
"Am Beispiel eines Mannes, der auf einmal durch alle Wände gehen kann, erteilt der Film eine kleine Lektion in Überwindung der Unzufriedenheit."
(Der Evangelische Filmbeobachter)
Friedliche Tage (1984)
Von der "Edition Filmmuseum": "Friedliche Tage ist ein Versuch, Orwell zu aktualisieren. Regisseur Blank zeigt lauter Bundesbürger, die längst "den Sieg über sich selber" errungen haben und den Großen Bruder lieben. Bei Blank wird hingerichtet, wer zu Kreuze kroch. Amnestie erhalten die Aufsässigen. Zu ihnen gehört Hanna Rinkes. Als Kern in ihre Zelle kommt, versucht sie ihn zu verführen. Traurig zeigt sie ihm einen Busen her. Die Kamera verfolgt Kerns Hand, wie sie auf Hanna Rinkes Brust zufährt. Schnitt. Kern schlägt zu. Schnitt. Katharina Thalbachs Gesicht ist naß von Tränen, aber dann beweist sie, daß sie zu Unrecht verhaftet wurde. Noch in der tiefsten Demütigung bleibt sie selbstbewußt."
In einer Newsgroup als TV-Rip gefunden, deshalb kein Link.
Hat den Max Ophüls-Preis gewonnen, ist also trotz Busen kunstverdächtig.
Ich hätte es selber nicht gedacht, aber das recherchierte Material reicht tatsächlich noch für einen üppigen vierten Teil. Durchhalten!
…ist also trotz blanken Busen kunstverdächtig.
Dieses billige Wortspiel kann ich mir nicht verkneifen.
Meine Erinnerung hat mich nicht getäuscht, die stählerne Stadt wurde schon mal bei Badmovies besprochen:
https://badmovies.de/reviews/das-geheimnis-der-staehlernen-stadt
Ich möchte hier noch "Die Bombe" aus dem Jahr 88 in den Raum werfen, bzw auf den Hamburger Markt stellen:
https://youtu.be/ADssK9pBlUo
Vielen Dank für den Hinweis! Den Film suche ich schon ewig. Ich hatte ihn damals geschaut, immer mal wieder danach gesucht und aufgegeben. Außerdem suche ich noch "Ich will leben" von 1990 mit Robert Atzorn von Wolf Gremm, darin geht es um Unsterblichkeit. Ich erinnere mich kaum mehr an Details.
Nach etwas mehr Recherche ist "Ich will leben" nur die Fortsetzung von "Dem Tod auf der Spur" von 1988. Den suche ich. Laut IMDb soll er nur 42 Minuten lang sein, das stimme wohl nicht. Bei Ziegler Film wird als Produktionsjahr 1986 und Laufzeit 95 Minuten angegeben.
Wieder sehr spannend zu lesen. Danke dafür!
Fällt die tschechische Jules-Verne-Adaption "Das Geheimnis der stählernen Stadt" nicht etwas aus dem Rahmen? Neben mehreren TV-Ausstrahlungen kann ich mich an Erscheinungen auf DVD (unter anderem in Sammelboxen mit Jules Verne-Verfilmungen) erinnern. Mir blieb er nach einer Sonntagnachmittag-Ausstrahlung in der ARD wegen seines etwas beklemmenden Endes in Erinnerung. Und auf badmovies.de gibt es sogar eine Besprechung von Doc Acula persönlich.
Fällt die Jules-Verne Verfilmung "Das Geheimnis der stählernen Stadt" hier nicht ein wenig aus dem Rahmen? Ich habe sie noch von der TV-Ausstrahlung an einem Sonntagnachmittag in der ARD wegen ihres beklemmenden Endes in Erinnerung. Es gibt DVD-Veröffentlichungen, sicher auf Grabbeltischniveau oder in Jules-Verne-Sammelboxen, aber ich denke, diese tschechische Adaption ist Kindern der 70er/80er ganz gut bekannt.
Ich habe mir da keine strengen Regeln gesetzt.
Nitpicking nervt, ja, aber es ist kein Cafe, sondern das Starligjt-Casino
Den Rühmann, der durch die Wand geht, hab ich mal in Fernsehen gesehen. Ganz niedlich, aber typisch nervender Rühmann, kleiner Mann, ganz groß, bitteschön, Beifall heischend umherschauend.
Vielen Dank für die interessante Auflistung! An manchen Film davon kann ich mich recht gut erinnern – erstaunlicherweise. "Das Geheimnis der stählernen Stadt" habe ich erst vor ein paar Jahren auf einem uralten VHS-Tape gesehen. Den Film hatte ich in den Achtzigern aus dem Fernsehen aufgenommen. Ich finde, der Film ist recht gut gealtert und hat mir immer noch gefallen.
das geheimnis der stählernden stadt habe ich oft in den ferien in den ferienprogrammen der ost-berliner kinos gesehen – hatte mir sogar extra das buch dazu gekauft (Die 500 Millionen der Begum). in den zeltplatzkinos kam das auch meist zusammen mit den beiden kassiopaia-filmen und dem amphibienmann
Genau, den Roman hatte ich mir danach auch besorgt, ich erinnere mich noch, da waren – anders als im Film – die Erben des Vermögens keine ungleichen Brüder, sondern ein französischer Philantrop, der eine utopische Stadt baut und ein deutscher Technokrat, der mit Waffenfabriken die Welt erobern will. Verne hatte es mit den nationalen Eigenheiten, so wie Phileas Fogg der spleenige Engländer ist, ist der Deutsche (zumindest hier) extrem preussisch-militaristisch und eroberungsversessen.