Kino Kritik: FROM THE WORLD OF JOHN WICK: BALLERINA
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Offizielle Synopsis: Nach dem Tod ihrer Eltern wird die junge Eve Macarro vom Continental-Manager Winston in die Obhut der Verbrecherorganisation Ruska Roma gegeben. Unter der Aufsicht der strengen Direktorin wird sie dort zur Auftragskillerin ausgebildet, um sich an den Mördern ihrer Eltern rächen zu können.
Kritik: Ich gestehe – ich bin überrascht. Ich hatte nicht damit gerechnet, dass es den JOHN WICK-Spinoff BALLERINA wirklich geben würde. Ich habe in den 90ern nicht an den CATWOMAN-Film mit Michelle Pfeiffer geglaubt, in den 2000ern nicht an den BOND/JINX-Spinoff von Halle Berry. Solche Projekte werden ja immer gerne mal geteasert, meistens wenn es darum geht, hochkarätige Schauspieler/innen für einen Film zu ködern, der ihnen dann als Sprungbrett für ein Solo-Abenteuer dienen soll. Es lässt sich mutmaßen, dass Halle Berry auch bei JOHN WICK 3 als potenzieller Spinoff-Charakter eingeführt wurde.
Aber Berry ist "old news", Ana de Armas momentan das It-Girl Hollywoods. Wie hoch ihr Marktwert eingeschätzt wird, kann man auch gut daran ablesen, dass sie schon während der Produktion ihren Einfluss geltend machte:
"Ihr Beteiligung am Film machte de Armas auch von der Bedingung abhängig, eine weibliche Autorin verpflichten zu dürfen, die das Drehbuch noch einmal überarbeiten sollte."
Das unterstellt natürlich wieder mal, dass Frauen Frauen besser schreiben können als Männer – eine These, deren Umkehrung ebenso selbstverständlich zurückgewiesen und die auch hier nicht belegt wird: Nichts an BALLERINA – das sei schon mal verraten – hat einen spezifisch "weiblichen Touch".
Ursprünglich war BALLERINA kein Spinoff von JOHN WICK, sondern ein eigenständig entwickeltes Drehbuch, das nach dem Einkauf in die Franchise eingepasst wurde. Es lässt sich gefahrlos unterstellen, dass man es für sicherer hielt, sich an die Rockzipfel einer etablierten männlichen Franchise zu hängen, statt nur auf die Zugkraft einer neuen Figur zu setzen (wie z.B. ATOMIC BLONDE von JOHN WICK-Ko-Erfinder David Leitch).
Auch dafür gibt es Vorbilder – so war HELLRAISER: INFERNO angeblich ebenso wenig als Franchise-Film geplant wie SIMON SAYS, der als DIE HARD WITH A VENGEANCE in die Kinos kam. Dem Vernehmen nach ist sogar SAW 2 aus einem Non-SAW-Drehbuch entstanden.
Und schließlich: BALLERINA ist wohl die erste größere Hollywood-Produktion, die seit dem Ausbruch des Ukraine-Krieges in Russland anläuft. Ich kenne die genaueren Umstände nicht, sage aber mal unter Vorbehalt: pfui.
Letztlich alles nur Schall und Rauch. Am Ende ist BALLERINA ein JOHN WICK-Spinoff, das irgendwo im Umfeld des dritten JW-Films angesiedelt ist, was die notwendige Beteiligung von Keanu Reeves ermöglicht und eine Art Staffelübergabe an die neue Hoffnungsträgerin der Franchise darstellt.
Und ja, es ist ein definitiv ein Film aus dem JOHN WICK-Universum – permanente Nacht, neonbesoffene Bilder, Geheimorganisationen mit abstrusen Hausordnungen an allen Ecken und Enden, spektakuläre Shootouts und Fights, von keiner Realität eingeschränkt und keine solche vortäuschend. Eine verquaste, fast religiöse Mythologie bestehend aus pervertierten Vorstellungen von Loyalität, Verdammnis und Erlösung. Spirituelles Actionkino im Synthwave-Look.
Ana de Armas mag nicht billig und nicht einfach zu handhaben sein – aber sie liefert mit hohem körperlichen Einsatz und viel Entschlossenheit eine überraschend solide Performance als Actionheldin, der wir fast abnehmen, dass sie im Kampf gegen erfahrene Profi-Fighter wie Daniel Bernhardt bestehen könnte.
Dabei macht BALLERINA nicht den Fehler, JOHN WICK in seiner mittlerweile fast komplett auf CGI setzenden Hyperchoreographie übertreffen zu wollen – die Stunts sind diesmal wieder erheblich hausgemachter und teilweise schmerzhafter.
Inhaltlich ist das eine Abfolge von Action-Beats an wechselnden Schauplätzen und keine ernsthafte Story, deren roten Faden oder Beteiligte man sich merken müsste. Ich habe exakt EINEN Satz und EINE Szene für wirklich erinnerungswürdig abgespeichert, die auf ein ursprünglich deutlich düsteres Weltbild der Ballerinas hindeuten ("I am you – in ten years").
Davon abgesehen: you buy JOHN WICK, you get JOHN WICK. Das hier wird niemanden bekehren, aber auch keine Fans der Franchise verprellen. Ein paar bekannte Gesichter tauchen auf, ein paar vertraute Namen werden erwähnt, und der Rest wird mit exotischen Drehorten und knochenbrechenden Fights aufgefüllt.
Zwei, drei Niggeligkeiten vielleicht. Die Inszenierung von Keanu Reeves als Action-Jesus wird langsam cringe. Die Darstellung des Touristenortes Hallstatt als sehr künstlich verschneites Killer-Hauptquartier kippt den Film vom Artifiziellen ins Alberne. Und schließlich: Bei der fast obligatorischen Schießerei im pumpenden Nachtclub scheint man die NPCs nicht ordentlich programmiert zu haben – die zappelnden Statisten reagieren null auf das Feuergefecht um sie herum. Das ist entweder ein Meta-Kommentar, den ich nicht verstanden habe, oder miserable Regie, die bei Len Wiseman eigentlich auszuschließen ist.
Insgesamt kann ich zumindest für mich konstatieren, dass ich ziemlich WICK-müde bin. Nach dem fulminanten ersten Teil hätte man es gut sein lassen sollen. Aber das Geld folgt dem Geld und deshalb ist selbst mit dem Tod (?) der Hauptfigur nicht davon auszugehen, dass man die Franchise in Frieden ruhen lässt. QED.
Ich gestehe, dass ich mit Ana de Armas lieber FROM THE WORLD OF JAMES BOND: PALOMA gesehen hätte.
Fazit: Eine unterhaltsame, saubere Kopie der bekannten JOHN WICK-Standards, deren weibliche Hauptdarstellerin keine nennenswert weibliche Perspektive einbringt und die eher wie ein Netflix-Spinoff als wie ein Kino-Blockbuster wirkt.
Kleiner Spoiler: Ich bin begeistert, dass die Macher die Inspiration durch LA FEMME NIKITA nicht nur eingestehen, sondern dieser auch im Cast huldigen.
Ich war tatsächlich nach Wick Teil 3 wirklich raus.
Teil 2 hatte mich tatsächlich gelangweilt, die minutenlangen Choreografien fand ich einschläfernd.
Von daher – vielleicht gucke ich den mal auf einen verregneten Sonntag
Bei mir war’s Teil 4. Den hab ich zur Hälfte geschaut und dann entschieden, daß mir das zu blöd, fad und selbstverliebt ist. Und Keanu Reeves bewegte sich in Teil 4 tatsächlich so, als ob er 60 wäre.
Ich habe ihn komplett durchgestanden, aber nicht genossen. Die Action war zu ausgewalzt, der blinde Attentäter einfach nur albern und das Ende war wirklich der Tiefpunkt der Reihe. Teil eins war phantastisch, Teil zwei baute es gut aus, Teil drei punktete durch aufwendige Action, auch wenn das Wordbuilding immer unplausibler wurde, Teil vier hätte ich mir im Nachhinein wohl erspart. Irgendwo hat mich Reeves dreimal enttäuscht – Matrix 4, Wick 4 und Bill&Ted 3 waren alle deutlich schlechter als erwartet.
Hat mir besser gefallen als dir, zähle aber halt auch zu den von dir erwähnten Fans des Franchise. Hab auch das mit Hallstatt abgefeiert; passte für mich perfekt zu der leicht (?) entrückten Parallelwelt von John Wick. Und Ana de Armas ist ohnehin immer sehenswert.
Wo ich dir aber zustimme: Ein Paloma-Spinoff wäre mir ebenfalls noch lieber gewesen.
PS: Genau genommen wird Nikita ja sogar doppelt Tribut gezollt, dank Gabriel Byrne aus den US-Remake.
Mein Problem war nicht Hallstatt, sondern der verkrampfte Versuch, es verschneit aussehen zu lassen.
Das kam bei mir tatsächlich so nicht an, für mich lag der Schwerpunkt im Satz auf "Killer-Hauptquartier" statt "künstlich verschneit". Bei dem Punkt gebe ich dann auch recht, wobei es mir im Film selbst nicht negativ aufgefallen ist.
Ich mag ja Ana des Armas sehr.Aber warum trägt sie ausgerechnet eine John Wick-Gedächtnis-Mittel-Scheitel-Frisur in dem Film.
Geht gar nicht für meinen Geschmack.
Der Deeehwi glaubt also nicht an starke Frauen, sososo.
Mit etwas mehr Ernst: Das ist, glaube ich, die erste Film-Kritik, die ich von dir lese, an deren Ende ich wirklich absolut nichts über die Handlung weiß ('offizielle Synopsis' ignoriere ich immer – deine meisten Kritiken fangen ja eh mit "Der Synopsis-Schreiber saß in einem anderen Film" an). Ja, du schreibst es auch selber ("keine ernsthafte Story") – ich finde es aber trotzdem bemerkswert, dass der Film scheinbar so überhaupt nichts neues (= erwähnenswertes) liefert.
Für mich war damals nach John Wick 2 Schluss, erinnern tue ich mich nur noch an den ersten. Den habe ich positiv in Erinnerung. John Wick 5 ist gerade in der Mache. Da die Handlung eigentlich in Teil 4 wirklich und endlich abgeschlossen ist, bleibt eigentlich nur noch, dass Wick im fünften ein hundefreundliches Bed&Breakfast irgendwo in Maine eröffnet. Das wäre für Reeves auch etwas altersgerechter..
Aus einem Interview mit dem Regisseur:
Bed&Breakfast storyline confirmed!!!1111!!
"Offizielle Synopsis" heißt, dass die Inhaltsangabe vom Verleih stammt und genau das wiedergibt, was der Verleih für nötig hält. Wenn du das nicht liest, kannst du dich auch nicht beschweren, dass du nix vom Inhalt weißt 😉
Zu John Wick gibt es ja auch schon eine Prequel-Streaming-Serie und eine weitere ist in Planung.
Deine "Idee" für Teil 5 ist zwangsweise falsch, was im Satz "irgendwo im Umfeld des dritten JW-Films angesiedelt ist, was die notwendige Beteiligung von Keanu Reeves ermöglicht" angedeutet wird.
Dass das vom Verleiher und nicht von dir kommt, weiß ich doch – und das sollte auch nicht als Beschwerde gemeint sein. Nochmal anders ausgedrückt: Sonst haben die Filme immerhin viel Inhalt, bei dem du was zu diskutieren hast (im guten wie im schlechten) – aber hier scheint es nur ein "Eh, es wird halt gejohnwickt, und der CGI-Schnee war scheiße" zu sein. War als Kommentar zum Film gedacht, nicht zu dir/deiner Kritik.
Wenn in der storyline von John Wick 5 kein Bed&Breakfast vorkommt, spende ich 10€ an eine Organisation deiner Wahl. I’m feeling confident.
edit: okay, dass der Schnee wegen CGI scheiße ist hab ich dir jetzt angedichtet.
War auch meinerseits nicht "grumpy" gemeint. Alles grün.
Andernorts auch sehr schön zusammengefasst: "Check your brain at the door and enjoy 15 minutes of plot and an hour and 45 minutes of foley artists trying to find creative sounds for unconventional deaths."
Als großer Fan der John Wick Reihe war BALLERINA für mich auch solide Unterhaltung.
Nicht dass ich irgendwas auslassen würde, in dem Ana de Armas dabei ist ; )
Nachdem Teil 4 die Hauptreihe zu Tode geritten hat, fand ich den gestern im Kino wieder erstaunlich erfrischend. Gerade der Fokus auf Kloppereien in der ersten Hälfte war nett, Dorf und blonder Kastenkopp-Bösewicht in der zweiten Hälfte hatten dann harte Wolfenstein-Vibes und die Flammenwerfer-Ballerei war mal was anderes. Und die Hauptdarstellerin ist natürlich ganz knuffig.
"Und schließlich: Bei der fast obligatorischen Schießerei im pumpenden Nachtclub scheint man die NPCs nicht ordentlich programmiert zu haben – die zappelnden Statisten reagieren null auf das Feuergefecht um sie herum."
Das war beim ersten John Wick schon genauso, siehe Schießerei im Nachtclub der Russen – von den Gästen bemerkt das niemand. Bei John Wick 2 größtenteils dasselbe, wo dann ja auch erklärt wird, dass "normale" Menschen diese Assassinen gar nicht bemerken können, als wenn sich ihre Aktionen quasi Phasen-verschoben zutragen würden (ich glaube, Laurence Fishburne hält da sogar einen kleinen Vortrag zu). Das fand ich da schon affig.