30
Mai 2025

Frühstück mit Jana

Themen: Künstliche Intelligenz, Neues |

Ich muss das hier schnell aufschreiben, bevor ich die Details vergesse.

Ich erwarte ein Paket von Temu. Seit letzten Freitag meldet die DHL-Webseite:

Fr, 23.05.2025, 13:51, Bochum. Die Sendung wurde von DHL bearbeitet und wird für den Weitertransport in die Region des Empfängers vorbereitet.

Schön. Aber eine satte Woche sollte diese "Vorbereitung" doch nicht dauern, oder? Temu hat das auch schon gemerkt und mir erstmal 5 Euro als Entschädigung gutgeschrieben. Ich sag’s ja – Kundendienst können die.

Das Problem: Die DHL-Sendungsverfolgung ist alternierend ein Labyrinth und ein Kreislauf. Es ist praktisch unmöglich, genauere Informationen zu bekommen oder sich zu beschweren. Am Ende landet man wieder bei der Sendungsverfolgung:

Fr, 23.05.2025, 13:51, Bochum. Die Sendung wurde von DHL bearbeitet und wird für den Weitertransport in die Region des Empfängers vorbereitet.

Erfreulicherweise hat Temu in der Kommunikation eine Hotline von DHL vermerkt. Da rufe ich an – und werde mit der "virtuellen Assistentin Jana" verbunden.

Ich bin es mittlerweile gewöhnt, dass gerade größere Unternehmen auf Chat- und Sprachbots setzen, und sei es nur, um die ganzen Anfragen auszusieben, die auf Fehlern oder Missverständnissen seitens des Kunden basieren. Erst was wirklich händische Bearbeitung braucht, geht an einen atmenden Mitarbeiter.

Ich bin allerdings überrascht, wie überholt und fast schon antiquiert "Jana" wirkt. Sie klingt wie die Großmutter des ChatGPT-Sprachassistenten, den ich u.a. bei unserer kürzlichen Benelux-Reise immer mal wieder eingesetzt habe.

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Jana klingt wie ein Relikt aus Amiga-Zeiten oder den Anfangsjahren des Internet, als jede automatisierte Interaktion noch etwas von Zauberei hatte. Sie spricht mit einer dieser mechanischen "blonde junge Frau"-Stimmen, die uns im Werbefernsehen von den Vorzügen neuer Waschmittel erzählen. Dabei bleibt sie unverbindlich, langsam und so punkt-für-punkt, dass man den Algo im Hintergrund förmlich die Wörter aus den Schubladen suchen hört. Es wird kein Versuch gemacht, tatsächlich menschlich zu klingen – KI in schlechten SF-Serien der 90er klang so. KITT konnte das besser.

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Jana stellt sich zudem als "virtuelle Assistentin" vor, was ich im Kontext passend, aber dennoch albern finde. Virtuell – das ist so 1995. Knalliger wäre allenfalls noch "ihr virtuelles Cyber-Girl Jana" gewesen.

Ich fürchte, hier nur wenig KI zu finden – und in der Tat muss ich laaangsam und stückelig mein Anliegen und die 20stellige Sendungsnummer einsprechen. Nach einer unangemessen langen Denkpause melde Jana Vollzug nach dem Motto:

Ja, ich ihre Sendung gefunden – sie liegt im Verteilerzentrum Bochum.

Das. Weiß. Ich. Fast fürchte ich, dass Jana mit dieser bemerkenswerten Erkenntnis ihren Dienst als getan ansieht und auflegen wird. Aber nein. Nach weiteren drei Sekunden nimmt sie durchaus ein Problem war und schiebt in etwa nach:

Ich sehe gerade, dass die Sendung einige Tage überfällig ist. Das tut mir leid.

Es tut ihr nicht leid, sie ist eine KI. Aber egal, einer echten Hotline-Mitarbeiterin täte es sicher auch nicht leid. Es hilft mir so oder so nicht.

Jana fragt mich nun, ob ich Absender oder Empfänger sei. Dann will sie meine Postleitzahl wissen. Kann sie haben. Laaangsam.

Jana schlägt vor, ich solle immer wieder mal in der Sendungsverfolgung online nachschauen. Eine Non-Info. Das tute ich ja schon seit Tagen.

Jetzt aber: Jana bietet an, dass sie im Verteilerzentrum nachhaken kann, um eine Lieferung innerhalb der nächsten zwei Werktage anzustoßen (heute ist Freitag, das ist natürlich ungünstig). Ich begrüße das.

Jana verspricht, meine Beschwerde (ich habe mich beschwert?) weiterzuleiten. Sollte mein Paket innerhalb der nächsten fünf (!) Tage nicht ankommen, solle ich mich noch einmal bei ihr melden. Dann beendet sie das Gespräch.

Echt, DHL? Das ist die schöne neue Welt der digitalen Assistenten? Eine ja/nein/vielleicht-Schleife mit ein paar Textbausteinen und null individualisierter Kundeninteraktion? Drei Minuten Gespräch für letztlich "ja, puuhhh, da bin ich auch überfragt, ich gebe das aber mal weiter"?

Da erwarte ich erheblich mehr. Wie sieht’s mit euren Erfahrungen in Sachen digitaler Kundendienst aus? Auch so düster?



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fishfrank
fishfrank
30. Mai, 2025 17:18

Fonerei mit Kundenservice:

:Guten Tag, mein Name ist ABC und ich möchte gern…

Hallo, Ihr Name ist ATC

:Nein, mein Name ist ABC

Vielen Dank. Ihr Name ist also ATC

:*schnauf* ABC

Bitte buchstabieren Sie Ihren Namen.

:A B C

Ihr Name ist also ATC…

(Aufgabe meinerseits. Antonbertarcäsar verursachte ein gepflegtes Leitungsrauschen)

und nein, ich habe keinen sprachfehler…

Robert
Robert
31. Mai, 2025 02:55

Erinnert mich an den Versuch, vor einigen Jahren in UK per Sprachcomputer eine Parkgebühr in Cornwall zu bezahlen. Das System kam mit deutschen Kennzeichen nicht zurecht, berichtigte mein (native) English immer wieder falsch, als wäre ich zu dumm, das britische Kennzeichen richtig auszusprechen.
Habe denn notgedrungen eine App geladen…

Baumi
Baumi
31. Mai, 2025 12:17

Das Problem bei DHL ist, dass die Hotline bei solchen Reklamationen schon vorher keine wirkliche Handhabe hatte. Mehr als ein "Ich leite das an das Verteilerzentrum weiter, und die kümmern sich hoffentlich darum", gab es da auch von menschlichen Mitarbeitern so gut wie nie.

Wenn der Sprachcomputer dasselbe jetzt in weniger Zeit erledigen kann, ist das auf eine gewisse Art und Weise ein "Fortschritt": Immer noch gleich schlechter Service, jetzt aber effizienter…

Was allerdings die Frage aufwirft, wozu es dann den Anruf bei der Hotline überhaupt noch braucht. Wenn die DHL-eigenen Systeme sehen, dass die Lieferung sich verzögert, und ein DHL-eigener Computer eine Nachforschungsmitteilung senden kann, warum dann darauf warten, dass der Empfänger darum bittet? Oder passiert das alles eh automatisch im Hintergrund, und die Hotline-Auskünfte sind nichts als ein Placebo, damit man als Empfänger glaubt, den Ablauf irgendwie beeinflussen zu können?

Last edited 24 Tage zuvor by Baumi
Hering
Hering
2. Juni, 2025 09:47

Wir arbeiten gerade selbst an so einer KI. Und man kommt da schnell zu Begriffen wie "Uncanney Valley" – soviel zu dem "robotisch" klingenden Stimmen. Die können mittlerweile SEHR natürlich sprechen, ist aber nicht immer gewollt oder empfohlen. Und KI hat auch da leider enorme Probleme mit Halluzinationen, gerade bei so etwas wie Kundenservice sind aber echte Daten wichtig. Deshalb wird oft das antiquar anmutende deterministische "Wenn – dann" – Modell verwendet. Und diese langen Pausen… Es ist unglaublich wie sehr wir uns an das direkte Feedback gewöhnt haben, da hinkt diese Technologie noch hinterher – da müssen auch ältere Systeme angesprochen werden, die nicht direkt so schnell antworten können :/
Nur als Erklärung, nicht als Rechtfertigung – ich bin da für den Nutzer unterwegs, auch wenn ich die Gründe verstehe 🙂

DSFARGEG
DSFARGEG
15. Juni, 2025 03:13

Vor zehn Jahren hatte ich mal die Situation, dass ein Paket für 800€ mit unersetzlichem Inhalt in Paris abgeschickt wurde und dann verschollen ging, mit völlig erratischen Sendungsverfolgungs-Aufblitzern quer durch Deutschland. Viele, viele Telefonate mit DHL, mit menschlichen Mitarbeitern, die sichtlich bemüht waren (am Ende kam‘s dann an, nach zwei Monaten oder so, große Erleichterung). Ich mag mir nicht ausmalen, wie das gewesen wäre, wenn es damals schon diesen KI-Bullshit gegeben hätte.