Filmverbrechen-Fotostory: BIG MÄC oder: Der große Blonde auf dem schwarzen Kontinent (1)
Themen: Film, TV & Presse, Fotostory, Neues |Vorab: Ganz am Ende dieser Fotostory findet ihr noch zwei – wie ich finde – sehr interessante Nachträge zu vorherigen Filmverbrechen. Dranbleiben!
Ihr habt am Osterwochenende von meinem letzten Screening-Drama ja gelesen. Nachdem der Fernseher endlich wieder online war (ein Satz, den vor 20 Jahren niemand verstanden hätte), kam die Frage auf, was wir uns ansehen wollen. Der Ordner namens "Trash" ist gut gefüllt, und eigentlich wollte ich endlich mal eine obskure Low Budget Thriller-Farce der späten 90er abfeiern, aber dafür waren der Frankster und ich einfach zu kaputt.
Was Einfaches sollte es sein. Nicht wieder was von LISA-Film. Aber irgendwie schon. LISA, but not LISA. LISA light.
Ich erinnerte mich daran, dass ich vor mittlerweile auch schon 12 Jahren die penetrante Art und Weise, wie Thomas Gottschalk und die CINEMA Burger-Werbung für McDonalds betrieben, kritisch unter die Lupe genommen hatte.
Na dann – welcome to BIG MÄC, einer fast vergessenen Fußnote in der an Highlights nicht gerade reichen Filmographie von Thomas Gottschalk!
Sieht vor und hinter der Kamera aus wie ein LISA-Film, bringt die üblichen Verdächtigen mit – und entstand doch unter der Federführung von Produzent Franz Seitz, dessen über 50 Jahre reichende Filmographie einer genaueren Betrachtung würdig ist. Dazu kommen wir nach dem Film.
Wir steigen mit dem Logo und einem Schülerkonzert ein:
Und da ist er auch schon, unser "Star":
Klar kann man fragen, was Gottschalk, der damals praktisch exklusiv für die LISA drehte, in einer solchen Trittbrettproduktion macht. Meine Vermutung: Er wollte mal der alleinige Star sein und nicht immer nur den "straight man" neben Faxenmacher Mike Krüger spielen. Das kann man auch aus Gottschalks Biografie "Herbstblond" herauslesen, nach der LISA-Papst Karl Spiehs den blonden Entertainer allein als nicht zugkräftig an der Kinokasse sah.
Vielleicht lag es auch daran, dass Krüger 1985 mit SEITENSTECHEN ebenfalls einen Solo-Film in den Kinos hatte (beide waren zusammen in DIE EINSTEIGER zu sehen).
Wie dem auch sei: BIG MÄC ist "die Thomas Gottschalk-Show". Ganz auf ihn zugeschnitten, ohne jegliche Nebenplots, 100 Prozent Thommy.
Dem Drehort München und den Beziehungen von Franz Seitz ist es geschuldet, dass wir in BIG MÄC viele große Namen in sehr kleinen Rollen zu sehen bekommen. So ist der vom Schülerkonzert sichtlich gelangweilte Rektor niemand anders als Ludwig Haas, der im gleichen Jahr mit der Rolle des "Dr. Dressler" in der LINDENSTRASSE so etwas wie Weltruhm erlangen sollte:
Laut IMDB spielte er in 725 Folgen mit. In den 90ern habe ich mal das böse Gerücht gehört, Haas wäre stramm konservativ gewesen und hätte im Garten die Reichsflagge gehisst. Das ist sicher nicht wahr, auch wenn er rein äußerlich dem Klischee absolut entspricht:
Neben Produzent Franz Seitz war der Münchner Optikermeister und Schriftsteller Werner Schlierf am Drehbuch beteiligt, nach dem in Obergiesing eine Straße benannt ist – wenige 100 Meter von meinem Haus entfernt.
Dritter im Bunde ist mal wieder Sig(g)i Götz aka Sigi Rothemund, der in diesem Jahr auch noch mit DIE EINSTEIGER und DREI UND EINE HALBE PORTION in den Kinos vertreten war. Mag sein, dass das BIG MÄC-Skript schlicht aus dem LISA-Papierkorb geklaubt wurde, bevor es bei Seitz landete.
Warum BIG MÄC einen, geschweige denn drei Drehbuchautoren brauchte, das wird noch zu diskutieren sein.
Da der Film einen Großteil der LISA-Standards ersatzlos weglässt, braucht uns die dudelige Musik nicht weiter zu interessieren:
Die Titelnummer "Big Mäc" wird allerdings – wie bei der LISA üblich – im Laufe des Films ad infinitum wiederholt, ob es (uns) nun passt oder nicht.
Da sehen wir unseren "Helden" ja auch schon, wie mit begrenztem Einsatz das Schülerorchester dirigiert:
Keine Sorge, der Beruf von Bernhard wird an keiner Stelle von irgendeiner Bedeutung sein, genau so wie der gesamte Prolog.
Die Klassenkameraden im Publikum üben sich derweil im passiven Widerstand – sei es per Walkman…
… per Nickerchen…
… oder per Playboy:
Hier wird es auch gleich wieder interessant, denn die Schüler blättern in der März-Ausgabe 1985. BIG MÄC hatte April 1985 Premiere und im gleichen Monat war der Film auch Cover-Story der CINEMA.
Hey, wo wollt ihr denn alle plötzlich hin?! Wir fangen doch gerade erst an!
Na gut, EIN Paar Brüste gönnt euch der Film im zweiten Akt. Wartet’s ab.
Was der Playboy in der Szene bedeutet? Das Schülerkonzert muss eigentlich zum Abschluss der Dreharbeiten inszeniert worden sein, vielleicht zusammen mit dem ganzen Prolog in München. Anders wäre es gar nicht schaffbar gewesen, das aktuelle Hasen-Magazin ins Bild zu rücken.
Die LISA wäre garantiert noch einen Schritt weiter gegangen und hätte dem Playboy ein Photoshooting der Darstellerinnen angeboten.
Entgegen meiner ursprünglichen Vermutungen entpuppt sich nicht McDonalds als der große Geldgeber von BIG MÄC, sondern BMW in Zusammenarbeit mit der Zeitschrift MOTORRAD:
Das Magazin gibt es seit 1903 (!) – und heute immer noch.
Das Schulkonzert wird nun von einer rüden Punk-Band gesprengt – die NIKOTEENS geben sich die Ehre!
Wir sollen glauben, dass diese spießigen Popper von der Hardcore-Performance begeistert sind:
… nur um dann auf begeistert zu machen:
Kurz dazu: Musikalisch war Gottschalk schon als "junger" Moderator ein alter Mann mit einem Geschmack, der dem Zeitgeist tapfer hinterher humpelte. Punk war garantiert nicht seins und es zeichnet die Macher des Films nicht aus, dass sie die NIKOTEENS für eine akzeptable Musikeinlage hielten.
Tatsächlich waren die NIKOTEENS eine "echte" Band – hier ein Interview. Schade, dass man sie nicht gefragt hat, wie sich das raue Bandimage mit einem Auftritt in einem Gottschalk-Film überein bringen ließ.
Ihr ahnt es schon – der "concertus interruptus", an dem Bernhard Maurer unseres Wissens nach gar nicht beteiligt war, beendet seine Probezeit an der Schule vorzeitig. Der Rektor feuert den Blondschopf:
Drei Sätze – und schon ist Ludwig Haas wieder raus aus dem Film.
Schnitt in die Redaktion der Zeitschrift "Motorrad" (es ist nicht auszuschließen, dass man in der tatsächlichen Redaktion gedreht hat): Der Chefredakteur lamentiert, dass man in den Medien die Motorradfahrer als "Rocker, Raser, Verrückte sogar" darstellt. Das deckt sich zwar nicht mit meinen Erinnerungen, aber wenn’s dem Film in die Puschen hilft…
Man beschließt eine Promotion-Aktion, die so komplett hirnverbrannt ist, dass ich wieder ein recyceltes LISA-Skript unterstellen muss: Der "Idealtyp" des Motorradfahrers muss gefunden werden. Die Anforderungen:
"Mitte 30, seriöser Beruf, zeitlebens unfallfrei gefahren, intelligent, Vertrauen erweckend, keine Strafzettel, und gut soll der aussehen."
Demnach ungefähr so, wie Gottschalk sich selbst damals sah.
Der Chefred schickt die einzige Dame im Team los, den Computer mit allen vorliegenden Informationen zu füttern, um den perfekten Kandidaten heraus zu filtern – nicht, ohne ihr dabei anerkennend auf den Hintern zu starren:
Und ja, das war damals so. Männer waren die Chefs auch in den Redaktionen von Frauenzeitschriften, und es wurde ein Chauvinismus gepflegt, dass es krachte. Ich könnte Geschichten erzählen…
Wir sollen nun glauben, dass nicht nur alle Informationen über die Leser und Autoren des Magazins sowie des Handels in perfekt organisierten Datenbanken zugänglich abgelegt sind – aus diesen lässt sich auch noch mit ein paar Klicks der "Idealtyp" des Motorradfahrers ermitteln. Wenigstens ist es ein Job, der ZWEI 5 1/4 Zoll-Disketten braucht:
Das ist ungefähr realistisch wie PENG DU BIST TOT und selbst der heutigen KI überlegen – aber es zählt das Ergebnis, wie es fünf Minuten später vorliegt:
Okay, Quiz-Time: Wenn euer Interesse wäre, den "Idealtyp Motorradfahrer" als Identifikationsfigur im Heft aufzubauen, was würdet ihr dann machen? Ihn auf einer beeindruckenden Maschine durch die Großstädte fahren lassen, um der Zielgruppe zu zeigen, dass Biker Menschen wie du und ich sind? Ihn zur Werbung in alltäglichen Situationen ablichten lassen? Ihn mit der Maschine in Film, Funk und Fernsehen unterbringen?
Oder würdet ihr eine Rallye mit einem Preisgeld von 50.000 Dollar von der Zugspitze zum Kilimandscharo starten, bei der euer braver Idealtyp gegen ein japanisches Team antritt, aber explizit NICHT von der Presse und breitem Support begleitet wird?
50.000 Dollar? Kilimandscharo? Japan? Rallye?
Das. Ergibt. Keinen. Sinn. Und es ergibt auch für die Figuren keinen Sinn, weil ständig rumgeiert werden muss, dass es sich nicht wirklich um ein "Wettrennen" handelt, weil Bernhard dafür ja völlig ungeeignet wäre.
Der hat momentan andere Probleme, denn er muss sich sein Geld als Nachhilfelehrer am Klavier verdingen. Weil Seitz offenbar noch weniger Interesse als die LISA am "wer, wo, warum und wann" seiner Figuren hat, könnte es sich bei der "Schülerin" um eben das handeln – eine Schülerin.
Allerdings will sie ihm an die Hose, was auf eine fortgeschrittenere Beziehung hindeutet. Bernhard ist wenig begeistert.
Ich werde den Vergleich noch öfter ziehen – in einem LISA-Film wäre das hier Corinna Drews und sie würde sich zum Anreiz gleich obenrum frei machen, bevor sie sang- und klanglos aus dem Film verschwindet.
Wir haben bei den Pinups gelernt, dass in den 80ern Briefe und Telegramme noch persönlich vom Postboten übergeben wurden. So muss auch Bernhard die Benachrichtigung der Zeitschrift nicht aus dem Kasten grabbeln:
Sofort drückt er zwei, drei Tasten auf seinem Telefon, was in dieser magischen Welt eine direkte Verbindung zu einem Klaviergeschäft herstellt, bei dem er einen Steinway-Flügel bestellt:
Tatsächlich wäre mit einem echten Steinway-Konzertflügel das gesamte Preisgeld aufgebraucht. Die Szene etabliert demnach nicht, dass Bernhard finanzielle Not leidet und das Geld dringend braucht – er will es primär für einen überdimensionierten Luxusgegenstand verschleudern.
Wir werden noch auf viele weitere Hinweise stoßen, dass den Drehbuchautoren nicht daran gelegen war, Bernhard sympathisch oder wenigstens ordentlich motiviert zu zeichnen.
Die "Schülerin" bedankt sich angemessen, als er nun wortlos abrauscht:
Der "ideale Motorradfahrer" hat seine Maschine augenscheinlich schon länger nicht mehr angefasst und muss sie in der Garage ausgraben:
Fahrversuche im Hinterhof zeigen, dass weder Bernhard noch Gottschalk wirklich souveräne Biker sind:
Nun hätte man auch DAS zum Aufhänger des Films machen können: Ein totaler Sonntagsfahrer, der für einen professionellen Biker gehalten wird und sich bei der Rallye aus finanzieller Not durchschummelt. Hilarity ensues. Aber für diesen Plot habe ich schon zwei Gehirnzellen in Bewegung versetzt, so viel wollten die drei beteiligten Autoren offensichtlich nicht einbringen.
Eilends fährt Bernhard zur Redaktion:
Leider muss er sich vor Ort erklären lassen, dass er gar keine 50.000 Dollar gewonnen hat, sondern erst noch gewinnen muss – und in den letzten 24 Stunden hat die Redaktion die gesamte Rallye bereits minutiös geplant:
Bernhard ist sichtlich enttäuscht und bestellt den Flügel wieder ab:
Er will an dem Rennen nicht teilnehmen, das ist nichts für ihn. Aber augenscheinlich ist es der Redaktion gelungen, binnen 24 Stunden von den Kollegen der japanischen Motorrad-Presse ein heimisches Team zusammen stellen und nach München verfrachten zu lassen. Es kommt zur Präsentation des gegnerischen "Fahrers" und wir ahnen augenblicklich…
… dass es sich um eine attraktive Frau handelt:
Und der Bernhard gleich so:
Wahre Liebe, so sieht sie in Filmen dieses Schlages aus. Man muss sich nicht kennen lernen, keine Konflikte überwinden, keine Zweisamkeit leben – attraktive junge Menschen sind wie Magneten. It’s fate!
Was Bernhard (außer einem Schlag vor den Hals, wie wir Rheinländer sagen) noch braucht, ist ein Schrauberling für den Sozius, denn andere Helfer sind ja aus unerfindlichen Gründen nicht erlaubt. Erfreulicherweise findet er einen direkt im eigenen Hinterhof – Max:
Mit Max lernen wir auch den Wanninger kennen und Franz Seitz war hier so nett, seinem Kinderstar der 60er/70er, Hans "Hansi" Kraus, eine erwachsene Rolle zu zu schustern. Pepe Nietnagel trägt Schnurrbart!
Die Firma BMW hat sich derweil bereit erklärt, der Rallye und dem Film ihr aktuelles Prunkstück zur Verfügung zu stellen, das prompt präsentiert wird, als gehöre es nicht in einen Showroom, sondern auf einen Altar:
Der Vertreter der Bayerischen Motoren Werke ist Wilfried Klaus, den echte Krimi-Fans in 377 Folgen SOKO 5113 (später SOKO MÜNCHEN) als braven Ermittler "Horst Schickl" bewundert haben:
Auch er hat nur diese eine Szene, um sich zu profilieren.
Noch ein paar Worte zum Motorrad: Die BMW K 100RS war damals wirklich "state of the art" und ihr futuristisches Design hat sich als zeitlos erwiesen. Ich würde was drum geben, wenn ich damit mal ein paar Runden drehen dürfte (und einen Motorrad-Führerschein hätte). Der Playboy bezeichnete das Bike verdient als das beste Motorrad der Welt. Das war gelebtes "german engineering" und hätte statt BIG MÄC so eine Promotion-Plattform verdient:
Auch Schrauber Max ist von der Maschine begeistert:
Ja, ich sehe natürlich, was ihr seht. Und wer in seinem Leben mehr als zwei Filme gesehen hat, wird damit auch die Hälfte der Handlung und der zu erwartenden "Gags" vorhersagen können.
Ihr irrt euch.
Bis morgen.
In der Motorrad gibt es auf einer der letzten Seiten immer einen Rückblick. Ein paar Zeilen aus Artikeln einer alten Ausgabe. In Ausgabe 8/2025 schaut man 40 Jahre zurück, also 8/1985. Und aus welchem Artikel zitiert man u.a.?
Richtig, auf den Motorradfilm mit Thomas Gottschalk.
Oha! Hast du da einen Scan – von 2025 und/oder 1985?
Ich habe nur das Heft aus diesem Jahr. Es sind wirklich nur ein paar Zeilen und ein (Szenen?)Bild. Ich kann ein Foto machen, aber weder ich noch mein Handy können gut fotografieren.
Wenn gewünscht, schicke ich das Foto an die Adresse aus dem Impressum. Es wird wahrscheinlich bis morgen Abend dauern.
Würde mich freuen.
Es gibt in die religiöse Auffassung, das man das Böse braucht um das Gute davon unterscheiden zu können!
Also brauchen WIR, die Cinephilen, also diese Filmverbrechen um gute Filme erkennen zu können.
HAHAHAHA
Ich bin nicht so hundertprozentig davon überzeugt… aber es ist ein (kleiner) Trost.
Diese Theorie ist absolut korrekt.