Pay a LIDL less: Das Experiment Outletverkauf

Letzte Woche gab es auf MyDealz eine unwiderstehliche Ankündigung:

Das triggerte mich gleich mehrfach: Popup-Store! Outlet! Rabatte! LIDL! Und vor allem: was zur Hölle soll man sich darunter genau vorstellen?

Wenn es sonst keiner recherchiert, mache ich es halt.

Also nachgeschaut: nächstes Outlet noch zwei Tage in Rosenheim. Die LvA wird am Samstag mit dem Versprechen auf einen entspannten Frühlings-Ausflug ins Auto gelockt. Rosenheim, wir kommen!

In einem der größeren Gewerbegebiete finden wir schnell das große LIDL-Logo. Ich habe zuerst Sorge, versehentlich eine reguläre Filiale angesteuert zu haben, aber in den Fenstern preisen bereits Schilder "Bis zu 50 Prozent Rabatt!" (MyDealz hatte mehr versprochen und es sollen auch mehr werden).

Hinter dem Eingang wartet erstmal Ernüchterung:

Eine riesige Halle, gigantische aufgeschnittene Kartons, darin Wühlware, die nur auf den am Karton angeklebten Zetteln bepreist ist. Ein Hauch von Rudis Reste Rampe liegt in der Luft. Das Publikum lädt zu Sozialstudien ein. Hier werden die Produkte nicht präsentiert, sondern der Gier der Schnäppchenjäger ausgeliefert. Jeder ist sich selbst der Nächste, die üblichen Spielregeln des menschlichen Miteinander sind außer Kraft gesetzt.

Es ist der letzte von drei Tagen, wir sind gerade mal eine Stunde vor "Licht aus" da, deshalb vermute ich ein bereits bis auf die Knochen abgenagtes Angebot. Aber ich irre mich: Vorhanden ist alles, was LIDL in den letzten Monaten nicht loswerden konnte. Der ZUSTAND ist allerdings eine andere Geschichte. Viele Kartons sind aufgerissen, einige leer, lose Teile liegen in einigen schon längst nicht mehr überschaubaren Haufen.

Es gibt Spielzeug, Gartengeräte, Stereoanlagen, Fitness-Ausrüstung, Tierbedarf, Deko, Werkzeuge, Klamotten. Was der Konsument bei den wöchentlichen Aktionsartikeln verschmäht hat, bekommt hier eine zweite Chance – zu teilweise in der Tat radikal reduzierten Preisen. 50 Prozent Nachlass ist die Regel, stellenweise ist es mehr. Das hier ist ein Sale, der tatsächlich lohnt – wenn man das Angebotene braucht. Ich brauche es großflächig nicht.

Das unerwartetste Produkt steht gleich neben der Kasse:

10,50 Euro für die musikalische Entwicklung eures Nachwuchses. Schnäppchen!

Dann aber, im hinteren Teil: der Food-Bereich. Ich hatte ehrlich gesagt nicht erwartet, dass die hier auch Verderbliches anbieten. Aber sie tun es – mit teilweise immer noch mehr als ausreichendem Haltbarkeitsdatum.

Nachvollziehbar ist dabei die "alles muss raus!"-Notwendigkeit bei den Weihnachtsleckereien. Schoko-Nikoläuse, Adventskalender (Marvel mit Mini-Büchern!), Dominosteine. Das kann nicht bis zum nächsten Advent im Keller lagern, das muss JETZT einen Abnehmer finden.

Tatsächlich kaufen wir drei Weihnachtsmänner à 200 Gramm mit dem primären Ziel, diese für Backzwecke einzuschmelzen. Warum? Weil die hohlen Kerle unschlagbare 50 Cent kosten.

Ich lese was von Marzipan. Ich liebe Marzipan. Aber da sind mir andere Schleckermäuler zuvorgekommen. Ich wühle umsonst. Das einzige Marzipan-Konfekt, das ich finde, involviert "Traube-Nuss". Bäh. Schließlich fallen mir noch zwei Packungen mit Marzipan gefüllter Mini-Schoko-Nikoläuse in die Hand. Win!

Die Weihnachtskartons brauchen schon ein wenig Überwindung, denn da ist viel aufgerissen worden, nackte geköpfte Schoko-Männer bröseln vor sich hin, diverse Verpackungen sind halb leer. Der Mensch ist ein Tier der Gier.

Wahnsinn ist das Alkoholika-Angebot im zweiten Gang:

Massen bunter Flaschen berauschenden Inhalts, oft genug gepanschte Unsäglichkeiten wie "Pushkin Wodka Ice Mint". Aber wenn man nur Kochwein braucht, kann man hier literweise vertretbaren Nachschub von 1 Euro und 1,50 Euro in den Einkaufswagen packen.

Weil die Menschheit historisch gesehen nur mit Wagemut vorangekommen ist, gönne ich mir exakt ein Experiment aus diesem Sektor:

Ja, ich werde euch wissen lassen, wie das Zeug schmeckt. Bald.

Ich gestehe, dass in Gang 2 dann doch einige Sachen in unserem Einkaufswagen landen – meistens das, was wir sowieso kaufen, hier aber erheblich billiger bunkern können. Für die Tage, an denen die LvA nicht zu Hause ist und ich nicht groß kochen mag, reichen auch Erasco-Eintöpfe. 80 Cent statt zwei Euro.

Das Wassereis von LIDL esse ich, wenn es draußen wärmer wird, sehr gerne. Die LvA schnappt sich ein Set preiswerter Messbecher. Die Erdnussbutter ging sowieso gerade zu Ende – hier gibt’s sie in XXL. Die leckere Currywurst-Sauce von Sansibar geht immer. Eine kleine Packung mit italienischem Aufdruck (irgendwas "ciocolatto") nehme ich blind mit – Versuch macht kluch.

Wäre ich noch Single und verzweifelt genug, hätte ich eventuell eine ganze Kofferraumladung an Backmischungen und Fertiggerichten eingesackt, aber die LvA kann kochen/backen und besitzt keine Toleranz gegenüber Tütensuppen. Deshalb kaufen wir keine übertriebenen Mengen für die Postapokalypse – auch wenn es bei diesen Preisen durchaus Sinn machen würde. Am Ende sind wir durchaus zufrieden mit der Ausbeute, die man heute wohl "haul" nennt – im Einkaufswagen sieht es auch nicht mehr so wühltischig aus:

Das passt. Gut, man kann nicht für jeden Einkauf nach Rosenheim fahren, das Angebot ist beschränkt und die Präsentation nur für Puristen – aber es lässt sich nicht bestreiten, dass wir hier günstig davongekommen sind, ohne auf Waren vom Polen-Trödelmarkt zurückgegriffen zu haben. 100% LIDL.

21 oder 22 Produkte sind am Ende über den Scanner an der Kasse gegangen. Und nun liegt es an euch, den Gesamtpreis zu erraten. Wer traut sich?