Life through a lens: Die Welt mit neuen Augen sehen
Themen: Neues |Vor ziemlich exakt vier Monaten habe ich von meiner Augen-OP erzählt, bei der die vom Grauen Star befallenen Linsen durch Kunstlinsen ersetzt wurden. Sah erheblich schlimmer aus, als es war:
Ich gebe mal ein Update, wie sich die Sache mittlerweile entwickelt hat.
Zuerst einmal: Der Zugewinn an Lebensqualität ist beachtlich, wenn man auf einmal keine Brille mehr braucht, um zu lesen, zu arbeiten, oder auch nur das Fernsehprogramm scharf zu sehen. Die Brille war halt doch etwas, das man nicht nur ständig in Griffweite haben musste – sie bedurfte auch der Sorgfalt und Pflege. Nicht draufsetzen, ordentlich putzen, beim Verlassen der Wohnung nicht vergessen, etc.
Ich hatte schon erwähnt, dass das Gehirn zu erstaunlichen Tricksereien in der Lage ist, um Sehschwächen auszugleichen. Es kompensiert, bis es nicht mehr kompensieren kann. Das hat auch mentale Auswirkungen: Ich hatte eine verminderte Sehleistung immer als den Normalzustand begriffen. Als wäre es normal, dass man das Kleingedruckte auf einer Verpackung nicht mehr lesen kann. Als wäre es normal, dass man am Handy die Schriftgröße in den Einstellungen hochschraubt.
Es war nicht normal.
Erst jetzt erkenne ich, was ich auch in den letzten 10 Jahren hätte erkennen müssen. Mein Gehirn hat nicht nur meine Augen getäuscht, sondern auch meinen Verstand. Das zeigt sich deutlich bei diesem Artikel über ein Chromebook, das ich wegen eines "Defizits" zurückgeschickt hatte:
Das Display des HP Chromebook ist eine Frechheit. Ramschware, die im Jahr 2023 nichts mehr in einem aktuellen Gerät zu suchen hat.
Klar, ich wusste, dass die Auflösung von 1366 x 768 Pixeln ein Problem sein könnte. Und sie ist eins. Schon im Chrome OS kann man bei einigen Details die Verpixelung sehen. Daran bin ich nicht mehr gewöhnt. Bei den Comics wird es allerdings schlimmer. Die teilweise sehr kleine Schrift in Sprechblasen wird erkennbar unscharf.
Heute muss ich unterstellen, dass "erkennbar unscharf" vermutlich nicht das Problem des Displays war. Tatsächlich kann ich nämlich Comics mittlerweile problemlos auf dem deutlich kleineren Fire Max Tablet mit 2000 x 1200-Auflösung lesen. Selbst eine Seite des gedruckten Spiegels ist in der Größe für mich zwar nicht komfortabel, aber stressfrei lesbar.
Diese Tatsache hat auch dazu geführt, dass ich wieder deutlich mehr Ebooks auf dem Tablet lese. Es ist keine Quälerei mehr.
Was aber viel wichtiger ist: Es macht mir endlich wieder Spaß, mit meiner Frau auf dem Macbook die geliebten Hidden Object Games zu spielen und am Esstisch zu puzzeln. Das hatte ich wirklich vermisst:
Das Gefühl, meine Sehkraft mit rein mechanischer Gewalt auf Spur gebracht zu haben, habe ich nicht. Es fühlt sich nicht wie eine Prothese an, auch wenn ich schon bemerke, dass ich meinen "Fokus" durch Konzentration nicht mehr beeinflussen kann. Ich kann die Augen nicht mehr "gewollt unscharf" stellen.
Die Brille vermisse ich aus modischen, nicht mehr aus medizinischen Gründen.
Allerdings hatte ich früh bemerkt, dass die OP meine Sehschwäche überkompensiert hat. Statt -3,75 bis -4 ergab die Messung nun +1 Dioptrien. Kurz- statt Weitsicht. Das ist nicht sehr viel, reicht aber aus, um ab drei bis fünf Meter Entfernung je nach Lichtverhältnissen etwas unscharf zu sehen Auf 20 Meter einen Bekannten zu identifizieren ist Glückssache, und bei Autofahrten freue ich über die Größe der Verkehrsschilder.
Das ist okay, aber besser ist immer besser.
Also habe ich mir zwei Wochen nach der OP die Brille, die sowieso nur zur Bestehung des Augentests angefertigt worden war, auf +1 Dioptrien umarbeiten lassen. Damit blicke ich knackscharf in die Unendlichkeit. Außerdem habe ich mir bei Amazon für gerade mal 10 Euro eine erstaunlich moderne und komfortable Brille als Ersatz und für Notfälle gekauft:
Damit komme ich gut klar. Ich trage sie aber tatsächlich extrem selten, allenfalls bei langen Autofahrten und im Kino ab Reihe 5 nach hinten.
Der Haken ist nämlich: Da meine Linsen sich nicht mehr über eine verbundene Muskulatur anpassen können, habe ich mit der Brille dann wieder Probleme beim lesen. "fix focus" heißt das bei billigen Kameras. Es geht, aber es geht nicht gut und strengt mich zu sehr an.
Nun habe ich insgesamt noch fünf oder sechs Brillen hier liegen, die über die Jahre auf verschiedene Sehstärken angepasst wurden. Es bot sich an, eine davon als Experiment auf 0,5 Dioptrien zu setzen – ein Versuch, den "goldenen Mittelweg" zu finden, der eine gute Fern- und Nahsicht ermöglicht.
Es ist dabei nur eine Randnotiz, dass ich es ziemlich krass finde, dass die Chinesen eine Brille samt +1-Gläsern für gerade mal 10 Euro verkaufen, der Austausch der Gläser bei der vorhandenen Brille aber satte 83 Euro kostete.
Nun denn, besser als wegschmeißen ist es allemal.
Tatsächlich ist meine Fernsicht auf 0,5 deutlich besser und sicherer, auch wenn böse Zungen spotten, dass es mir an Weitsicht immer noch mangelt. Ich kann mit dieser Brille auch okay lesen und vor allem im Auto den Tachometer erkennen. Rein theoretisch also eine Lösung "für alle Fälle".
Dennoch trage ich die Brille nur, wenn es notwendig ist. Selbst vor dem Fernseher, wo sie eine minimale Sichtverbesserung bringen würde, lasse ich sie weg. Es ist mittlerweile einfach angenehmer, ohne rumzulaufen.
Drei Brillen für die Fernsicht habe ich nun, eine davon dauerhaft im Auto. Vier Brillen habe ich komplett entsorgt zwei weitere Modelle lasse ich in der Schublade "for future use". Das sollte bis ins Erdreich halten.
Der Vorschlag der Augenklinik, die +1 lasern zu lassen, kommt für mich nicht in Frage. So wie ich das verstehe, wäre wegen der unbeweglichen Kunstlinsen damit nämlich nur ein Kompromiss erreichbar: was ich in der Ferne gewinne, verliere ich wieder in der Nähe. Es wäre eine Situation wie momentan mit der +0,5-Brille. Das ist mir den Aufwand, die Kosten und das Risiko nicht wert.
Es klingt vielleicht etwas dramatisch, aber doch: es hat was von "einem neuen Leben". Der Komfort- und Wohlfühlgewinn ist beträchtlich und ich habe schnell meinen Frieden mit den +1 gemacht. Was wirklich wichtig ist, trägt sich gewöhnlich im direkten Umfeld zu.
Letztlich habe und benutze ich gelegentlich eine Brille, aber ich würde mich nicht mehr als Brillenträger bezeichnen. Sollte die Apokalypse kommen, werde ich sein Schicksal bestimmt nicht teilen:
Irgendwas stimmt in Deiner Beschreibung nicht. Bei "+1-Dioptrien" hat man eine leichte Weitsichtigkeit, bei "-4-Dioptrien" eine recht starke Kurzsichtigkeit. Hast Du die Werte verwechselt oder liegt es an fehlendem Textverständnis bei mir?
Zum Thema: Danke für die Einblicke. Das bestärkt mich, mich doch mal stärker mit dem Thema Laser zu befassen. Mit der bisherigen Kurzsichtigkeit konnte ich immer gut umgehen (Brille und Kontaktlinsen), seitdem nun aber die Altersweitsichtigkeit dazu kommt, macht es langsam keinen großen Spaß mehr. Und Gleitsichtbrille und -Linsen überzeugen mich auch nicht so recht (außerdem zahlt die PKV das Lasern zum Teil und auf Dauer dürfte das deutlich günstiger sein als die durchschnittlich ~1k p.a. für Brillen und Linsen).
Danke für den Nachtrag, also benötigst du trotz OP noch Brille, Schade. Ich persönlich stehe auf Multifokal Tag- und Nachtlinsen, die können schön nachjustiert werden. Bin von Add +1 mittlerweile bei Add +2 gelandet.
"also benötigst du trotz OP noch Brille, Schade." – wenn es das ist, was du von diesem Beitrag mitgenommen hast, dann kann ich dir nicht helfen.
Ich habe schon verstanden, das die OP bei dir medizinisch induziert war und ich freue mich für deine neue Sicht der Welt.
Habe selbst hin- und herüberlegt ob sich eine OP lohnt (nicht med ind.) und gehofft das das Auge dann doch mit Implantat aktiver ist.
PS: du hast geholfen
Also bei der geringen Auflösung von 1366 x 768 können kleine Schriften nur Matsch sein. Wo sollen die Schriftdetails auch hin? Ich würde das beruhigt weiterhin auf die Technik schieben und dir den Schuh eher nicht anziehen 😉
Würde ich auch gerne so sehen, aber auch die Hidden Object Games und Puzzles konnte ich vorher nicht (mehr) machen, was eindeutig an meiner nachlassenden Sehkraft lag.
— Doppelpost gelöscht —
Das es zu über oder Unterkompensierung der Sehschärfe kommt habe ich schon öfters gehört. Oder wenn Leute dann Multifocal oder Triofocal Linsen einsetzen lassen das Sie probleme bei Lichtblendungen im Dunkeln haben zB bei Straßenbeleuchtung oder Autos . Für das austesten und prüfen der benötigten Linse und damit keine über oder Unterkompensierung der Sehstärke kommt hat die Firma "Dezimal" ein neues Gerät entwickelt wo man wie durch die neue Linse sehen würde und damit würde ein besseres Ergebnis erzielt. Das Gerät ist glaube ich erst mitte letztes Jahr auf den Markt gekommen. Aber bei Grauen Star wäre auch eine neue Linse ohne Stärke ein Quantensprung für das Auge. Weiterhin alles gute für deine Augen 👍
Sorry hatte ich vergessen Hier mal der Link. Aber Informationen auf der Seite eher spärlich.
https://dezimal.me/
Danke für die Info. Sehr spannend!
Hab mir vor inzwischen 17 Jahren aufgrund starker Kurzsichtigkeit sogenannte ICLs einsetzen lassen, künstliche zusätzliche Linse zwischen körpereigener und Iris, die kompensiert. Lasern hätte das nicht geschafft, abgesehen davon wichtig: Lasern zerstört etwas, das kann nicht mehr umgekehrt werden. Die künstliche Linse kann man tauschen. War beste Entscheidung meines Lebens. Vor zwei Jahren dann auch Eintrübung, links beide raus und eine rein.
Etwas lästig, wenn nur links die Nahsicht hakt, aber komm ganz gut klar.
Was es nicht alles gibt!
So ging es mir als ich kürlich meine erste Gleitsichtbrille habe anfertigen lassen.
Ich habe seit ich Brille trage (mit 6 Jahren, heute 49) unverändert rechts +3,25 und links +3,75 Dioptrien. Ich kann aber seit gut einem Jahr eigentlich ohne Tricks z.B. keine Verpackungsinfos im Supermarkt auf den Produkten entziffern (Handy, Foto, vergrössern war da die Lösung).
Ich versteh nicht ganz wie das mit dem Schliff der Gläser funktioniert, ist mir aber egal, das Ergebniss isr phänomenal.
Gleitsicht hatte ich mal versucht, aber konnte ich mich gar nicht dran gewöhnen. Der Augenarzt meinte. das geht vielen Leuten so.