16
März 2025

If it ain’t on the page… : Drehbuchschreiben im Jahr 2025

Themen: Film, TV & Presse |

Ich habe seit einigen Jahren kein Drehbuch mehr geschrieben. Schlicht, weil ich den Fokus meiner Arbeit von TV-Serien und Filmen wieder auf den Journalismus gerichtet habe – und dann Privatier geworden bin. Dieser Blog ist mein primäres Outlet für das, was ich zu sagen haben. Darüber hinaus habe ich in den letzten Jahren eine gewisse Schreibmüdigkeit festgestellt. Es ist kein Zufall, dass die meisten Autoren ihre besten Werke zum Beginn ihrer Karriere geschrieben haben. Die Kreativität ist ein Quell, der nicht notwendigerweise versiegt, aber irgendwann weniger üppig sprudelt.

Nun habe ich mich aber wieder mal ran gegeben. Eine Auftragsarbeit einer Produktionsfirma, die unbedingt wollte, dass ich eine ihrer Ideen auf 90 Seiten bringe. Die Tatsache, dass dafür ein ordentliches Honorar winkte, war eher sekundär. Ich war selber einfach neugierig zu sehen, ob ich den Faden nach fast 15 Jahren so einfach wieder aufnehmen kann.

YouTube

Mit dem Laden des Videos akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von YouTube.
Mehr erfahren

Video laden

Natürlich weiß ich noch, wie man eine Story baut, was einen knackigen Dialog ausmacht, und an welchen Stellen die Figuren Komik oder Tragik brauchen. Aber die Welt hat sich fortentwickelt. Das Fernsehen meiner Generation ist weitgehend tot. Klar nach Formel konstruierte Endlos-Serien der heiligen Vierfaltigkeit (Arzt, Kommissar, Anwalt, Familie) haben komplexen, genre-übergreifenden und vertikal gebauten Miniserien Platz gemacht. CHERNOBYL, THE BEAR, TED LASSO, QUEEN’S GAMBIT – das wäre früher nicht möglich gewesen, und deshalb habe ich es auch nie schreiben gelernt. Ich bin "old school".

Aber in gewisser Weise war die mir angediente Story auch "old school" und ich fühlte mich durchaus wohl mit dem Thema und den Figuren. Ich möchte an dieser Stelle jedoch auch aus Gründen der professionellen Verschwiegenheit nicht von diesem Projekt reden, sondern von der Erfahrung mit der dafür nötigen Software.

Es hat sich viel verändert.

Denn siehe: Man schreibt Drehbücher nicht mehr mit der Schreibmaschine (es sei denn, man ist Woody Allen), sondern mit einem dafür konzipierten Screenwriting-Programm, das streng genommen eine Textverarbeitung mit radikal reduzierten Funktionen darstellt. Die in der Branche erwarteten Margen, Formatierungen und Einzüge werden weitgehend automatisch gesetzt und man kann sich vollständig auf die Kreativleistung konzentrieren. Das ist unverzichtbar.

YouTube

Mit dem Laden des Videos akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von YouTube.
Mehr erfahren

Video laden

Veteranen dieses Blogs werden sich erinnern – vor fast 20 Jahren (!) habe ich moniert, dass der Industrie-Standard Final Draft immer noch leicht verderblich ausgeliefert wurde. Fast 200 Dollar für drei Disketten und sehr restriktive Installationsrechte. Da war ich sauer. Es war – so ich mich recht erinnere – Version 7 der Software.

Mittlerweile hat sich vieles geändert, Final Draft steht bei Version 13 und ist mehr eine Drehbuch-Suite als ein reines Schreibprogramm. Innerhalb der Software kann man Szenen planen und verschieben, Outlines schreiben, Charakter-Bios entwerfen, etc. Sie stellt auch umfangreiche Statistiken und Tools zur Verfügung, die eine Auf- und Umarbeitung des Drehbuchs vereinfachen.

Man liest die "feature list" durchaus ein wenig fassungslos:

Professional tools like Navigator makes casting, diversity initiatives, production scheduling, and more a snap.

Aber die Software kostet immer noch 200 Dollar und für gerade mal ein Drehbuch war mir das zu teuer. Erfreulicherweise kann man eine Trial-Version laden, die 30 Tage lang ohne jegliche Beschränkung arbeitet – für ein singuläres Projekt perfekt. Weil ich einen solchen Test-Zeitraum gerne optimal nutze, habe ich zudem aus meinen Archiven fast 200 Skripts rausgesucht, die noch im alten Dateiformat .fdr gespeichert waren. Die konnte ich per Final Draft 13 (das mittlerweile auf .fdx setzt) in PDF umwandeln. So sind die Drehbücher für zumindest den Rest meiner Lebenszeit weiter einsehbar.

Nun habe ich mit Final Draft 13 vor zwei Wochen die Arbeit am Drehbuch beendet, nächste Woche läuft die Testphase ab. Mal angenommen, ich möchte weiterhin Drehbücher schreiben – was dann?

Zuerst einmal ganz klar: Wenn man ein professioneller Drehbuchschreiber ist, lohnt sich die Ausgabe für Final Draft allemal. 200 Dollar sind nicht viel in einer Branche, in der man für ein Skript einen fünfstelligen Betrag bekommt. Da wäre es geradezu albern, es mit Raubkopien zu versuchen.

Kaum ein Jahr nach meinem Artikel über Final Draft hatte ich 2009 Celtx erwähnt, einen kostenlosen Konkurrenten, der vor allem daran krankte, dass er das proprietäre Format von Final Draft (Industrie-Standard, ich erwähnte es) nicht lesen konnte und auch sonst nicht vollständig ausgereift war.

Ist Celtx 2025 vielleicht die lang ersehnte Alternative zu Final Draft? Leider nein, denn wie so viele nützliche Projekte ist auch Celtx mittlerweile kostenpflichtig und in der Free-Version skandalös eingeschränkt. Selbst wenn man 15 Euro pro Monat berappt, kann man gerade mal an drei Drehbüchern gleichzeitig arbeiten. Da sage ich nur: Am Arsch die Räuber!

Ich will nicht verschweigen, dass auch diese Software für den Preis mehr bietet als eine Textverarbeitung für Drehbuchautoren. "Nur schreiben" reicht im Zeitalter von Netflix und Apple+ nicht mehr. Darum gehören auch solche Features dazu:

  • Script History
    Had it right the first time? Restore your script to an earlier draft. Reference previous versions in your complete script history list organized by date, time, and the user who made the save.
  • Script Drafts
    Create draft scripts that are fully-editable backups of your core script. With unlimited draft scripts, explore as many new directions as you want, or plan for as many alternate scripts as you need.
  • Read-Through
    Add some character to your script. Play any line from your script using a fully customizable text-to-speech playback.
  • Approvals
    Request feedback or approval on scripts. Celtx’s approvals workflow allows users to easily manage and organize review-ready scripts, and take action on next steps without losing momentum
  • Script Goals
    Set writing goals for your project. Track your progress towards a deadline, get insight into your writing habits, and benchmark when your creative mind is most productive.
  • Custom Watermarking, Headers & Footers
    Add text to customize the header and footer on each page of your script or secure your content with a watermark.
  • Episodic Projects
    Does your project have multiple installments, reuse assets, involve block scheduling, or share a budget with other productions? Celtx integrates your scripts across episodes so you stay organized.
  • Revision Mode
    Lock your film & TV script for production, ensuring scene numbers are preserved and easily updated when you make in-production changes to your script.

Als "klassischer" Drehbuchautor ist das für mich allerdings größtenteils Ballast.

Next Stop: Der Amazon Storywriter, über den ich 2015 geschrieben habe:

Ein in seiner Simplizität starkes und leicht zu erlernendes Werkzeug für Drehbuchautoren, die nicht auf überteuerte oder überladene Softwarepakete zurück greifen möchten. Nicht mehr, nicht weniger.

Nur leider hat Amazon das Tool schon nach kurzer Zeit wieder sang- und klanglos eingestellt.

Was macht demnach der Drehbuchautor, der einfach nur Drehbücher schreiben und in einem für die Industrie kompatiblen Format bereitstellen will?

Nach einer kurzen Suche wurde mir die Freeware Kit Scenarist vorgeschlagen, die mittlerweile zum Story Architect mutiert ist:

Ich war zuerst skeptisch, aber zu meiner Überraschung entpuppte sich die Software so etwas wie die eierlegende Wollmilchsau für Drehbuchautoren: sie importiert diverse Formate, wandelt auch PDF wieder in editierbare Dateien um, kann dabei nicht nur Final Draft-, sondern auch Skripts anderer Software-Suiten exportieren. Kurzum: Story Architect schluckt fast alles – und spuckt es auch wieder aus.

Mit Hilfe von Story Architect konnte ich das von mir geschriebene Skript am Ende in den proprietären Final Draft- und Story Architect-Formaten sowie als PDF und DOCX speichern. Damit sollte der Auftraggeber auf jeden Fall klarkommen.

Mehr noch: Die Software fragt zu Beginn, mit welcher Software man bisher gearbeitet hat und stellt die Bedienung auf Wunsch entsprechend um. Wenn man auf Final Draft gelernt hat, ist die Umgewöhnung auf Story Architect Kinderkram. Das extrem einfach aufgebaute Interface erlaubt zudem Zugriff auf diverse Übersichten und Statistiken:

Und schaut euch mal die rechte Spalte an: Story Architect bringt einen KI-Assistenten mit, der dabei hilft, das Drehbuch zu kürzen, zu übersetzen oder zusammen zu fassen.

Den Polish und die englische Version meines aktuellen Drehbuchs habe ich mit Story Architect geschrieben und kann im Brustton der Überzeugung vermelden: so muss das.

Es gibt nur zwei, drei kleinere Haken.

Zuerst einmal kommt Story Architect wohl aus Russland und jeder muss für sich selbst entscheiden, wie weit er russische Software auf seinen Rechner lassen möchte. Gerade bei Freeware ist eine gesunde Skepsis angebracht, auch wenn meine Sicherheitstools nicht angesprungen sind.

Hinzu kommt, dass die Kostenlos-Version von Story Architect zwar alles mitbringt, was man braucht, während die kostenpflichtigen Varianten oftmals mit Features locken, die noch gar nicht eingebaut sind.

Es ist allerdings abzusehen, dass sich das – wie bei Celtx – irgendwann ändern wird. Die Entwickler wollen ja auch Geld verdienen. Die Freeware-Freude mag demnach von begrenzter Dauer sein.

Und schließlich: Die KI-Features werden mit tokens "bezahlt", die man kostenpflichtig erwerben muss. Damit kann ich allerdings leben, denn KI Ist ein teurer Spaß und ich brauche sie für meine Drehbücher sowieso nicht.

Mein Fazit? Wer "nur" Drehbücher schreiben will und keine Lust hat, für die Software Handbücher zu wälzen und Geld zu zahlen, der hat im Moment mit Story Architect das perfekte Werkzeug zur Hand.

Ideal(er) wäre allerdings eine Option "Final Draft basic", die für z.B. 30 Dollar das Verfassen von Drehbüchern ohne die ganzen zusätzlichen Tools und Environments erlaubt. Damit wäre allen Anwendern und Final Draft selbst gedient.

P.S.: Was es mit dem geheimnisvollen Projekt auf sich hat, das ich hier nicht weiter erwähnen möchte? Man wird sehen. Wenn es etwas zu vermelden gibt, vermelde ich es.



Abonnieren
Benachrichtige mich bei
guest

20 Kommentare
Älteste
Neueste
Inline Feedbacks
Alle Kommentare anzeigen
Magineer
Magineer
16. März, 2025 18:00

Final Draft war mir ab einer bestimnmten Version auch viel zu überfüllt, brauchte ewig für Updates und sah irgendwann auch einfach nicht mehr hübsch aus.

Ich bin dann nach diversen Tests (Celtx hatte ich schon vor FD genutzt) vor gut zehn Jahren auf Fade In umgeschwenkt (dass in der Industrie inzwischen schon eine ganze Menge Anhänger hat). Zum einen war es günstiger, sehr viel schlanker und inkludierte alle Updates auf Lebenszeit, außerdem intuitiv bedienbar, mit .fdx & Co. natürlich kompatibel und der Support machte schon in der freien Testversion sehr viel Spaß. Ich kann nahtlos von Desktop auf Laptop wechseln oder auch am iPad weiterschreiben, die Community ist super hilfreich und die Oberfläche angenehm.

In den letzten zehn Jahren hat sich auch bei anderen Herstellern einiges getan, und so findet sicher jeder seinen eigenen Ansatz – es gibt mittlerweile Software für jeden Geschmack: Traditionalisten halten vermutlich an FD fest, wer auf deutsche Firmen setzt, gibt vielleicht Drama Queen eine Chance, Puristen schwören auf Highland 2 (dessen Markdown-Ansatz unglaublich vielseitig ist, aber auch sehr speziell, wenn man kein geborener Nerd ist) … umschauen und Mitwettbewerber abchecken schadet nie.

Für mich bleibt es momentan bei Fade In.

Sergej
Sergej
16. März, 2025 20:13

Erst musste aus Gründen ein medizinischer Check-up gemacht werden (und anschließende Augen-OP) nun ein geheimnisvolles Projekt. Gibt es einen Zusammenhang? Ein Fall für Galileo Mystery.

Jerry Lundegaard
Jerry Lundegaard
16. März, 2025 23:39
Reply to  Sergej

Mysteriös?!?!
Das öffnet mir sofort die Tür zur Spekulation. Und deshalb biete ich da mal hochpotente Erkärungen an.

Medizinischer Check-up, Grund: Zu viele Lisa Filmverbrechen Foto Stories ("Die schleifen einem die Hirnwindungen ab und sorgen für verfrühte Vergreisung" (sic))
Augen-OP, Grund: Zu viele Lisa Filmverbrechen Foto Stories (Erinnert sei an die modischen Geschmacksverirrungen, wie die Eierbeutel aus https://wortvogel.de/2024/08/filmverbrechen-fotostory-die-schoenen-wilden-von-ibiza-1-oder-bauch-rein-brust-raus/)
Geheimnisvolles Projekt: Drehbuch zu einem neuen Lisa-Film – aaahhhhhrgh

Sergej
Sergej
17. März, 2025 11:35

Benötigt man für einen Lisa-Film wirklich ein 90 Seiten Drehbuch?

Martzell
17. März, 2025 11:07

Es gibt eine Plaintext-Markdown-Sprache namens Fountain. Wenn man sicher gehen will dass das Format für immer lesbar bleibt.

https://www.linux-community.de/ausgaben/linuxuser/2021/01/markdown-sprache-fountain-fuer-drehbuecher/

Pascal
Pascal
19. März, 2025 20:49
Reply to  Torsten Dewi

Das war eher allgemein gesprochen, richtig? Wir müssen uns keine unmittelbaren Sorgen machen? Richtig?

Loozi
Loozi
17. März, 2025 11:35

Moin!
Mit Celtx habe ich eher gemischte Erfahrungen gemacht. Mir persönlich sagt Final Draft sehr zu und ich benutze es gerne.

Was für den "Nicht-FD-ler" noch beachtenswert wäre:
dramaqueen.info
Es gibt eine 30-Tage-Testversion, der Preis ist m.E. dann durchaus angemessen und das Programm funktioniert prima. Und es ist in D entwickelt worden…

Walter K. aus H.
Walter K. aus H.
18. März, 2025 01:01

200$ scheinen mir für solch ein Werkzeug nicht zu viel. Oder ist das keine Einmalzahlung, sondern ein Abo?

Walter K. aus H.
Walter K. aus H.
18. März, 2025 08:20
Reply to  Torsten Dewi

Wie in den guten, alten Zeiten des Softwarekaufs.

Abo ist berechenbarer, aber idR teurer und lästiger.

Baumi
Baumi
18. März, 2025 08:36

Nutze FD gerade zum ersten Mal beruflich. Bisherige Projekte waren immer einfach in Word gewesen, aber mein jetziger Auftraggeber hat seinen Workflow schon vor Jahren um FD herum aufgebaut.

Bisheriges Fazit: Auto-Complete bei Rollennamen ist praktisch, genauso wie das Einfärben von Szenen-Kärtchen je nach Handlungsstrang. Ansonsten nutze ich aber bestimmt nicht einmal ein Zehntel von dem, was das Ding kann, sondern behandele es einfach wie eine Textverarbeitung mit einem arg altmodischen Interface.

Das Problem hatte ich aber bei anders gelagerten Autorentools (wie etwa Scrivener) auch schon: Am Ende arbeite ich immer wieder so, wie ich’s eh gewohnt bin, was nicht unbedingt so ist, wie es sich die Entwickler des Programms gedacht haben.

Kann man jetzt je nach Laune positiv ("Ich hab den richtigen Weg für mich schon gefunden") oder negativ ("Ich stecke in meinen Gewohnheiten fest") interpretieren.

DSFARGEG
DSFARGEG
20. März, 2025 17:45

“Dr. Hope… IN SPACE”

DSFARGEG
DSFARGEG
20. März, 2025 20:20
Reply to  Torsten Dewi

Da Dr. Hope ein Zweiteiler war, müsste eine Fortsetzung zumindest in 3D sein. 🤔