08
Jan. 2025

Filmverbrechen-Fotostory: Bunte Extras von Könnern für Kenner

Themen: Film, TV & Presse, Fotostory |

Heute mal was ganz anderes – es gibt zu drei meiner Fotostorys (wie ich finde) interessante Updates, die ich mit euch teilen möchte.

Fangen wir mit dem Kleinkram an.


BONDITIS: Als ich den Film 2021 in seine Einzelteile zerlegt habe, war er noch ein gesuchtes Kleinod, verfügbar nur als miserabler VOX-Mitschnitt auf VHS-Kassette. Durch Zufall habe ich nun entdeckt, dass er seit letztem Jahr nicht nur offiziell, sondern auch noch liebevoll restauriert auf diversen Plattformen verfügbar ist:

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TV-PIRATEN – SENDER FREIES BILK: Der Regional-Trash aus meiner Heimatstadt (zeitweise sogar meinem Heimatviertel) kommt noch mal ins Kino! Und das sogar in Anwesenheit der Macher, wie diese Pressemitteilung verrät – dafür werbe ich gerne und mit ganzem Herzen:

"TV-Piraten: Sender Freies Bilk" in Anwesenheit des Filmemachers Rüdiger Daniel im Metropol-Kino

Die 80er Jahre waren die Blütezeit der neuen freien unabhängigen Radio- und TV-Sender in Deutschland. Das nahm sich 1982 TV-PIRATEN – SENDER FREIES BILK zum Thema. Der Autor Rüdiger Daniel setzte auf den Düsseldorfer Stadtteil Bilk und entdeckte dort seinen eigenen Sender für die Programmkinos. Im Bambi-Kino lief der Film drei Wochen und fand in der Bundesrepublik insgesamt ca. 20.000 Zuschauer:innen.

Laien aus Bilk werden hier zu Piraten unter dem Motto „Freies Wort und Freies Geleit“. Ganz Bilk beschützt seine Piraten und der Andrang von Bürgern, die ins Programm kommen wollen, ist groß. Ein für Düsseldorf beispielhaftes Medienspektakel, das leider keine reale Nachfolge fand.
TV-PIRATEN: SENDER FREIES BILK läuft nun noch einmal in der Reihe des Filmbüro NW „Dem Land seine Bilder geben #11“ im Bilker Kino Metropol. Mit Überraschungsvorfilm. Der Autor Rüdiger Daniel, der in Bilk aufgewachsen ist, wird anwesend sein, ebenso der Kameramann Werner Kubny.

Ein besonderes Erlebnis für alle, die eine kleine Zeitreise ins Düsseldorf der 80er-Jahre unternehmen wollen.

Am Freitag, den 17.1. um 19 Uhr im Metropol in Anwesenheit des Filmemachers Rüdiger Daniel und weiterer Gäste u.a dem Kameramann Werner Kubny.

Unter www.filmkunstkinos.de gibt es einen Kartenvorverkauf.


Den wirklichen Hammer habe ich mir allerdings aufgehoben: Ein auf eigenen Wunsch anonym bleibender Nebendarsteller hat mir eine ganze Sackladung toller "behind the scenes"-Infos zu PLEM PLEM DIE SCHULE BRENNT zukommen lassen, die einen seltenen und lehrreichen Einblick in die Entstehung dieses Films erlaubt.

Ich übergebe an "Mr. E":


Ich war einer von denen, die an diesem Menschenexperiment teilgenommen hatten. Ich war einer der Rocker. Ich bin auf mehreren deiner Screenshots zu sehen, aber zum Glück nicht erkennbar!

Gedreht wurde Anfang April 1983 während der Osterferien. Man brauchte ja eine leeres Schulgebäude für die mehrere Tage dauernden Aufnahmen im und vor dem Haus. Bei der Schule handelt es sich um das Hildegard-Wegscheider-Gymnasium in Grunewald.

Wikipedia vermerkt unter „ehemalige Schüler“ eine gewisse Sharon Brauner, die 2 Jahre vorher dort eingeschult wurde. Die Tochter des Herstellungsleiters. Der ganze Brauner-Clan wohnte in der Nähe, an der Königsallee, eine gut betuchte Villengegend.

Die von dir beschriebene Tordurchfahrt, an der die Motorradfahrer scheitern, ist die Einfahrt zum Jagdschloss Grunewald.

Zitat: „So endet die "aufregende" und für die "Handlung" natürlich völlig irrelevante Verfolgungsjagd an dem, was in Bayern ein romantischer See wäre, im Berliner Umland aber eher nach siffigem Tümpel aussieht.“

Dieser Tümpel ist der Grunewaldsee, an dem auch das Jagdschloss liegt. Bedingt durch die frühe Jahreszeit ist die Vegetation noch nicht in voller Blüte, was in vielen Szenen des Films erkennbar ist.

Auf dem Bild mit dem stürzenden Motorradfahrer vor der Tordurchfahrt kann man den Wasserspiegel des Sees rechts, zwischen den Bäumen erahnen:

In der darauf folgenden Szene, wo die Ente halb im Wasser steht, ist im Hintergrund das Jagdschloss zu erkennen:

„Aufregend“ mag die Verfolgungsfahrt für 14-jährige Teenies gewesen sein. Wir mußten immer aufpassen, dass wir dieser „lahmen Ente“ nicht hinten drauf fuhren. Der Regisseur wies uns an, dass wir Schlangenlinien fahren sollen, damit etwas Bewegung (Action) ins Bild kommt.

Diese Fahrt mußte dreimal gedreht werden. Einmal von vorne, einmal von hinten und dann noch einmal mit auf dem Tank montierter Kamera.

In dieser Einstellung ist auch unser wahnsinniges Tempo von ca. 60 km/h erkennbar:

In allen Szenen, in denen die Ente fahrend gezeigt wurde, mußte Thommy Ohrner gedoubelt werden, da er noch nicht 18 war und keinen Führerschein besaß.

Ähnlich verhielt es sich mit dem Rockerboss (Henry Stolow). Er konnte gar nicht Motorrad fahren. Das entsprechende Aushangfoto, das die Rocker zeigt, ist gestellt. Bei den Fahrten saß er als Sozius hinten auf der Maschine drauf.

Modisch liebreizend ist auch sein Outfit. Halbhohe Stiefeletten mit Reißverschluss und eine zu kurze Latexhose mit Nieten an den Seiten. Den würden die Hells Angels auf der Damentoilette einsperren!

Gefahren wurde das Motorrad von einem spanischen Stuntman, der auch meist die Ente fuhr. Hier ist er links hinter dem tumben Rockerboss zu sehen:

Er machte den Sturz vor dem Schloss und bei dem Obstwagenstunt ist er links – auf dem Boden – zu sehen. Bei der Rauferei auf der Hochzeitsfeier flog er über die Tische.

Dieser Stuntman und der nirgends genannte Aufnahmeleiter sind die beiden Personen, die ich in positiver Erinnerung habe.

Der Stuntman fuhr alle Fahrzeuge, machte die Stunts, half beim Auf- und Abbau des Sets, er war immer in Bewegung. Der Aufnahmeleiter war Jochen Kather, der vorher schon viel für das ZDF gemacht hatte (Traumschiff, Derrick usw.).

Diese beiden konnte man ansprechen, wenn es irgendwas zu klären galt oder man Fragen hatte.

Peter Kuiper und Herbert Fux spielten in diesem Film keine Rollen. Die waren so, auch wenn die Kamera aus war. Gunther Philipp wurde standesgemäß mit einer Limousine (Jaguar XJ) zum Dreh chauffiert. Ob es sich um einen Fahrdienst handelte, oder ob es Atze Brauners private Karosse war, man weiß es nicht.

Während der Drehpausen kam man auch mit den Schauspielern in Kontakt. In der Schule hatten sie ein Klassenzimmer als „Pausenraum“ her gerichtet, wo man sich traf. Man konnte spüren, dass nicht alle mit ihrem Job zufrieden waren.

Ich erinnere mich an eine Pause, als Helga Feddersen neben mir auf der Bank saß. Ich stupste sie mit dem Ellenbogen an: „Helga, wollen wir mal ‘ne Runde drehen?“ Sie blickte etwas erschrocken/schüchtern: „Meinst du wirklich? Bin ich nicht schon zu alt dafür?“ Wir verschoben es dann.

Und dann kam der Tag … da galt es was zu klären … ich hatte Fragen.

Es war der dritte Drehtag und ich fragte Kather, wie es aussähe mit Arbeitsvertrag und Gage. Wir hatten die Vorabinfo: Statistenrolle: 100,- DM pro Tag. Eigene Kostüme (Rockerklamotten): 100,- DM pro Tag. Eigene Fahrzeuge: 100,- DM pro Tag.

Am nächsten Tag erschien … Atze! Er hielt mir den Vertrag unter die Nase: „100,- DM pro Tag, hier unterschreiben!“

„Den Vertrag kannst du dir irgendwo hin schieben.“ Ich drehte mich um und verließ das Set. Bevor ich draußen auf der Straße mein Motorrad besteigen konnte, stand er hinter mir: „Bleib hier, es war doch nicht so gemeint, natürlich kriegst du 300,- pro Tag.“

Ihm muß in Windeseile durch den Kopf gegangen sein, dass er 3 Tage mit dem kompletten Team und neuen Rockern noch mal drehen muß. Wir hatten ja täglich schon einen Schein bar auf die Hand als Abschlag bekommen. Ich hätte es verschmerzen können.

Beim erneuten Studium seines Wikipedia-Artikels lese ich nun, dass er die gleiche Nummer schon 20 Jahre vorher mit Lex Barker abgezogen hatte. Der mußte damals seine Gage (100.000,- DM) vor einem deutschen Gericht einklagen.

Als ich danach wieder im Pausenraum erschien, bekam ich beinahe Applaus von den anwesenden Schauspielern. Die hatten uns vorher schon gewarnt: „Lasst euch nicht verarschen.“ Wenn die sich so verhalten hätten, wäre es ihr letzter Film bei den CCC-Studios gewesen.

Fazit: Wir hatten 6 Drehtage, fuhren immer nur ein paar Minuten durch’s Bild, der Verdienst war OK.

2023 hat Tele5 den Film spät nach Mitternacht gezeigt. Ich Trottel hatte aber vergessen, die Record-Taste zu drücken. Ich war auch erschrocken über die schlechte Bildqualität. Mitte der 90er lief er mal bei RTL und ich hatte ihn damals auf VHS aufgenommen. Das letzte mal, dass ich ihn mir „reingezogen“ hatte, war 20 Jahre her.

Beste Grüße von einem Biker, der ungenannt bleiben will.


Großartig, ganz großartig. Als wäre man selber dabei. Ich kann nur danken.



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Flossensauger
Flossensauger
8. Januar, 2025 17:51

Besten Dank auch von mir! Sowas liest man selten.

Apropos "Rocker". Ich kenne einige der Statisten (und Bands) aus dem Film "Verlierer" (D, 1986) flüchtig. Die wurden laut eigener Aussage sehr fair behandelt. Genügend Geschichten vom Dreh haben sie trotzdem zu erzählen, gerade aus ihrer Laien warte heraus.

kinohorst
kinohorst
8. Januar, 2025 22:23
Reply to  Flossensauger

Da war der Aram ("Aram und die Schaffner") dabei. Ein bekannter Düsseldorfer Punker und Musiker. Hat viel davon erzählt und von seiner Zeit auf der Ratinger mit den Toten Hosen. Der wohnte bis zu seinem frühen Tod vor ein paar Jahren in Düsseldorf-Bilk und kam auch öfters im Metropol-Kino vorbei. Ein wirklich herzlicher und lieber Mensch, der leider dem Alk sehr zugetan war. Wollte ihn überreden, seine Erinnerungen als Buch oder so in Form zu bringen. Muss oft an ihn denken…

Kosar34
Kosar34
8. Januar, 2025 23:53
Reply to  kinohorst

Herr Brauner war ja berühmt und berüchtigt sehr sparsam mit dem Geld zu sein. Das er das sogar mit Lex Barker versucht hat, ist wirklich ziemlich frech. Auch bei der Archivierung seiner Filmbestände soll er ziemlich gespart haben. Die sollen in ziemlich schlechten Zustand sein. Seine Tochter(?) ist wohl dabei alles zu digitalisieren und stößt wohl, wegen der schlechten Materialvorlage, auf Probleme.

Dinozeros
Dinozeros
9. Januar, 2025 01:17

Sehr schöne Erzählung des Rockers. Danke und freie Fahrt!

Sergej
Sergej
9. Januar, 2025 15:12

Deswegen die Augen-OP, um die TV-Piraten in all ihrer Pracht auf der grossen Leinwand zu genießen.