29
Dez. 2024

Jimmy Carter (1924-2024): “We told the truth, we obeyed the law, and we kept the peace."

Themen: Neues |

Jimmy Carter ist tot. Der Ex-Erdnussfarmer und Ex-Präsident der Vereinigten Staaten wurde erstaunliche 100 Jahre alt. Er hatte seine Nachfolger Reagan und Bush I überlebt.

Ich wurde 1968 geboren, bin daher politisch geprägt von den 70ern. Die ersten globalen Machtpolitiker, an die ich mich erinnern kann, hießen Schmidt, d’Estaing, Carter, Thatcher. In den 80ern wurde daraus Kohl, Mitterand, Reagan, und immer noch Thatcher. Schon die Assoziationen mit diesen Namen zeigen den Wandel der westlichen Werte von den liberalen 70ern in die turbokapitalistischen 80er.

Jimmy Carter wurde gerade durch die aggressive Politik und Propaganda der Reagan-Ära immer als schwacher Präsident diskreditiert – einer, der im Nahen Osten nicht vorankam und den Iran an die Mullahs verlor. Einer, der den Sowjets nichts entgegenzusetzen hatte und der amerikanische Bürger im Ausland nicht zu schützen wusste.

Nichts könnte falscher sein. Wer eine schöne – und wie ich finde faire – Einordnung seiner Präsidentschaft lesen möchte, findet sie hier.

Carters Vize Walter Mondale hat die Präsidentschaft und ihre moralische Erwartung mal folgendermaßen beschrieben:

"We told the truth, we obeyed the law, and we kept the peace."

Es ist ausnahmsweise mal keine PR-Phrase.

Nach Nixon und vor Reagan ist das schon bemerkenswert. Vielleicht sollte man den (An)Spruch als Mantra auf alle Dollarscheine drucken, als Ersatz für "In God we trust". Oder in das Präsidentensiegel aufnehmen.

Nun könnte man es sich leicht machen und mir vorwerfen, ich würde meine eigenen Kindheitserinnerungen zur Basis einer Einschätzung machen, die einer erwachsenen Analyse nicht standhalten kann. Aber das stimmt nicht. Eine komplexere Meinung zu Carter habe ich nämlich erst zur Jahrtausendwende entwickelt, als ich fasziniert bei den diversen "Die Tagesschau vor 20/25/30-Jahren"-Sendungen seine Präsidentschaft praktisch live, aber zeitversetzt noch einmal erlebt habe.

Jimmy Carter war ein bescheidener, kluger und geduldiger Präsident, der letztlich nicht an eigenen Fehlern, sondern an einem Mangel an Bereitschaft scheiterte, den selbstbesoffenen Hurra-Patriotismus seines eigenen Volkes ausreichend zu bedienen.

Carter war ein guter Präsident – zum großen Menschen hat ihn dann sein Einsatz nach der Amtszeit gemacht. Es lohnt sich, das nachzulesen. Er sollte von den Meme-Machern unserer Generation heiliggesprochen werden und damit neben Bob Ross, Steve Irwin und Mister Rogers stehen. One of the good guys.

Ich sehe übrigens große Ähnlichkeiten zwischen Carter und Biden. Bei beiden sehe ich große Dienstbereitschaft, keine Gier nach Macht, eine Fähigkeit zur Abwägung. Und ich erwarte jetzt schon, dass man Biden dereinst historisch als "schwachen" Präsidenten (ab)werten wird, als mangelnden "Mann der Tat". Weil Amerika ein Land ist, das seine "Bullys" zu Helden verklärt und Macht mit Recht verwechselt.

Farewell, Mr. Carter. Thank you for your service.



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Kosar34
Kosar34
29. Dezember, 2024 23:37

Schöne Worte. Carter hat mir damals ,beim Staatsbesuch in Bonn, die Hand geschüttelt. Mein Vater war dermaßen stolz. Waren nur zufällig in Bonn. Unser wöchentlicher Einkaufsbesuch per Bus. Zu Reagan: Er und sein Wahlteam hat doch verhindert, das die Geiseln noch in der laufenden Präsidentschaft von Carter freigelassen wurden. Was für eine Sauerei.

Vineyard
Vineyard
30. Dezember, 2024 10:44
Reply to  Kosar34

Genau wie Nixon und sein Wahlteam die Vietnam Verhandlungen untergraben haben, weil sie behaupteten sie würden einen "besseren Deal" anbieten.

Edin Basic
Edin Basic
30. Dezember, 2024 13:01

Carter gab 1977 Panama den Kanal zurück.
Der künftige Präsident droht Panama, Grönland und Kanada mit territorialen Ansprüchen.
Man kann nicht so viel fressen, wie man kotzen möchte

Exverlobter
Exverlobter
31. Dezember, 2024 07:49

Apropos Kindheitserinnerungen und wie sie einen prägen. Bis zum heutigen Tag muss ich, sobald ich den Namen Jimmy Carrer höre stets zuallererst für eine Milisekunde an den Film "Der Flug des Navigators" denken. Den habe ich als Kind neben Star Wars wie ein Besessener immer wieder auf einer irgendwann ausgeleierten VHS zig Mal abgeschaut. Mit Politik hatte ich damals natürlich noch nix am Hut. Aber ein Satz des Films brannte sich in mein Hirn ein. Als das Kind des Films, das von dem Raumschiff 8 Jahre in die Zukunft versetzt wird von den Behörden gefragt wird, wer denn derzeit der Präsident der USA ist, antwortet er mit Jimmy Carter, als es schon längst Ronald Reagan ist. Der Name Carter sagte mir natürlich nix, aber dadurch dass ich den Namen so oft hörte, (halt aufgrund des wiederholten Schauens des Films), wollte ich dann irgendwann mal doch wissen, was es denn mit diesem besagten Jimmy Carter auf sich hatte. Und dadurch habe ich bis zum heutigen Tag die Assoziation zu dem Film. Die krieg ich auch nicht mehr aus meinem Hirn. Als ich jetzt von seinem Tod hörte (mit dem aber ehrlich gesagt schon seit gut 1-2 Jahren gerechnet wurde) sein, musste ich wieder wehmütig an meine Kindheit zurückdenken, und wie oft ich damals diesen Film gesehen hatte.