Zeitenwende in Trudering: Raus aus dem Haus und aus die Maus
Themen: Neues |Über die typische, aber auch etwas langweilige Vorstadt-Architektur von Trudering habe ich vor ein paar Jahren bereits geschrieben. In dem Beitrag wurde ein Haus erwähnt, dessen Schicksal ich noch einmal aufgreifen möchte:
2021. Hinter hohem Buschwerk nur im laubarmen Winter gut zu erkennen, handelt es sich dabei um (vermutlich) ein modernes Haus der 60er, gebaut in Würfelform, fast ausschließlich nach vorne (Süden) großflächig verglast. Der große Garten ist bis auf die Rasenfläche komplett ungenutzt.
2022 ist das Haus plötzlich verlassen, das Buschwerk am Zaun entfernt und die Natur schafft eine entspannte Schönheit rund um den Klotz:
Wir denken eigentlich, dass sehr schnell die Bagger auffahren werden, denn ein so großer Baugrund ist sexy für Anleger und Investoren. Aber auch über den Winter passiert gar nichts und der Anblick wird eher trist:
Es tut sich nichts, obwohl immer wieder ein Wagen mit Anhänger hinter dem Haus steht. Lediglich die Reste der Einrichtung werden nach und nach entsorgt.
2023. Keine Veränderung. Leichter Verfall setzt ein. Ab und an sehe ich ein junges Paar, das in dem gesicherten Garten seinen jungen Hund bespaßt und trainiert.
Mitte 2024. Drei Jahre nachdem Auszug der vorherigen Besitzer/Mieter. Das Schild einer Fertighausfirma taucht am Zaun auf und kündet von einem baldigen Neubau. Dann verschwindet auch der Zaun. Das Haus wird entkernt, bis nur noch das Fundament und die Wände stehenbleiben:
In den nächsten Wochen ziehen die Sprayer ein und "verschönern" das Haus für die Zielgerade ein letztes Mal. Dann kommt der Bagger:
Nach unserem Wien-Kurzurlaub nun das Ende vom Lied:
Meine Vermutung? Man wird ein deutlich größeres Mehrparteienhaus auf dem Grundstück errichten und den Garten auf einen schmalen Grünstreifen reduzieren, wie es hier im Viertel üblich ist. Maximierter Wohnraum zum Premium-Preis. Gesichtslos in weiß mit grau gepinselten Details.
Schade. Ich habe mit meiner Frau oft über das Haus diskutiert. Ob es sich überlebt oder als Zeitzeuge der 60er einen besonderen Schutz verdient hatte. Ich kann mir vorstellen, dass man das Gebäude schick hätte herrichten können. Andererseits: kein Keller, keine Dämmung, schlechter Grundriss. Man muss loslassen können.
…irgendwo zwischen Bauhaus & Brutalismus steckengeblieben – aber doch interessant.
Aber was ist aus der armen Topfpflanze geworden?
Leider spiegelt genau das wieder, was in und um München mit Wohnraum passiert. Gewinnmaximierung.
Der "Klotz" hatte Charme, ja sogar Stil, aber gegen ein 8 Parteienhaus á 2.500€ aufwärts mtl für die Einheit kann auch Bauhausbrutalismus nicht an.
Das Gegenargument ist natürlich, dass ein 8 Parteienhaus acht Familien ein Zuhause bieten kann, was angesichts der Wohnungsknappheit Vorrang haben sollte. Es geht ja nicht nur um Gewinn-, sondern auch um Raummaximierung.
Völlig richtig, zu befürchten ist allerdings das das wieder so eine "fancy exclusive living lofts" Nummer wird, wie überall in München.
Jein. Haben wohlhabende Menschen kein Anrecht auf Wohnraum? Ich bin zwar generell der Meinung, dass der Staat wieder deutlich mehr tun sollte, um bezahlbaren Wohnraum zu schaffen, aber das ändert nichts daran, dass acht Wohnungen besser sind als eine – unabhängig von den Mietern/Besitzern.
Jein, ich sehe zumindest bei uns, dass diese "exclusive living lofts" bei uns in Berlin dann gerne mindestens 40% des Jahres komplett ungenutzt sind, weil der reiche Besitzer halt mehrere Objekte hat und halt nen schicken Ort haben will, wenn er wieder mal vor Ort ist.
Mein Nachbar ist zB maximal 20% (sehr großzügig geschätzt) der Zeit in Berlin, er meinte, er wohnt die meiste Zeit in München. Da könnte halt auch eine Familie 100% der Zeit drin leben. Leben ist halt ungerecht.
Das stimmt zumindest hier in Trudering nicht. Da wohnen eigentlich immer Paare und Familien dauerhaft – meistens wohlhabend, das stimmt. Aber das ist ja kein Menetekel.