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Okt. 2024

Filmkritik zum Frühstück (4/5): SAME TIME, NEXT YEAR / BAREFOOT IN THE PARK

Themen: Film, TV & Presse, Neues |

Doppel-Review! Und das kam so…

Bei unserem kürzlichen Wien-Ausflug besuchten die LvA und ich auch das sehenswerte englische Theater vor Ort:

Dort wurde der Boulevard-Klassiker SAME TIME, NEXT YEAR von Bernard Slade gegeben. Wir waren von der Inszenierung und den Darstellern ziemlich begeistert. Ich erwähnte nebenher, dass es in den 70ern schon mal eine Verfilmung des Stoffs mit Alan Alda gab, woraufhin die LvA sofortige Beschaffung und Sichtung verlangte, ist sie doch seit M*A*S*H ein Mega-Alda-Groupie. Wir wollten zudem wissen, inwieweit die Verfilmung vom Theaterstück abweicht.


SAME TIME, NEXT YEAR

USA 1978. Regie: Robert Mulligan. Darsteller: Alan Alda, Ellen Burstyn

Story: George und Doris lernen sich 1951 in einem Landhotel kennen und verbringen eine leidenschaftliche Nacht miteinander. Obwohl sie beide verheiratet sind und Kinder haben, beschließen sie die Affäre einmal im Jahr aufleben zu lassen. Über die nächsten 25 Jahre entwickeln sie sich weiter und ihre Beziehung bekommt immer neue Facetten.

Kritik: Zuerst einmal beantworte ich die iben gestellte Frage: praktisch null. Mit Ausnahme von wenigen Außenaufnahmen und der Sichtbarmachung des Hotelchefs ist die Filmversion von SAME TIME, NEXT YEAR praktisch identisch mit der Bühnenfassung. Struktur, Referenzen, Dialog – wir hätten es fast noch mitsprechen können.

Ist das schlecht? Nicht unbedingt. ST,NY ist eine schöne Dramedy über das, was das Leben mit uns macht – und gleichzeitig ein Porträt Amerikas der 50er bis in die 70er. Alda und Burstyn sind erwartungsgemäß großartig und das Stück hat nichts von seiner Aktualität verloren – auch wenn ich mir wünschen würde, es gäbe eine Art Fortsetzung für die nächste Generation – SAME. TIME, NEXT YEAR 1980-2005.

Nichtsdestotrotz finde ich die Umsetzung etwas unbefriedigend, denn Theater ist Theater und Kino ist Kino. Dass hier die Möglichkeiten der filmischen Mittel so gar nicht genutzt werden, lässt mich die Frage stellen, was genau das sein soll. Einfach nur eine aufwändigere filmische Konserve des Stücks? Auch wenn der Stoff keinen aufhübschenden Schnickschnack braucht, so hätte ich mich doch gefreut, wenn man ihn ein wenig mehr an das Medium angepasst hätte.

Erstaunlich auch, dass Marvin Hamlisch praktisch den gesamten Soundtrack mit der Variation eines einzigen Stücks bestreitet:

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So ist ST, NY eine schöne Adaption für Freunde verfilmten Theaters, aber als Kinofilm doch zu dünn. Man muss sich schon sehr in die 70er einfühlen können und im Idealfall auch Alda-Fan sein.

Fazit: Ein verfilmtes Theaterstück, das Zeitkolorit und eine intime Liebesgeschichte verzahnt, aber ein wenig mehr tatsächliches Drama vertragen könnte und gegen Ende zu dünn ausläuft.

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BAREFOOT IN THE PARK

USA 1967. Regie: Gene Saks. Darsteller: Robert Redford, Jane Fonda, Charles Boyer, Mildred Natwick, Herb Edelman

Story: Paul und Corie sind jung, verliebt, und frisch verheiratet. Ihre erste eigene Wohnung kommt allerdings mit diversen Defiziten und Eigenheiten, was zu Spannungen führt, an deren Ende sich Paul und Corie fragen müssen, ob ihre Liebe die unterschiedlichen Lebensentwürfe überhaupt aushalten kann.

Kritik: Nach SAME TIME, NEXT YEAR und DER DRITTE MANN entschieden die LvA und ich, in den nächsten Monaten mal wieder ein paar echte Klassiker zu sichten. Weil wir gerade beim Boulevardtheater waren, schlug ich zum Einstand BAREFOOT IN THE PARK vor, eine Adaption des gleichnamigen Neil Simon-Stücks. Der Mann ist so eine Art Gottvater der intelligenten Boulevardkomödie. (ODD COUPLE, MURDER BY DEATH, SUNNY-BOYS).

Zusätzlichen Reiz bekommt die Adaption von Gene Saks durch die Besetzung: Sowohl Robert Redford als auch Jane Fonda waren damals hoch gehandelte Jungstars auf der Höhe ihrer körperlichen Attraktivität. Sie in engen Stoffhosen und Polyester-Rollkragen, er im eleganten Anzug und mit korrektem Scheitel – man kann die Popularität der beiden schon verstehen.

Allerdings ist BAREFOOT IN THE PARK deutlich schlechter gealtert als SAME TIME, NEXT YEAR oder andere Simon-Stücke wie ODD COUPLE. Ich musste meine Meinung zum Stück, die auf eine vor Jahren gesehene deutsche Inszenierung zurück ging, klar revidieren: BAREFOOT zeigt kein junges, modernes Paar, das in New York das Leben der 70er und 80er beginnen möchte. Abgesehen von der Tatsache, dass sie gerne und viel Sex haben (offscreen natürlich), sind ihre Lebenseinstellungen und Rollenmodelle so veraltet wie überholt. Corie richtet das Heim ein und irgendeine Form von beruflicher Tätigkeit wird nicht mal angesprochen. Paul wird als Anwalt Karriere machen, sobald er seinen ersten Fall gewinnt. Sie ist der flatterige Freigeist, er der spießige Kopfmensch. Am Ende muss die Liebe zusammenbringen, was eigentlich nicht zusammen passt.

Das ist erschreckend… banal. Und bestenfalls ein Spiegel seiner Zeit, der keine für die nächsten Generationen taugliche Erkenntnisse bietet.

Als Film ist BAREFOOT der Adaption von ST, NY allerdings überlegen, denn er öffnet den Fokus ein wenig, hat mehr Figuren und Locations außerhalb des Apartments, die zumindest halbwegs nach "echtem" Kino aussehen und dem Stück ein wenig des Charme von BETTGEFLÜSTER oder DAS VERFLIXTE SIEBTE JAHR (auch eine Adaption eines Theaterstücks) verleihen.

Fazit: Ein verfilmtes Theaterstück, dessen Themen und Figuren in den letzten 50 Jahren von "modern" zu "altbacken" verstaubt sind und das eher als Nachklapp der auslaufenden Hollywood-Komödie klassischen Stils Sinn ergibt.

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Alexander Freickmann
Alexander Freickmann
1. November, 2024 15:09

Barefoot in the Park hat sich bei mir mit dem Gag wegen der Treppe eingebrannt, der ist wirklich sympathisch authentisch. Aber der Rest des Films ist komplett aus meinem Gehirn raus, wüsste echt nicht eine andere Szene zu beschreiben, außer das Redford und Fonda sehr gut zusammengepasst haben.
Später hatte Redford mit Streisand "The way we were" gedreht, die haben echt so schlecht miteinander funktioniert meiner Meinung nach, dass das Ende da auch nicht überraschend war (außer für die Zeit)