Filmkritik zum Frühstück (3): HELLZAPOPPIN'
Themen: Film, TV & Presse, Neues |USA 1941. Regie: H.C. Potter. Darsteller: Ole Olsen, Chic Johnson, Martha Raye, Hugh Herbert, Jane Frazee, Robert Paige, Mischa Auer, Richard Lane, Lewis Howard, Clarence Kolb, Shemp Howard, Elisha Cook Jr.
Story: Die Bühnenkomiker Ole Olsen und Chic Johnson wollen ihr erfolgreiches Broadway-Stück HELLZAPOPPIN' auf die Leinwand bringen, aber der Regisseur verlangt statt der wilden Abfolge von Slapstick und Musik eine klassische Lovestory, die daraufhin um die Revue herum aufgebaut wird. Die Geschichte beginnt in einer Villa in Long Island. Dort soll auf einem Wohltätigkeitsfest eine Revue aufgeführt werden. Jeff Hunter ist der Autor, Regisseur und Kulissenmaler. Kitty Rand, die Millionärstochter, will sich ihren Schauspielerinnentraum darin erfüllen. Kitty und Jeff lieben sich, aber Kitty soll nach dem Willen der Eltern Woody Taylor heiraten, Jeffs besten Freund. Jeff will daher auf Kitty verzichten. Doch diverse Missverständnisse und die ständigen Einmischungen von Ole und Chic sorgen für totales Chaos.
Kritik: HELLZAPOPPIN' (in Deutschland: IN DER HÖLLE IST DER TEUFEL LOS) ist der schiere Wahnsinn – und das meine ich genauso ernst wie als Warnung. Es ist ein Film, der sich um keine 3 Akt-Struktur schert, keine Charakterentwicklung, keinen Konflikt und keine Auflösung. Stattdessen feuert er Gags, Musik und Slapstick aus allen Rohren, wartet dabei nicht mal das Lachen des Publikums ab, und wirkt wie der opiumgeschwängerte Fiebertraum eines Vierjährigen.
HELLZAPOPPIN' ist absoluter Kult. Ich kenne viele Filmfans, die ihn zutiefst verehren und als mutiges Beispiel loben, wirklich gar nichts auszulassen. Regelmäßig wird die vierte Wand durchbrochen, der Filmvorführer mischt sich ebenso ein wie der Regisseur, dem Film ist der Film bewusst und die Existenz anderer Filme neben sich. Ein Meta-Film aus einer Zeit, die eigentlich keine Meta-Filme kannte, aber auch eine Filmrevue über die Probleme, eine Revue zu verfilmen, ohne dabei die Qualitäten der Vorlage zu verlieren. Dazu werden nicht nur die Tricks der Bühne, sondern auch die Tricks des Kinos rekrutiert:
HELLZAPOPPIN' arbeitet wie kein anderer Film seiner Zeit nach dem Prinzip: viel ist gut – mehr ist immer besser. Großartige Swing-Tanznummern wechseln sich mit dümmstem Slapstick ab, ein Wasserballett steht hier gleichwertig neben beinahe burlesken Showeinlagen. Wortspiele sprudeln den Darstellern förmlich aus dem Mund und visuelle Gags der Stummfilmzeit gelten noch nicht als veraltet:
Man kann sich drauf einlassen, keine Frage. Dann funktioniert HELLZAPOPPIN' als Comedy-Dauerfeuer, dessen Referenzen sich für ein heutiges Publikum gar nicht mehr vollständig entschlüsseln lassen.
Genau so legitim ist allerdings die Erkenntnis, dass viel manchmal zu viel ist.
Versteht mich nicht falsch, aber ähnlich wie bei den Marx Brothers sind die eingestreuten tatsächlichen Handlungselemente und Figuren, die den Revue-Charakter der Vorlage abschwächen sollen, total uninteressant. Umgekehrt lässt sich ausschließlich mit Musik und Slapstick kein Spielfilm über die Laufzeit bringen. Comedy funktioniert nicht anders als die Pornographie: Das Treiben (im wahrsten Sinne) braucht einen Kontext. Nur rein und raus ist wenig anregend.
Es hilft auch nicht, dass man sich so gar nicht an die Hauptdarsteller Olsen und Johnson hängen kann, die zwar Broadway-Stars waren, aber im Gegensatz zu den Marx Brothers in Hollywood keinen dauerhaften Eindruck hinterlassen konnten. Sie sind keine definierten Figuren und als Charaktere schlicht nicht bemerkenswert genug, um den Film zu tragen.
HELLZAPOPPIN' ist halt sehr deutlich ein Kind seiner Zeit, als Revue-Filme in Hollywood angesagt waren und viele Comedians den Sprung von der Bühne auf die Leinwand versuchten und ihr live erprobtes Material mitbrachten. Das hat mal mehr, mal weniger gut funktioniert. Im Fall von HELLZAPOPPIN' muss jeder Zuschauer das für sich selbst entscheiden.
Fazit: Der vermutlich rasanteste Film der ersten 50 Jahre Hollywood, der seine Gags mit einem Maschinengewehr rausfeuert, was diverse Anachronismen und Blindgänger übersehen lässt. Dennoch eher was für Freunde der Filmkunst, die das weitgehend plotfreie Kleinod als Revue-Adaption ihrer Zeit richtig einordnen können.
ich mag den auch – aaber was den wahnsinn anbelangt wird er definitv von Never Give a Sucker an Even Break aus dem gleichem Jahr mit W.C. Fields übertroffen. War wahrscheinlich das Jahr des filmischen Wahnsinns 🙂
Ich kenne ihn tatsächlich nur dem Namen nach, aber für mich als Lindy Hop-Tänzer ist er historisch wichtig, weil die Szenen mit Frankie Manning und Whitheys Lindy Hoppers zum heiligen Kanon der Szene gehören
"für mich als Lindy Hop-Tänzer" – ich dachte, ich kannte dich!!!
gar nichts weißt du:-)
Aha! Ich kannte den Film bisher noch gar nicht – aber als jemand, der vor nicht allzulanger Zeit mit Lindy Hop angefangen hat, sollte ich mir wohl zumindest die erwähnte Szene mal ansehen.
"Wortspiele sprudeln den Darstellern förmlich aus dem Mund und visuelle Gags der Stummfilmzeit gelten noch nicht als veraltet"
ich persönlich würde mir tatsächlich wieder mehr visuelle Gags wünschen. Was hat sich bei "Hot Shots" mehr eingebrannt? Die Dialoge? Oder das gigantische Telefon, die Kuh mit Gummistiefeln oder das riesige Auge von Peter Cushing? Was ist aus dem Spiel mit Persperpektive geworden? Was mit kreativen Auf- und Abgängen ins und aus dem Bild? Was mit perfekt getimten Choreografien, die wie selbstverständlich neben den Dialogen ablaufen?
Vor den "visuellen Gags der Stummfilmzeit" ziehe ich heute noch meinen Hut. Wenn moderne Comedymachende nur 10% an Akrebie und körperlichen Einsatz, die Buster Keaton und Charlie Chaplin an den Tag gelegt haben, aufwenden würden, wäre für mich schon viel geholfen.
Schau dir das mal an.
Danke! Der YouTube-Tip war klasse!
Meinst du nicht Top Secret! ?
Doch, tut er. Bei Hot Shots fallen mir eher der grotesk verlängerte Fliegerhelm oder die von Charlie Sheen als Pfeile verwendeten Hühner ein
Als ich ihn vor über 40 Jahren dss erste Mal so, war ich begeistert. Das hat sich zwar leicht abgemildert, aber er steht noch immer in einer Reihe mit „Duck soup“ und „Blues Brothers“.
Zucker² und Abrahams zählen Hellzapoppin sicherlich zu ihren Insperanten.
Wo kann man den denn schauen? Werstreamt.es listet den Film leider bei keinem Streamer.
Viel einfacher – YouTube.
Ha, danke – daran hatte ich gar nicht gedacht 😀