Fantasy Filmfest 2024 (28): SAYARA
Themen: Fantasy Filmf. 24, Film, TV & Presse, Neues |Türkei 2024. Regie: Can Evrenol. Darsteller: Duygu Kocabıyık, Emre Kızılırmak, Özgül Koşar, Furkan Rıza Demirel, Zakirjan Bazarov
Offizielle Synopsis: Tagsüber putzt Sayara das örtliche Gym, nachts trainiert die stille Frau ihren stählernen Körper unerbittlich in Martial Arts. Als ihre Schwester das Opfer einer Gruppe frauenverachtender Machos wird, sieht sie rot und startet einen bestialischen Rachefeldzug, der sämtliche filmischen Sehgewohnheiten und die Körper all jener sprengt, die der Kämpferin in den Weg geraten.
Kritik: “nachts trainiert die stille Frau ihren stählernen Körper unerbittlich in Martial Arts” – nein.
Ahhh, der Regisseur des knalligen BASKIN ist wieder da und machte vorab auf der Bühne gleich einen auf ganz dicke Hose: der härteste, gnadenloseste, am wenigsten politisch korrekte Film des Festivals stünde nun an. Diverse Festivals hätten sich nicht getraut, ihn ins Programm zu nehmen. Proceed with caution.
Das ist das Problem mit Overhype: Wenn man auf dicke Hose macht und das Publikum dann die zusammen gerollten Socken in den Boxer Shorts entdeckt, steht man wie ein Maulheld da.
Aber fangen wir erstmal mit dem Positiven an: SAYARA ist absolut edel gedreht und braucht keine Entschuldigungen im Stile von “na ja, kommt aus der Türkei, da muss man Abstriche machen”. Die Darsteller sind durch die Bank so gut wie furchtlos. Emre Kizilirmak besitzt genau den mühelosen Charme, der uns glauben macht, dass hinter seiner gelackten Fassade ein absolut moralfreier Günstling der türkischen Männergesellschaft steckt.
Ich gehe auch absolut mit, was die Botschaft des Films angeht: Die Türkei wird immer noch von Männerbünden regiert, die hinter der zivilisierten Maske das alte Pascha-Gesicht spazieren tragen und die Frauen vor allem als Fickware betrachten (sorry, ist aber so). Gibt es einen Konflikt, weicht der Sonnyboy dem Schläger.
Das sind schon viele Pluspunkte, und darum tut mir das Folgende auch umso mehr weh: Das bisschen Story, mit dem Evrenol hier arbeitet, ist einfach zu wenig. Sayaras Schwester wird ermordet, sie massakriert alle Schuldigen. Ende und aus. Das hat so gar keine Wendungen, keine Einsichten, keine Schattierungen.
Schlimmer noch: Weil Sayaras Kampf als inhärent gerecht präsentiert wird, darf sie auch völlig unbeteiligte Wachmänner, Ehefrauen und Schwiegermütter (!) eiskalt abmurksen. Was genau soll da denn die Botschaft sein? Unter dem Strich sticht sie geschätzt ein Dutzend Leute ab, davon gerade mal zwei, die unmittelbar ihre Schwester vergewaltigt und ermordet haben. Und das sollen wir als “Gerechtigkeit” beklatschen?
Nun könnte man das durchwinken, wenn man SAYARA auf “brutaler rape & revenge”-Streifen runterstuft. Aber dafür sind die Fights schlicht nicht gut genug inszeniert. Duygu Kocabıyık ist zwar sportlich und beweglich, aber sehr offensichtlich keine Fighterin. Mitunter ist es absolut unglaubwürdig, dass sie gegen Männer besteht, die das Dreifache an Gewicht und Muskelmasse mitbringen. Die Kämpfe sind deshalb auch eher Schlägereien, die mit Splatter statt mit einer überzeugenden Choreographie aufgehübscht werden.
Es ist schon ein fragwürdiger Ansatz, blutrünstige Gewalt der Männer mit blutrünstiger Gewalt der Frauen zu kritisieren. Kein Gegenentwurf, kein Ausweg, keine Antwort. Und nicht mal Schmackes.
Fazit: Ein brutaler “rape & revenge”-Streifen, der unter der gelackten Oberfläche leider völlig leer läuft und die Chance auf eine tatsächliche Kritik an der türkischen Männergesellschaft weitgehend verschenkt. 4 von 10 Punkten.
Ich stimme zu. SAYARA als Martial Arts Film zu verkaufen ist eigentlich schon eine dreiste Lüge.
Die letzten 15 Minuten berechtigen den Film dann aber doch noch zu einem Platz beim FFF. Und der allerletzte “Kill” ist definitiv etwas, was ich so noch nicht gesehen hab!
Aber letztlich ist der final fight auch ein “cop out”.