Fantasy Filmfest 2024 (1): SPEAK NO EVIL 2024
Themen: Fantasy Filmf. 24, Film, TV & Presse, Neues |USA 2024. Regie: James Watkins. Darsteller: James McAvoy, Mackenzie Davis, Aisling Franciosi, Alix West Lefler, Dan Hough, Scoot McNairy
Story: Ben und Louise, ein wohlhabendes amerikanisches Ehepaar mit Wohnsitz London und diversen Eheproblemen, lernt im Urlaub das scheinbar gleichgesinnte Paar Paddy und Ciara kennen. Als man sich für ein langes Wochenende in Irland trifft, zeigen sich bald Risse in der freundlichen Fassade. Paddy und Ciara scheinen viele Geheimnisse zu haben – und einen perfiden Plan…
Kritik: Ein Remake des dänischen Psychothrillers gleichen Namens von 2022, den ich seinerzeit dergestalt beurteilte:
Ein gänzlich ungemütliches Psychodrama, das gekonnt die Schrauben anzieht und mit Ambivalenzen arbeitet, aber am Ende dann doch zu schnell und zu behauptet ins Absurde kippt. 5 von 10 Punkten.
Es ist mir ein Rätsel, warum gerade dieser Film ein Remake brauchte. Beschweren will ich mich aber auch nicht, weil SPEAK NO EVIL 2024 geradezu ein Paradebeispiel dafür ist, was Hollywood aus kleinen räudigen Low Budget-Filmen macht, bzw. machen kann.
Das Original fühlte sich gerade angesichts seiner ungeschliffenen Machart und seinen unbekannten Gesichtern sehr authentisch an. Man konnte glauben, dass es solche Leute gibt, die solche Sachen machen (abgesehen vom Ende, aber dazu kommen wir noch).
Das Remake von Watkins ist hingegen durch und durch Kino, mit Stars, die Performances abliefern, mit Ereignissen, bei denen man eine sorgsame Inszenierung durch den Regisseur spürt. Figuren bekommen Background und Motivationen aus dem Hollywood-Handbuch, die notwendigen Twists werden fast mit der Stoppuhr präzise gesetzt. Die Neuverfilmung nimmt das, was Leute am Original fasziniert hat, und baut es schicker, größer, schneller, besser.
Ja, ich habe "besser" geschrieben. Weil SPEAK NO EVIL 2024 auch beweist, warum Hollywood die "Traumfabrik" ist. Der Film läuft wie ein Uhrwerk und hat Drive wie ein Porsche. Die Darsteller sind durch die Bank exzellent, besonders der muskelbepackte James McAvoy lässt als psychopathisches Alpha-Tier schauspielerisch so richtig die Sau raus. Der Mann ist eine Urgewalt und erinnert hier überraschend an Gerard Butler.
Abgesehen davon, dass sie das Konzept und die Figuren klarer zeichnet, hält sich die Neuverfilmung bis in die zweite Hälfe relativ deutlich an die Vorlage. Mit deren Ende habe ich seinerzeit schwer gehadert:
Leider verstolpert sich SPEAK NO EVIL dann auf der Zielgeraden, weil die finale Enthüllung, was Patrick und Karin eigentlich wollen, zu plötzlich und zu direkt wirkt. Björn und Louise, die sich bis dahin sehr plausibel verhalten haben, sacken ohne Gegenwehr in sich zusammen. Das wirkt im Kontext des Film nicht stimmig und macht immer weniger Sinn, je mehr man darüber nachdenkt.
Und genau da ist SPEAK NO EVIL 2024 schlauer. Man mag das neue Ende für eine deutliche Anbiederung an die Konventionen des modernen Thriller-Kinos halten oder für eine Ansammlung an Klischees, aber es lässt sich nicht bestreiten, dass es funktioniert – und zwar deutlich besser.
Schön, dass es dieses Jahr gelungen ist, zum Start des Fantasy Filmfest wieder einen echten "crowd pleaser" zu angeln, der noch dazu dem Spirit des Festivals entspricht.
Fazit: Ein brillant gespielter und hoch spannender Psychothriller. 8 von 10 Punkten.
McAvoy ist ein Schauspieler, der gefühlt irgendwie größer sein müsste, als er ist. Ähnlich Sam Rockwell.
Eine Rampensau par excellence und großartig hier.
Allgemein eine super Besetzung, die sich voll ins Zeug legt und die Absurditäten so konsequent verkauft, dass man Ben und Louise glaubt, dass sie sich zum x-ten Mal gegen das bessere Wissen entscheiden.
Nur, leider kann ich Ben und Louise nicht leiden. Sie sind die amerikanischste, verklemmte, selbstverlogene Inkarnation aller Klischees, die man solch einem Paar anhängen kann.
Wenn der Film dann auch jeden der beiden immer und immer wieder die dramatischste Entscheidung fällen lässt, bis hin zum Slapstick, denn es muss Spannung und Tempo erhöht werden, dann wird mir das irgenwann zu blöd.
Ja, es lässt sich vermutlich jede der Fehlhandlungen innerhalb des Films rechtfertigen; mit mehr Sympathie für die beiden wäre mir das auch vielleicht recht. Nur ohne diese, ist mir deren Überlebenskampf dann halt recht wurscht.
Leider daher etwas unausgegorener für mich.
Puh. Ich fand das Original noch eine Spur schwächer als du; nicht zuletzt mit dem "Ihr wart selbst schuld" in Richtung Opfer habe ich doch sehr gehadert. Dementsprechend hatte ich eigentlich Null Interesse am Remake. Dieses ist nun dank dir immerhin leicht gestiegen, trotzdem überwiegt bei mir die Skepsis.
Der Satz mit der Schuld ist immer noch drin und er macht immer noch keinen Sinn – aber er ist auch kein relevanter Bestandteil des Films.
Ich hatte ja damals unter der Besprechung des Orginals geschrieben, dass ich den nicht nochmal sehen will. Jetzt bin ich nicht mehr ganz so sicher…
Wenn du schon sagst, dass er gegen Ende ein paar Sachen anders macht. Und ich bin schon auch ein großer Fan von McAvoy…
Vielleicht gehe ich nicht auf dem Festival, sondern warte noch. Der könnte ja genug Buzz und Starpower haben, um regulär ins Kino zu kommen.
Zum FFF allgemein: Also bist du dieses Jahr wieder in Berlin? Die Ankündigung muss ich verpasst haben.
Ich versuche immer, die erste Festivalstadt mitzunehmen, um so vielen Lesern wie möglich meine Reviews an die Hand geben zu können. Berlin ist für mich im Gegensatz zu München natürlich sehr teuer und auch viel anstrengender, aber es hat sich mal wieder gelohnt. Es ist wie ein Urlaub in meiner Nerd-Jugend.
What he said. 8/10
P.S. Zwei Beispiele die ohne zu spoilern verdeutlichen wie der Film das Original verbessert:
Die dräuenden Kontrabässe die im Original harmlose Szenen als hochgradig unheilschwanger kennzeichnen wurden komplett weggelassen. Dafür läuft "Eternal flame" von den Bangles. Wie McAvoy zu diesem totgenudelten Schlager mitgeht und singt ist gruseliger als ein diabolisches Grinsen.
Und dann wäre da die Szene in der die beiden Männer im Wald laut schreien. Im Original kommt sie aus dem Nichts und bleibt somit nur ein weiteres verstörendes Detail. Hier wird sie nicht nur besser hergeleitet, sondern verdeutlicht auch warum Ben nicht bereit ist die Bedrohung zu sehen die vor ihm steht.
Insgesamt ein wirklich stimmiges Update.
Wobei man fairerweise anmerken muss, dass hier mehr Geld vorhanden war und es vor allem leichter ist, die Fehler einer Vorlage zu identifizieren und es beim zweiten Mal besser zu machen.
Der hat doch auch einen regulären Kinostart, oder? Klingt auf jeden Fall klasse, McAvoy ist eh super.
Hab ihn jetzt doch außerhalb des FFF nachgeholt – und bin froh drum. Im Drehbuch wurden die Unsauberheiten des Orginals ausgebessert, was es erheblich smarter macht. Die Darsteller – allen voran McAvoy – sind ausgezeichnet.
Und das Ende…
Yep, hier auch und stimme zu. Vor allem immer erfrischend, etwas "nachhaltiges" zu gucken, also Diskussionsstoff zu haben. In diesem Fall die Frage, ob und wann man selber in diesem Szenario das Weite gesucht hätte.