Fantasy Filmfest 2024 (18): A PLACE CALLED SILENCE
Themen: Fantasy Filmf. 24, Film, TV & Presse, Neues |China 2024, Regie: Sam Quah. Darsteller: Wang Chuanjun, Ning Chang, Francis Ng, Angela Wang
Offizielle Synopsis: Tong wird in ihrer Schule von einer skrupellosen Clique gequält. Deren Anführerin ist ausgerechnet die Tochter des Direktors – Konsequenzen haben die Mädchen also nicht zu befürchten. Doch dann werden sie von einem vermummten Killer getötet und Tong ist wie vom Erdboden verschwunden. Die Polizei tappt im Dunkeln und Tongs Mutter macht sich alleine auf die Suche nach ihrer Tochter.
Kritik: Die Inhaltsangabe des Verleihs lässt den Film verführerisch nachvollziehbar wirken, aber das ist er über weite Strecken nicht. Nach einem sehr typischen, atmosphärischen Serienkiller-Opener scheint der Film weitgehend das Interesse am Crime-Aspekt zu verlieren und fokussiert sich auf Tongs Mutter, die nicht weniger Opfer ist als ihre Tochter. Nach einer Weile driftet die Mutter zum Seitenrand und andere Figuren dominieren den Plot. Ich hatte in meinem Kopf schon ein Fazit vorformuliert: “Technisch hochkarätige und optisch beeindruckende, aber völlig konfus ins Leere laufende Serienkiller-Variation.”
Das wäre allerdings völlig falsch gewesen. Alle Seitenstränge der Handlung, alle Beziehungen zwischen den Figuren, alle scheinbar belanglosen Nebensätze haben eine Bedeutung, sind Werkzeuge, die an einer hoch komplexen Geschichte arbeiten. A PLACE CALLED SILENCE ist nämlich angetreten, das Subgenre zu dekonstruieren und zu beweisen, dass Serienkiller Produkte ihrer Umwelt sind – und oft genug nicht mal wirklich Täter. Und damit meine ich nicht die banalen “er ist auch nur eine kranke Seele”-Erklärungen.
Das erreicht er auf beeindruckende Weise, in dem er sämtliche Figuren zu Tätern und Opfern zugleich erklärt, die in einem Netz auf Abhängigkeiten, Feindschaften und Bedürfnissen zappeln. Niemand ist unschuldig, aber auch die Schuldfrage ist kaum zu beantworten. Es geht um die Frage, welche Lasten wir unseren Kindern aufbürden, welche Verantwortungen sie für uns und wir für sie tragen. Kann das Korsett gesprengt werden, oder ist der einzige Ausweg die endgültige Flucht?
Die letzte halbe Stunde von A PLACE CALLED SILENCE ist eine Aneinanderreihung von Enthüllungen, die das vorher Gesehene in ein neues Licht stellt und das Gesamtbild des Geschehens erkennbar macht. Alles stimmig – und schmerzhaft.
Fazit: Ein sperrige und über weite Strecken erstmal opake Dekonstruktion eines Serienkiller-Szenarios, die ihre relevanten Puzzleteile erst zum Schluss enthüllt. Der beschwerliche Weg führt zu einem bemerkenswerten Ziel. Obendrein schon fast von poetischer Schönheit. 8 von 10 Punkten.
P.S.: Bonus für den besten Gaga-Dialog in den Untertiteln (ein Cop will an einem Tatort auf die Toilette gehen):
Cop 1: Brauchen Sie Toilettenpapier?
Cop 2: Wieso? Ist doch noch hell draußen.
Also Richtung “The World of Kanako”, nur sperriger?
Kanako ist schon eher ein Procedural mit einer klaren Hauptfigur.