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Sep 2024

Fantasy Filmfest 2024 (25): A DIFFERENT MAN

Themen: Fantasy Filmf. 24, Film, TV & Presse, Neues |

USA 2024. Regie: Aaron Schimberg. Darsteller: Sebastian Stan, Adam Pearson, Renate Reinsve

Offizielle Synopsis: Was wäre, wenn du von heute auf morgen mit dem „perfekten“ Gesicht aufwachen würdest? Für den an einer seltenen Hautkrankheit leidenden Edward klingt dies wie ein Segen. Im Beruf wie in der Liebe ist der Schauspieler erfolglos. Sein Leben verrinnt gleichförmig in einer schäbigen New Yorker Wohnung mit einem Loch in der Decke. Die Chance, mithilfe eines radikalen medizinischen Experiments einen Neuanfang wagen zu können, klingt gut. Zunächst läuft es auch gut mit dem neuen Wunschleben. Als er jedoch schicksalhaft genau an die Rolle gerät, die sein früheres Alter Ego verkörpert – einen Mann mit Neurofibromatose –, bricht in seinem Inneren Chaos aus.

Kritik: A DIFFERENT MEN ist kein Film. Klingt vielleicht komisch, ist aber so. Er ist eher eine in Film verpackte Botschaft, eine Einstellung. Er handelt nicht von der Welt, wie sie ist – sondern von der Welt, wie sie in den Augen der Macher sein sollte. Basierend auf diesem theoretischen Konstrukt trifft er dann Aussagen, die ich weder nachvollziehen noch gutheißen kann.

Aber der Reihe nach: Edward leidet an Neurofibromatose, einer entstellenden Krankheit, die permanente Operationen erfordert, um den Körper überhaupt funktionsfähig zu halten. Eine experimentelle Droge kehrt den Prozess um, in wenigen Wochen wird aus dem “Monster” Edward der schöne Guy, der als Immobilienmakler mühelos Erfolg hat.

Schon diese “Wandlung” dürfen wir nicht in Frage stellen. Keine Medizin, keine Prozedur der Welt kann die Deformation durch Neurofibromatose umkehren. Es geht hier nur, weil es gehen muss, damit der Film erzählt werden kann. Aber gut. Das winken wir einfach mal durch.

Dann stellt Edward fest, dass seine Nachbarin Ingrid ein Theaterstück über sein altes Ich geschrieben hat – und er will die Hauptrolle spielen. Doch nach und nach wird seine Rolle privat wie auf der Bühne von Oswald usurpiert, der ebenfalls an Neurofibromatose leidet und damit erheblich besser umgehen kann. Owald ist der “bessere” Edward, er braucht kein schönes Gesicht, um beruflich und sozial erfolgreich zu sein. Um es mit den Merz Spezial Dragees zu sahen: Natürliche Schönheit kommt von innen. 

Und ich so: Bullshit.

Ich stelle die gesamte Aussage des Films in Frage. Es ist eben NICHT bestreitbar, dass schöne Menschen es im Leben leichter haben – und erst recht im Vergleich mit durch Krankheit deformierten. Der Schlüssel zur Zufriedenheit ist eben nicht nur die Akzeptanz der eigenen Makel. Das ist die Mär, die uns Gutmenschen seit ein, zwei Generationen einreden, und deren Verlogenheit jeder kennt, der nicht den Normen der Gesellschaft entspricht. Edward könnte mühelos ein besseres Leben als Oswald haben, weil ihn sein neues Aussehen mit völlig neuen Möglichkeiten ausstattet (siehe sein Erfolg als Makler). Es funktioniert nur deshalb nicht, weil er krampfhaft an seinem alten Ich festhält, an der Sehnsucht nach der depperten Ingrid und der Hauptrolle in seinem eigenen Stück.

Der Film will uns weismachen, dass man als Deformierter mit Neurofibromatose glücklicher dran sein kann als mit dem Gesicht von Sebastian Stan.

Weil der Film seine Grundaussage nicht wirklich untermauern kann, baut er in der zweiten Hälfte auch konsequent ab: die anfänglich sehr nette Ingrid ist plötzlich eine hirntote Tussi, Edwards Job als Makler kommt aus dem Nichts, und es schleicht sich ein schriller Humor ins Skript ein, der so klingt, als wäre den Machern die Absurdität ihrer Botschaft irgendwann selber klar geworden.

Aus diesem Grund kann man A DIFFERENT MEN nur von zwei Seiten aus sehen: Übt man den Schulterschluss mit den Machern, ist es eine solide schwarze Komödie über die Hässlichkeit jenseits des Äußeren. Schließt man sich der These, dass jeder glücklich sein kann, solange er sich selber akzeptiert, nicht an, dann zerbröselt der Film und bekommt einen hässlichen Beigeschmack.

Wenn Woody Allen DER ELEFANTENMENSCH gedreht hätte…

Fazit: Ein in seiner Botschaft gut gemeinter, in meinen Augen aber auch zutiefst fehlgeleiteter und unabsichtlich (?) zynischer Film. Ich tue, was ich selten tue, und verweigere mich einer Punkte-Vergabe.

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P.S.: Ziemlich geärgert habe ich mich über die einleitende Worte der Festival-Macher, nach denen A DIFFERENT MAN zwar streng genommen nicht den Genres des Festivals entspreche, aber auch beweise, dass man hier spannende Filme jenseits des Mainstreams entdecken könne. Ich hätte fast laut in den Saal gebrüllt, dass auch diesmal vermutlich die Hälfte des Festivals nicht unter Horror/ Fantasy/ SF subsumiert werden können. Das Problem ist nicht, dass das Publikum keine “Ausreißer” zu schätzen weiß – die Ausreißer sind mittlerweile nur zu oft die Norm.



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