09
Aug 2024

Kino Kritik: SLEEPING DOGS

Themen: Film, TV & Presse |

USA 2024. Regie: Adam Cooper. Darsteller: Russell Crowe, Karen Gillan, Márton Csókás, Thomas M. Wright, Harry Greenwood, Tommy Flanagan u.a.

Offizielle Synopsis: Der ehemalige Ermittler der Mordkommission Roy Freeman, der an Alzheimer leidet, sieht sich gezwungen, einen früheren Fall (an den er sich nicht erinnern kann) wieder aufzurollen, um einen brutalen Mord aufzuklären. Während das Leben eines Mannes in der Todeszelle auf dem Spiel steht, beginnt Freeman mit aller Entschlossenheit zu recherchieren und versucht, die Beweise aus der zehn Jahre zurückliegenden Mordermittlung zusammenzusetzen. Was er dabei aufdeckt, ist ein düsteres Netz aus streng gehüteten Geheimnissen und Verrat, das auch mit seiner eigenen Vergangenheit und seinen Dämonen verbunden ist. Bruchstückhaft blitzen Erinnerungen und Hinweise auf, die sich wie kleine Puzzleteile langsam zusammenfügen und immer neue Wendungen nehmen …

Kritik: Es ist kein Geheimnis, dass das Kino seit den 90er Jahren immer pubertärer wird. Die neuen Releases werden auf ein Teenager-Publikum zugeschnitten, das sich um die Karten für die ersten Vorstellungen balgt. "Erwachsene" Filme, die auf ein älteres Publikum zugeschnitten sind und traditionell ein paar Wochen brauchen, um in die Gänge zu kommen, haben im Verdrängungswettbewerb praktisch keine Chance mehr. Der von mir verehrte Mark Tinta schreibt immer wieder darüber. So kommt es, dass großartige Stoffe mit großartigen Darstellern komplett neben der Spur laufen, zwei Wochen lang in kleinen Sälen vor sich hinschimmeln, und dann ihr Geld über die Jahre im Streaming und im Format-Fernsehen einspielen müssen. Die Sorte Film, mit denen früher Al Pacino, Morgan Freeman, Don Johnson, und andere Männer-Darsteller Geld verdient haben. Einige von denen werden heute noch in Abklatschen der harten Thriller verwurstet.

Es ist auch kein Zufall, dass immer mehr Stars in Miniserien bei Netflix und Amazon zu sehen sind – in Stoffen, aus denen man früher Kinofilme gemacht hätte: SLOW HORSES, THE TOURIST, MARE OF EASTTOWN. Das sind im Grunde die legitimen Erben des "erwachsenen" Kinos.

Ob SLEEPING DOGS angesichts des gewandelten Marktes im Kino eine Chance hat? Ich wage es zu bezweifeln. Platz für ihn ist allenfalls deshalb, weil das Programm ausnahmsweise mal nicht mit Fortsetzungen und Comic-Adaptionen zugemüllt ist: kein Bond, kein Indiana Jones, kein Fast & Furious, kein Star Wars, kein Star Trek, kein Mission: Impossible, kaum DC oder Marvel. Der Nischenfilm findet tatsächlich eine Nische.

Ich begrüße das. Weil SLEEPING DOGS als "slow burner" mit einem Gimmick (der alte Bulle mit Alzheimer) zwar nicht immer logisch ist und sich manche Twists bequem aus dem Gimmick herbei fabuliert, aber die sichere Regie von Cooper und die souveräne Präsenz praktisch aller Darsteller das locker ausbügelt. Das hier ist nicht Spezialeffekte-, sondern Schauspielerkino, bei dem das Gedachte das gleiche Gewicht hat wie das Gesagte – weil auch das Gedachte an den Gesichtern abzulesen ist. Wir glauben das Leben dieser Menschen.

Die einzige Ausnahme mal wieder: Karen Gillan. Ich kann nicht mit der – die Frau ist total steif, charmebefreit, unerotisch und leer. Selbst ihre Stimme wirkt mühsam herausgepresst. Sie ist die Elizabeth Holmes Hollywoods. Aber weil viele Fans das anders sehen und sie immer noch Rollen bekommt, ist das vermutlich mein ganz persönliches Problem.

Es nimmt auch der Effektivität des Films nichts. Er baut langsam ein Puzzle für einen Polizisten, dem schon lange die Fähigkeit abhanden gekommen ist, das ganze Bild zu erkennen. Immer wieder Notizen, immer wieder Nachfragen, immer wieder die Erkenntnis, dass früheres Vertrauen jeden Wert verloren hat. Was für eine Vorstellung: man wacht morgens verwirrt auf und sieht als erstes einen Klebestreifen mit der Aufschrift "du hast Alzheimer". SLEEPING DOGS macht auch tatsächlich etwas aus dieser Prämisse – bis zum plausiblen und angenehm ambivalenten Ende…

Solltet ihr also in diesem Kinosommer mal was anderes sehen wollen als DEADPOOL & WOLVERINE, ALIEN: ROMULUS, oder die Adaption von BORDERLANDS, dann seid ihr bei SLEEPING DOGS richtig.

Aber alter Falter, ist der Crowe fett geworden… !

Fazit: Ein Oldschool-Krimi mit großartigen Darstellern, der mitunter die Grenzen von Logik und Glaubwürdigkeit austestet, aber besonders für ein erwachsenes Publikum des Genres sehr gute Unterhaltung bietet.

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Sven
Sven
9. August, 2024 15:00

Wobei Crowe mir hier tatsächlich schauspielerisch sehr gut gefallen hat. In den Rückblenden wirkte seine Optik tatsächlich sehr gewöhnungsbedürftig.
Gillian, ja in der klassischen Femme Fatale Rolle, wirkt tatsächlich eher nervig als faszinierend.
Das die "große Wendung" eher erwartbar war empfand ich bei der Story gar nicht als störend, nach dem sehen stieß mir allerdings auch die arg konstruierte Beziehung der handelnden Figuren etwas auf, da es ja im Grunde einen kleinen Kosmos an Protagonisten gibt, welche letztendlich alle ein Zahnrad in der Geschichte sind.
Aber wirklich schön so einen Film mal wieder nicht als VOD zu sehen. 06/10

Olaf
Olaf
10. August, 2024 07:48

Danke für den Tip. Mit Rauschebart und massig Pfunden auf den Rippen wirkt Crowe für mich wie ein Orson Welles der Neuzeit. Sollte ein Film über Welles letzte 2 Jahrzehnte gedreht werden, wäre Crowe perfekt als Welles Darsteller.

S-Man
S-Man
10. August, 2024 16:53

Ich fühle mich stark an Memento erinnert beim Lesen… Mal sehen, ob ich mir den gebe 🙂

Edin Basic
Edin Basic
10. August, 2024 21:00

Márton Csókás.
Einer der unterschätztesten Character Actors.
Dieses maliziöse Lächeln.
Ich liebe THE EQUALIZER nicht nur wegen Denzel Washington.
Sein durchgeknallter Russen-Mafia-Fixer ist ein wahrer Prachtbursche von einem Villain.