Hass ist Menschenrecht!
Themen: Film, TV & Presse |Während ich endlich (?) mal wieder an einer Filmverbrechen-Fotostory arbeite, haue ich in diesen Tagen diverse kleinere Beiträge raus, die sich angesammelt haben. Man kann ja nicht jeden Text über 10.000 Zeichen prügeln.
Die BILD DER FRAU verleiht jedes Jahr die GOLDENE BILD DER FRAU an Frauen, die sich um die Rechte von Minderheiten (wozu wohl auch Frauen zählen) verdient gemacht haben. Die Preisträgerinnen werden in einer bundesweiten Plakataktion geehrt und dürfen ihr Mantra auf eine Zeile reduziert als Zitat präsentieren. Ich finde das eitel und oft genug ziemlich einfältig, weil wir primär mit Allgemeinplätzen im Stil von “Gewalt gegen kleine Mädchen muss aufhören!” konfrontiert werden – neben dem Porträtfoto einer Frau, die dankbar lächelt.
Ich lasse jetzt mal außen vor, dass es einen medialen Aufschrei gäbe, wenn eine Zeitschrift einen reinen Männer-Preis ausloben würde, dessen Empfänger ausschließlich Männer sein dürften und der noch dazu im TV übertragen wird.
Wirklich aufgeregt habe ich mich über so ein Plakat aber erst in diesen Wochen:
Das ist (nicht lachen!) Anna-Lena von Hodenberg. Eine arrivierte Journalistin, die zur Aktivistin mutiert ist und die üblichen Übel der Gesellschaft bekämpft: Rassismus, Rechtsradikalismus, Gewalt. Durchaus ehrenswert.
Ich stoße mich allerdings an der Aussage, es gäbe ein Recht auf freie Meinung, aber keines auf Hass. Das ist ist nicht nur grundfalsch, sondern in meinen Augen absichtlich falsch – was es schlimmer macht.
Fangen wir damit an, dass ich es unehrlich finde, in der ersten Hälfte des Satzes die Freie Meinungsäußerung zu loben, in der zweiten dann aber mit einem “aber…” zu relativieren. Das ist die linksliberale Variante von “Ich habe nichts gegen Ausländer, aber…”. “Freie Meinungsäußerung” ist eine wertlose Phrase, wenn jede Person und jede Organisation sie nach Gutdünken beschneiden kann. Freie Meinungsäußerung ja! Aber nicht, wenn es gegen Schwule, gegen Religion, gegen Behinderte, gegen Jugendliche, gegen Frauen, gegen Politiker, etc. geht! Im Endeffekt reduziert das die Freie Meinungsäußerung auf alles, was nicht “gegen” etwas oder jemanden spricht, niemanden empört, niemanden verletzt. Das entkernt sie, das macht sie wertlos.
Hier ist es aber noch schlimmer, weil von Hodenberg sich nicht gegen eine bestimmte Form von Äußerungen wendet, sondern gegen ein Gefühl. Sie prangert nicht etwa “Hassrede” an, sondern “Hass”. Da wir hier von einer ausgebildeten Journalistin sprechen, müssen wir davon ausgehen, dass das kein Versehen ist.
Um das ohne Interpretationsspielraum zu sagen: Es gibt selbstverständlich ein Recht auf Hass. Ich darf hassen, was und wen ich will – inbrünstig und bis ins Fegefeuer. Ich darf die Tatsache hassen, dass mir heute morgen die Schnalle vom Gürtel abgebrochen ist – und Uwe Boll für BLUBBERELLA.
Nicht missverstehen: Hass ist hässlich. Hass sollte in einer idealen Welt unnötig sein und man sollte seinen Hass für Dinge reservieren, die es wert sind. Wer sich im Griff hat, hasst nichts und niemanden, weil Hass Seelen vergiftet und Zeit verschwendet. Er ist selten ein produktives Gefühl.
Aber Hass ist ein Gefühl, und man hat das Recht auf jedes Gefühl – man hat auch ein Recht auf Liebe, auf Neugier, auf Angst, auf Freude, auf Trauer. Hass ist ein Teil des menschlichen Spektrums und die Evolution hat sich was dabei gedacht.
Anger is an Energy, wie John Lydon es so treffend ausgedrückt hat.
Warum also lässt sich Anna-Lena von Hodenberg mit einem derart populistischen, aber provokant falschen Zitat plakatieren?
Die Antwort finde ich beunruhigend: Weil es Propaganda ist, die Menschen von der verführerisch einfachen These “Niemand hat ein Recht auf Hass” überzeugen soll. Es ist bequem, zustimmend zu nicken – weil man sich selber ja auch nie für hasserfüllt hält und mit Hass meistens Skinheads und anderes Pack verbindet. Die, die ihren Hass nach außen kehren, die vernichten und verletzen. Trump-Anhänger, ja, die hassen! Aber wir doch nicht!
Wenn man einmal etabliert hat, dass es kein Recht auf Hass gibt, dann kann man Hass auch prima juristisch verfolgen. Dann ist nicht mehr nur die Tat strafbar, oder das Wort, sondern plötzlich auch das vage Gefühl, der unkontrollierte Gedanke. Thoughtcrime nannte Orwell das.
Wir waren uns doch eigentlich einig, dass das keine gute Idee ist – oder?!
Für die Mächtigen ist Thoughtcrime eine großartige Sache, weil es unterstellt werden kann, weil es fluide ist, weil es keine exakte Definition braucht außer der, dass sich jemand davon ge/betroffen fühlt. Kein Strafgesetzbuch legt fest, was justiziabel ist – es reicht ein
Ihr findet, dass ich das zu schwarz male, dass ich ein albernes Plakat einer albernen Aktion einer albernen Frauenzeitschrift überbewerte? Hasst ihr es etwa, wenn ich mich derart über Kleinkram aufrege?
Ich hasse es, wenn andere Menschen recht haben…
Damit hast du Recht. Selbsthass!!!
Den Beitrag bitte auf eine Zeile reduzieren, um ihn preiswertig zu machen.
Nimm den Titel.
Nee, zu plakativ!
(pi)
Will soll er es aufs Plakat schaffen, wenn er das nicht ist?!
(note to self: Wortspielbattlebaits für den Wortvogel _vorher_ besser durchdenken)
Natürlich warte ich(und einige andere auch) auf eine neue Fotostory.Endlich!
Danke für die Erwähnung von ‘Blubberella’ 🙂 Obwohl ich mir das mögliche Hassgefühl nach Sichtung geschenkt hab und lieber Verachtung wählte.
Wenn man die Formulierung auf dem Plakat auf die Goldwaage legt (“Hass” vs. “Hassrede”), dann kann man zumindest anerkennen, dass sie technisch korrekt ist. In der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte, die hier meines Erachtens relevant ist, wird in Artikel 19 explizit die Meinungsfreiheit aufgeführt. Ein dezidiertes Recht auf “Hass” (oder überhaupt Gefühle) findet sich aber nicht.
Über die Gedankenfreiheit (Art. 18) kann man dann vielleicht ein Recht auf Gefühlsfreiheit ableiten – ich bin mir aber jetzt tatsächlich unsicher, ob Gefühle wirklich eine Unterklasse von Gedanken sind.
Das ist barer Unfug – die Erklärung der Menschenrechte ist nicht die einzig valide Festlegung von Rechten. Dass man ein Recht auf seine Gefühle und Gedanken hat, ist eine Frage des gesunden Menschenverstandes. Wer das bezweifelt, sollte sich mal die Omme checken lassen.
Dass bestimmte Rechte im Laufe der Zeit kodifiziert wurden bedeutet nicht, dass man andere Rechte als die aufgeschriebenen plötzlich nicht mehr hat.
Im Übrigen hat der Wortvogel völlig Recht damit dass Gefühle von Anfang an nicht unter die gleiche Kategorie der Rechte fallen können wie solche, die ein anderer einem tatsächlich mit Gewalt vorenthalten kann.
belämpft
😉
Danke, korrigiert.
Hass schadet der freien Meinungsäußerung.
Und?
Ich finde der Spruch auf dem Plakat wirbt gut dafür Volksverhetzung nicht als freie Meinungsäußerung misszuverstehen. Elon Musk hat aktuell Twitter zu einer Plattform gemacht auf der Lügen, Hass, Hetze und Desinformation grenzenlos verbreitet werden darf. Das schädigt die Meinungsfreiheit. Und er hält sich dabei noch für einen Kämpfer für die Meinungsfreiheit. Hass verbieten will das Plakat nicht. Die Normalisierung von faktenfreier Fremdenfeindlichkeit und Hassrhetorik besorgniserregend zu finden macht einen nicht zum linksgrünversifften Wokemenschen, sondern ganz normal empathisch anständig. Siehe auch: https://www.facebook.com/martzell/posts/pfbid0wLn4uLwRU9rG8xoFe4MEPJMG4mKnraWmQ1QAwvJf7u8za741xcwEARgiC6Bmo7vMl
Volksverhetzung als Straftatbestand und das Gefühl Hass sind zwei vollständig verschiedene Dinge.
“Hass” und “Volksverhetzung” sind ähnlich gleich wie “Gleichberechtigung” und “Gleichstellung”. Und Hass gegen “Nazis” und Hass gegen Männer ist ja kein Problem, nur Hass von rechts ist problematisch, auch wenn jede noch so sachliche Kritik schnell als “Angst” und “Hass” qualifiziert wird, damit man sich nicht mit Argumenten auseinandersetzen muss.
Martin: Luc und Thomas haben das schon sehr gut zusammengefasst. Das Gefühl Hass ist nicht gleich Volksverhetzung. Und das Gefühl Hass schädigt auch nicht die Meinungsfreiheit.
“[…] auf der Lügen, Hass, Hetze und Desinformation grenzenlos verbreitet werden darf. Das schädigt die Meinungsfreiheit.”
Hä? Verstehe ich nicht. Ganz ehrlich und ohne Sarkasmus.
Siehe aktuell England. Fremdenfeindliche Gewalt wegen hasserfüllter Fake News.
Und wo schädigt das die Meinungsfreiheit?
Nein, tut er nicht.
Ich kann hassen Wen und so viel ich will, das schränkt die Meinungsfreiheit der Gehassten genau garnicht ein. Erst wenn aus hass Taten folgen schränkt das etwas ein. Dagegen hilft Impulskontrolle und Resilienz.
Das Gefühl Hass will niemand verbieten. Der Kontext ist klar.
Das ist falsch, wie ich im Text auch ausführe. Wenn im Bezug auf Freie Meinungsäußerung von einer Profi-Journalistin gesagt wird, dass niemand ein Recht auf Hass hat, dann muss man sehr hellhörig werden. Weil auf Sprach- auch gerne Denkverbote folgen.
Nein, ist er nicht. Was ist denn dann die Kernaussage?
Hassrede schadet der Meinungsfreiheit.
Hör auf, Martin, du hast dich in eine Sackgasse geredet. Es wird nicht besser, wenn du aus “Hass” stickum “Hassrede” und aus “freie Meinungsäußerung” “Meinungsfreiheit” machst. Es wird dadurch schlimmer: Hassrede IST eine Form der Meinungsfreiheit. Die mag uns beiden nicht passen, aber dem ist so.
Hass will Menschen schaden. Ein sachlicher Austausch unterschiedlicher Meinungen ist damit nicht möglich. „Du Arschloch, was weißt du den schon!“ beendet üblicherweise Diskussionen und lädt nicht dazu ein.
Auf Twitter haben emotionalisierende Kampagnen zugenommen, die sachliche Diskussionen ersticken. Populisten und Algorithmen fördern Themen die reine Desinformationskampagnen sind, vulgo Lügen.
Es gibt kein Recht auf Hass gegen Menschen sondern Grenzen die die Menschenwürde setzt.
Keine deiner Aussagen hat irgendeine Logik oder irgendeinen Beleg. Mag sein, dass man mit hassenden schlecht diskutieren kann. Das schränkt aber die freie Meinungsäußerung des anderen nicht ein – es erschwert nur den Diskurs. Und niemand sollte auf die Idee kommen, es gäbe kein “Recht” dazu.
“Es gibt kein Recht auf Hass gegen Menschen” – woraus leitest du das ab? “sondern Grenzen die die Menschenwürde setzt” – die Verletzung der Menschenwürde ist aber kein Resultat von Hass, bestenfalls von Hassrede oder Hasstaten. Fang ENDLICH an, das ordentlich auseinander zu halten!
Du hast dich verrannt in die gewollte Missinterpretation das Gefühl Hass wolle jemand verbieten. Dafür gibt es keinen Beleg. Auch ist es sehr gewagt ein Menschenrecht auf Hass abzuleiten.
Wenn mir jemand meinen geliebten Rap über Hass (Gangstarap/Battlerap) verbieten will stehe ich an deiner Seite mich darüber zu empören.
Beides Quatsch. Im Gegensatz zu dir lese ich das Zitat exakt so, wie es getätigt wurde – was man bei einer Journalistin zum Thema auch sollte.
Es gibt ein Menschenrecht auf JEDES Gefühl, das habe ich oben auch geschrieben.
https://www.ohchr.org/en/human-rights/universal-declaration/translations/german-deutsch?LangID=ger
Sorry, Hass ist nicht Teil der Menschenrechtscharta. Aber du hast ja bereits erklärt dass dein „gesunder Menschenverstand“ dir die Welt definiert wie es dir gefällt. Also alles Claro, weitermachen.
Die Plakataktion meint Hass im Kontext freie Meinungsäußerung. Gefühle will niemand verbieten. Diese rauszubrüllen ist Hetze, führt zu Taten und dient nur der Emotionalisierung und den Klicks.
Wenn ich mich auf den Marienplatz stelle mit einem Schild “ich hasse Martin”, sollte ich demnach verhaftet werden?
Wenn man den Begriff “Recht” ausschließlich im staatlich codifizierten Sinne auffasst, ist die Aussage “Es gibt kein Recht auf Hass” völlig leer, sie wäre überflüssig.
Denn dann gibt es auch kein Recht auf’s Schwitzen, oder auf Erdanziehungskraft. Und was folgt daraus? Genau, nichts.
Meine Sorge ist ja, dass hier ein Hebel gebaut wird, um die Ansicht zu normalisieren, man könne auf hässliche Dinge kein “Recht” haben. Es wirkt im ersten Augenblick empörend, aber man hat auch ein Recht auf Antisemitismus oder Schwulenfeindlichkeit. Die Auslebung, also das nach außen kehren dieser Ansichten, das haben wir gesetzlich eingeschränkt. Und hat man erst einmal etabliert, dass “Hass” ja irgendwie auch immer ein Bestandteil solcher Ansichten ist, kommt man schnell zur Forderung “Hass verbieten!”, so absurd das letztlich ist.
Man siehe hierzu Großbrittannien, insbesondere Schottland.
Und auch hier weiß wieder einer genau welcher Hass gemeint ist, obwohl das auf dem Plakat nirgendwo definiert wird.
Nebulöser böser Hass, den sich dann jeder selbst einordnen kann, damit man auf jeden Fall zustimmt.
Rethorisch unehrlich und manipulativ, damit man dann bei den Einschränkungen gegen die Meinungsfreiheit mitmacht. Ist ja nur der böse Hass.
Das wogegen die richtige Denke ist, das ist ja nicht Hass.
Meinungsfreiheit muss im öffentlichen Raum mehr aushalten, muss auch die Äusserung falscher, dummer und gefährlicher Meinungen zulassen, denn wenn man diese nicht mehr kontern, sondern nur verbieten kann, dann ist das das Ende einer (angeblich) freihen Gesellschaft.
Schön und präzise zusammengefasst.
Sehr nachvollziehbare Argumentation.