16
Juli 2024

Pimp my ride: Die Vespa-Challenge

Themen: Neues |

2017 habe ich euch meine Vespa vorgestellt, damals gebraucht 10 Jahre alt – ein echter Hingucker italienischen Ursprungs:

Nun bin ich niemand, der seine Wochenenden damit verbringt, seinen Motorroller zu wienern. Er verbringt die Nächte und die Winter meistens draußen und altert. Dinge haben ihre Zeit. Dachte ich bisher zumindest.

Dieser Einstellung folgend hat meine Vespa in den letzten sieben Jahren ziemlich gelitten. Weniger wegen Rost und Abnutzung – ein schwerer Sturz im Frühling, ein versuchter Diebstahl und eine Begegnung mit dem Asphalt durch einen Windstoß haben das Schmuckstück leiden lassen.

Mängelliste vor einem Monat: rechter Bremshebel zur Hälfte abgebrochen, Kratzer auf den "Hinterbacken", ein paar Dellen, zerbrochenes Frontschild, zerstörte Logos, gestohlenes Piaggio-Emblem. Insgesamt viel Schmutz und Schmier in den Innereien. Trotzdem ein Fahrerlebnis wie bei einem Neukauf.

Mir war’s egal. Der Roller ist ein Gebrauchsgegenstand, und der Gebrauch fordert Tribut. Aber vor ein paar Wochen fiel mir auf, dass die Vespa an den besonders angegriffenen Stellen böse und sehr schnell zu rosten begann:

Damit hatte ich nicht gerechnet – anders als meine bisherigen China-Bomber besteht die Vespa aus viel Blech, das solche Schäden übel bestraft. Das sind keine Schönheitsfehler mehr, das sind Lebensdauerverkürzer.

Also meinen "Lackaffen" S. kontaktiert. Der Russe mit den Goldzähnen und dem riesigen Grill in der Werkstatt hatte unseren BMW und meinen Toyota schon mehrfach schnell und zuverlässig aufgearbeitet. Ich schickte ihm ein paar Bilder der Problemzonen meiner Vespa und fragte ihn, ob er die grob ausbessern könne, damit der Roller nicht mehr rostet. Nicht zu teuer sollte es werden – einfach mal drüber mit einer Lackdose. S. Antwort: "Bringst du heute?"

Es war ein schöner Ausflug überland, denn S. arbeitet halt doch 50 Kilometer von Trudering entfernt. Er schaute sich den Roller an, kritisierte auch die älteren Kratzer am Heck und den Bruch des Frontschilds. Das ging gegen seine Lackierer-Ehre, nur die Roststellen auszubessern. Ich ermahnte ihn noch einmal, den Preis nicht eskalieren zu lassen. "Mach ich nächste Woche."

Ich war noch nicht zu Hause, da schickte S. bereits die ersten Bilder vom auseinander gebauten Roller:

Er baute das Frontschild aus, verklebte es neu, lackierte es komplett, ebenso die gesamte Front des Rollers, das Heck:

Lange Rede, kurzer Sinn – nach 36 Stunden (eine Nacht inklusive) fragte S. bereits an, ob ich den Roller abholen könne. Und der Preis? Deutlich unter dem, was ich befürchtet hatte – dafür hätte eine offizielle Vespa-Werkstatt gerade mal die Verschalung abgebaut.

Abgesehen davon, dass immer noch verschiedene Deko-Teile fehlten, sah der Rolle nach der Abholung schon wieder richtig präsentabel aus:

In meinem Kopf machte etwas "klick". Der Roller war schöner als erwartet – und ich hatte das Gefühl, dass er es nun verdiente, soweit wie möglich wieder hergerichtet zu werden. Das bedeutete: neuer Bremshebel, neues Piaggio-Enblem, neue Logos, ENDLICH auch mal eine neue Batterie.

Ich schaute mich online um und war erstaunt, wie günstig man viele der Teile kaufen konnte. Der Bremshebel kostete gerade mal 12,99 Euro, die Batterie 19 Euro, die silbernen Logos 5,60 Euro. Ich bestellte fleißig – und immer mehr. Warum nicht mal reinigen, warum keine Abdeckung für die verknaste Fußablage, warum keine Batterie für die Cockpit-Uhr, die noch nie funktioniert hatte?!

Schon die neue Matte für den Fußteil entpuppte sich als Gamechanger – aus Hartgummi und perfekt formgegossen, musste sie nur aufgelegt werden:

Toll, toll, toll. Zeit für die ersten Deko-Elemente. Das Piaggio-Enblem auf der Front verdeckt die Schraube, über die man die vordere Verschalung abnehmen kann. Das Original des Herstellers fand ich etwas beliebig. Aber es gibt haufenweise Alternativen und ich entschied mich spontan für diese:

Mein Roller fährt exklusiv in der Matrix – und das für einen intergalaktischen Arbeitgeber, den einige von euch vielleicht kennen dürften:

Auf dem Bild mit dem Matrix-Enblem seht ihr auch noch den Schatten des alten Vespa-Logos – ich war baff, dass die preiswerten Kopien passgenau sitzen:

Es gab auch Sachen, die ich wegen des Aufwands und der Kosten gelassen habe. So ist die Chrom-Zierleiste durch den Sturz gebrochen und verkratzt, wird aber nicht ausgetauscht. Ein silberner Lackstift und etwas Plastikkleber müssen reichen. Das ca. fingergroße Stück grauen Hartplastiks, das aus der Fußablage rausgebrochen war, wurde ebenfalls mit schnell härtendem Kunststoff einer ähnlichen Farbe ausgefüllt. Nicht perfekt, aber für meine Zwecke perfekt genug:

Wird eh größtenteils von der neuen Fußmatte verdeckt.

Bei der Batterie für die Cockpit-Uhr ließ ich mich von YouTube-Videos belehren, dass diese bei der Vespa denkbar ungünstig verbaut ist und man bereit sein muss, den gesamten Vorderteil des Rollers dafür auseinander zu nehmen. Mein Bruder kam auf eine ebenso einfache wie umsetzbare Alternative: "Kauf doch eine billige Uhr bei Temu, die du von außen aufkleben kannst."

Gesagt, getan – keine vier Euro und null Arbeitszeit hat mich das gekostet:

Leuchtet im Dunkeln und ist deutlich schicker als das billige Digital-Display.

Es war nun an der Zeit, den Roller zu waschen – innen wie außen. Für die Karosserie, den Sitz und das Cockpit griff ich zum hochgelobten Muc-Off. Es war erstaunlich, was da alles runterkam. Eher aus einer Laune heraus setzte ich eine Bürste, die ich vor einem Monat bei Temu gekauft hatte, auf meinen Akkuschrauber und zog diese über das verknaste Fußteil. Wahnsinn, das schrubbte wirklich alles runter! Auch der Sitz der Vespa bekam plötzlich einen deutlich helleren Farbton, ein paar schimmelige Flecken an der Unterkante verschwanden zur Gänze.

An eine Motorwäsche wollte ich mich zuerst nicht wagen. Zu groß war die Sorge, als Laie den Roller damit zu beschädigen. Aber ein Blick unter das Helmfach überzeugte mich von der Notwendigkeit einer radikalen Reinigung:

Ich besorgte mir einen Motorenreiniger von Liqui Moly, las die Anleitung fünf Mal – und fuhr dann zu einer SB-Wäsche bei Allguth, denn auf privatem Grund oder der Straße darf man so etwas nicht machen. Bei über 30 Grad im Schatten bekämpfte ich eine Viertelstunde lang den Schmier der Jahre außen mit Aktivschaum und innen mit Liqui Moly – das Ergebnis kann sich durchaus sehen lassen:

Ich hätte nicht gedacht, dass sich der Motor noch mal so perfekt reinigen lässt!

Nun war es an der Zeit, erstmals selber zu schrauben. Laut einiger YouTube-Videos gehört es zu den begrenzten Herausforderungen, den Bremshebel auszutauschen. Vier Schrauben, um die Verkleidung zu entfernen, der 17er-Schlüssel für die Demontage der Rückspiegel. Der gebrochene Bremshebel sprang mir förmlich entgegen:

Ich bin an dieser Stelle froh, auch mal Schwein gehabt zu haben – der Ersatz-Hebel lässt sich rechts wie links verwenden. Wäre das nicht so gewesen, hätte ich den falschen gekauft, weil man links/rechts bei einem Roller vor dem Roller stehend betrachten muss und nicht im Sattel sitzend. Live and learn.

Tatsächlich gelang es mir, den neuen Bremshebel den Anweisungen gemäß einzubauen und endlich kann ich die Bremse rechts wieder mit mehr Fingern ziehen als mit Zeige- und Mittelfinger. Win! Und nur eine Schraube verloren!

Jetzt kommt der peinliche Teil dieser Geschichte. Beim erstmaligen Studium des Handbuches und dem Konsum vieler YouTube-Videos stellte ich nämlich fest, dass meine Vespa diverse Features mitbringt, die mir in sieben Jahren schlicht nicht aufgefallen sind.

So war ich immer der Überzeugung gewesen, dass mein Roller kein Handschuhfach besitzt, weil diese bei meinen China-Bombern immer eigene, gut sichtbare Schlösser gehabt hatten. Tatsächlich aber öffnet sich die seltsame "Blende" unter dem Lenkrad wie von Zauberhand, wenn man den Zündschlüssel einfach ins Schloss drückt. Bonus unlocked!

Im neu entdeckten Handschuhfach fand ich ein schweres "mystery object":

Mein Bruder klärte mich auf: ein Schloss für die Bremsen. Ohne Schlüssel leider nutzlos. Und das Teil habe ich Tausende Kilometer rumgefahren…

Künftig werde ich meine Versicherungspapiere, einen Regenponcho und anderen Kleinkram aus dem Helmfach in das Handschuhfach verlagern.

Ich weiß nun auch endlich, was die Aufschrift "lock" auf dem Zündschloss bedeutet – wenn man den Lenker nach links dreht, kann man damit das Lenkradschloss einrasten. Woher soll ich sowas denn wissen?!

Und schließlich: Mein Roller hat nicht nur einen Haupt-, sondern auch einen Seitenständer?! Who knew? Not me! Als der in einem YT-Video gezeigt wurde, dachte ich zuerst: "Schade, dass meiner sowas nicht hat". Hat er aber.

Um es mit dem Wendler zu sagen: egal. Ich habe getan, was ich tun konnte. Der Roller ist jetzt wieder von überwältigender Schönheit und Eleganz.

Was bleibt noch? Klar, ich hätte den Sattel neu beziehen können. Ist aber Unfug, weil der nur ein wenig ausgebleicht, ansonsten aber total in Ordnung ist. Der Hauptständer ist ziemlich verrostet, aber das überlasse ich S., weil mir der Ort fehlt, an dem ich den Roller fachgerecht aufbocken kann.

Für kleinere Ausbesserungen habe ich mir derweil einen schwarzen und einen silbernen Lackstift bestellt, sowie ein Töpfchen Rostumwandler. Batterie und Zündkerze liegen auch schon in der Schublade. Die sind in absehbarer Zeit, aber nicht aktuell nötig. Das kriege ich dann schon hin.

Ein bisschen Eitelkeit darf sein – der Zündschlüssel bekommt bald ein Käppi:

Und die Ventile auch:

Verkniffen habe ich mir eine weitere Idee meines Bruders. Der hat auf seinem martialischen, mattschwarzen Motorrad einen Piraten-Schlumpf mit Fernrohr hinter den Scheinwerfer montiert, der das düstere Auftreten der Maschine sympathisch bricht:

Würde mir auch gefallen, aber ich bin ziemlich sicher, dass der Piraten-Schlumpf nach spätestens zwei Tagen einem Klau-Schlumpf zum Opfer fallen würde.

Zum KVR bin ich dann gestern auch noch gefahren, denn im Verlauf mehrerer Umzüge hatte ich die Papiere der Vespa verloren. Es ist erfreulicherweise ein überschaubarer Aufwand, sich die neu ausstellen zu lassen.

Und dann ist da noch die Sache mit dem Auspuff. Den hätte ich gerne getauscht, weil er nach 17 Jahren doch schon ziemlich angerostet ist. Aber er funktioniert und die Vespa verwöhnt mich mit einer beeindruckenden Laufleistung. Ich bin eigentlich nicht bereit, das aufs Spiel zu setzen. Ich könnte allenfalls einen neuen Auspuff kaufen, probehalber einsetzen lassen, und dann die Leistung testen. Würde nochmal 150 Euro kosten. Some other day. Maybe.

Ich habe auch definitiv vor, den Roller künftig besser zu pflegen. Dazu gehört, dass ich meine Nachbarn fragen werde, ob ich die Vespa auf ihren Tiefgaragen-Stellplatz stellen kann, den sie sowieso nicht nutzen. Und im Winter wird der Roller ordentlich untergestellt, um ihm Väterchen Frost vom Leibe zu halten.

Ich kann’s selber kaum glauben: Nach sieben Jahren habe ich plötzlich Besitzerstolz entwickelt, was meinen Roller angeht. Ich denke sogar darüber nach, 2025 am alljährlichen Vespa-Corso teilzunehmen.

Spinn ich oder werde ich bloß alt? Beides?



Abonnieren
Benachrichtige mich bei
guest

4 Kommentare
Älteste
Neueste
Inline Feedbacks
Alle Kommentare anzeigen
Bärbel
Bärbel
16. Juli, 2024 13:46

Sieht mega gut aus!

Sei ruhig stolz auf den Roller und pfleg ihn schön. Ich liebäugel ja auch immer mal wieder mit ner Vespa, scheue aber die Ausgaben 😥

Und vielleicht hat es mit der Liebe bei dir einfach 7 Jahre gedauert. Manchmal ist es eben nicht 'auf den ersten Blick'. Mein altes Motorrad war auch immer nur Gebrauchsgegenstand für mich. Heute bin ich ein bissi wehmütig, es einfach weggegeben zu haben.

Feivel
Feivel
16. Juli, 2024 17:17

Vielleicht für dich interessant bzw relevant:
https://www.n-tv.de/wirtschaft/EU-geht-Temu-und-Co-an-den-Kragen-article25059634.html

Also nochmal schnell alle Artikel bei Temu durchgehen und auf Vorrat bestellen.. 😉

Zur Wegfahrsperre ("Lock"): Du bist schon ein Herzchen – und hast Glück, dass das nicht öfters als Einladung zum Mitnehmen verstanden wurde.

Martin Däniken
Martin Däniken
29. Juli, 2024 16:49