First Look: THOSE ABOUT TO DIE
Themen: Film, TV & Presse |
Offizielle Synopsis: Panem et Circenses – Brot und Spiele; Rom im Jahr 79 n.Chr.: Das Zentrum des Römischen Reichs ist die reichste Stadt der Welt und es herrscht ein starker Zustrom an Sklavenarbeitern aus dem wachsenden Imperium, die die täglichen Arbeiten übernehmen. Die römische Bevölkerung – gelangweilt, ruhelos und zunehmend gewalttätig – wird vor allem von zwei Dingen unter Kontrolle gehalten: kostenloses Essen und spektakuläre Unterhaltung in Form von Wagenrennen und Gladiatorenkämpfen. Those About To Die taucht in die Welt der Spiele ein – eine Welt, die von Blutdurst, Geldgier, dem Streben nach Macht und von Korruption geprägt ist. Die Rennen im Circus Maximus werden von vier patrizischen Unternehmen, den Fraktionen Blau, Rot, Weiß und Grün, kontrolliert – Anteile an den vier Fraktionen sind das Wertvollste, das es in Rom gibt. Da der Unterhaltungsgeschmack der Bevölkerung immer abgestumpfter und blutrünstiger wird, wird für die Gladiatorenkämpfe ein eigens dafür konzipiertes Stadium erbaut – das Kolosseum. Das Ausmaß des Stadiums, aber auch der Gladiatoren- und Tierkämpfe, ist enorm, ebenso wie die Unterwelt mit dem florierenden Wettgeschäft. Unter den Tribünen arbeiten und leben tausende Menschen – viele von ihnen werden für die Spiele ihr Leben lassen.
Kritik: Im Grunde genommen ist "Rom" ein eigenes Genre wie "Western", weil es einer groben zeitlichen und örtlichen Vorgabe folgt, klaren Figurenklischees verhaftet ist und einen augenblicklich erkennbaren Look mitbringt. Und wie der Western ist "Rom" erzählerisch begrenzt und schöpft seine Geschichten entweder aus den Ränkespielen von Militär und Politik oder aus dem Spektakel der Arenen. Bei aller visuellen Opulenz werden die Geschichten aus dem Römischen Reich meistens mit den immer gleichen Versatzstücken erzählt.
Das hier sind die Stammbesetzung praktisch aller Rom-Produktionen:
BEN HUR ist sicher so eine Art Blaupause für das Genre gewesen:
In den 70ern habe ich mit meiner Mutter ICH CLAUDIUS – KAISER UND GOTT angeschaut. Da spielte die gesamte britische Theater-Elite mit und ich erinnere mich primär daran, dass ständig Leute mit vergifteten Feigen abserviert wurden:
In den 90ern gab es einen Boom historischer und literarischer Miniserien, primär aus der Werkstatt von Hallmark. DIE ODYSSEE, GULLIVERS REISEN, MERLIN, DER GLÖCKNER VON NOTRE DAME – und natürlich CLEOPATRA:
Eine wirkliche Renaissance erlebte Rom als Handlungsort aber erst wieder durch Ridley Scotts Kinohit GLADIATOR:
Das Fernsehen bemühte sich in den kommenden Jahren redlich, auf dem Trittbrett dieses Streitwagens mitzufahren – u.a. mit einem deutschen TV-Film:
Da die Geschichte Roms ja ein paar Jahrhunderte umfasst, kam auch schnell die Idee auf, so eine Art "best of Rome" als fortlaufende Serie zu produzieren:
Und ROME war nicht der einzige Versuch, wahrlich nicht:
Aufstieg und Fall des Sklavengladiators SPARTACUS reichte ebenfalls für mehrere Staffeln mit einem wechselnden Hauptdarsteller.
Sollten wir demnach nicht alle ein bisschen müde sein, was schwitzige Muskelmänner angeht, die sich im Staub der Arena prügeln? Senatoren, die zwischen makellosen Marmorsäulen Ränke schmieden? Generäle, die immer irgendwie von einem Feldzug zurückkehren, bevorzugt gegen "die Germanen" oder "die Perser"? Ist das alles nicht sehr dünn und tausendfach erzählt?
Hollywood thinks not.
Roland Emmerich, dessen Karriere als Kino-Regisseur von MOONFALL de facto beendet wurde, hat sich nun breitschlagen lassen, für Amazon und teilweise deutsche Produktionspartner eine Miniserie nicht nur zu produzieren, sondern auch (zur Hälfte) zu inszenieren. Der Spezialist für Spezialeffekte-Spektakel soll mit dem ganz großen Pinsel ein mächtiges Bild des alten Rom malen:
THOSE ABOUT TO DIE ist dabei derart auf Event gebürstet, dass man dem Kritiker-Pack gleich drei Episoden in einigen der besten Kinos Deutschlands präsentiert hat. Ich muss es wissen, ich war dabei. Die Dame von der Presse war so nett uns zu versichern, dass niemandem nachgetragen werde, nicht die kompletten drei Stunden mitzunehmen. Ich sah das als Rechtfertigung, nach zwei Episoden aus dem Saal zu schleichen.
Generell gilt: THOSE ABOUT TO DIE ist "vintage Emmerich". Besoffen vom eigenen Aufwand, dünn in der Geschichte, ein Sammelsurium an Ideen aus anderen, besseren Produktionen, mit kindlicher Spielfreude an den Darstellern vorbei inszeniert. Ein Schlachtengemälde ja, aber aus der Malen nach Zahlen-Schachtel.
Das trifft besonders die erste Folge, die man nur als Totalausfall bezeichnen kann. Viel zu viele viel zu uninteressante Charaktere werden vorgestellt, ohne dass uns eine nennenswerte Starpower erlaubt, sie zu unterscheiden. Fette CGI-Panoramen entsprechen ungefähr dem Standard von 2010 (was aber womöglich im Kino nur mehr aufgefallen ist, als es im Fernsehen der Fall sein wird). Von Location zu Location wechselt die Farbchoreographie so brutal, als hätte man verschiedene Serien willkürlich zusammengeschnitten. Die Darsteller mühen sich sichtlich an tranigen Klischee-Dialogen und es werden die Emmerich-üblichen Ethno-Klischees bedient, nach denen die westliche Zivilisation grausam und hart ist, während die indigenen Völker schön, edel und gottgewollt sind. Am Ende hat man weder eine Ahnung, was hier genau erzählt werden soll – noch von wem es handelt.
Kurzum: Es ist exakt das, was man von einem Emmerich-GLADIATOR erwarten konnte, zumal für die Drehbücher Robert Rodat zuständig war, mit dem der Schwabe schon bei THE PATRIOT zusammengearbeitet hat.
Aber ich will nicht verschweigen, dass die Serie in der zweiten Episode an Balance gewinnt. Das permanente Schaulaufen von CGI-Locations wird zurückgefahren, die einzelnen Handlungsstränge werden besser gewichtet und es schälen sich zwei, drei Plots heraus, die den Großteil der Zeit unter sich aufteilen dürfen. Immer noch alles schwer aus dem Baukasten, aber immerhin halbwegs nachvollziehbar und mit einem gewissen Schwung. Mag also sein, dass die Serie sich noch fängt und besonders unter Kreuzpaintner als Regisseur etwas stimmiger läuft.
Die Frage "braucht das wer?" kann ich schlussendlich nicht beantworten – die Zeit und die Abrufzahlen werden es verraten. Mein Bedarf an Sklaven, Gladiatoren, Senatoren und Generälen, an Toga-Drama generell ist gedeckt. Und sollte sich das ändern, steht ja schon der hier ins Haus:
Fazit: Pompöse, aber weitgehend banale Soap Opera aus dem alten Rom, die weder ICH CLAUDIUS noch SPARTACUS oder GLADIATOR das Wasser reichen kann und nach einer vergeigten ersten Folge mühsam einen gewissen "groove" findet.
ROME war ne geile Serie. Ich denke, ein Rewatch wäre dieser Serie hier vermutlich vorzuziehen. So oder so, ich glaube, ich passe auch.
Amen!
"Da die Geschichte Roms ja ein paar Jahrhunderte umfasst, kam auch schnell die Idee auf, so eine Art “best of Rome” als fortlaufende Serie zu produzieren"
Rome (tatsächlich eine tolle Serie) ist kein "best of über Jahrhunderte" sondern spielt recht klar abgegrenzt zwischen 50 und 27 v. Chr. (zeichnet also das Ende der Republik nach).
Und steht im Pressetext wirklich "Stadium"? O tempora…
Ich möchte an dieser Stelle auch mal ein Pilum für Rome brechen (sorry für den schlechten Wortwitz!):
Die Serie hat sich an realen Vorkommnissen versucht (natürlich mit viiiiel künstlerischer Freiheit) und zeigte auch mal das Leben der einfachen Leute.
Man findet in ihr viele Details, die in anderen Filmen und Serien stiefmütterlich behandelt werden: Wie wichtige der Kampf der Legionäre in Formation ist, die Rolle der Religion oder dass es ja keine Polizei in Rom gab und stattdessen die Bürger oder mafiaartige Banden für Ruhe und Ordnung gesorgt haben.
Interessant, dass am Ende noch GLADIATOR II Erwähnung findet. Denn sowohl bei diesem Trailer als auch dem zu THOSE ABOUT TO DIE hielt man es offenbar für eine fantastische Idee, einen Rap-Song mitten rein zu packen.
*facepalm*
"A Funny Thing Happened on the Way to the Forum" fehlte in der Ver-rom-atisierung (schönes Wortspiel, oder)… Die lebensnahe und historisch absolut korrekte Darstellung in diesem Dokumentarfilm:
Mel Brooks History of the World Part 1 When in Rome (youtube.com)
Metatron hat sich auch die obige Serie vorgeknöpft, zumindest den Trailer fand schon nicht prickelnd…
Ich hätte auch noch die Sitcom THE PLEBS nennen können oder die entsprechenden CARRY ON-Filme, aber irgendwo muss man einen Schlussstrich ziehen.
Gestern auch die erste Episode gesehen und bisher noch unterwältigt, aber wenn es besser wird, bleiben wir vielleicht doch dran.
Ist die Unterteilung in Farben eigentlich ein Zugeständnis an die Zuschauer, die sich die ganzen Charaktere / Namen eh nicht merken können oder ist das historisch halbwegs akkurat?
Die Rennställe? Ja. Zumindest, daß es Blau, Grün, Rot und Weiß gab und die so hießen.