KINO KRITIK: FURIOSA: A MAD MAX SAGA
Themen: Film, TV & Presse |Australien/USA 2024. Regie: George Miller. Darsteller: Anya Taylor-Joy, Chris Hemsworth, Tom Burke, Alyla Browne, Nathan Jones, Angus Sampson, Elsa Pataky, Quaden Bayles, Lachy Hulme u.a.
Story: In der Postapokalypse lebt die junge Furiosa in einer friedlichen, halbwegs gesunden Kolonie. Doch sie wird entführt und landet beim großkotzigen Warlord Dementus, der die Macht über die verbliebenen Zentren Citadel, Bullet Farm und Gas Town an sich reißen will. Von ihm wird sie an Immortan Joe weitergereicht. Erst nach Jahren gelingt ihr die Flucht und Furiosa ist entschlossen, die Kolonie ihrer Mutter wiederzufinden. Dabei bricht um sie herum ein Krieg um die letzten verbliebenen Ressourcen aus…
Kritik: Ich kann kaum glauben, dass der letzte MAD MAX-Film schon neun Jahre her ist – muss aber, weil ich damals auf Hochzeitsreise in den Cotswolds war und wir gestern Abend den neunten Hochzeitstag im edlen Fitzroy begangen haben. The math checks out.
Es ist bekannt, dass ich von MAD MAX: FURY ROAD nur begrenzt begeistert war. Klar, die Action war krachend und in einen Maße spektakulär, dass sogar FAST & FURIOUS dagegen wie eine Episode COBRA 11 aussah. Aber der Film machte aus Mad Max Rockatansky einen hirnlosen Hampelmann, um sich weitgehend auf die Figur der Kämpferin Furiosa zu konzentrieren. Inhaltlich war Schmalhans Küchenmeister. Eher ein Showreel als ein echter Film – auch wenn genug Kritiker und ein breites Publikum das anders sehen. They are all wrong, of course.
Ich habe nie wirklich an ein Sequel rund um die Figur Furiosa geglaubt. Und als es dann doch in Produktion ging, war ich sauer, dass man Charlize Theron die Rolle vorenthalten hat, um den "hot shit of the moment" Anya Taylor-Joy zu besetzen. Klar hat sie Augen wie Cleopatra eine Nase, aber kann DIE HIER auch Action?
Es passierte, was nicht passieren sollte: Ich ging mit fetten Vorurteilen ins Kino, erwartete noch weniger Story mit noch weniger Mad Max und eine Protagonistin, die mich weitgehend nicht schert. Eine Entkernung der Franchise im Dienste einer schlecht durchdachten Neuausrichtung, wie bei den letzten ALIEN-Filmen. Vielleicht müssen Regie-Legenden sowas machen, wenn sie auf die 80 zugehen…
Und weil solche Geschichten wie das Kino selbst einen guten Twist brauchen, war ich nach zweieinhalb Stunden doch ziemlich begeistert. Nicht restlos, aber ziemlich. Auch wenn/weil die ersten Kritiken sehr gemischt sind, stelle ich mich jetzt schon gegen den Strom – FURIOSA ist erheblich besser als FURY ROAD.
Zuerst einmal liegt das daran, dass er entgegen meiner Erwartungen tatsächlich nicht aus der vom Vorgänger etablierten Welt ausbricht. Wenn FURY ROAD ein echter Mad Max-Film gewesen sein soll, dann ist FURIOSA auch einer. Hier wird die direkte Vorgeschichte erzählt, und zwar so exakt, dass es Sinn macht, ihn künftig auch vor FURY ROAD anzuschauen. Seine Backstory für die Figur der einarmigen Kämpferin dürfte sogar retroaktiv den Originalfilm stärken.
Darüber hinaus wird wieder zweieinhalb Stunden brachiale Action geliefert, die perfekte Synthese aus traditioneller Stuntarbeit mit CGI-Politur. Nur bei ein paar sehr offensichtlichen Fake-Landschaften und diversen Details (Hunde) fällt die Einmischung von Kollege Computer negativ auf.
Wo FURIOSA aber richtig punkten kann, ist bei der Story. Zwar ist das immer noch "nur" eine klassische Abenteuergeschichte, die man so auch im Piraten- oder Indianermilieu hätte spielen lassen können, aber FURIOSA packt deutlich mehr Figuren, Locations, Twists und Sidequests in den PS-Krawall, um nicht im Leerlauf zu enden. Hier ist immer was los, hier gibt es immer was zu gucken. Nicht immer macht es Sinn, nicht jeden Umweg geht man mit, aber bei FURIOSA ist die Handlung deutlich weniger beiläufig als bei FURY ROAD.
Es mag kurios klingen, aber nachdem ich mich über die Reduzierung von Mad Max auf eine Nebenfigur in FURY ROAD beschwert habe, profitiert FURIOSA hauptsächlich davon, dass er auf Mad Max komplett (?) verzichtet. Dies ist ein Furiosa-Film und das "eine Mad Max Saga" im Titel komplette Augenwischerei – und das ist auch gut so. Weil Furiosa nicht nur die Figur ist, die eine ausführlichere Backstory verdient, sondern weil Anya Taylor-Joy die Schauspielerin ist, die sie tragen kann. Man wird der Lobeshymnen über die 28jährige mittlerweile überdrüssig, aber auch hier ist sie wieder herausragend. Zwar ist in ein paar wenigen Szenen zu erkennen, dass sie für die Rolle der Furiosa eigentlich zu schmächtig und untrainiert ist – aber George Miller macht das locker wett, indem er tut, was sich bei Taylor-Joy anbietet: er inszeniert ihre Augen. Kamera, Beleuchtung, Make-Up – wirklich ALLES ist auf die auffälligsten Merkmale der Schauspielerin konzentriert. Und es funktioniert. The eyes have it.
Ich konnte allerdings nicht umhin, den Namen der Heldin angesichts der Ähnlichkeit von Alyla Browne mit der jungen Emma Watson ständig im Kopf mit einem trotzigen "It’s Furio-SA!" zu versehen.
Davon ab? Chris Hemworth spielt den Bösewicht als Thor-esken Hampelmann, der sich auf der Zielgeraden doch ein wenig Ambivalenz erkämpft. Tom Burke ist ein wenig zu offensichtlich das Mad Max-Substitut, weil man das Original irgendwie braucht, aber nicht zeigen darf. So wie Anya Taylor-Joy die nächste Charlize Theron ist, wird Alyla Browne die nächste Anya Taylor-Joy. Mark my words.
Also: gucken oder nicht gucken? Diese Frage ist leicht zu beantworten. Wer was für die MAD MAX-Filme übrig hat und FURY ROAD mochte, bekommt hier eine ordentliche Packung "more of the same" – der ideale Film für die größte Leinwand und die fetteste Soundanlage, die ihr finden könnt. Wer den Abenteuern in der australischen Postapokalypse immer schon mit Argwohn oder Ablehnung begegnet ist, der wird auch hier nicht bekehrt. It is what it is.
Fazit: Ein zweieinhalbstündiges Actionmonster mit deutlich mehr Erzähldichte als der Vorgänger. Mitunter etwas willkürlich und wankelmütig in Sachen Story, lebt FURIOSA vom wieder mal unwiderstehlichen Charisma von Anya Taylor-Joy, die sogar vergessen macht, dass diese "MAD MAX SAGA" keinen Mad Max mitbringt.
Liest sich klasse und tatsächlich hab ich in meiner Bubble bisher nur euphorische Reviews gesehen. Da ich den Vorgänger bereits mochte und nach dem ersten Trailer (sah irgendwie billo aus) skeptisch war, wird jetzt das Kinoticket mit Vorfreude gelöst.
Während ich aufs Schärfste verneine, dass FURIOSA besser als FURY ROAD ist, stimmte dem Rest des Reviews absolut zu!
Es war definitiv eine gute Entscheidung, nicht zu versuchen FURY ROAD einfach nochmal in noch größer zu machen, sondern eine ruhigere, ausschweifendere Geschichte zu erzählen. Und er stockt das Worldbuilding scheinbar mühelos und zufriedenstellend weiter auf: Schon in FURY ROAD wollte ich unbedingt Gas Town und die Bulletfarm sehen, und hier kriege ich das.
Ich kann ich hoffen, dass George Miller uns noch länger erhalten bleibt und mehr solche Filme macht. Wenn sie ihn denn lassen – es scheint sich ja (leider!) abzuzeichnen, dass FURIOSA ein ziemlicher Flop wird…
In gewisser Weise IST Alyla Browne bereits die nächste Anya Taylor-Joy. Sie verschmelzen jedenfalls nicht zufällig.
Kollege KI hat mitgewirkt, per visueller Overlay-Verschmelzung.
Das liegt anfangs bei 35 Prozent TJ-Overlay und kurz vor der Staffelübergabe bei 80 Prozent – laut Mrs. Taylor-Joy selbst.
Mehr hier:
https://variety.com/2024/artisans/news/furiosa-ai-anya-taylor-joy-alyla-browne-1236016222/
Das erklärt, warum Alyla so gar nicht wie in STING aussieht. Ich hege auch den Verdacht, dass ATJ in den letzten Szenen des Films einen CT-Overlay bekommen hat.
Dachte ich mir auch. Sie wächst spontan geschätzt 15 Zentimeter und dürfte den Körper von Charlize Theron "bekommen" haben.
Na ja. Ich hätte der jungen Ms. Browne schon gegönnt, dass man sie sieht. Keinen Hybriden.
Aber letztlich eines der kleineren Probleme des Streifens.
Und nach The Fall Guy leider der nächste Kassenflop, wo Kritiken und Zuschauerreviews eigentlich gar nicht schlecht sind. Und das nach Wochen, wo die US Box Office absolut desaströs war und in einer Woche ein Rerelease von Episode I sogar auf Platz zwei kam.