07
Sep 2023

Fantasy Filmfest 2023, Tag 1, Film 1: DOGMAN

Themen: Fantasy Filmf. 23, Film, TV & Presse |

Frankreich 2023. Regie: Luc Besson. Darsteller: Caleb Landry Jones, Clemens Schick, Christopher Denham

Offizielle Synopsis: Bei einer Verkehrskontrolle wird Doug blutverschmiert und im Abendkleid am Steuer eines Lastwagens voller Hunde aufgegriffen. Beim Verhör auf der Polizeiwache berichtet er der ihm zur Seite gestellten Psychologin über Ereignisse, die so schockierend sind, dass sie jegliche Vorstellungskraft sprengen. Dabei führt seine Geschichte weit zurück in die Tage seiner Kindheit, als seine Mutter vor dem sadistischen Vater floh und Doug – fortan eingesperrt im Hundezwinger – einen einzigartigen Pakt mit den Vierbeinern schloss. Dieses unzertrennliche Bündnis ist das Fundament eines unglaublichen Lebens: Von der Welt zwar als Außenseiter verstoßen, gibt der DogMan jedoch niemals auf und legt sich – gemeinsam mit seiner tierischen Armee – mit den Mächtigen und Bösen an.

Kritik: Einige Vorabbesprechungen und teilweise auch die obige Inhaltsangabe lassen DOGMAN wie eine Art Außenseiter-Superheldenfilm klingen, was vom Film zwar beiläufig bedient, aber nie ins Zentrum gestellt wird. Hier geht es nicht um einen Rächer der Unterdrückten (Menschen wie Hunde), der mit Courage und Einfallsreichtum die Ungerechtigkeiten der Welt gerade rückt.

Stattdessen ist DOGMAN – und ich sag’s jetzt mal ganz unverblümt – der reifste, packendste, emotionalste und be/verzauberndste Film in der an Delikatessen nicht gerade armen Filmographie von Luc Besson. DOGMAN ist sein Sprung vom Regisseur zum Filmemacher, vergleichbar mit Spielbergs Quantensprung von ET zu COLOR PURPLE.

Dabei ist Besson (wieder mal) weniger an einer konkreten Story interessiert als an der Präsentation eines außergewöhnlichen Menschen. Douglas ist ein Mann, der vom Leben mehrfach gebrochen wurde und dennoch nicht resigniert. Er schafft sich eine einzigartige Blase, in der sein Schicksal erträglich ist. Seine Superkraft ist der schiere Überlebenswille. Die Hunde sind seine Community. Von ihnen erfährt er Respekt, ihnen schenkt er den Respekt, den er für Menschen nicht mehr empfinden kann. Es ist ein fragiles Konstrukt, das zwangsläufig an der Wirklichkeit scheitern muss…

Das klingt nun sehr düster und melancholisch und ich war nicht gerade begeistert von der Idee, mal wieder den Mensch als den Menschen Feind präsentiert zu bekommen – Hundeleid und Hundetod inklusive. Aber nach einem schwer verdaulichen ersten Akt entschließt sich Besson, mehr auf das Prinzip Hoffnung zu setzen. DOGMAN ist nie so grausam oder schmerzhaft, wie er angesichts des Themas sein könnte – sein sollte? Sein müsste? Ich war im Kino hin- und hergerissen. Zwar bevorzuge ich das knackige Entertainment und die Katharsis, in die sich Besson zum Ende hin immer offener flüchtet – andererseits löst er damit das Drama von Doug, wie es eingeführt wurde, nur sehr begrenzt ein.

Dieser Spoiler sei auch als Entwarnung gedacht: Bei aller Ballerei und allen Bösewichten wird in DOGMAN kein Hund verletzt oder getötet. Das ist mehr als ein Fakt – es ist eine Aussage über die Einstellung des Films, die man erleichtert oder als Defizit aufnehmen kann.

Davon abgesehen ist DOGMAN ein ganz großartiges Kinomärchen, das den Zuschauer von der ersten Minute an packt und bis zum Ende nicht loslässt. Fein gewoben, getragen von ein paar außergewöhnlichen Performances, durchdrungen von Menschenliebe und der Idee, dass jeder seinen Platz haben sollte, um frei und produktiv zu leben.

Ein frühes Highlight, das ich Jedem ans Herz lege, auch wenn man sich von der Inhaltsangabe nicht angesprochen fühlt – mir ging es genauso. Aber was hätte ich verpasst, wenn ich nicht trotzdem im Saal gesessen hätte!

Fazit: Kinozauber mit großer emotionaler Bandbreite, der die vollen 10 Punkte nur deshalb verpasst, weil er nach einem sehr schmerzhaften Start doch davor zurückschreckt, die Tragik seines Protagonisten voll auszuloten. 9 von 10 Punkten.

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Lugee
Lugee
7. September, 2023 13:37

So ging es mir gestern auch, danke für Deinen Review. Großartige Umsetzung dieser Geschichte mit einem tollen Hauptdarsteller!
Verstehe nicht, warum der Film allgemein schlechter bewertet wird.

Goran
Goran
15. September, 2023 01:01

Ich hatte nen Langpost, aber dann hat sich diese Website vom Laptop aus geweigert das anzunehemn und mir nur ein rotes Warnrechteck abgeschniten angezeigt, also keine Ahnung, was das Problem ist.

Daher nur ein kurzes Naja und soweit die Zustimmung zur Kritik, dass dem Film die Courage ausgeht das Drama voll auszufüllen und er sich lieber in Hundevigilantismus und einem peinlichen Actionfinale zerfasert.

Die mutige Performance von Jones hebt ein oft eben doch emotional manipulierendes Skript mit extremen Hängern, besonders in der zweiten Hälfte, gerade so über die fünf Punkte für mich.

Goran
Goran
15. September, 2023 01:34
Reply to  Goran

Editieren geht auch nicht mehr, oder wie lang ist die Wartezeit dafür?

Matts
Matts
21. September, 2023 13:06

Gott sei Dank – Luc Besson hat es immer noch drauf! Wie schon in einigen seiner anderen Filme erzählt er eine Geschichte über einen Aussenseiter der Gesellschaft mit Drama, viel Herz und einer Prise Action.
Ich kam gestern in die Vorstellung mit einem LEON – DER PROFI Shirt. Der Moderator vom FFF hat es bemerkt und gefragt, ob ich als "Luc-Besson-Fachmann" (zuviel der Ehre!) zustimmen würde, dass es sowohl von der optischen Präsentation als auch von der Story Bessons bester Film seit LEON ist. Das habe ich spontan bejaht, und nach einmal drüber schlafen stehe ich immer noch dazu. DAS FÜNFTE ELEMENT hat mich von der Präsentation vielleicht mehr beindruckt aber erzählerisch ist DOGMAN ein so viel größerer Genuss.

Christian Siegel
23. September, 2023 11:43

Möchte mich an dieser Stelle ausdrücklich für die Kritik bedanken, der ich vollinhaltlich zustimme. So wie du hat mich die Inhaltsangabe überhaupt nicht angesprochen; die Kontroverse rund um Luc Besson kam dann noch hinzu. Dein Review gab den Ausschlag, dass ich ihm im SLASH-Programm dann doch gegenüber der Retro-Vorstellung des (mir bekannten und von mir geliebten) "Mörderspinnen" den Vorzug gab – worüber ich enorm froh bin. Von den bisher vier gesichteten Filmen war der für mich definitiv das Highlight. Besson kann’s ja scheinbar doch noch!