01
Jun 2023

Vorsicht, KI! Nachrichten aus der Neuen Welt

Themen: Künstliche Intelligenz, Neues |

Ich sage es ungern, aber meine Experimente in Sachen Heftromane in den letzten Wochen waren natürlich nur kleine Fische. Ein bisschen Bild, ein bisschen Text, da würde die KI drüber lachen, wenn sie lachen könnte. Kinderkram.

Was die KI in meinen Augen zu einem Paradigmenwechsel macht, ist ihre tentakelige Fähigkeit, sich in alle Bereiche unseres Lebens zu schleichen – und das fast lautlos. Leute werden noch “das wird die KI nie können!” schreien, wenn die KI es längst macht.

Heute präsentiere ich einen kleinen Ausschnitt der Entwicklungen, die in den letzten Wochen veröffentlicht wurden, Einiges davon ist bereits marktreif, anderes noch in der Konzeptphase.

Vor ein paar Wochen kam mit dem LISA -Extraheft “99 Rezepte – geniale Pasta-Gerichte für Genießer” die erste Print-Zeitschrift auf den Markt, die weitgehend mit KI-Hilfe produziert wurde:

Ich sage “Print-Zeitschrift”, weil ich sehr sicher bin, bei der Kiosk-Plattform Readly bereits andere KI-Hefte gesehen zu haben, die nur digital verfügbar sind.

Die Rezepte? KI. Die Bilder zu den Rezepten? KI. Die Aufregung? Groß. Aus zwei Gründen. Burda hatte sich entschieden, das computergenerierte Blatt in keiner Weise als solches zu kennzeichnen. Und die ganze Branche ahnt bei aller Empörung, dass das hier kein Ausreißer war/ist – das ist nur ein erster Schritt, ein gewollter Tabubruch. Weitere werden folgen. Es wird Arbeitsplätze kosten.

Über das Heft werde ich dieser Tage einen ausführlicheren Beitrag schreiben.

Aber KI ersetzt ja nicht nur menschliche Arbeit, sie ist dem Menschen auch Freund und Helfer. DALL-E 2 beherrscht seit einiger Zeit “outpainting”, also die Fähigkeit, existierende Artwork zu erweitern oder zu verändern. Wer sehen will, wie der Raum aussah, in dem die Mona Lisa Modell saß, braucht nur die KI fragen.

Kleines Beispiel dazu – das hier war immer schon eins der schönsten Fotos unserer Katzen, da waren sie erst ein halbes Jahr alt:

Abgesehen von der mangelnden Auflösung habe ich mich immer geärgert, dass der Bildausschnitt so knapp bemessen ist, dass man Rufus gar nicht komplett sehen kann. Dank Outpainting in DALL-E 2 kein Problem:

Nun ist Outpainting nur der kleine Bruder des “generative fillings“, bei dem die KI Bilder ergänzt oder umgestaltet und dabei den Anweisungen des Users folgt, aber auch den Kontext der Vorlage im Auge behält. Der Begriff wird momentan etwas inflationär verwendet, aber das ist ein “game changer” – und es ist bereits in die Beta-Version des neuen Photoshop eingebaut. Schaut euch das mal an:

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Hier ist auch noch mal eine deutsche Erklärung zu den neuen Funktionen.

Zu meiner Freude ist das ein Werkzeug, das Fotografen und Grafiker nicht ersetzt, sondern unterstützt. Adobe Lightroom bringt nun auch KI-Filter mit, die eine erheblich bessere Nachbelichtung und Rauschunterdrückung erlauben:

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Vor ein paar Monaten habe ich prophezeit, dass “voice cloning” dazu führen wird, dass die Stimmen (auch toter) Prominenter wieder aufleben werden. Und siehe da – Frank Sinatra singt auf seine unnachahmliche Art einen Hit des Rappers Lil Jon:

https://youtu.be/7zoQeH2wQFM

Und Donald Trump spricht eine (ebenfalls KI-generierte) Werbung für O-Saft ein:

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Ich habe es schon oft gesagt und sage es nur der Pflichtschuldigkeit halber noch mal: Das ist nicht perfekt, aber auf einem sehr rasanten Weg dorthin. Und die Missbrauchsmöglichkeiten verursachen schnell Kopfschmerzen. Nicht nur, weil die KI einem Sachen in den Mund legen kann, die man nie gesagt hat – sondern weil man nun auch bestreiten kann, etwas gesagt zu haben, in dem man alles Unliebsame zu “deep fakes” erklärt:

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Wenn Ton, Bild, und Bewegung perfekt ineinander greifen, wird die KI eine völlig eigenständige, aber von unserer Realität kaum unterscheidbare Wirklichkeit erschaffen können, die völlig neue Definitionen von real und fake erfordert.

Bis dahin amüsieren wir uns mit der Frage, was wohl gewesen wäre, wenn man Star Wars als deutsch-österreichisches Alpendrama gedreht hätte:

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DraGAN gehört zu den Projekten, die momentan noch in einem sehr frühen Stadium sind. Die KI erkennt den Kontext eines Bildes, kann Figuren verschieben und drehen und die dabei neu sichtbaren Elemente aus dem Stand generieren. Das lässt sich schwer vorstellen, aber es gibt ein paar Demo-Videos:

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Es ist kein Wunder, dass die KI sehr schnell bei den Videospielen Einzug halten wird, denn diese präsentieren ja genau die künstliche Wirklichkeit, in der die KI sich wohl fühlt. Es ist ihr Spielplatz. Engines wie Unreal 5 und Grafikkartenhersteller wie NVIDIA sind bereits eifrig dabei, KI-Algorithmen in ihre Software zu dengeln. So hat NVIDIA gerade ein Demo vorgestellt, bei dem die Charaktere in Games nicht mehr auf ein paar programmierte Antworten beschränkt sind, sondern dem Spieler auf seine natürliche Sprache einen ebenso natürlichen und ad hoc generierten Dialog anbieten:

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Nicht weniger beeindruckend – diese Demo, in der die KI aus ein paar einfachen Kritzeleien in einer Art Holo-Deck und ein paar beschreibenden Textzeilen extrem detaillierte und direkt im Spiel verwendbare Umgebungen zaubert:

Das nimmt Spiele-Designern wochenlange Arbeit ab – und ermöglicht auch Einsteigern, überzeugende Ergebnisse abzuliefern.

Ähnliches auch in der Filmbranche – dass KI die VFX-Abteilungen revolutionieren und ausdünnen wird, ist absehbar. Ein Gezeitenwechsel, der bestenfalls mit dem Übergang von “practical FX” auf CGI vergleichbar ist, steht ins Haus:

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Den kompletten SF-Kurzfilm, den eine Person (!) in einer Woche (!) mit dieser Technik produziert hat, könnt ihr euch hier ansehen:

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Schwerer tut sich die KI immer noch bei dem Versuch, “from scratch” eine Bewegtbild-Realität abzubilden, nicht nur, weil dazu immense Rechenpower nötig ist, die zwischen jedem Frame Konsistenz und innere Logik gewährleistet. Aber gerade die Defizite in diesem Bereich führen zu hypnotischen, kunstvollen Sequenzen, die an Träume oder Drogentrips erinnern:

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Ich glaube, dass solche Clips eines schönen Tages als beeindruckende Relikte einer Übergangstechnologie gesehen und in Museen gezeigt werden.

Zum Abschluss noch etwas, das für mich in die Schublade “nett, aber nutzlos” gehört – ein dänischer Fotograf hat eine Kamera ohne Objektiv (also ohne “Auge”) entwickelt. Sie generiert Bilder rein aus der Kenntnis des Standorts, des Winkels, der Uhr- und Jahreszeit. Die (natürlich nicht realistischen) Ergebnisse werden auch gleich als Text-Prompt auf dem Display angezeigt:

Wer noch glaubt, man könne die Entwicklung irgendwie kontrollieren, sie mit Hinweisschildern oder Absichtserklärungen steuern, dem möchte ich diese Worte von Walter White ans Herz legen, der für die KI spricht:

https://youtu.be/3oEQcwBBTME

Die KI hat angeklopft. Sie wartet nicht darauf, dass wir ihr die Tür öffnen.



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10 Kommentare
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Stefan
Stefan
1. Juni, 2023 14:16

“Die Rezepte? KI. Die Bilder zu den Rezepten? KI.”
Interessant! Da bin ich echt gespannt, was du zum Inhalt zu sagen hast.
KI versteht ja nicht die chemischen Prozesse des Kochens und Backens sondern “nur” die die Kohärenz von Rezeptbeschreibungen. Also entweder die Rezepte sind am Ende Kopien von existierenden oder die Zutatenmengen bspw. so verändert, dass das Rezept nichts mehr taugt.
Oder sind die Rezepte nur von KI ausgewählt worden? Verstehe nicht, warum man sowas generieren sollte.
Und ob die Bilder halbwegs das abbilden, was bei den Rezepten rauskommt. Oder man erwarten würde. Ich fürchte, du wirst die nicht alle für uns testkochen? 😉

Last edited 10 Monate zuvor by Stefan
Alexander Freickmann
Alexander Freickmann
2. Juni, 2023 10:35
Reply to  Stefan

Und jetzt bitte mit 5 Gramm Muskat verfeinern. 😀

Last edited 10 Monate zuvor by Alexander Freickmann
Walter K. aus H.
Walter K. aus H.
1. Juni, 2023 18:54

Ich fühlte es schon immer:
Jabba the hut ist ein Geschöpf von Manfred Deix

Exverlobter
Exverlobter
1. Juni, 2023 19:50

“Die KI hat angeklopft. Sie wartet nicht darauf, dass wir ihr die Tür öffnen”

John Connor wird uns davor retten!

Mollari
Mollari
15. Juni, 2023 11:12

Und wer hat das alles kommen sehen?
Die gurkige Serie VR5, die, ich zitiere mal frei aus deinem TV-Guide, von den Zuschauern erwartete, zu schlucken, dass man komplette Welten erschaffen kann, indem man ein einziges Wort in einen Computer eintippt.
Groundbreaking television!

Mollari
Mollari
15. Juni, 2023 11:45
Reply to  Torsten Dewi

Hahaha, das klingt ja langsam nach einem lohnenden Rewatch.