12
Mai 2023

Filmverbrechen-Fotostory: POPCORN & HIMBEEREIS (1) oder: Wo ist das Popcorn?!

Themen: Film, TV & Presse, Fotostory |

Vorab: Ich werde ab heute die elend langen Filmverbrechen-Fotostorys in mehrere Teile aufspalten. Das hat einen rein administrativen Grund. Artikel über 10.000 Zeichen kann ich bei VG Wort abrechnen. Die Fotostorys sind gerne mal 50.000 Zeichen lang. Wenn ich sie splitte, rechnet sich das.

Sorry for the inconvenience.

Es ist mal wieder LISA-Zeit. Die formell dürftigen und mit austauschbaren Elementen zusammen gestöpselten Bumsfilme von Karl Spiehs haben sich über die Jahre einfach als die perfekten Leichen für meine frankenstein’schen Fotostorys herausgestellt. Da macht die Exhumierung Spaß und man kann hämisch mit dem Finger auf das untot zuckende Zelluloid zeigen. Es gibt ja auch immer was zu entdecken.

Unser heutiges Movie-Monster ist POPCORN UND HIMBEEREIS von 1978, ein frühes, aber schon sehr typisches Beispiel des LISA-Outputs Ende der 70er, Anfang der 80er. Unter dem Label “junge und freche Komödie” werden uns wieder mal Altherren-Humor, billiger Sexismus und kackfreches Product Placement verkauft.

Zur Einstimmung der kurioserweise englischsprachige Trailer, der einen guten Eindruck vom zu erwartenden Unterhaltungswert gibt:

Genug der Vorrede – Film ab!

Doch was ist das?

Residenz Film? Wo ist denn da die LISA? Keine Sorge, die Residenz hatte nur für Deutschland den Vertrieb übernommen. Den Besucherzahlen nach dürfte es sich gelohnt haben (dazu kommen wir noch).

Wenig überraschend geht es wieder von München zum Wörthersee – also quasi von der Besetzungscouch der Darstellerinnen zum Stammsitz der LISA-Film. Wir begrüßen gleich zum Einstieg unseren heutigen Hauptsponsor:

Wir werden noch darauf zu sprechen kommen, dass die LISA bekanntermaßen keine Skrupel in Sachen Product Placement hatte. Hier ist es besonders plump, weil Kika-Möbel nicht nur den Aufhänger der “Story” liefert und dadurch regelmäßig ins Bild gerückt wird, sondern weil Kika-Möbel damals (meinen Recherchen zufolge) keine Filiale in München hatte. Die auf dem Dach wehende österreichische Flagge verrät’s: Das hier dürfte die Dependence in Kärnten sein, die vom Skript nach München geschummelt wird. Ein paar Jahre später beim GURU JAKOB kam ja dann Möbel Kress zum Zug. Wer wissen will, wie so etwas abgelaufen ist, sollte diesen Artikel drüben beim SPIEGEL nachlesen.

Wir bleiben gleich bei den Standard-Bauteilen der LISA-Komödie: Es geht um die Tageseinnahmen des Möbelhauses, die – das kann kein Spoiler sein – verloren gehen und deren Wiederbeschaffung Chaos auslösen wird.

Ganz genau: Im Grunde ist das der Plot von EIN KAKTUS IST KEIN LUTSCHBONBON. Autor Erich Tomek hat gerne bei sich selbst abgeschrieben.

Das Geld wird der jungen Mitarbeiterin Vivi übergeben, gespielt von Olivia Pascal:

Ein waschechter Paternoster! Ich schmeiß mich weg! Übrigens mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht in dem oben gezeigten Möbelhaus gedreht, in dem so ein Ding keinen Sinn machen würde:

Die Tatsache, dass in der gegenläufigen Kabine gerade der Firmenchef und sein Junior einfahren, müssen wir für diesen Moment hintenanstellen.

Es gehört zu den Wurstigkeiten eines typischen LISA-Skripts, dass Vivi die 17.000 Mark in einer labberigen Plastiktüte am Lenker ihres Fahrrads durch München spazieren fährt:

Klar würde jedes mittelständische Unternehmen, das seine Murmeln beisammen hat, einen Sicherheitsdienst mit Panzerwagen zur Bank schicken, aber dann würde ja nicht das in die Gänge kommen, was Erich Tomek für eine “Handlung” hält.

A propos halten – halten wir an dieser Stelle fest, dass Olivia Pascal (eigentlich Gerlitzki) anno 1977 schon sehr hübsch aussah und diesen “Mädchen von nebenan”-Charme ausstrahlte, der sie von den etwas tumberen Kolleginnen (zu denen wir noch kommen werden) absetzte:

Liest man diverse Artikel aus dieser Zeit, fällt sehr schnell auf, dass Olivia Pascals Werdegang immer wieder frei Schnauze angepasst wurde. Mal hatte sie mit 16 bereits als Modell Nacktaufnahmen gemacht und kam so zur LISA, dann war sie plötzlich Arzthelferin, ein andermal unscheinbare Büromaus der Filmproduktion, bis jemandem auffiel: “Hey, die ist ja total hübsch und macht gerne die Bluse auf!”

Es gab damals keinen Grund zu glauben, dass Olivia nach Trash-Produktionen wie VANESSA, COLA CANDY CHOCOLATE und SÄGE DES TODES (!) tatsächlich so etwas wie eine seriöse Karriere würde hinlegen können. Dieser Auftritt aus der Sendung DISCO ließ auch auf kein zweites Standbein als Sängerin hoffen:

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Gesang und Tanz waren ihr nicht gegeben, das steht fest. Die BRAVO war allerdings erpicht darauf, Olivia zum Star zu formen und darum widmete man ihr nicht nur viele Reportagen und Cover, sondern sogar Poster und einen der legendären Starschnitte. Ich habe für euch zu Schere und Kleber gegriffen:

 

Tatsächlich sollte Olivia Pascal die Ausnahme werden, die die Regel bestätigt. Als “hübscher Hase” (allerdings im Gegensatz zu Ingrid Steeger nicht nackt) lockerte sie das Ensemble der Musiksendung BANANAS auf und stiegt dann für viele Jahre als Kommissarin in der angesehenen Krimiserie SOKO 5113 ein. Sie erarbeitete sich eine Nische und Ansehen außerhalb der üblichen LISA-Blase.

Title drop!

Die Besetzungsliste von POPCORN UND HIMBEEREIS verspricht viele “alte Bekannte”, auch wenn das nicht immer gleich ersichtlich ist:

Alexander Grill gehört ebenso zum Repertoire der LISA wie die unverwüstliche Bea Fiedler, über die ich mich anlässlich der 3 SCHWEDINNEN AUF DER REEPERBAHN bereits ausgelassen hatte. Gesa Garbor nannte sich später Gesa Thoma und wurde Moderatorin bei einem Homeshopping-Sender – wenn ich es doch sage!

Zu Ursula Buchfellner kommen wir noch, Rosl Mayr haben wir schon in ZÄRTLICH ABER FRECH WIE OSKAR gesehen. Eine Nebelgranate ist “Christine Gianna”:

Dahinter verbirgt sich Christina Giannakopoulos, die später den deutlich griffigeren Künstlernamen Dolly Dollar tragen sollte. Für weitere Informationen möge der geneigte Leser bei GRAF DRACULA (BEISST JETZT) IN OBERBAYERN nachschlagen.

Man möchte es fast “unvermeidlich” nennen:

Lassen wir die Besetzung hinter uns und konzentrieren wir uns auf die Locations. Von München ist ja wie angekündigt in POPCORN UND HIMBEEREIS relativ wenig zu sehen. Ich würde schätzen, dass man einen Drehtag rund um die Leopoldstraße investiert hat – und das nicht mal mit besonderer Sorgfalt. wie wir gleich sehen werden.

So biegt Vivi mit dem Fahrrad von der Siegfriedstraße nach rechts in die Herzogstraße ein – hinter dem Bus verorten Eingeweihte das legendäre ABC-Kino. Im Hintergrund befindet sich die Münchner Freiheit, die ein paar Jahre später von Markus in GIB GAS ICH WILL SPASS durchfahren werden sollte.

Umschnitt: Vivi ist plötzlich in Gegenrichtung unterwegs, nämlich die Herzogstraße in Richtung Englischer Garten. Einmal falsch abgebogen?

Hier kann man es gut erkennen – rechts das ABC-Kino, links die Siegfriedstraße, unten die Einblendung eines Regisseurs, den’s augenscheinlich nicht schert:

Fun fact: An dieser Stelle auf der linken Straßenseite führte mein Filmverbrechen-Komplize Frankster in den 90ern einen eigenen Comicladen.

Auf dem Soundtrack hören wir übrigens den Song “Zufrieden mit mir” von Hauptdarsteller Benny (Hans-Jürgen) Schnier – und ja, der Schnierlappen kam mir damals schon immer als sehr zufrieden mit sich selbst vor:

Herr Schnier mag sich von dieser Aussage vors Schienbein getreten fühlen, aber in meinen Augen hat er nur Angst vor der Wahrheit. See what I did there?

Hier sehen wir “Gesa Garbor” alias “Gesa Thoma” als “Bea”. Sie telefoniert mit ihrem neusten Stecher – ich weiß, wie furchtbar dieser Begriff heute klingt, aber ich versuche nach Möglichkeit, im Slang der Zeit zu bleiben. Dufte!

Die Lutscherei macht zwei dahergelaufene Schwabinger Paviane ganz rollig und man übt sich im LISA-typischen Standard der sexuellen Belästigung:

Weil der Lolli wohl den männlichen Hoden repräsentiert und Kastrationsfantasien eine rasend komische Sache sind, beißt Bea einmal kräftig ab:

Tja, das tut weh, wenn man einen Lolli nicht von den eigenen Eiern unterscheiden kann – da hat es der flotte Teen in den frechen Jeans den Aufreißern aber gezeigt!

Vivi kommt hinzu und echte Münchner echauffieren sich sofort wieder über die willkürliche Präsentation des Schwabinger Straßennetzes. Denn siehe: statt vom Norden kommt Vivi vom Westen über die Franz Joseph-Straße angeradelt. In der hat der Frankster übrigens auch schon gearbeitet, seinerzeit für die TV Direkt.

Bea erzählt Vivi, dass sie ihren aktuellen Besteiger loswerden muss, weil sie einen größeren Fisch an der Angel hat: den Sohn des Kika-Möbelhauses!

“Ich dachte, Fritz ist deine große Liebe?”

“Das war er ja auch – sogar eine ganze Woche. Das ist sechs Tage zuviel!”

So waren sie damals, die Mädchen aus München – zumindest, wenn man den schwiemeligen Schweinkram-Fantasien der LISA-Filmer glauben mag.

Es ist übrigens für den Plot relativ wichtig, dass Vivi zwar bei Kika arbeitet, aber weder den Junior-Chef noch den Lagerverwalter kennt.

Bea deutet vage in Richtung Adria-Restaurant, da säße der Fritz, mit dem Vivi nun stellvertretend für ihre Freundin Schluss machen soll. Wir sehen allerdings nichts, weil man für diesen Gegenschnitt keinen Komparsen ins Bild setzen wollte:

Ach ja, das ADRIA. Da kann ich auch was erzählen. Das gab es nämlich (neben der legendären Schwabinger Disko DOMICILE) auch 1990 noch, als ich nach München zog. Und an der U-Bahn-Haltestelle Giselastraße musste ich immer raus, wenn ich von meinem möblierten Zimmer zur Redaktion des GONG wollte. Da bot es sich an, am Takeaway-Fenster schnell eine Scheibe Pizza vom Blech mitzunehmen, mit geschreddertem Schinken.

Und nein, es macht weder Sinn, dass Vivi für Bea mit Fritz Schluss machen muss, noch dass Bea dafür die 17.000 Mark bei der Bank einreichen soll. Aber der Plot muss sich auch hier wieder der LISA unterwerfen wie ein winselnder Lustsklave.

Das Gebäude, dem man für diese Szene sehr krude “Bank” auf eines der Fenster gepinselt hat, war ein paar Jahre später tatsächliche eine solche. Heute ist es eine LIDL-Filiale. Es wird niemanden wundern, dass Bea sich augenblicklich von der hehren Absicht, das Geld einzuzahlen, ablenken lässt, als der “Juniorchef” mit seinem Cabrio auftaucht:

Den nachfolgenden Screenshot habe ich primär deshalb gemacht, weil er schön illustriert, was mir bereits mehrfach aufgefallen ist. Die Welt in den 70er und 80er Jahren war allein deshalb bunter, weil die Autos es auch waren:

Heute ist ja alles langweilig schwarz, silber oder blau.

Wie Vivi den ominösen Fritz abserviert, bekommen wir übrigens nicht zu sehen. POPCORN UND HIMBEEREIS ist voll von solchen Auslassungen, zu denen man sich den Rest dazu denken muss. Aber es ist ja etabliert, was etabliert werden musste: Bea hat das Geld von Kika-Möbel nicht zur Bank gebracht.

Der Seniorchef gibt dem Juniorchef derweil einen Haufen Akten, denn er möchte ihn auf die geplante Übergabe des Unternehmens vorbereiten. Allenthalben wird etabliert, dass die Zeit drängt, weil der komplette Betrieb in Urlaub geht – was ich von einem Möbelhaus noch nie gehört habe.

Da kommt ein Anruf rein: Das unvermeidliche Schloss am Wörthersee ist dran. Man vermisst eine Ladung versprochener Betten.

Klar, es ist ein LISA-Film, also muss Schloss Velden wieder den primären Schauplatz liefern. Mich würde nicht wundern, wenn diese Anlage zu den meistgefilmten Locations des “deutschen” Films gehört. Bei aller Häme zählt das zu den Geniestreichen der LISA-Film, was Kostensenkung und Aufwandsminimierung angeht.

Bei der pampigen Ehefrau des Hotelbesitzers handelt es sich um Margarethe Kuske, eine Pornoschauspielerin dieser Zeit. Näheres erspare ich euch.

Seniorchef Hanssen mit der Panzerglasbrille steckt in einer Bredouille, wie man sie sich nur für so einen Film ausdenken kann: Alle Mitarbeiter sind bereits in Urlaub und die Betten müssen nach Kärnten geliefert werden, aber dalli!

Juniorchef Bobby in seiner selten peinlichen Silberweste erklärt sich bereit, die Betten höchstpersönlich auszuliefern – und ein paar Exemplare für das örtliche Kloster und das örtliche Krankenhaus gleich mit.

Stellt nicht die Frage, wie wahrscheinlich es ist, dass ein Münchner Möbelhaus Betten gleichen Typs in ein Krankenhaus, ein Kloster und ein Hotel im gleichen österreichischen Kuhkaff liefern muss. Es ist den Hirnschmalz nicht wert.

Kommen wir aber kurz zu Benny (Hans-Jürgen) Schnier. Wieder so ein geföhnter Schnösel, den man Ende der 70er als “Teenie-Idol” installieren wollte und der so ziemlich alles machte, was Rampenlicht versprach: Musik, Moderation, Schauspiel. Sein Output in Sachen Jugendkultur wirkt heute extrem cringe:

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Aber weil bei der BRAVO so alte Leute saßen wie bei der LISA und man ja dem deutschen Mittelstands-Jugendlichen schlecht die Londoner Punkszene ans Herz legen konnte, durfte auch Benny sich hypen lassen:

Im Vergleich zu den anderen LISA-Herzensbrechern ist Schnier nicht ganz so schmierig wie Fierek oder so arschig wie Ohrner, dafür hat er außer einem behauptet charmanten Lächeln wenig Charisma einzubringen. Er ist kein Jürgen Drews, das steht mal fest. Aber wer ist das schon?

Lassen wir die letzte Zeile aus seinem Wikipedia-Eintrag einfach für sich sprechen:

“Ab Februar 2023 ist er beim Schwarzwaldradio mit der Sendung “Bennys Beste Balladen” zu hören.”

Service: hier.

Nochmal nach Kärnten… ääähhh, ins “Münchner Umland”. Bea ist erpicht darauf, sich von ihrem neuen Galan die Bettenmöbel “seiner” Firma zeigen zu lassen:

Ihr ahnt es, auch wenn der Film sich lange ziert, es auszuformulieren – Bea ist auf einen Hochstapler reingefallen, einen Lagerarbeiter, der nur behauptet, der Juniorchef zu sein! Kann man als geldgeile Matratze niemandem mehr vertrauen?!

Es kommt zum ersten (natürlich nur züchtig angedeuteten) Koitus in der Lagerhalle und mannometer – das sind wirklich ausgesucht hässliche und schrabbelige Möbel, die Kika hier ins rechte Licht gerückt sehen möchte.

Meine Vermutung dazu: Wie beim GURU JAKOB hat man darauf bestanden, kein echtes Inventar für die Dreharbeiten zu verschandeln. Ich könnte mir gut vorstellen, dass die LISA sich beim Sperrmüll bedient hat.

Die Tüte mit dem Geld wird in der geilen Eile unter die Matratze gestopft – und ja, das ist so ziemlich alles, was POPCORN UND HIMBEEREIS an Plot aufbringt.

Das “afternoon delight” ist von kurzer Dauer, denn der echte Juniorchef und die Chefsekretärin verhindern den goldenen Schuss.

Das Paar flüchtet halbnackt, aber “Gesa Garbor” achtet auffällig darauf, nicht ihre komplette Rückseite in die Kamera zu halten. Jemand muss ja Rücksicht auf die Jugendfreigabe nehmen:

Bobby bekommt von all dem nichts mit und beginnt seufzend damit, die Betten in den Laster der Firma einzuladen.

Vivi packt derweil für ihren Urlaub in Italien. Dabei checkt sie noch mal, ob das Geld aus der Firma auch in der Bank angekommen ist.

Ist es nicht. Das wissen wir ja auch. Vivi hat eine ziemlich konkrete Vorstellung, wo Bea sich rumtreibt, wenn sie nicht horizontal aktiv ist – in der Disko natürlich!

Diese Szenen gehören ebenfalls zu den Standards bei der LISA und man liegt nicht ganz daneben, wenn man unterstellt, dass die Darstellerinnen sich hier in ihrem natürlichen Habitat zeigen. Münchner und Kärntner Discotheken waren so etwas wie die Casting-Büros der LISA.

Ich komme nicht drumherum, an dieser Stelle auf ein untypisches Defizit dieses LISA-Films hinzuweisen: die Kameraarbeit ist ziemlich scheiße. Dass sich Vlada Majic hier hinter dem Pseudonym B. Later versteckt, kann kein Zufall sein. Immer wieder, aber besonders bei Aufnahmen im Schummerlicht, ist das Bild unscharf und es hat augenscheinlich niemand einen zweiten Take verlangt.

Man achte darauf, dass der Fokus ungefähr einen halben Meter hinter Olivia Pascal auf der Komparsin rechts liegt – so etwas darf einfach nicht passieren

Vivi hakt vorsichtig bei Bea nach, wo die gottverdammten 17.000 Mark abgeblieben sind – Bea wiegelt ab: Die Kohle ist ja quasi wieder an die Quelle zurückgekehrt. Dem Kika wurde gegeben, was dem Kika genommen wurde!

Der “Juniorchef” wird angewiesen, noch einmal nach Ladenschluss das Möbelhaus aufzusperren – für genauere Erklärungen ist keine Zeit:

“Wo brennt’s denn?”

“Am Arsch, wo der Hammer hängt!”

Noch schnell ein wenig Product Placement der “Möbelsensation” einschieben:

Doch oh weh! Die Betten sind fort, verladen und verschifft an den Wörthersee! In diesem Film heißt das Schlosshotel übrigens “Hotel Zabatini”.

Der überstürzte Versuch, den Laster einzuholen, steht allerdings unter keinem guten Stern – es kracht, es zischt, aber zu sehen ist nischt:

Mit einer Flasche Schnaps beruhigt man den gegnerischen Verkehrsteilnehmer – und hängt ihm gleichzeitig “Trunkenheit am Steuer” an. Es zeigt mal wieder, dass die “Helden” der LISA-Film wirklich gar keinen moralischen Maßstäben folgen:

Der heraneilende Streifenwagen ist übrigens der weiße Polizeikäfer, den wir u.a. schon aus ZÄRTLICH ABER FRECH WIE OSKAR kennen:

Auto fällt also aus, Bea und Vivi besteigen daraufhin den Zug nach Kärnten. Das macht durchaus Sinn, denn der Ringelpiez (gerne mit Anfassen) zwischen den Abteilen erlaubt die Einführung neuer Charaktere und Konflikte.

Da ist z.B. der schmerbäuchige Unternehmer (?), der fast zwangsläufig Bronzky heißt, weil der Name Bronzky (oder Bronski) ein Running Gag in den LISA-Filmen ist, siehe EIN DICKER HUND. Bronzky möchte sich der feschen Vivi “vorstellen”:

Zum “cock blocker” wird in diesem Fall der dicke Jonny, der gerade in der August-Ausgabe der Herrenzeitschrift LUI blättert (ja, das habe ich recherchiert):

Nun sollte man meinen, dass Jonny nicht gerade der Typ ist, dem man die Verteidigung weiblicher Autonomie anvertrauen kann, aber weit gefehlt – er weist den arroganten Kapitalisten in seine Schranken:

Ich habe schon öfter darüber gesprochen, dass die LISA-Film als Aufhänger für ihre Komödien gerne auf andere Kinohits schielte, ähnliche Titel und Konzepte aufgriff, oder sich von Skandalen der Tagespresse inspirieren ließ. POPCORN UND HIMBEEREIS hat zwar inhaltlich keinerlei Schnittmengen mit EIS AM STIEL, aber man wollte sich offensichtlich eine Scheibe vom Erfolgskuchen abschneiden, den die israelische Teenager-Komödie ein halbes Jahr vorher gebacken hatte. Über 2,7 Millionen Zuschauer! Und so heuerte man erst- aber nicht letztmals Zachi Noy an, in diesem Fall sogar mit dem gleichen Rollennamen. Letztlich spielt er die Rolle, die sonst Tobias Meister zufiel.

Es ist aber extrem auffällig, dass Noy zumindest hier keinerlei Interesse hatte, irgendeinen Arbeitseifer einzubringen – sein “Jonny” wirkt depressiv und gelangweilt. In seiner Antriebslosigkeit torpediert er das Tempo, das so eine Komödie einfach an den Tag legen muss. Selbst für den geringen Anspruch der LISA-Film ist das auffällig zu wenig.

Jonny “organisiert” den Mädels ein Abteil, wobei komplett vage bleibt, ob er selber fleischliches Interesse an ihnen hat – oder warum nicht.

Weil Jonny fett ist, kann man natürlich auch zeigen, dass er mit Begeisterung Leberwurstbrote futtert.

Manchmal kommt es ganz dicke: Erst in diesem Moment fällt Vivi auf, dass sie im Schrott-Käfer ihre Handtasche vergessen hat!

Bea beruhigt sie: Ihr Stecher wird ihnen die Tasche sicher nach Kärnten bringen. Ich könnte mich irren, aber die Handtasche wird danach nie wieder aufgegriffen. Bedenkt man, dass diese Szenen im August 1977 gedreht wurden (siehe LUI), und der Film bereits im Oktober in die Kinos kam, dann kann man durchaus verstehen, dass für inhaltliche Kontinuität nicht immer Zeit und Raum war.

Bronzky ist derweil nicht gewillt, sich so leicht abschütteln zu lassen:

Jonny nimmt es mit dem Gesichtsausdruck, den Noy hier zum Standard erklärt:

Natürlich setzt sich Bronzky auf das Leberwurstbrot – ha ha:

Weil Vivi und Bea keine Fahrkarten haben, schenkt Jonny (der schon kontrolliert wurde) sein Billet Vivi. Und von Bronzky im Waschraum erschleicht er sich Ticket 2:

Das ist jetzt weder sonderlich clever noch irgendwie lustig, aber zumindest ein Standard in Verwechslungskomödien – der allerdings nur funktioniert, wenn wir nun erleben, wie Bronzky ohne Fahrkarte mit dem Kontrolleur aneinander gerät.

Aber Pustekuchen. Einen Schnitt später sind wir bereits in Velden am Wörthersee. Die Auflösung der Szene wird einfach ausgelassen.

Jonny, der im Schlosshotel als Discjockey arbeiten will, darf zwar nicht auf einen Koitus mit Vivi und/oder Bea hoffen, aber wenigstens ihr Gepäck tragen. Oder ist es sein Gepäck? Es wird an keiner Stelle ersichtlich.

Vivi bedankt sich brav beim absolut suizidal dreinschauenden Jonny, obwohl es keinen Hinweis gibt, dass sich ihre Wege hier trennen.

Und siehe: gemeinsam geht man zum Eisstand, damit Bea was zum Lecken hat. Dabei kommt es zu einer erneuten Konfrontation mit Bronzky:

Zack, kriegt der alte Sack ein Himbeereis in die Schnauze gesteckt – was genau genommen jetzt keine sooo große Sache ist, er kann es ja einfach aufessen:

Es wird Zeit, die Frage im Titel dieser Fotostory zu beantworten: wo ist das Popcorn? Ihr ahnt es: nirgendwo. Der Film mag POPCORN UND HIMBEEREIS heißen, aber das Popcorn glänzt durch konsequente Abwesenheit. Wäre es denn so schwer gewesen, irgendeiner Hauptfigur eine Tüte in die Hand zu drücken?! Das ist doch Etikettenschwindel!

Immerhin: Es gibt ein Pressefoto, auf dem Benny Schnier der verkleideten Olivia Pascal etwas Popcorn unter die Nase hält:

Im Film kommt die Szene allerdings nicht vor.

Wir haben ja schon etabliert, dass die LISA sich dringlich an den Erfolg von EIS AM STIEL hängen wollte. Weiterführend ist es kein Wunder, dass das hier einer der großen Hits 1977 war:

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Ich kenne NIEMANDEN, der in den 70ern Himbeereis gegessen hat. Von Himmy Jimmy mal abgesehen. Ich kannte nicht mal Eisdielen, die das im Sortiment hatten.

Egal, die Protagonisten sind nach knapp 20 Minuten am Wörthersee angekommen und wir machen einen Break. Morgen geht’s weiter – mit nackten Fakten!



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4 Kommentare
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Matts
Matts
12. Mai, 2023 16:53

The Popcorn is a lie!
Jedenfalls bin ich sehr erleichtert, dass ich offenbar genau in der Dekade geboren wurde, als man angefangen hat, Himbeereis zu essen.

S-Man
14. Mai, 2023 19:25

Als Idee: Ich würde die Artikel gern lesen, wenn sie vollständig sind. Kannst du vllt im Titel mit angeben, wie viele es werden? 🙂 Also vllt. statt (1) -> (1/3) oder so schreiben?

Howie Munson
Howie Munson
14. Mai, 2023 21:52
Reply to  S-Man

Fänd’ ich auch nicht verkehrt…

Alexander Freickmann
Alexander Freickmann
7. Juni, 2023 23:58

Ich hatte bis vor diesem Artikel nie gewusst, dass KIKA nicht nur allein für den Kinderkanal von ARD/ZDF steht. Und dann lese ich paar Tage später, dass der Laden noch existiert und vielleicht bald auch wieder nicht. Wurde wohl genug ausgequetscht.
Aber interessanter Fall vom Baader-Meinhof Phänomen.