06
Feb 2023

Fantasy Filmfest White Nights 2023 München (6): SOFT & QUIET

Themen: FF White Nights 2023, Film, TV & Presse, Neues |

USA 2022. Regie: Beth de Araújo. Darsteller: Stefanie Estes, Olivia Luccardi, Dana Millican, Melissa Paulo, Eleanore Pienta, Cissy Ly

Story: Grundschullehrerin Emily trifft sich mit ein paar gleichgesinnten Ladies zum Lunch. Alle sind extrem beunruhigt: Wie lässt sich die Bedrohung aufhalten, die von all den ausländischen Arbeiter:innen in der kleinen Nachbarschaft ausgeht? Von den vielen multikulturellen Einflüssen ganz zu schweigen. Gemeinsam schmieden sie Pläne, wie man das anständige, weiße Amerika vor der feindlichen Invasion retten kann. Um die optimistische Zukunftsvision gebührend zu feiern, verschlägt es die angestachelten Frauen in einen Liquor Store. Als wenig später zwei asiatisch-stämmige Amerikanerinnen den Laden betreten, sehen sie sich unerwartet einem aggressiven Mob gegenüber und die Situation gerät außer Kontrolle.

Kritik: SOFT & QUIET ist mal wieder ein “one take”-Film, der vortäuscht, in einem Rutsch gedreht worden zu sein. Ich halte dieses “Subgenre” für noch überflüssiger als Found Footage, weil es in den seltensten Fällen dramaturgisch gerechtfertigt oder gar zwingend ist.

Im Fall von SOFT & QUIET fühlte ich mich anfänglich auch in meiner Skepsis bestätigt. Die ersten zehn Minuten quält man sich durch ein Kaffeekränzchen von “basic white bitches”, deren kaum verhohlener Hass auf alles, was ihren selbst nicht eingehaltenen Moralvorstellungen entspricht, sie instantly unlikable macht. Sie träumen von einer nicht erarbeiteten, sondern selbstverständlichen Überlegenheiten, von Werten einer Ära, die keine von ihnen selber erlebt hat. Man möchte ihnen ins Gesichts kotzen – und kommt doch zeitweise ins Nachdenken, weil einige der Argumente an der Oberfläche gar nicht so falsch klingen.

Aber das ist nur Prolog, nur Fassade – und notwendig, um zu verdeutlich, dass hier ein zivilisierter Rassismus gepflegt wird, der übelste Niedertracht übertünchen soll. Hinter all den “ich bin ja keine Rassistin, nur weil…” und “ich mag alle Menschen, aber…”-Phrasen verbergen sich Monster, und es braucht nur ein wenig “peer pressure” und das Gefühl der Überlegenheit in der Gruppe, um sie an die Oberfläche zu holen. Einmal von der Kette gelassen, wird die “white middle class” augenblicklich zum moralfreien Mob, der vor wirklich gar nichts mehr zurück schreckt – und sich am Ende weiter als Opfer gerieren wird. Look what they made us do.

Aber vielleicht ist es auch nur das, was die hispanische Filmemacherin Beth de Araújo uns glauben machen will. Vielleicht ist SOFT & QUIET linke Propaganda, die sehr effektiv die weiße Mittelklasse diskreditieren will, in dem sie “normal” als “nur zu feige, um das wahre Gesicht zu zeigen” präsentiert. Die Konsequenz, mit der uns der Film seine Protagonistinnen zum Fraß vor wirft, mit der er sie uns hassen macht, hat mich irgendwann auch wieder Abstand nehmen lassen. Das ist alles zu folgerichtig, zu perfekt, zu manipulativ – kurz gesagt: meine fiebrigen Fantasien über die moralische Verkommenheit der amerikanischen Kleinstadt-Mittelklasse wurden zu verdächtig passgenau bedient.

Dass SOFT & QUIET sehr gut inszeniert ist und von exzellenten Darstellerinnen getragen wird, lässt sich kaum bestreiten. Hat man einmal das täuschend träge Intro überstanden, nimmt der Film massiv an Fahrt auf (auch wenn ich im Finale etwas weniger Kameragewackel im Dunkeln bevorzugt hätte). Es gibt keine Plausibilitätslücken (siehe nachher auch meine Kritik zu GOOD BOY). Und genau das macht mir Sorge – dass wir bewusst geködert werden, keine Meinung zum Film zu entwickeln, sondern eine Meinung zu seinem Thema. Und jede Meinung, die man nach SOFT & QUIET zu den rassistischen Tendenzen der amerikanischen Mittelklasse entwickeln kann, ist zwangsläufig negativ und destruktiv. Die kleine Gruppe von Frauen um Emily – sie ist der Feind, auf sie muss man zeigen und sie muss man verurteilen:

Ich habe selten einen Film beim FFF gesehen, der mich jenseits der filmischen Qualitäten so beunruhigt hat. Bildet er eine Realität ab – oder ist er Teil eines Kulturkampfes, zu dem auch Streifen wie WOMAN KING gehören, die jede historische Verfälschung und Manipulation mit einem höheren Anspruch rechtfertigen?

Fazit: Keine Bewertung möglich – entweder klinkt man sich in die These vom Mittelstands-Psychoterror ein oder man hält SOF T & QUIET für bösartige Propaganda, die niedere Triebe der linksprogressiven Zuschauerschaft bedient.

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P.S.: Was für ein scheiß Poster ist DAS denn?!



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Tim
Tim
6. Februar, 2023 18:24

Sehr interessant Aspekte, die in dem Streifen anscheinend verhandelt werden. Muss ich mir anschauen. Aber was beunruhigt dich genau? Dass der Film so manipulativ sein könnte/ist?

Tim
Tim
6. Februar, 2023 19:09
Reply to  Torsten Dewi

Nein, es geht nicht genau hervor. Aber da musst dich nicht erklären.