16
Feb 2023

“Kunstraub” per KI: Ein praktisches Beispiel

Themen: Künstliche Intelligenz, Neues |

Vorab: Mit meinem Beitrag zu den Möglichkeiten von ChatGPT habe ich es in die neue Ausgabe der respektablen c’t geschafft.

Es ist nicht viel, aber immerhin – und ich möchte unterstellen, dass Autor Jo Bager die Formulierung “Ahnungsloser Universalgelehrter” bei mir “entliehen” hat:

Heute geht es aber um einen rechtlich hakeligen Bereich der KI und damit natürlich wieder mal um MidJourney. Es ist bekannt, dass es mir einen Heidenspaß macht, mit dem Algorithmus zu experimentieren. So konnte ich neulich eine sehr putzige Version von FRASIER aus der gleichnamigen Sitcom im Pixar-Stil kreieren:

Was der Vogel da soll? Müsst ihr die KI fragen. Ich habe keine Ahnung.

Nicht weniger putzig – die Bathöhle als isometrisches LEGO-Modell:

Oft genug produzieren gerade die Missverständnisse zwischen KI und User interessante Ergebnisse – mit der Bitte um eine einfache Skizze einer Katze aus ein paar einzelnen Pinselstrichen wollte ich die Vorlage für ein abstraktes Logo erstellen. Was MidJourney auswarf, hat einen verblüffend überzeugenden Stil:

Nun sind “prompts” (also die Formulierungen und Parameter, mit denen man der KI Anweisungen gibt) mittlerweile eine neue Währung im Internet. Wer besonders potente Prompts hat, teilt sie gerne:

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Ich entschloss mich, mit dem Prompt der Katzen weitere Bilder zu erstellen – und landete damit bereits (gefühlt) in einer rechtlichen Grauzone. Ersetze ich nämlich den Begriff “Katze” durch “James Bond”, bekomme ich tolle Ergebnisse:

Ich kenne da eine Wand in unserer Wohnung, an der sich das als 3 x 2m-Bemalung sehr gut machen würde…

Kann das Probleme geben? Kaum, denn die Figur ist ja nicht erkennbar 007. Solange ich nicht behaupte, es SEI James Bond, ist das nur die Zeichnung eines attraktiven Mannes im klassischen Pulp-Stil.

Aber ersetzen wie “James Bond” doch mal durch “Superman”:

Wow – aber schon deutlich problematischer. Weil es erkennbar Superman ist – und der ist geschütztes Eigentum von DC.

Wie schmal der Grat und wie breit die Möglichkeiten sind, möchte ich an einem gänzlich anderen Beispiel illustrieren. Bei unserer Australienreise stießen wir in Melbourne auf eine Galerie, deren aktuelles Angebot uns spontan begeisterte:

Das sind Prints des Künstlers Josh Agle aka Shag. Wie man so schön sagt: genau unser Ding. Würde perfekt in unser Wohnzimmer passen. Als limitierte Auflage aber verboten teuer und auch nicht einfach transportierbar.

Nun macht die Webseite der Galerie den überraschenden Fehler, die angebotenen Stücke nicht nur in relativer hoher, sondern auch verlustfreier Auflösung auf ihrer Webseite zu präsentieren.

Lädt man sich die png-Datei herunter, kann man mit einem KI-Algorithmus zur Bildverbesserung (z.B. im Programm Pixelmator pro) das Bild problemlos auf 5.000er- oder 10.000er-Pixelbreite hochrechnen, ohne dass es an Qualität verliert.

In dieser Größe kann man das Motiv wieder als Poster drucken lassen. 120cm x 80cm bei MyPoster aktuell knapp 40 Euro. Kein Cent davon für Mister Agle.

Man kann die Galerie unvorsichtig nennen und die rechtlichen Details diskutieren, aber das ist bereits ein Drahtseilakt, bei dem ich mich nicht wohl fühle.

Es geht aber noch einen Schritt weiter – KI sei Dank. Ich kam nämlich auf die Idee, dass man statt einer direkten Übernahme einer Artwork von Josh Agle ja auch bei Midjourney um ein gänzlich neues Motiv nachfragen könne – im Stile des Künstlers. Also gebe ich mal “cocktail pary, Palm Springs, night” und ein paar andere Begriffe und ergänze das um “Josh Agle style”. Ich bin nicht sicher, ob der Mann genug Masse produziert hat, um für die KI imitierbar zu sein – aber das Ergebnis verblüfft mich dann doch:

Das ist nicht exakt Josh Agle, aber nahe genug dran.

Ich verliere nun alle Hemmungen und ergänze den Prompt noch um meinen liebsten Geheimagenten – Bond und die stylishen 60er, das geht ja Hand in Hand:

Gross. Ar. Tig.

Bewegen wir uns noch einen weiteren Schritt von der ursprünglichen Idee weg – kein Palm Springs, keine Party, sondern eine 007-Verfolgungsjagd im Stil vom Josh Agle. Und wahrlich, die Interpretation von Midjourney ist ein Knaller:

Die Farben, die Dynamik – das brauche ich nicht als Poster, das kommt auf Acrylglas! Oder auf ein T-Shirt.

Aber was IST das genau? Könnte sich Josh Agle beschweren, ich hätte ihm “seine” Kunst geklaut? Wohl kaum, denn weder hat er dieses Motiv gemalt, noch entspricht es seinen eher statischen Darstellungen. Ist das “im Stil von Josh Agle” bereits eine Aneignung? Wenn es das wäre – würde das bedeuten, ich hätte so ein Bild auch nicht selber malen dürfen, wenn ich denn malen könnte? Sind unsere kreativen Impulse nicht immer beeinflusst von der Kunst, die wir in unserem Leben gesehen, bewundert und studiert haben? Ab wann ist der Abstand groß genug, um nicht nur “nicht Josh Agle”, sondern “echt Wortvogel” zu sein? Hätte ich jetzt wiederum ein Copyright auf dieses Bild? Wie viel zählt die Technik, wie viel zählt die Idee? Wer war hier der Künstler?

Spannende Fragen, zweifellos. Wie seht ihr das?



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Bartjäger
Bartjäger
16. Februar, 2023 12:00

Dadurch, dass die KI-Programme Bildmaterial meist ohne Erlaubnis der Urheber genutzt haben, um sich die Fähigkeit, in bestimmten Stilen zu malen, anzueignen, sollte allein die Existenz dieser Programme an sich schon eine Urheberrechtsverletzung sein. Was somit auch alle damit generierten Bilder einschliessen würde, da ohne das Training an besagtem Bildmaterial die KI gar nicht in der Lage wäre, entsprechende Motive zu erstellen. Ich bin gespannt, wie die diversen derzeit laufenden Gerichtsverhandlungen zu dem Thema ausgehen werden. Bis dahin ist das alles zumindest eine große Grauzone.

Last edited 1 Jahr zuvor by Bartjäger
comicfreak
16. Februar, 2023 12:15
Reply to  Bartjäger

..mmh, auch Menschen trainieren, indem sie zur Übung berühmte Meister kopieren

Goran
Goran
16. Februar, 2023 12:27
Reply to  Bartjäger

Die Prozesse werden wirklich spannened, besonders, da es ja für diese Datenbanken ja eben auch KI-Lizenzen gibt, damit man trainieren kann.
Sollte der Prozess feststellen, dass das gar keiner Lizenz bedarf, ui ui ui ui ui.

Goran
Goran
16. Februar, 2023 13:00
Reply to  Torsten Dewi

Die rechtliche Frage ist ja, schafft die Ki eigenes Neues, oder kopiert die KI nur Elemente aus den unzähligen gelernten Bildern heraus auf Prompt?

Ist das eine Pinselführung wie Picasso, oder ist das Picassos Pinselführung in einem speziellen Werk, die dann nur durch Bildbearbeitungsparameter an das Prompt angepasst wurde, was ja dann doch ein Teilplagiat wäre.

Wir behaupten ja, das unser Hirn hier eben nicht einfach nur das Gelernte (zusammen)kopiert.

Alles so lustige kleine Rechts- und Menschenfragen.

Natürlich würde mich die Absurdlösung: Die KI plagiiert, wenn sie so malt, das ist Urheberrechtsbruch. Der Mensch plagiiert somit auch, das ist auch Urheberrechgsbruch, also hört auf, wie Picasso zu malen, am meisten amüsieren.

Last edited 1 Jahr zuvor by Goran
Gerrit
Gerrit
16. Februar, 2023 12:03

Vielleicht hat Frasiers Nachname zum Vogel geführt? Sieht zwar nicht direkt wie ein Kranich aus, aber wer weß?

comicfreak
16. Februar, 2023 12:17

Bei deinem Beispielbild von Josh Agle agieren die Personen durch Haltung und Blicke miteinander, das ist bei den Bildern der KI nicht gegeben.
Von daher wird “nur” eine Ästhetik bedient, keine Kunst plagiiert

Goran
Goran
16. Februar, 2023 12:35

Zur unvorsichtigen Galerie mit den Hochauflösungsbildern: Da hab ich mich letztens auch über Christie’s amüsiert. Neue NFT-Handelsplattform und was ist?
Mit einem völlig durchschnittlichen Downloader liessen sich auch die animierten NFTs problemlos von der Seite kopieren.

Natürlich nicht das Original, aber right click > save funktionierte somit effektiv auch da und bei Digitalkunst fehlt mir wirklich der Originalanspruch, ausser, wenn man das handeln will.

Martzell
16. Februar, 2023 13:31
Reply to  Torsten Dewi

Vorallem unverständlich Zehntausende Euro zu zahlen für ein digitales Original das womöglich in einer Dekade nicht mehr wie gedacht genutzt werden kann, weil die NFT-Server nicht mehr gegeben sind und irgendwann sind Bild-, Audio- und Videoformate nicht mehr geläufig. Aber bis dahin hat man die Datei eh längst verloren 😉

Nikolai
Nikolai
16. Februar, 2023 13:50
Reply to  Martzell

Es ist doch total einfach.

Wenn du am Rechner ein Bild malst und jemand zahlt dafür einen Betrag, der höher ist als die Kosten dieses NFT zu erstellen, dann freu dich und kassier ab. Was damit danach passiert ist doch egal. 😀

Kurz zur Sache.
Tatsächlich kann man der Eigentümer eines digitales Bildes( zum Beispiel) sein. Das Eigentumsrecht wird in der Blockchain festgehalten wie in einem Grundbuch, ebenso werden Verkäufe und Übertragungen archiviert.
Man besitzt dann auch keine Datei, sondern lediglich Zugangsdaten zu einer Wallet auf einer Handelsplatform oder man überträgt das NFT an eine Coldstorage, also eine Wallet deren Schlüssel nicht im Internet verwaltet werden, sondern auf einem separaten Datenträger gesichert sind. Man kann die Keys aber auch ausdrucken und in einem Bankfach lagern.
Heutzutage eine Datei zu verlieren halte ich für nahezu ausgeschlossen, wenn man sich nur etwas Mühe gibt.

Holt man in 5 Jahren die Keys aus dem Bankfach und checkt den Eigentümer des NFTs, dann ist man das immer noch selbst. Vielleicht gibt es mittlerweile drölftausend Kopien dieses Bildes, aber du selbst bist Eigentümer des Bildes, das von Künstler XYZ im Jahr 2023 gemalt wurde.

Ebenso gibt es nicht EINEN NFT-Server, sondern die Blockchain und das sind tausende von Servern. Die kann man sogar selbst zu Hause abspeichern. Ebenso halte ich das mit der Kompatibilität heutzutage für vorgeschoben.

NFTs mögen für viele keinen Sinn ergeben, ich selbst bin da ob der Sinnhaftigkeit auch sehr zweifelnd, aber es funktioniert, das lässt sich nicht leugnen.

Lothar
Lothar
27. Februar, 2023 12:45
Reply to  Torsten Dewi

Das Lustigste dabei ist, dass ein NFT und der damit in einer Blockchain enthaltene Eintrag dir nur den Nachweis gibt, eine Datei mit Metadaten zu besitzen. Das eigentliche “Kunstwerk” ist dann eine URL innerhalb dieser Datei, die auf einen Server ins Internet zeigt, der die eigentliche Datei bereitstellt.

Diese Metadatendatei ist öffentlich einsehbar, d.h. auch die URL für das Kunstwerk ist relativ einfach zu ermitteln. Damit bekommt man auch problemlos Zugriff auf das “Original”.

Nichts kann jemanden daran hindern, eine weitere Datei mit Metadaten und der identischen Kunstwerk-URL darin zu erstellen und zu verkaufen (was schon passiert ist).

NFTs sind für den Zweck des Kunsthandels schlicht unbrauchbar, ist aber ein recht gutes Hilfsmittel, Leute mit wenig Ahnung um ihr Geld zu erleichtern.

Robert
Robert
16. Februar, 2023 14:07

Hierzu laufen bereits Diskussionen in der Rechtswissenschaft.
Werbeagenturen sind zT sehr defensiv aufgestellt, verbieten die Nutzung.
Andererseits setzt eine große Law Firm nun auf bing ChartGPT.
Spannende Zeiten…;-)

Edin Basic
Edin Basic
16. Februar, 2023 16:31

Ist doch klar was der Vogel mit Frasier Crane zu tun hat.
Er ist doch studierter Psychologe und hat dadurch selbstverständlich einen Vogel.

Selle
Selle
17. Februar, 2023 08:54

Es gibt ja gerade die Diskussion um die KI, die in ihre generierten Bilder gleich das Getty-Wasserzeichen eingefügt hat, weil sie das in ihrem Trainings-Set immer so gesehen hat.

Technisch wäre es kein Problem, von den Betreibern zu verlangen sämtliche genutzte Quellen offen zu legen, das wäre aber aus meiner Perspektive ein verlorener Kampf weil das schon sehr bald abzählbar unendlich viele sein werden.

Ich finde den Gedanken spannend, dass “Prompts” die neue Währung sind. Ich würde das etwas abwandeln: Prompts sind das, was Grafiker (Texter?) von morgen beherrschen können müssen so wie sie heute mit Photoshop umgehen können müssen. Es macht den Job nicht überflüssig, es ändert nur massiv wie man ihn ausübt (so wie Grafikdesign am Rechner den Schildermaler abgelöst hat).

Helma
Helma
18. Februar, 2023 08:58

Kunst konnte man schon immer nachmachen und fälschen. (Siehe Wolfgang Beltracci) Der eigentliche Wert besteht aber darin eben das Original zu besitzen. Bzw Kriminalität geht das los wo man fälschlicherweise behauptet das Original zu besitzen.

Klaus
Klaus
20. Februar, 2023 13:06

Weiterführende Frage: wenn die KI kurz- und mittelfristig perfekte Bilder “im Stil von …” abliefern kann, gibt es dann in 50 Jahren keine neuen künstlerischen Stilrichtungen? Ist dann alles nur noch eine Wiederholung alter “menschlicher” Kunst?
Oder lernt die KI irgendwann auch, neue Stilrichtungen zu entwickeln?
Gibt es jetzt schon Anweisungen, die in die Richtung gehen?