Mein alter Erzfeind Amtsschimmel

Wir planen eine größere Reise im nächsten Jahr, voraussichtlich nach Australien. Dafür muss man nicht nur Sonnencreme und Sandalen dabei haben, sondern auch diverse Unterlagen. Und die organisiert man idealerweise zeitnah. Ich bin willig. Aber es ist interessant, auf was man alles aufpassen muss…

Verblüffend einfach ist die Ausstellung eines E-Reisevisums. Auf der entsprechenden Webseite gibt man seine Daten ein und wird informiert, dass es durchschnittlich zwei Tage dauert, bis der Antrag durch ist. In unserem Fall machte es nach 5 Minuten “pling!” in der Email-Inbox. Erledigt.

Man sollte allerdings vorsichtig sein, da es viele Webseiten gibt, die im Grunde den gleichen Service anbieten, aber als Mittelsmann gegen Gebühr. Das ist nicht nötig.

Nun ist für das Visum eine australische Behörde zuständig. Um den Internationalen Führerschein kümmert sich der deutsche Apparat. Uh-oh.

Der Begriff “Internationaler Führerschein” ist übrigens etwas irreführend. Es handelt sich dabei nicht um ein offizielles Dokument, das man für sich genommen als “Internationalen Führerschein” nutzen kann. Vielmehr ist es eine Übersetzung des EU-Kartenführerscheins, damit auch fremdsprachige Beamte die Eintragungen korrekt aufnehmen können. Es dient als Ergänzung zum Karten-Führerschein.

Nun ist es in München so, dass man immer mehr Amtsgänge durch Online-Services ersetzen kann, was wegen Corona und Personalmangel auch explizit erwünscht ist. Die bayerische Hauptstadt ist stolz darauf, eine digitale Infrastruktur aufzubauen. Laptop und Lederhosen, wie Stoiber das nannte.

Nur ist man darin (wieder mal) nicht besonders gut.

Ja, man kann den internationalen Führerschein komplett digital beantragen. Und zwar bei muenchen.de. Dazu braucht man allerdings einen Account. Nicht bei muenchen.de. Den Account braucht man von BayernID. Nun kann man auch das machen – aber die Frage steht im Raum: wozu? muenchen.de ruft von BayernID keine Verifizierung ab, sondern übernimmt nur die banalsten Basisdaten wie Name, Adresse, Geburtsdatum. Und da ich mich auch bei BayernID nicht elektronisch identifizieren musste, ist das keinen Deut sicherer oder verbindlicher, als wenn ich die Daten von Hand eingetippt hätte. Einfach gesagt: der ganze Umweg über die BayernID ist unkomfortabler Kappes.

Statt mit einem Usernamen und einem Passwort kann man sich bei BayernID auch über einen Kartenleser mit dem Personalausweis identifizieren. Ihr mich auch.

Aber egal. Ich bin ja willig und nicht doof. Ich lege mir eine BayernID zu und trage den Rest der Daten ein, die muenchen.de haben will. Es kommt die Frage, ob ich den Internationalen Führerschein gemäß dem Pariser oder dem Wiener Abkommen ausgestellt haben möchte.

What the what now?!

Selbstverständlich steht an keiner Stelle, was das bedeutet, welchen Unterschied das macht, was ich beachten muss. Ich soll nur ankreuzen, aber zackig.

Ich google nebenher nach einer Antwort, aber selbst die Infoseite der Volkswagen-Bank ist seltsam vage und damit nicht wirklich hilfreich:

Vom Internationalen Führerschein sind zwei unterschiedliche Ausführungen verbreitet. Die eine Variante wird nach dem Pariser Abkommen von 1926 ausgestellt. Sie wird nur noch in wenigen Ländern anerkannt. Die andere und häufigere Variante, die hier abgebildet ist, wird nach dem Abkommen von 1968 ausgestellt.

Der Wikipedia-Eintrag zum Thema verwirrt mehr, als er erklärt.

Faites vos jeux! Ich entschließe mich, auf das Wiener Abkommen zu setzen.

Wäre es so schwierig gewesen, das beabsichtigte Reiseland abzufragen und den Haken dann einfach von Behördenseite aus richtig zu setzen?!

Meinen Führerschein kann ich als JPG hochladen. Bezahlen kann ich per PayPal.

Dann der nächste Stolperstein: Das Foto für den Internationalen Führerschein kann ich nicht hochladen. Das muss ich ans Amt schicken. Per Post. Ich verstehe weder, warum ein Dokument, das nur eine Übersetzung meines Führerscheins darstellt, ein eigenes Bild braucht, noch warum ich kein Bild hochladen kann wie den Scan des Führerscheins. Selbst beim Fantasy Filmfest geht das.

Also doch nicht alles online und vom Sessel aus. Ich muss zu einem Fotofix-Automaten fahren, Bilder machen, eins davon eintüten, Porto drauf, abschicken.

Es wird noch besser – man könnte naiverweise annehmen, die Ausstellung des Internationalen Führerscheins würde schneller abgewickelt als der persönliche Termin im Bürgerbüro. Aber die Webseite belehrt uns:

Wenn Sie bereits einen deutschen Kartenführerschein haben und einen Termin vor Ort ausmachen, bekommen Sie den Internationalen Führerschein sofort.

Wenn Sie den Online-Antrag nutzen, bekommen Sie den Internationalen Führerschein innerhalb von vier Wochen, wenn Sie uns alle benötigten Unterlagen zugesandt haben.

Bis zu vier Wochen statt sofort – das nenne ich mal einen Fortschritt.

Es ist ein Verhau. Verschiedene Systeme, die im Hintergrund nicht eigenständig ineinander greifen, eine miserable User-Führung. und analoge Überreste, die den gesamten Vorgang ad absurdum führen. Die Tatsache, dass mein Foto vor Ort händisch aus dem Umschlag genommen und zum Online-Antrag ergänzt werden muss, lässt noch dazu auf keine wirkliche Arbeitsersparnis auf Behördenseite schließen. Das muss noch viel, viel besser werden.

Bonus

Heute kam noch eine weitere kleine Geschichte aus dem Behördendschungel rein. Ich habe vor ein paar Tagen (etwas verspätet) die Nebenkostenabrechnung für meine Mieter gemacht. Für 2021 bekommen sie sogar etwas über 24 Euro zurück, die ich ihnen auch gleich online überweise. Läuft bei mir.

Dann doch die Unruhe: stimmen die Zahlen WIRKLICH alle? Besonders die Straßenreinigungsgebühren machen mich skeptisch, denn laut meines digitalen Aktenschranks sind die seit 2015 nicht mehr erhöht worden. Das widerspricht der Wahrscheinlichkeit. Also haue ich fix eine Anfrage ans Amt raus.

Die Antwort kommt relativ schnell und freundlich:

Sehr geehrter Herr Dewi,
zum 01.01.2019 erfolgte eine Anpassung der städtischen Straßenreinigungsgebühren. Deshalb wurde Ihnen am 07.01.2019 ein neuer Gebührenbescheid zugeschickt.

Ich kann ohne Prüfung sagen – man mag mir den Bescheid geschickt haben, erhalten habe ich ihn aber nicht. Sonst hätte ich den Scan. Netterweise hat man mir den Bescheid aber noch mal an die Mail angehängt. Ich schaue rein:

Super, das Schreiben ging an eine zu dem Zeitpunkt bereits vier Jahre alte und seit drei Umzügen hinfällige Adresse. Und das, obwohl ich die Ämter immer zeitnah über meine neuen Adressen informiert hatte.

Seufz. Ich teile dem Amt meine aktuelle Adresse in München mit und mache die Nebenkostenabrechnung von gestern noch mal auf. Nun muss der Mieter 3,50 Euro nachzahlen. Ich bitte um Entschuldigung. Genau genommen sind natürlich auch die anderen Nebenkostenabrechnungen seit 2019 falsch, aber ich teile dem Mieter mit, dass das auf meine Kappe geht. Es sind überschaubare Kosten, die den Aufwand nicht rechtfertigen.

Es bestätigt sich die Vermutung: Würde ich so schlecht organisiert, redundant und fehlerhaft arbeiten wie die Ämter, hätte ich laufend Ärger. Mit den Ämtern.