29
Nov 2022

First Look: WEDNESDAY

Themen: Film, TV & Presse |

USA 2021. Darsteller: Jenna Ortega, Gwendoline Christie, Riki Lindhome, Catherine Zeta-Jones, Luis Guzmán, Hunter Doohan, Emma Myers, Christina Ricci, Percy Hynes White u.a.

Story: Nachdem die morbide Wednesday in fünf Jahren aus acht Schulen geflogen ist, beschließt Familie Addams, sie auf die Nevermore Academy zu schicken, wo sich Morticia und Gomez einst kennenlernten. Tatsächlich gelingt es Wednesday, ein paar soziale Kontakte zu knüpfen – aber wie üblich ist nichts, wie es scheint…

Kritik: WEDNESDAY ist, und das muss man erstmal positiv vorausschicken, kein neuer ADDAMS FAMILY-Film. Man ist endlich mal auf die Idee gekommen, dass man die reduzierten Möglichkeiten des Konzepts, das auf einer Sitcom mit reduzierten Möglichkeiten basiert, durchaus über die Charaktere öffnen kann. Dafür bin ich dankbar.

Auch konzeptionell hat das Hand und Fuß: Tim Burton bringt sein Flair für visuelles Storytelling ein und man kann sich an der Ausstattung, der Musik, den Kostümen und der Kameraarbeit förmlich besaufen. Burtons Angewohnheit, seine Story eher tranig und mit wenig Interesse an Konflikt und Drama zu erzählen, wird von den Showrunnern Alfred Gough und Miles Millar aufgefangen, die alles im Sinne von Netflix auf Spur halten. Das Ergebnis ist eine Miniserie, die eine Burton-Atmosphäre mit deutlich klassischerem Storytelling als üblich verbindet.

Das ist verdammt unterhaltsam, nicht übertrieben düster und nicht zuletzt dank der bezaubernden Jenna Ortega in keiner Sekunde nervig.

Aber was ich gerade als Stärken identifiziert habe, sind auch die Schwächen von WEDNESDAY: es ist erkennbar Burton, aber runtergekocht auf den Teen-Soap-Mainstream der CW-Serien und Produktionen wie CHILLING ADVENTURES OF SABRINA. Auch wenn hier Monster im Mittelpunkt stehen, sind die präsentierten Tropen und Konflikte aus dem Standard-Baukasten: Wer ist der Bully? Wer ist der Love Interest? Wer ist der Verräter? Wer hat Dreck am Stecken? Was ist das Geheimnis, über das keiner reden will?

Der fehlende Mut, mit dieser Crew vor und hinter der Kamera auch mal ein wenig die Grenzen des Grusels auszuloten, schlägt sich auch in der Hauptfigur nieder: abgesehen von ein bisschen Gothic-Makeup und permanentem Emo-Blick ist diese Wednesday natürlich sehr hübsch, intelligent und mit ihrem Sarkasmus immer auf der richtigen Seite. Man hat ihr alle Ecken und Kanten abgeschliffen.

Auch beim Rest der Besetzung bin ich etwas zwiegespalten: Catherine Zeta-Jones ist 53, was der permanente Weichzeichner zusammen mit dem digitalen Beauty-Filter verzweifelt zu vertuschen sucht – unnötigerweise. Und Luis Guzmán mag als Gomez näher an der Cartoon-Vorlage sein, aber ihm fehlt die Gravitas von Raul Julia oder Tim Curry, und er hat NULL Chemie mit Zeta-Jones.

So finde ich mich in der schizophrenen Situation, dass ich mich sehr amüsiert habe, genau dieses leichte Entertainment angesichts des involvierten Talents zu mager finde. Vielleicht wird sich das im Verlauf der Serie aber noch bessern.

Fazit: Hübsch anzusehen und unterhaltsam, aber Tim Burtons Vergnügen am Abseitigen und Grotesken wird etwas zu sehr auf Netflix-Niveau glattgebügelt.

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Tim
Tim
29. November, 2022 21:01

Danke. Ich werde aus einstiger Tim Burton-Verbundenheit reinschauen. Was hälst du von den deutschen Netflix-Überfliegern Friese/Odar?

tim
tim
30. November, 2022 16:20
Reply to  Torsten Dewi

“1899” = Content-TV für die gesichtslosen Menschen ohne Eigenschaften in der globalisierten Welt, die was zu quatschen brauchen während der Kaffepause in ihren Konzernkantinen. Meine Meinung. Andere Erfolgserklärungsversuche welcome.

jimmy1138
jimmy1138
30. November, 2022 09:01

Eventuell ein weiteres Beispiel für “Forgotten Franchises”? Drei Live Action Filme, zwei 3D Animationsfilme, zwei Live Action Serien, zwei Animationsserien, die Netflix Miniserie – das meiste hatte ich irgendwie schon verdrängt…

Alexander Freickmann
Alexander Freickmann
30. November, 2022 10:04

Die Addams Family der 90er sind klare Barry Sonnenfeld Produktionen, keine Tim Burton Produkte (ebenso wie Henry Selicks Stil leicht anders ist). Beide haben einen ähnlichen Stil, aber persönlich mag ich Tim Burtons Stil nicht so sehr. Es ist schade, dass er nicht für die Wednesday Show geholt wurde. Zuletzt hatte er mit “Unfortunate Events” auf Netflix gezeigt, wie er einer Serie einen guten Anstrich gibt ohne zu Netflix-trivial zu werden.Für das Otto-Normal Publikum ist das natürlich null ersichtlich, wie ich erst letztens auf nem Konzert merkte, wo die doch glatt Marc Shaimans Addams Family Suite unter dem Tim Burton Thema gespielt hatten.

Wegen der Serie: Würde gerne eine komplette Review lesen, habe nach dem Trailer nämlich null Bock und wenn ich deinen First Look so lese, trifft alles genau so zu wie ich es durch den Trailer erwartet habe.
Sehr schade, denn wir haben erst letztens Sex Education für uns entdeckt, sehr gut besetzt und auch somewhat glaubhaft. Die Serie zeigt, dass Netflix schon mehr als den CW Teenquatsch zu bieten hat. Hätte gerne eine ähnlich gelagerte Serie mit einem light Horrorthema gerne angeschaut.

Matts
Matts
30. November, 2022 14:08

Wenn schon der Vergleich mit CHILLING ADVENTURES OF SABRINA fällt: Da fand ich die ersten 2 Staffeln ja ganz in Ordnung.
Also schaue ich da auf jeden Fall mal rein.

heino
heino
1. Dezember, 2022 06:38

Mir hat es auch trotz aller von dir zurecht genannten Schwächen gefallen, was hauptsächlich an den guten Darstellern und dem oft beißenden Sarkasmus lag. Klar, die eigentliche Handlung ist nicht weiter erwähnenswert (das war sie bei den Sonnenfeld-Filmen aber auch nicht) und es zielt klar auf ein Teenie-Publikum, trotzdem hatte ich viel Spass und freue mich darüber, dass die Genehmigung einer zweiten Staffel wohl nur noch Formsache ist, da die Serie den bisherigen Abrufrekord bei Netflix gebrochen hat. Nur den CGI-Fight in der letzten Folge hätten sie sich schenken können, der sah erbärmlich aus.

heino
heino
1. Dezember, 2022 10:29
Reply to  Torsten Dewi

Das liegt bei mir daran, dass ich diesen Vergleich oft in den Kommentaren gesehen habe und insofern nachvollziehen kann, als den meisten hierzulande Leuten die Addams Family erst durch diese Filme zum Begriff wurde. Christina Ricci hat die Rolle der Wednesday geprägt, da muss man erst mal gegen ankommen.

Alexander Freickmann
Alexander Freickmann
20. Dezember, 2022 11:39

Habe es am Wochenende mit meiner Frau durchgeguckt, die Serie ist ja nicht so lang. Erst einmal muss ich sagen, das ich äußerst positiv überrascht war, hatte nicht erwartet, dass die Serie doch so gut ist. Hatte wirklich mit der üblichen CW Qualität gerechnet, aber die war echt gut gemacht mit guter Schreibe und glaubwürdigen Charakteren. Fand den Twist um den Schurken of the Season auch gut gemacht, hier sollte Amazon mal abschreiben nach dem Twist Desaster namens “Rings of Power”.
War dann um so mehr enttäuscht von dem Ende, weil es doch unbedingt in nem wirren CGI Schlachtfest enden musste, was absolut nicht nötig gewesen wäre. Folge 7 hatte eigentlich gut genug geendet für nen Cliffhanger, Folge 8 hatte der Serie nur geschadet. Zudem gefiel mir die Idee, Wednesday Visionen zu geben, absolut nicht. Das wurde dann ja auch größtenteils als Deus Ex Machina Funktion benutzt und passte imo nicht in die Serie. Das hätte man geschickter machen können.

Trotzdem eine positive Überraschung und bekommt von mir eine 6 von 10. (1 Punkt Abzug wegen Folge 8)