04
Nov 2022

Film-PR: Einstimmiger Chor

Themen: Film, TV & Presse, Fotostory |

Das hier ist ein kleiner Nachtrag zu meiner MR. BOOGIE-Fotostory weil mir noch was aufgefallen ist. Ihr erinnert euch vielleicht, dass ich einen gewissen Farhad Shahed als Drehbuchautor des nie veröffentlichten Rohrkrepierers identifiziert hatte. Dabei merkte ich auch an, dass Shahed im letzten Jahr mit einem neuen “Film” wieder aufgetaucht ist:

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DARK DAY spielt direkt vor den Ereignissen von 9/11 und handelt von den hektischen Verhandlungen zwischen den Weltmächten, einen neuen Krieg zu verhindern. Der Gimmick: Shahed hat den Film komplett alleine gedreht, eingesperrt in einen Kellerraum. Auch die über das “rote Telefon” (hier schwarz) eingespielten Gesprächspartner spricht er elektronisch verzerrt selber – was schon im Trailer ziemlich bizarr wirkt, denn der mittlerweile als Elektrotechniker arbeitende Shahed klingt halt weder wie eine Frau noch wie Gerhard Schröder.

Bonus: Rechtschreibfehler wie “Die letzte Hofnung”.

Es gibt vermutlich wenige Filme auf dieser Welt, die den Begriff “1 Mann-Projekt” derart leben. Und das möchte ich gar nicht kritisieren, zumal Shahed sich wirklich entleibt hat, wie man dem “Making of” entnehmen kann:

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Mein “Problem”, wenn man es als solches sehen will, sind die positiven Kritiken, die der Film einheimsen konnte, der nicht einmal bei der IMDB vertreten ist.

So lobt der arrivierte Filmdienst in einem Beitrag die “spannenden Handlungsbögen, Running Gags und skurrilen Wendungen” und dass der Film “die schmale Gratwanderung zwischen dem Ernst des Themas und Humor mit Bravour bewältigt.”

Auf Kino-Zeit.de kann man lesen, dass Shahed “wunderbar authentisch und zugleich abdreht” spielt. Man bescheinigt DARK DAY “Kultpotenzial”, auch wenn man eingesteht, dass der Film am Anfang etwas “fremdschämig-pannenhaft” ist und auch in der Inszenierung “verbesserungswürdig” sei.

Die Leipziger Volkszeitung berichtet, dass  die Geschichte “gleichsam mit Humor, Tragik und vor allem Spannung” zu überzeugen weiß. In Leipzig wurde der Film auch das erste und einzige Mal im Kino aufgeführt.

Schließlich: Vom Podcast “Die Kinotagesstätte” wird DARK DAY im Rahmen eines Interviews mit Shahed wieder ein “erstaunliches Kultpotential” zugesprochen.

Vorab: Diese Kritiken sind allesamt echt im Sinne von “nicht von Sockenpuppen der Produzenten lanciert”. Und dennoch kann ich sie nicht ernst nehmen.

Den ausführlichen Filmdienst-Beitrag verdanken wir z.B.

Wer hat bei Kino-Zeit in die Tasten gehauen?

Bei der Leipziger Volkszeitung vertrauen wir:

Und wer steckt hinter “Die Kinotagesstätte”?

Nun werfe ich dem jungen Kollegen nicht vor, seine Begeisterung für das Projekt so vielen Abnehmern wie möglich unterzujubeln, noch dazu bezahlt. Er lebt davon. Ich auch. Aber es gibt schon zu denken, wenn ein Film exakt einen Kritiker hat, der ihn allerorten in den Himmel lobt, ohne dass er ansonsten irgendwo auftaucht.

Und darum hadere ich auch mit den 99 Cent für DARK DAY, um ihn als möglichen Kandidaten für eine weitere Fotostory zu sichten.

Generell gilt aber: einen mehr als zweistündigen Film alleine drehen, sich selbst Autor, Regisseur, Darsteller und Produzent sein – Respekt!



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Christian Neffe
Christian Neffe
4. November, 2022 12:13

Lieber Herr Dewi,
dann melde ich mich an dieser Stelle doch mal selbst zu Wort, wo doch über mich geschrieben wird. Ihre Bedenken, auch wenn ich die natürlich nachvollziehen kann, kann ich gleich zu Beginn ausräumen: Ich bin weder offiziell noch inoffiziell für Herrn Shahed tätig, es ist kein Geld geflossen, und ich kannte ihn, bevor ich den Film sah, nicht.
Dazu vielleicht die ganze Geschichte: Da flattert eines Tages eine Mail ins Redaktionspostfach, die “Dark Day” bewirbt, es wird intern ob des Trailers geschmunzelt und auch ein wenig gelacht. Noch am selben Abend leihe ich mir aus purer Neugier den Film aus, habe null Erwartungen und werde über 2,5 h grandios unterhalten, sowohl was Humor als auch Spannung betrifft. Kurz darauf empfehle ich ihn als Streaming-Tipp bei Kino-Zeit und frage Herrn Shahed für ein Interview in unserem Podcast an. Und ich hoffe, weil ich das Projekt tatsächlich überaus gelungen finde, dass der Film so ein wenig mehr der ihm verdienten Aufmerksamkeit erhält. Was aber nicht passiert: Auch vier Monate später haben ihn bei Letterboxd nur drei Menschen geloggt.
Zu dieser Zeit sucht der Filmdienst nach Themen für die “Passion”-Reihe, und ich biete an, über den Film zu schreiben, was aufgrund seiner Nischigkeit auf Interesse stößt. Nahezu zeitgleich bahnt sich die Vorführung in Leipzig an – eine Dame aus dem dortigen studentischen Open-Air-Kino hat das Interview gehört und die eintrittslose Vorführung organisiert. Um dem Ganzen etwas mehr Aufmerksamkeit zu verschaffen (und weil ich der einzige in der Redaktion bin, der ihn gesehen hat), kündige ich den Termin in der Lokalzeitung an. (Vor Ort erhält der Film vom kleinen Publikum dann auch guten Zuspruch.)
Der Filmdienst-Text ist im Übrigen der einzige, für den ich direkt entlohnt werde – der Podcast (für den ich btw nicht alleinverantwortlich bin) ist nach wie vor ein komplettes Hobby-Projekt, bei den anderen beiden Seiten erhalte ich eine Pauschale, wäre also auch entlohnt worden, hätte ich nicht über “Dark Day” geschrieben.
Das habe ich aber getan, weil ich nach wie vor von der Qualität des Films überzeugt bin (auch wenn die realweltlichen Ereignisse der vergangenen Monate ihm einen gewissen Beigeschmack geben), und ich empfehle Ihnen dringend, die 99 Cent lockerzumachen, um sich selbst ein Bild zu machen.
Auch ich hätte mir gewünscht, dass ich nicht der einzige bin, der bis heute über den Film geschrieben hat, ob nun kritisch oder lobend. Und ich kann seitdem all die kleinen Künstlerinnen und Künstler da draußen noch ein bisschen besser verstehen, die sich mit unfassbarer Leidenschaft in ihre Projekte werfen, ohne dass dies jemals von einer größeren Öffentlichkeit goutiert wird. Ich sehe mich beruflich tatsächlich auch ein wenig in der Pflicht, solchen Projekten Aufmerksamkeit zu verschaffen, solange ich selbst von der Qualität überzeugt bin. Das hat bei “Dark Day” anscheinend nicht funktioniert, und so bin ich nun der einzige, von dem Sie gleich mehrere Beiträge über den Film lesen können. Vielleicht/hoffentlich ändert sich das ja, wenn Sie ihn selbst gesehen haben und eine Fotostory machen. Ich würde es mir wünschen!
Mit besten Grüßen
Christian Neffe

Farhad Shahed
29. November, 2022 17:18
Reply to  Torsten Dewi

Hallo Herr Dewi, haben Sie sich inzwischen Dark Day angesehen? Ich würde mich unglaublich über Ihr Feedback/Kritik/Beitrag (positiv oder negativ) freuen. Falls Sie Rückfragen haben, gerne. Wenn es sein muss :), auch zu “Mr. Boogie” (… habe keine Verschwiegenheitsklausel unterschrieben).

PS 1: Mein persönlicher Respekt. So viel Zeit zu investieren, Filme und Beiträge zu bewerten, dokumentieren… wie gesagt, Respekt und weiterhin viel Erfolg.
PS 2: Neben Mr. Boogie und Dark Day war ich als Drehbuchautor für den Pro7Sat.1 Comedy (mit Erkan & Stefan) “Ich Chef Du nix” (… ich weiß, oh Gott, der Titel) und als Prod./Regie für einen Kurzfilm auf YouTube (Duft der Männer: https://www.youtube.com/watch?v=NrgJTMfnWyg) zuständig.

Volker Giese
Volker Giese
4. November, 2022 15:59

Ich bin angefixt und habe die 99ct investiert. Freue mich auf diese Kuriosität, fast egal, wie gut der mir letztlich gefällt.

Danke euch beiden für die Empfehlung/ den Hinweis! Das hat nur in der Kombination von Post und Kommentar funktioniert.

Feivel
Feivel
4. November, 2022 13:23

@Torsten:
The filmmaker needs to pay his bills somehow! He cannot rely entirely on advertisers. How about 20 cents?

Marko
5. November, 2022 09:24
Reply to  Feivel

It ain’t the money, it’s the principle of the thing.

Schöner King/Musk-Verweis.

noyse
noyse
4. November, 2022 14:36

Mittlerweile bekommt man ihn auch bei Amazon https://www.amazon.de/gp/video/detail/B0B6TBTZ73/ref=atv_dp_share_cu_r