80s pop: Legendäre Musikvideos in neuer Pracht
Themen: Film, TV & Presse |Nächstes Thema. Retro, aber irgendwie doch nicht.
Ich bin ein Kind der MTV-Ära. Waren die 70er noch vollgestopft mit lustlosen Vollplayback-Auftritten von Popstars in Sendungen wie DISCO und MUSIKLADEN, brachten uns die 80er das Musikvideo. Oft genug kleine Kunstwerke, in die von den Plattenfirmen siebenstellige Beträge investiert wurden und die den Karrierestart für viele große Hollywood-Regisseure darstellten (Russel Mulcahy, Michael Bay, Spike Jonze, David Fincher). Umgekehrt ließen sich arrivierte Regisseure verleiten, auch mal Dreiminüter zu produzieren (Martin Scorsese, Brian de Palma, John Landis).
Da wollten auch arrivierte Schauspieler nicht hintenan stehen:
Die Spätgeborenen werden es kaum nachvollziehen können, aber die Sache hatte natürlich einen Haken – da es kein YouTube gab, musste man die Videos entweder in den entsprechenden TV-Sendungen abpassen oder auf Video aufnehmen. Alles war analog, der Empfang nicht perfekt, und jede weitere Kopie bedeutete Qualitätsverlust. Kurz gesagt: was wir in den 80ern sahen, war gerne mal schwammig, verrauscht, niedrig aufgelöst – oder alles zusammen.
So werden unsere Erinnerungen an viele dieser großartigen Videos der tatsächlichen Kunstfertigkeit nicht gerecht. Die Clips waren besser als das Medium, über das sie präsentiert wurden. Und es ist an der Zeit, das zu ändern.
Tatsächlich gibt es in den letzten Jahren Bemühungen, nicht nur alte STAR TREK-Episoden und den Donner-Cut von SUPERMAN II zu restaurieren, sondern auch Musikvideos. Man kramt die originalen Negative aus den Archiven, schneidet neu, tastet frisch ab, legt eine digital perfektionierte Tonspur drunter.
Wir Kids der 80er können da nur staunen – so kristallklar haben wir Jackson, Wham, U2 und a-ha noch nie gesehen. Es lohnt sich, noch einmal einen Abend in Erinnerungen an Schulterpolster, Lederkrawatten und Tennissocken zu schwelgen.
Ich empfehle dringlich, die nachfolgenden Videos in größtmöglicher Auflösung auf dem größtmöglichen Bildschirm zu schauen. No big is too big.
Den Anfang macht natürlich der King of Pop – nicht nur, weil seine Videos Highlights der Kunstform waren, sondern weil THRILLER und BEAT IT gerade frisch restauriert wurden und den Anstoss für diesen Artikel gaben.
Man erinnere sich: 1984 durfte das Video in der Musiksendung FORMEL EINS aus Jugendschutzgründen nicht zur Primetime ausgestrahlt werden. Man präsentierte es separat auf einem Sendeplatz nach 22.00 Uhr. Der Erfolg des Videos war derart enorm, dass es inklusive eines “making of” teuer auf VHS vertrieben wurde.
Die neue Abtastung ist ein absoluter Genuss – auch wenn man in HD die Schwächen der klassischen Latex-Effekte von Rick Baker deutlicher erkennen kann als auf dem alten Röhrenfernseher. Wie Onkel Filmi richtig bemerkt, kann man die Restauration auch für einen Tacken zu hell halten. Ich habe es dennoch sehr genossen, THRILLER in dieser Qualität auf dem großen Fernseher zu schauen – mit einer LvA, die das Video bisher noch gar nicht kannte:
Und damit zu BEAT IT, einem der ebenfalls prägenden Musikvideos der 80er. Hier hatte ich Sorge, dass man uns wieder nur die “zensierte” Fassung restaurieren würde – der Messerkampf der Gangleader wird seit den 90ern meistens nur in einer völlig zerstückelten und entschärften Version ausgestrahlt. Zu meiner Freude ist das hier die Fassung, die wir aus den 80ern kennen – nur besser:
Nun gibt es verschiedene Methoden der HD-Wandlung, die sich alle gerne das Label “remastered” geben. Nicht alle sind dabei wirklich tauglich und dieses Video erklärt sehr schön die grundlegenden Unterschiede:
Weil’s drin vorkommt, hier gleich mal Freddie Mercury mit LIVING ON MY OWN – gedreht in einem Münchner Nachtclub, wenn ich mich recht erinnere:
Ein typisches Problem der Aufhübschung zeigt a-ha’s legendäres Video TAKE ON ME, das man für den internationalen Durchbruch der Band verantwortlich machen darf: bei der Zusammenführung von Trickeffekten wurden damals noch “optical printer” verwendet, die insgesamt die Bildqualität massiv reduzierten (ähnlich wie bei Szenen mit optischen Effekten in der klassischen STAR TREK-Serie der 60er). Dieser Verlust ist nicht mehr zu auszugleichen, wenn man das gesamte Video nicht komplett neu bauen will. So sieht man in TAKE ON ME, dass alle Mischszenen aus Zeichentrick und Realfilm zwar farboptimiert und nachgeregelt sind, aber in Sachen Auflösung und Bildschärfe deutlich hinterher hinken.
Ein Video, bei dem ich genau dieses Problem massiv erwartet hatte, ist Peter Gabriels SLEDGE HAMMER, denn es besteht fast ausschließlich aus Tausenden von Einzelbildern verschiedener Tricktechniken, die mühsam am Schneidetisch kombiniert wurden und deren Bildqualität sich jeder automatisierten Verbesserung verweigert. Aber siehe da – ich habe mich geirrt:
Typisch, dass der elitäre Sack Gabriel das ganze Video nur bei Apple einstellt…
Ein ganz eigenes Problem haben Videos wie MONEY FOR NOTHING, mit dem übrigens MTV Europe gestartet wurde – die krude Computergrafik legt Auflösung und Framerate fest. Man kann das hochrechnen, aber es wird nur klarer, nicht besser. Und eine Neuberechnung der CGI in besserer Qualität entspräche nicht mehr dem Original:
Millennials mögen lachen, aber wir fanden das damals revolutionär und absolut “high tech” – the shape of things to come…
Was wären die 80er ohne den Fließband-Pop von Stock, Aitken & Watterman gewesen?! Diese Frage muss sich jeder selbst beantworten. Die gute Laune, die diese restaurierte Fassung von Rick Astleys TOGETHER FOREVER verbreitet, lässt sich aber kaum bestreiten:
In gewisser Weise Vorreiter in Sachen Video-Rekonstruktion waren Wham! – wer schon immer mal die Nippel von George Michael in HD studieren wollte, hat nun endlich die Chance. Gedreht wurde übrigens auf Ibiza:
Zum Schluss leite ich höchstpersönlich die Adventszeit ein – mit einem Video, dessen Restaurierung Maßstäbe setzt. It doesn’t get any better than this:
Auf YouTube findet ihr noch viele weitere Beispiele und Playlists zum Thema – wenn ihr wollt. Es wirft natürlich die Frage auf: müssen die Erinnerungen an die 80er analog und verschwommen sein oder gewinnt die Nostalgie durch die Restaurierung? Gibt es ein “zu perfekt”?
clup tropicana- all thats missing is the sea
zeigen meer im video.
jetzt muss ich wieder cocktail (cruse) sehen und mixgetränke trinken.
Ich bin total dafür, diese Videos auf einen technisch höheren Stand zu bringen, wenn das möglich ist. Es ist eh sehr lange her, dass ich die gesehen habe, daher kann ich mich kaum an den Pixelmatsch von damals erinnern.
MTV, das war genau die Zeit meiner Jugend. Merkwürdigerweise hat mich das nie gepackt. Musik ja, aber ich hab Musik gehört und musste da nie auch Videos zu haben.
Für mich ist ein Musikstück im besten Fall wie ein Kunstwerk. Das spricht dann für sich. Da mehr oder minder gelungene Filmchen drumherum zu produzieren, fand ich immer albern, und finde ich immer noch albern.
Deshalb kannte ich auch keins der oben genannten Videos im “Urzustand”.
Prinzipiell finde ich, dass der Entstehungszeit geschuldete schlechte technische Qualität ja kein konstituierendes Merkmal der “Kunst” sein sollte und halte deshalb Remastering für auf einer Stufe mit z.B. der Reinigung eines gealterten Gemäldes.
Da sehe ich aber schon einen Unterschied. Das gealterte Gemälde wird wieder hergestellt. Das Musikvideo wurde produziert für das damalige Fernsehen – auch wenn man auf Film gedreht hat (und daher heute viel mehr rausholen kann) war die Zielästhetik immer die der SD-Röhre zuhause. Das hat so damals keiner gesehen, das ist also keine Wiederherstellung wie beim Gemälde.
Das war aber keine Absicht oder kein Wunsch – es ging schlicht nicht anders. Es ist davon auszugehen, dass die Macher sich damals schon eine “bessere” Darstellung gewünscht hätten. Darum ist es legitim, das rauszukitzeln, was geht. Damit werden es ja immer noch keine “special editions” wie bei STAR WARS.
Das ist auch kein Argument dagegen. Nur ein Hinweis, dass der Vergleich zur Restauration eines Bildes nicht passt. Lieder, die heute noch so eine Relevanz haben, dass die Investition es wert ist, haben es sicher auch verdient das Video in heute aktueller Auflösung verfügbar zu haben.
Falls auf Filmkamera gefilmt wurde, kann man davon ausgehen, dass da jemand in der Produktion eindeutig mehr Ambitionen hatte als damals im normalen TV möglich war. Das sieht man ja auch an der Liste der “teuersten Video aller Zeiten”. Ich bin mir ziemlich sicher, dass Michael Jackson und Madonna zB sehr großen Wert drauf gelegt haben.
Filmkameras sind kompliziert und machen alles teurer. Spike Jonze hat beim Dreh von Sabotage eine Kamera für 84000 USD zerstört, das wäre mit Video günstiger gekommen.
So einfach kann man es sich nicht machen – Video hatte auch in der Analog-Ära einen typisch hässlichen Video-Look. Man hat auf Film gedreht, weil das als nicht vergleichbar galt. Selbst TV-Serien mit wenig Budget haben meist auf Film gedreht – es wurde dann nur auf MAZ übertragen für Schnitt und Effekte (was z.B. neue HD-Versionen der TWILIGHT ZONE aus den 80ern so problematisch machte).