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Sep 2022

Fantasy Filmfest 2022, Tag 2, Film 4: SISSY

Themen: Fantasy Filmf. 22, Film, TV & Presse, Neues |

Australien 2022. Regie: Hannah Barlow, Kane Senes. Darsteller: Aisha Dee, Yerin Ha, Lucy Barrett, Hannah Barlow, Emily De Margheriti, Daniel Monks

Offizielle Synopsis: Cecilia ist eine erfolgreiche Influencerin, die Sorte, die seelische Ausgeglichenheit predigt und zwanghaft Likes checkt. Wenn die Kamera aus ist, wird einsam die fettige Pizza ausgepackt. Das sieht ja keiner, das echte Leben findet online statt, hochpoliert und stilisiert. Eines Tages lädt eine ehemalige Schulfreundin Cecilia zu ihrem Junggesellinnenabschied ein. In der Villa im australischen Outback wartet unter den Gästen eine weitere alte Bekannte, die ein blutiges Kindheitstrauma mit der früher als „Sissy“ gemobbten jungen Frau verbindet. Auftakt für ein heiter brutal entgleisendes Wochenende, an dem so manche Maske fällt. Oder eingeschlagen wird.

Kritik: Man kann mich gerne für einen alten Furz halten, aber ich bevorzuge Filme, die einen klassischen Protagonisten aufbauen, dessen Schicksal mich schert, dessen Dilemma ich verstehe und dessen Erreichen des Nachspanns ich begrüße. Ich erwähne das nicht nur, weil mir eine solche Figur bei SISSY fehlt, sondern auch bei einigen weitern Festivalbeiträgen, über die ich gleich noch schreiben werde.

Es mag daran liegen, dass der Film von einer anderen Generation für eine andere Generation gemacht wurde, zu der (denen?) ich nicht gehöre. Hier sind alle irgendwie queer, zynisch, oberflächlich, von Selbsthass zerfressen und nach Aufmerksamkeit gierend. Cecilia ist nicht besser als die “Freunde”, die hinter ihrem Rücken über sie lästern – sie hat nur keinen Zugang zu deren Welt gefunden.

Wessen Schicksal soll mich scheren? Das von Cecilia, die offensichtlich eine schwer gestörte Psychopathin ist? Das der kleinen Clique, die egozentrischer und kälter gar nicht sein könnte? Welcher mögliche Ausgang des Films könnte überhaupt ein Happy End sein, wenn das Finale auf Arschloch vs. Arschloch hinaus läuft?

Anrechnen kann ich SISSY allenfalls, dass er hinter die Masken der Influenzer-Gesellschaft schaut, die Menschenfeindlichkeit, Unsicherheit und Gier entlarvt, die sich hinter Beauty-Filtern, Collabs und Charity-Aktionen versteckt. Ob das die Absicht der Macher war, sei dahin gestellt, aber die letztliche Erkenntnis von SISSY muss lauten: the kids are not alright.

Warum der Film dennoch relativ gut abschneidet? Weil er im Gegensatz zu vielen anderen Festivalbeiträgen Entertainment bietet, Farbe, Humor, Lärm, Splatter. Er ist keine Schlaftablette – und dafür bin ich dankbar. Small favors.

Übrigens der zweite Film, der angesichts von Cast und Attitüde vielleicht nebenan beim Queer Filmfestival genauso gut hätte laufen können.

Fazit: Als Splatter-Farce ganz unterhaltsam, aber zumindest für mich massiv daran krankend, dass ich weder diese Generation noch ihre Befindlichkeiten emotional nachvollziehen kann. 6 von 10 Punkten.

Der Frankster meint: “Ein australischer Festival-Beitrag? Das kann meist nur Wahnsinn bedeuten. Der böse Blick hinter die Kulissen der Influencer-Welt hielt mich bis zum Ende wach.”

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Thies
Thies
16. September, 2022 01:25

Mein Problem war, dass das Konzept schon nach der Halbzeitmarke starke Ermüdungserscheinungen aufzeigte. Dass Sissy immer wieder versucht ihren inneren Happy Space zu finden nur um nach Konfrontationen fassungslos vor blutigen Hinterlassenschaften zu stehen ist ein Gag den man auch nur so oft bringen kann. Mal wieder einer dieser Filme bei denen am Ende das Gefühl blieb, dass sie auf die Hälfte oder sogar ein Drittel reduziert eine passable Folge von “Tales from the crypt” ergeben hätten.