Fantasy Filmfest 2022, Tag 4, Film 4: SPEAK NO EVIL
Themen: Fantasy Filmf. 22, Film, TV & Presse, Neues |Dänemark, Niederlande 2022. Regie: Christian Tafdrup. Darsteller: Morten Burian, Sidsel Siem Koch, Fedja van Huêt, Karina Smulders, Liva Forsberg
Offizielle Synopsis: Inmitten eines unbeschwerten Sommerurlaubs in der Toskana lernen sie sich kennen – das dänische Ehepaar Björn und Louise und die holländischen Freigeister Patrick und Karin. Schnell kommt man sich trotz merklicher Unterschiede näher, und einige Monate nach Ferienende liegt im Briefkasten in Kopenhagen eine Einladung zu einem gemütlichen Wochenende auf dem Lande. Aus reiner Höflichkeit nehmen Björn und Louise das Angebot an und sitzen schon bald darauf mit Töchterchen Agnes im Auto Richtung Holland. Doch kaum ist die Familie im Ferienhaus ihrer Zufallsbekanntschaft angekommen, zeigen sich erste Risse in der heilen Fassade: Patrick vertritt mit latenter Aggressivität seine Ansichten, misshandelt jähzornig unter den gleichgültigen Blicken seiner Frau den stummen Sohn Abel und schließlich endet ein Abendessen im Gasthof in einem völligen Desaster aus Volltrunkenheit und Fremdscham.
Björn und Louise hätten ihrem Instinkt folgen sollen, doch dann sabotiert ein vergessenes Stofftier die heimliche Abreise. Voller Schuldgefühle entschließt sich die Familie, weiterhin gute Miene zum bösen Spiel zu machen. Aus dieser letzten verhängnisvollen Entscheidung erwächst eine Katastrophe, die sich zwar in jeder Minute des Films vermeidbar und falsch anfühlt, und doch zur unausweichlichen Realität pervertiert.
Kritik: Ich klatsche einfach mal – die Inhaltsangabe fasst Wohl und Wehe des Films ziemlich perfekt zusammen, besonders der letzte Satz.
Wie schon diverse andere Beiträge des Festivals ist SPEAK NO EVIL kein Film über Mumien, Monstren, Mutationen. Die ausgetragenen Konflikte sind psychologischer Natur, die Abgründe in Trieben und Traumata zu finden. Björn und Louise sind weichgespülter Mittelstand, glauben in Patrick und Karin Gleichgesinnte gefunden zu haben. Im Grunde genommen ist SPEAK NO EVIL die 97minütige Entdeckung, wie falsch sie damit liegen.
Wie üblich steht und fällt diese Sorte Film mit der Glaubwürdigkeit der Figuren, der Dialoge und der Entwicklungen. Man kann nicht meckern. Regisseur Tafdrup versteht es sehr gut, die anfängliche Sympathie der Paare in Skepsis zu verwandeln, dann in Ablehnung und schließlich in Todesangst. Nichts ist so offensichtlich, dass man die Protagonisten für Vollidioten halten müsste – oder so vage, dass der Film nicht voran kommt.
Leider verstolpert sich SPEAK NO EVIL dann auf der Zielgeraden, weil die finale Enthüllung, was Patrick und Karin eigentlich wollen, zu plötzlich und zu direkt wirkt. Björn und Louise, die sich bis dahin sehr plausibel verhalten haben, sacken ohne Gegenwehr in sich zusammen. Das wirkt im Kontext des Film nicht stimmig und macht immer weniger Sinn, je mehr man darüber nachdenkt.
Ich möchte noch einmal in den Raum werfen, wie sehr mich die Abwesenheit "echter" Genrefilme langsam ermüdet. SPEAK NO EVIL ist nicht singulär Schuld, aber Teil des Problems. Wenn das von den Veranstaltern beabsichtigte Rebranding des Festivals bedeutet, dass man konkrete fantastische Horrorfilme und Science Fiction eher meidet, um dem Psychodrama mehr Raum zu geben, dann findet das explizit nicht mein Wohlwollen.
Fazit: Ein gänzlich ungemütliches Psychodrama, das gekonnt die Schrauben anzieht und mit Ambivalenzen arbeitet, aber am Ende dann doch zu schnell und zu behauptet ins Absurde kippt. 5 von 10 Punkten.
Der Frankster meint: "Das Ende ist schockierend, konnte mich aber aufgrund der vielen Fragen, die mir durch den Kopf gingen, nicht komplett einfangen."
"das von den Veranstaltern beabsichtigte Rebranding des Festivals"
Biddewas?!
Wurde ja vor ca. zwei Jahren angekündigt und ging mit einer neuen visuellen Sprache der Artworks einher. In meinen Augen sieht das momentan nach der ganz falschen Richtung aus.
Letztes Jahr hatte ich zu "Coming home in the dark" noch festgestellt, dass ich diese Art von "Family Abduction" nicht mehr sehen will. Ich habe einfach keine Lust dabei zuzusehen wie eine Familie in einer rudimentär entwickelten Handlung nur für den kurzlebigen Schock dezimiert wird.
Und dann sitze ich am Sonntag in der Vorstellung von "Speak no evil" und der Regisseur kündigt in der Begrüßung an, dass es ihm darum ging den am meisten verstörenden dänischen Film zu drehen. Was mir dann durch den Kopf ging ist nicht druckreif, aber bange machen gilt nicht.
Der Film nimmt sich einige Zeit seine Protagonisten und die künftigen Gegenspieler einzuführen. Und ich muss verwundert feststellen, dass er diese Aufgabe sehr gut erfüllt. Irritationen werden so subtil gestreut, dass es glaubwürdig bleibt, dass die Eltern auch nach kleineren Konflikten immer noch daran festhalten in einem harmlosen Kurzurlaub zu stecken. Sie können ja auch nicht die dröhnenden Streicher hören, die über unschuldig wirkende Szenen gelegt werden.
Wie auch in anderen Filmen dieser Gattung – z.B. "Get in" vor wenigen Jahren – wird wenn es dann zur Sache geht angedeutet, dass der Mann heutzutage zu weich geworden ist um seine Liebsten zu beschützen. Als vom Kern her konfliktscheuer Mensch fühle ich da ab und zu ertappt, auch wenn die Situationen oft ähnlich subtil daherkommen wie die Gewissensprüfungen zu Zeiten der Wehrpflicht. Für mich wirkte die Reaktion des Paares auf die letzten Eskalationen durchaus nachvollziehbar.
Fazit: ich bin immer noch kein Fan des Genres, aber den Film könnte ich mit Abstrichen empfehlen.
Puh! Das Ende war ein Schlag in die Magengrube. Ich denke nicht, dass man auf dem FFF Warnungen wie "Nichts für schwache Gemüter" aussprechen muss. Aber Vergleiche mit FUNNY GAMES liegen hier definitiv nahe. Und genau wie den möchte ich SPEAK NO EVIL in diesem Leben nicht noch mal sehen.
Bezüglich des Endes möchte ich Thies auch hier zustimmen: Ich fand die Reaktionen des dänischen Ehepaares nicht unrealistisch. Björn hat sich nach seinen erfolglosen Versuchen, Patrick aufzuhalten, vermutlich als genau den Weichling gesehen, der er immer Angst hatte, zu sein und einfach resigniert.