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Sep 2022

Fantasy Filmfest 2022, Tag 4, Film 1: LA PIETÀ

Themen: Fantasy Filmf. 22, Film, TV & Presse, Neues |

Spanien/Argentinien 2022. Regie: Eduardo Casanova. Darsteller: Manel Llunell, Ángela Molina, Macarena Gómez, Ana Polvorosa, Antonio Durán ‚Morris‘

Story: Libertad ist von ihrem Mann für eine Jüngere verlassen worden. Alles, was ihr bleibt, ist der geliebte Sohn Matteo, der aber immer wieder mit dem Drang kämpft, aus der artifiziellen rosanen Welt ohne Sonnenlicht auszubrechen, die seine Mutter für ihn perfekt und organisiert hält. Die Situation eskaliert, als bei Matteo ein Gehirntumor diagnostiziert wird und gleichzeitig sein Vater im Sterben liegt.

Kritik: Habt ihr’s gemerkt? Die Story wird oben unter "Story" geführt statt wie sonst unter "Offizielle Synopsis". Das liegt daran, dass im Programmheft nur verquaster Quatsch steht, sobald die Handlung des Films erklärt werden soll:

"Casanova inszeniert die fiebrig entrückte Geschichte über eine kranke, abartig eskalierende Mutter-Sohn-Liebe in etwa als hätte man in einem Süßwarenladen die Bonbons mit Arsen bestrichen und die Konfekte in Stacheldraht eingewickelt."

Das kennen wir schon – in jedem Jahr meinen die Autoren des Programmhefts, sich bei drei oder vier Filmen nicht an die Vorgaben halten zu müssen. Dann wird frei fabuliert, was der Zuschauer nicht verstehen kann, oft genug auch nach der Ansicht des Film. Hier würde ich mich mal um ein strikteres Lektorat freuen, denn das Programmheft ist per Definition der Diener des Kunden, nicht des Autors.

Und der Film selber? Es wäre einfach, LA PIETÀ als schwul-rosanes Märchen abzutun, in dem ein Regisseur vermutlich seine eigenen Mutter/Sohn-Komplexe aufarbeitet und damit die Vorurteile stärkt, Homosexualität habe etwas mit der abwesenden Vaterfigur oder der matriarchalen Dominanz zu tun. Ein polemisches Traktat mit Holzhammer-Symbolik, erstickend inszeniert im Theater-Chic, an keiner Wirklichkeit als der eigenen interessiert. Und dann könnte ich wieder mit der Frage schließen, was so ein Film auf dem Fantasy Filmfest zu suchen hat.

Aber dem ist nicht so. Ja, die oben genannten Betrachtungen sind korrekt. Ja, der Film hat mich emotional nicht abgeholt, wie man so schön sagt. Abgesehen von der totalen Märchenwelt, die er baut, hat er mit der klassischen Genre-Definition von Horror oder Fantasy rein gar nichts zu tun. Dem an Grenzerfahrungen interessierten Fan wirft er lediglich eine pinkelnde Frau, eine stillende Mutterbrust und eine (gestellte) monströse Geburt hin.

Trotzdem ist LA PIETÀ unbestreitbar ein ernstzunehmender Film, mit einem durchdachten, manchmal auch witzigen Drehbuch, sorgsam komponierten Bildern und exzellenten Darstellern. Ich verstehe, was er sagen will, meine persönliche Ablehnung ist deshalb kein Versagen auf handwerklicher oder künstlerischer Ebene. Der Film ist schlicht "nicht mein Ding" – und genau das kann ich ihm nicht vorwerfen, wenn ich ihn ehrlich kritisieren will. Denn es gibt keinen Grund, warum er nicht euer Ding sein sollte. Your mileage may vary.

Und ehrlich? Die Idee, das Mutter/Sohn-Verhältnis mit Nordkorea zu vergleichen, ist gleich für mehrere herzliche Lacher gut.

So ist meine Wertung auch kein Urteil über Eduardo Casanovas Fähigkeiten – so ein konzentriertes, in sich geschlossenes und intensives Weltbild muss man erst mal auf die Leinwand bringen. Das hat er ohne Abstriche geschafft.

Der vierte Film, der auf dem Queer Filmfest gnädigere Aufnahme gefunden hätte.

Fazit: Unbestreitbar Kunst mit einer singulären Vision und einem klaren Thema – aber eben auch hoch artifizielles Kino für ein kopfgesteuertes Publikum und damit für die Bauchgucker des FFF nur bedingt geeignet. 8 Punkte aus Respekt, 4 nach Geschmack – ergibt begrenzt aussagekräftige 6 von 10 Punkten.

Der Frankster meint: "Auf Arthaus-Festivals wird dieser Film bestimmt gefeiert."

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