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Sep 2022

Fantasy Filmfest 2022, Tag 3, Film 2: MEDUSA DELUXE

Themen: Fantasy Filmf. 22, Film, TV & Presse, Neues |

UK 2022. Regie: Thomas Hardiman. Darsteller: Clare Perkins, Kayla Meikle, Lilit Lesser, Luke Pasqualino, Darrell D’Silva

Offizielle Synopsis: Mitten in den Vorbereitungen zu einem populären Friseurwettbewerb scheidet einer der Mitstreiter aus dem Leben. Während die Polizei alle Anwesenden im Gebäude behält, braut sich unter den übrigen Haarkünstler:innen und ihren Models ein Donnerwetter nach dem anderen zusammen. Jeder ist verdächtig und die Angst vor einem weiteren Todesfall ist durchaus berechtigt, denn wer auch immer von ihnen die Hand im Spiel hatte, wird alles tun, um eine Enttarnung zu verhindern.

Kritik: Was die Inhaltsangabe angeht: ja, ähhh… bzw. … nein. Das klingt nach Whodunit, Festival und Regisseur haben den Begriff selber mehrfach verwendet, aber es ist einfach Kappes. Es wird an keiner Stelle ernsthaft versucht, den Mörder zu ermitteln, denn die Polizei bekommen wir über die gesamte Laufzeit nie zu sehen. Die anwesenden Friseure tuscheln lediglich über dies und das, ohne sich groß für den Täter zu interessieren. Ich hatte auch nicht das Gefühl, dass jemand Angst um das eigene Leben hat. Und schließlich: nein, der Mörder hat NULL Interesse, “alles zu tun, um eine Enttarnung zu verhindern”. Er gesteht am Schluss eher beiläufig und deprimiert.

Aber das ist sowieso die falsche Methode, um MEDUSA DELUXE anzugehen. Das hier ist genau genommen ein Experimentalfilm, der den Eindruck erwecken möchte, er laufe in Echtzeit und mit einem einzigen Kamera-Take ab. Viele der stilistischen Entscheidungen lassen mich dabei vermuten, dass Regisseur Hardiman der großartige BIRDMAN gefallen hat.

Nur: So eine Realtime-Dramaturgie muss man nicht nur wollen, sondern auch können. Weder Story noch Inszenierung haben die notwendige kreative Potenz, um aus den massiven Beschränkungen des Konzepts zusätzliche erzählerische Kraft zu ziehen. Stattdessen bremsen die technischen Defizite den inhaltlichen Vorwärtsdrang permanent aus: minutenlang sehen wir Leuten dabei zu, wie sie schweigend durch Gänge von einer Location zur anderen marschieren, viele Dialoge sind redundant, weil sie nur als Überbrückung zum nächsten Plot-Hering dienen – und es wird vom Zuschauer zu viel Denkarbeit verlangt, um die komplett ohne Exposition in die Story gepflanzten Figuren zu verbinden.

Was MEDUSA DELUXE (ein weiterer Titel ohne erkennbaren Bezug) gerade so am Leben erhält, sind die extravaganten, extrovertierten Figuren, die mit einem Höchstmaß an “queer energy” umher schwirren, als befänden sie sich hinter den Kulissen irgendeiner Reality-Soap.

Und so respektiert man am Schluss mehr die Idee als das Ergebnis, bewundert die Schauspieler für die sichtlichen Mühen, ohne Schnitt zu arbeiten, und fragt sich am Ende dennoch, was das alles sollte. Ich empfehle allerdings, für die Tanzszene im Nachspann sitzen zu bleiben.

Der dritte Film, der auf dem Queer Festival vermutlich das passendere Publikum gefunden hätte – und ein weiterer, der ohne tatsächlichen Protagonisten auskommen muss. Was ihm nicht gut tut.

Fazit: Eine filmische Fingerübung, die am grünen Tisch sicher ganz reizvoll klang, sich aber am eigenen Anspruch überhebt, bis sie vor Rückenschmerzen ächzt. Die Macher hatten sicher ihren Spaß, das Publikum – not so much. 4 von 10 Punkten.

Der Frankster meint: “Sehr kreatives Regiedebüt um einen Mord bei einem Friseurwettbewerb. Tolle Dialoge, hervorragende Kameraarbeit, aber auf Dauer etwas anstrengend.”

Kein Trailer – und die für gestern versprochenen Video-Interviews mit den Machern der Fresh Blood-Kandidaten konnte ich auf der Webseite des Fantasy Filmfest bis zu diesem Moment auch noch nicht finden.



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Thies
Thies
16. September, 2022 02:07

Mein Einstieg in den zweiten Festival-Tag und eigentlich mein Favorit, da ich dem Reigen an schrägen Figuren sehr interessiert und auch amüsiert folgte – bis zu einem gewissen Punkt. Kamera und Ton leisteten für ein Spielfilm-Debüt im Low Budget-Bereich erstaunliches und die Darsteller zeigten auch keine Blöße, sondern erfüllten Figuren die nur grob skizziert wurden mit Leben. Das sich die vielen Andeutungen, dass fast jeder der Beteiligten etwas zu verbergen und damit vielleicht auch ein Motiv hatte, am Ende nur als eine Reihe von roten Heringen erwies war die eine Enttäuschung. Dass er dann Schwierigkeiten hatte ein richtiges Ende zu finden die andere. Selbst der Abspann hat dann auf einmal Ladehemmung, denn der Regisseur war offenbar viel zu stolz auf seine Tanz-Choreographie um sie mit eingeblendeten Credits zu verdecken.