YouTube-Perlen
Themen: Film, TV & Presse, Neues |Bei mir gilt: wenn ich für nix Zeit habe, gucke ich YouTube. Gar nicht mal so die aktuellen Sachen. Klar ist es toll, wie viele super Shows es gibt, die mit Aufwand und Liebe produziert sind und bei denen man echt was lernen (oder auch nur lachen) kann. Was mich an YT aber wirklich begeistert, ist seine Funktion als Multimedia-Archiv. Gerade weil das Prinzip “erlaubt ist, was nicht verboten wird” lautet, findet man immer wieder unfassbare Raritäten, die entweder keinen legitimen Besitzer mehr haben oder deren Eigentümer sich zu schade für den Upload sind. Wie archive.org für Bücher und Zeitschriften ist YouTube ein vollgemüllter Keller, in dem es sich zu wühlen lohnt.
Heute präsentiere ich euch ein paar Highlights meiner letzten Wochen im Keller.
Die LvA und ich – wir lieben das Rat Pack. Sie mehr so Dean Martin, ich eher so Frank Sinatra. Die repräsentierten die Fake-Coolness der 60er Jahre, den Easy-Style, zu dem auch Zigaretten und ein lauwarmes Glas Whisky gehörte. Vor zwei Monaten tauchte ein seltenes Live-Special von 1977 auf, das wir mit Genuss genossen haben:
Auf dem Kanal des Uploaders finden sich noch weitere Preziosen.
Als Kinder konnten wir mit dem Begriff “stand up comedy” wenig anfangen. Gab es in dem Sinne bei uns ja nicht. Otto Waalkes probierte sich an einer frühen Variante, aber die One Man-Show vor Publikum war nicht etabliert. Unsere ersten richtigen Begegnungen mit dem geskripteten Bühnenwitz waren die TV-Specials des irischen Komikers Dave Allen, die in den Dritten Programmen erstaunlich gut synchronisiert wurden. Nach über 40 Jahren kannte ich praktisch alle hier präsentierten Pointen und Sketche noch – das ist ein Qualitätsmerkmal:
https://youtu.be/NPDxy6qWyDY
Und wo wir gerade bei “classic comedy” sind: Die abgefilmte Live-Performance von Monty Python im legendären Hollywood Bowl-Stadion in Los Angeles gehört zu den Highlights des Genres:
Um 2005 herum gab es im US-Fernsehen eine recht seltsame Form des Fake-Biopics: In diversen TV-Filmen wurde vermeintlich hinter die Kulissen der Entstehung geliebter Serien wie DENVER CLAN, DREI ENGEL FÜR CHARLIE, MORK VOM ORK etc. geschaut. Tatsächlich handelt es sich um bis zur Unkenntlichkeit fiktionalisierte Melodramen, die sich weniger an den wirklichen Ereignissen als an den Schlagzeilen der Boulevardpresse orientieren. Dennoch: Wenn man jemals ein Fan z.B. vom DENVER CLAN war, kann man sich prächtig amüsieren:
Wir hatten Nena ja im Rahmen der Popchart-Retrospektiven bereits erwähnt. Bemerkenswert finde ich diesen Konzertmitschnitt aus der Frühzeit ihrer Karriere, der sie noch sehr ungeschliffen und energiegeladen zeigt. Die Ecken und Kanten sollten sich schnell zugunsten des Popstar-Glamour abschleifen:
Die Doku MAMA PAPA ZOMBIE ist ein unverwüstlicher Klassiker, auf den man immer wieder hinweisen muss und darf:
Jetzt wird es etwas kompliziert: Seit Jahren habe ich den deutschen Science Fiction-Film INSEL DER KREBSE auf meiner Wunschliste. Tatsächlich war ich in der Lage, in einer grauen Quelle kürzlich einen uralten TV-Mitschnitt aufzutreiben. Auf YouTube ist der ZDF-Film leider nicht verfügbar, aber jemand hat einen Tonmitschnitt von Kassette (!) hochgeladen – eine bezaubernde Kuriosität:
NACHTRAG: Ein Leser hat mich netterweise darauf hingewiesen, dass der komplette Film auch bei archive.org zu sehen ist.
Im Zeitalter der Disney/Warner/Paramount-Megacorporations werden Dokumentationen und “behind the scenes” oft immer langweiliger, weil sie nicht nur perfekter werden, sondern auch garantiert frei sind von echten Kontroversen oder ungeprobten Momenten. Man lässt den Zuschauer nur sehen, was im Interesse des Marketings ist. In den 70er Jahren war das noch anders, da waren die Spielregeln noch nicht in Stein gemeißelt. Man erinnere sich z.B. an das erste “echte” Making Of, gedreht von Filmstudenten während der Dreharbeiten von SILENT RUNNING:
https://youtu.be/6weVoBiFLr8
Nicht weniger schön und in seiner verblassten Optik schon nostalgisch ist dieser Einblick in die Entstehung des ersten STAR WARS-Films:
“unaired” oder “lost” pilots, also erste Episoden von TV-Serien, die dann doch nie produziert wurden, sind besonders beliebte Sammlerstücke, geben sie doch einen kleinen Einblick in ein “what if”-Universum, in dem dieser obskure STAR TREK-Versuchsballon “The Cage” nie zu einer Serie führte, Leonard Nimoy aber mit der Serie BAFFLED zu einem Star der 70er wurde.
Oft kann man problemlos verstehen, warum ein Pilot nicht zur Serie weiter entwickelt wurde – wie im Fall der unsäglich Sitcom GALAXY BEAT:
Der non-kommerzielle Broadcaster PBS ist in den USA seit Jahrzehnten nicht nur Garant für ausgeglichene politische Berichterstattung und Heimat britischer Edelserien, sondern auch treibende Kraft hinter vielen exzellenten Dokumentationen. Hier geht es z.B. um den Quiz-Skandal, der in den 50ern die gesamte Fernsehlandschaft auf den Kopf stellte und u.a. Gegenstand von Robert Redfords Kinofilm QUIZ SHOW war:
Zum Abschluss noch zu einer aktuellen und dennoch nostalgischen Produktion – der Reisesender sonnenklar.tv hat letzte Woche DIE GOLDENE SONNE SPEZIAL produziert, eine Preisverleihung rund um das Thema 40 Jahre Privatfernsehen (obwohl es erst 38 Jahre alt ist). Mastermind Holm Dressler rief und viele, viele Promis der 80er und 90er kamen, um sich eine Statue abzuholen. Die Aufzeichnung der “Gala” ist nicht von höchstem Niveau und es ist auch alles vieeeel zu lang, aber die Veteranen der 80er und 90er noch mal am Krückstock zu sehen, ist das launige Durchspulen wert. “musical guests”: Markus und Limahl!
Fact: Soap-Urgestein Andreas Elsholz von GUTE ZEITEN SCHLECHTE ZEITEN ist der deutsche Rick Astley – er wird einfach nicht älter.
Holm Dresslers YouTube-Kanal ist übrigens ebenfalls ein Füllhorn großartiger Clips, Shows und Anekdoten – und gänzlich offiziell.
Das war der Kram, den ich auf jeden Fall mit euch teilen wollte. Eine andere Sorte spannender YT-Videos nehme ich dieser Tage unter die Lupe.
Über die Goldene Sonne hat Übermedien auch schön launig geschrieben:
https://uebermedien.de/73741/goldene-sonne-ein-preis-fuer-alle-ueberlebenden-des-privatfernsehens/
Ich wollte das auch verlinken, hab’s aber vergessen.
“Eine andere Sorte spannender YT-Videos nehme ich dieser Tage unter die Lupe.”
Die coolsten White Noises?
Das Testbild als Spiegel der prä-libertären Gesellschaft.
Auf die “insel der Krebse” war ich, seit ich den Eintrag in Hahn & Jansens Lexikon des Science-Fiction-Films gelesen hatte, auch immer neugierig. Aber wurde der nicht vor ein paar Jahren dann doch endlich auf DVD veröffentlicht?
https://www.amazon.de/Die-Insel-Krebse-Gerd-Baltus/dp/B074ZX9L55/ref=sr_1_3?__mk_de_DE=%C3%85M%C3%85%C5%BD%C3%95%C3%91&crid=2VNS374TM1OTO&keywords=insel+der+krebse&qid=1657221890&sprefix=insel+der+kre%2Caps%2C1017&sr=8-3
Natürlich – aber aktuell leider nicht verfügbar, wie man sieht. Nun aber bei archive.
Ist vielleicht schon etwas zu off-topic, aber der Eintrag zu “Insel der Krebse” in bewußtem “Lexikon” hat bei mir damals heftiges Kopfkino ausgelöst. Hatte die bizarre Vorstellung von Gerd Baltus, gefangen in den Scheren krebsartiger Roboter, die nach seinem Blut lechzen :-). Da ist die Entäuschung natürlich vorprogrammiert. Trotzdem ein interessanter TV-Film der 70er.
In der Tat ist INSEL DER KREBSE eher interessant als gut – weshalb ich vor 15 Jahren versucht habe, ein Remake in die Wege zu leiten. Ist leider nicht gelungen.