Besser als Bücher: YouTube-Retrospektiven
Themen: Film, TV & Presse, Neues |Der Titel mag manchen etwas provokant vorkommen – ich bin allerdings bereit, ihn zu belegen, denn ich möchte mal wieder eine Lanze für YouTube brechen. Gerade, weil so viele Leute sich über den eitlen, leeren Scheiß auf der Plattform beschweren, darf man nicht ausklammern, dass dort hochwertige, erhellende, bezaubernde Reihen zu finden sind. Einige davon habe ich vor ein paar Jahren bereits vorgestellt.
Heute geht es mir um ein spezielles Thema, das mir nicht erst seit meinen eigenen Science Fiction TV Guides am Herzen liegt: Rückblicke auf legendäre TV-Serien.
Auslöser war mal wieder der Schotte Rowan J. Colman, der seit Jahren kompetent und unterhaltsam die Science Fiction-Serien der letzten 60 Jahre Revue passieren lässt, von STARGATE SG-1 bis DOCTOR WHO und der CGI-Serie zu STARSHIP TROOPERS. Sein opus magnum war aber zweifelsfrei das hier – 20 Folgen zur Geschichte von STAR TREK:
Ich hab’s nachgerechnet: es sind mittlerweile mehr als 13 Stunden, die Colman auch noch durch begleitende Videos zu Randthemen ergänzt.
Hier kann YouTube Stärken ausspielen, die Bücher oder Zeitschriften vermissen lassen: Clips, Musik, Fotos und Interviews ergänzen sich zu einem viel kompletteren Bild, als das außerhalb der Multimedia-Sphäre möglich wäre. Die Retrospektiven von Colman sind im besten Sinne immersiv. Auch offizielle Produktionen von Paramount oder CBS können hier nicht mithalten, denn Colman kann es sich leisten, nicht nur zu berichten – er kritisiert, ordnet ein, watscht ab.
Selbst für Leute, die sich mit STAR TREK richtig gut auskennen, fördert diese Monster-Retrospektive tonnenweise neues Material und frischen Kontext zu Tage. Und Neueinsteiger finden hier wirklich alles, was sie wissen müssen.
Gleiches gilt für ein knapperes, aber nicht weniger sättigendes Projekt der letzten Wochen – Colman hat sich endlich BABYLON 5 vorgenommen. In zwei Teilen und drei Stunden erfährt man wirklich ALLES, was man zur Serie und ihren diversen Spinoffs wissen muss – und bekommt Blooper als Bonus:
Aber es gibt noch andere aufrechte Seelen da draußen, die sich wochenlange Mühe machen, um teils schon vergessene Perlen der TV-Geschichte noch einmal und vielleicht final aufzuarbeiten. Hier nur ein paar Beispiele.
Es muss nicht immer Science Fiction sei. Wer jemals begeistert eine Folge CHEERS gesehen hat, der findet in dieser zweistündigen Retrospektive alles, was er zu einer der erfolgreichsten Sitcoms der 80er wissen muss:
Viel wichtiger aber: Die CHEERS-Retrospektive ist die perfekte Vorbereitung für die FRASIER-Rückschau. FRASIER ist nicht ohne Grund meine liebste Sitcom aller Zeiten – und dieses Video-Essay vermittelt sehr schön, warum:
Der gleiche YouTuber kann das Pack unter euch auch mit einer Retrospektive zu EINE SCHRECKLICH NETTE FAMILIE locken:
Fun fact: Es gab insgesamt drei Versuche, Spinoffs auszulagern:
Meine Frau stand ja immer mehr auf MASH. Gibt’s da was? Logo:
Es müssen nicht immer alte Shows sein, die unter das Mikroskop gelegt werden – die Geschichte von COMMUNITY ist auch einen zweiten Blick wert:
Oder einfach noch mal 70 Minuten in FUTURAMA eintauchen:
Ebenfalls hervorragend aufbereitet sind die YouTube-Beiträge von Oliver Harper, dem wir u.a diese Retrospektive der eher obskuren ROBOCOP TV-SERIE verdanken – STAR TREK kann schließlich jeder:
Mein persönlicher Favorit, weil ich der Serie bekanntermaßen schwer zugeneigt bin, ist Harpers zweiteiliger Rückblick auf THE ADVENTURES OF SUPERBOY:
Es gibt Fälle. wo die “persona” des Präsentators ein wenig nervt:
Mitunter reicht es auch, wenn altes Material professionell zusammen gestellt wird – ich vermute, das hier war mal eine Doku zum Start einer DALLAS-Komplettwiederholung um die Jahrtausendwende. Da ist mehr Klatsch & Tratsch drin, als die Boulevardblätter sich jemals über die Serie ausgedacht haben:
Es gibt auch noch ganz andere Kuriositäten zu entdecken – wusstet ihr, dass man bei MORD IST IHR HOBBY in einer Staffel versucht hat, SIEBEN Spinoffs zu testen, weil die Hauptdarstellerin eine Auszeit wollte?
Wer sich generell für das Thema nicht verkaufte, bzw. unausgestrahlte Pilotepisoden interessiert, findet in dieser Playlist knapp 300 Beispiele, von THE OMEN über SHIVERS bis zu den großartigen depperten MICROCOPS:
Das sind Sachen, die man kaum oder gar nicht in Print wiedergeben kann. Hier ist YouTube Platzhirsch und ich freue mich jedes Mal wie ein Schnitzel, wenn eine neue Retrospektive veröffentlicht wird. Die YouTube-Universität, wie ich sie liebe.
Frasier! Die beste Sitcom aller Zeiten.
Wird direkt angeschaut.
Wo?
YouTube-Retrospektiven sehe ich mir auch immer wieder gerne an – beziehungweise höre sie eher während der Arbeit.
Auf Rowan J. Coleman bin ich durch die Wortvogel-Empfehlung vor einiger Zeit gestossen. Der Mann macht wirklich gute Videos!
Frasier war schon gut … aber 30 Rock war irgendwie noch einen Deut besser.
Ich fand 30 Rock wirklich außergewöhnlich und brillant geschrieben, letztlich ist es aber “nur” eine Nabelschau der exzentrisch-egomanen Showbranche. Für die Figuren in Frasier kann ich echte Empathie aufbringen, die hat mehr Stil und Klasse. Generell ist es schwer, Multi- und Single-Camera-Comedy zu vergleichen. Sonst müssten wir auch über (zumindest die erste Staffel) My Name is Earl reden.
Ich würde gerne wissen: Was macht Frasier so außerordentlich besser als andere Serie im Allgemeinen, Seinfeld im Speziellen?
Nichts. Sie ist nicht besser – ich finde sie nur besser. Ich kann niemanden überzeugen, der Seinfeld lieber mag. Das ist absolut in Ordnung. In meinen Augen ist Seinfeld eine Serie über neurotische Zyniker, die sich weder entwickeln noch ernsthaft emotional involvieren. Die Herzenswärme, die Liebe (auch zur Kultur), die Pointensicherheit von Frasier hat das einfach nicht. Aber das ist MEINE Meinung.
Deine Meinung wollte ich hören. Ich kenne nämlich viele, die so denken wie du. Ich selbst tue mich schwer, ich finde den Aufbau/Rhythmus recht altbacken und Jane Leeves entsetzlich aufgesetzt. Deswegen ist die Serie aber nicht schlecht, ich werde ihr auch wieder eine Chance geben. Ich WILL sie nämlich mögen. Bei Seinfeld fasziniert mich das postmoderne Format (aka Geschwindigkeit des Erzählrhythmus) und die Geschichten, die oft unvorhersehbar eskalieren. Aber Seinfeld ist zynisch, ja. Und letztlich geht es doch um wenig bis nichts.
Wenn ich mal eine Folge sehe, finde ich es ganz nett (wie auch Friends), aber es reizt mich nicht, die ganze Serie zu bingen. Bei Frasier mag ein Faktor sein, dass die Serie im Original brillant ist – vielleicht schwächelt die deutsche Synchro.
Finde ich nicht, Roz und Lilith sind eindeutig schwächer, aber ansonsten ist das doch meist sehr gelungen lokalisiert. Natürlich sind die ganzen Call-In Cameos verloren, aber die bekommt man auch nicht mit, wenn man die Stars nicht an der Stimme erkennt.
Ich habe nicht genug Frasier auf deutsch gesehen, um das zu beurteilen.
Auf Rowan Coleman bin ich schon vor ein paar Jahren gestoßen, weil er einer der wenigen war, der eine Review zum von mir sehr geschätzten und vom Wortvogel verschmähtem Dark Matter veröffentlicht hat. Ich glaub es gibt ausser von ihm keine einzige richtige Review zur Serie auf ganz Youtube.