05
Jun 2022

Filmverbrechen-Fotostory: KAMPFANSAGE oder:
Kölscher Klopper-Karneval

Themen: Film, TV & Presse, Fotostory |

Ich bin echt nicht mehr zu retten. Diesen Film hatte ich mir ausgesucht, weil ich dachte, der wäre mangels Handlung und dank vieler Prügelszenen relativ schnell abzuhandeln. Aber dann habe ich angefangen zu recherchieren. Und letztlich wurde das hier die vermutlich umfangreichste Hintergrund-Recherche, die ich für eine Fotostory bisher auf die Beine gestellt habe. Das hängt auch damit zusammen, dass ich mit dem Film ein paar persönliche Erinnerungen verbinde.

Ich versuche mal, so wenig wie möglich auszulassen, ohne in epische Breite auszuufern. Die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass es misslingt.

Anfang der 2000er befand sich die Hürther Firma action concept auf einem absoluten Höhenflug. Mit ALARM FÜR COBRA 11, DIE MOTORRAD-COPS und DER CLOWN hatte man drei der erfolgreichsten deutschen Serien der 90er produziert, dazu diverse TV-Filme. Der Ableger COBRA 12 war in Arbeit, ebenso die WILDEN ENGEL. Nahezu jährlich bekam man den Taurus World Stunt Award – und warum auch nicht? action concept stemmte für TV-Budgets spektakuläre Action, die man bis heute sogar im heimischen Kino vergeblich sucht.

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Alle Versuche anderer Sender und Produktionsfirmen, das “Modell action concept” nachzuäffen, scheiterten – von den HELI-COPS auf SAT.1 bis hin zu meinem eigenen VOLLGAS auf ProSieben.

Nun gibt es immer den Ehrgeiz, einen drauf zu setzen, sich noch mehr zu fordern und noch mehr zu liefern. action concept wollte dahin, wo die Firma nach Meinung von Gründer Hermann Joha sowieso hin gehörte: ins Kino. Also machte man sich zum Beginn des neuen Jahrtausends daran, DER CLOWN in eine Kino-Franchise mit internationalem Appeal umzubauen. Es sollte der Start einer großen Reihe von deutschen Actionfilmen werden, auf deutsch gedreht, in Deutschland spielend. 4,2 Millionen Euro kostete die in Düsseldorf und Köln gedrehte Produktion, in der mit Eva Habermann und Xenias Seeberg sowohl Xev als auch Zev aus LEXX mitspielten:

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Beim Filmmarkt AFM Anfang 2003 verkündete Joha denn auch stolz, dass er DER CLOWN schon vor dem Deutschland-Start in 60 Länder verkauft habe.

Daneben entwickelte Joha aber noch andere Projekte, die durchaus bewiesen, warum er zu dieser Zeit ein echter Innovator des deutschen Actionfernsehens war. So war er auf die Amateurfilme einer kleinen Gruppe Kampfsportler aus Berlin aufmerksam geworden, die ihn schwer beeindruckten.

Er holte das ganze Team kurzerhand nach Köln, richtete ihm eine Stunt- und Trainingshalle ein und professionalisierte die Abläufe mit dem Ziel, einen eher im Low Budget-Bereich angesiedelten Martial Arts-Streifen zu produzieren, der ein paar Monate nach DER CLOWN auf 50 deutschen Leinwänden anlaufen sollte.

Angedacht war ein Kinofilm basierend auf den KAMPFANSAGE-Kurzfilmen:

Nun sollte man denken: da kann nicht viel schiefgehen. Geringe Kosten, die Vertriebserfahrung von Joha, die Kampfsport-Expertise von Landwehr & Co. – selbst ein mäßiger Erfolg im Fahrwasser von DER CLOWN würde das Budget wieder einspielen und die Grundlage für weitere, größere Projekte legen. Man musste halt nur mal den Anfang machen.

Die Synopsis (einer frühen Präsentation entnommen) las sich so:

“Rush Hour” meets “Snatch”. A kung-fu buddy movie with strong doses of chop-socky action and physical and situational humor. Aimed at a young male demographic but with comedy and love story also appealing to female target group. A suburban kid who dreams of being a martial arts film star gets on the wrong side of the Berlin Vietnamese mafia and has to join forces with a hard knocks ex-skinhead to recover a suitcase of stolen cocaine, fight off a local drug kingpin and rescue the girl they both love.

Leider fügte sich nichts so, wie die Beteiligten sich das ursprünglich gedacht hatten. Da war zuerst einmal die Tatsache, dass der geplante Film KAMPFANSAGE ein paar Wochen vor Start der Dreharbeiten mit dem Hinweis gekippt wurde, das Konzept sei nicht zu finanzieren. Die geplanten 750.000 Euro wurden mehr als halbiert. Ein weiteres Drehbuch fiel ebenfalls durch. Also wurde aus dem Gang/Automafia-Film plötzlich apokalyptische Science Fiction. Johannes Jaeger musste binnen zwei Wochen ein völlig neues Konzept erarbeiten mit Spezialeffekten und Locations, für die das ursprünglich veranschlagte Geld schon knapp bemessen gewesen wäre. Nach den Dreharbeiten wurde noch massiv geschraubt – die dem geringen Budget geschuldeten Defizite sollten durch digitalen Effekte-Schnickschnack kaschiert werden.

Ich weiß das, weil der Regisseur es mir erzählt hat. Dazu kommen wir noch.

Und dann – floppte DER CLOWN. Man kann das nicht beschönigen. Die Kritiken waren – für eine action concept-Produktion wenig überraschend – vernichtend. So schrieb das Lexikon des Internationalen Films:

” Kinoableger einer kommerziell erfolgreichen deutschen Fernsehserie, dessen Drehbuch sich weder für die Logik der Handlung noch für die Charaktere interessiert. Ein thematisch uninteressanter, formal streckenweise nahezu dilettantischer Actionfilm.”

Ich erinnere mich an Interviews mit Joha, dass er mit drei Millionen Zuschauern rechne, aber schon ab einer Million in den schwarzen Zahlen sei. Am Ende wurden es – wenn mein Gedächtnis mich nicht täuscht – gerade mal 60.000. Eine Katastrophe. Meine These: niemand wollte im Kino sehen, was er schon 47 mal im Fernsehen gesehen hatte. Man hätte mit einer neuen Franchise einsteigen sollen. Aber das lässt sich hinterher natürlich leicht unken.

Mit dem Flop von DER CLOWN starben nicht nur Johas Ambitionen eines eigenen Kino-Universums, sondern auch alle Pläne, KAMPFANSAGE groß rauszubringen. Von 50 Kinos war keine Rede mehr, abgesehen von ein paar Slots beim Fantasy Filmfest 2005 ging die Richtung nun strikt “direct to DVD”. Der Film wurde ein Kollateralschaden, und die Kampfsportler mussten entgeistert zusehen, wie ihr Baby immer weiter zusammen schrumpfte – und damit die Chancen, aus dem Erstling ein erfolgreiches Geschäftsmodell zu zimmern.

Schön nachlesen kann man das auf der Webseite zum Film, die unfassbarerweise nach 17 Jahren immer noch online ist!

Der Film debütierte also am Sonntag, dem 31.7.2005 auf dem Fantasy Filmfest hier in München – und ich war anwesend. Nicht, weil ich eine Dauerkarte besessen hätte oder besonders interessiert war (parallel lief der französische ATOMIK CIRCUS, der mich deutlich mehr reizte). Nein, man hatte mich schlicht gebeten zu kommen. Ich war damals Drehbuchautor und Entwicklungschef einer internationalen Produktionsfirma, die mit Joha im Gespräch war. Einer seiner Produzenten hatte mitbekommen, dass ich mich im Genre Science Fiction auskannte. Er wollte meine Meinung hören und ich wollte ihn nicht enttäuschen.

Also vertrieb ich mir den Sonntag Nachmittag mit meinem Kumpel Marc im City. Wir hatten “showreels” der Darsteller gesehen und durchaus angefixt. Würde es nun endlich mal einen anständigen deutschen Martial Arts-Film geben? 98 Minuten später waren wir schlauer. Und am Ausgang stand der Produzent und fragte neugierig: “Na, wie fandet ihr ihn?”

Ich versprach, mich erstmal zu sammeln und meine Gedanken dann schriftlich per Email zusammen zu fassen. Was ich auch tat – und er leitete die Email prompt an den Regisseur/Drehbuchautor Johannes Jaeger weiter. Der sich daraufhin bei mir meldete, was einen ganz eigenen Schriftverkehr zur Folge haben sollte.

Aber damit greife ich vor. Um zu verstehen, worüber in den Emails gesprochen wurde, müsst ihr verstehen, was ich an jenem Tag gesehen hatte. Und wie ich es fand. Also schauen wir uns KAMPFANSAGE noch mal in Ruhe gemeinsam an.

Das hier sieht doch gar nicht so schlecht aus:

Man ahnt allerdings schon: wie bei Asylum-Filmen wurden einfach die besten Szenen knackig hintereinander geschnitten, um größtmögliches Remmidemmi zu simulieren. Das ist weitgehend Augenwischerei.

Disclaimer: Diese Fotostory ist voraussichtlich weniger lustig als bei den LISA-Komödien, enthält aber viele Einblicke in die Geheimnisse von Dramaturgie und Technik eines Drehbuches. Ihr könntet also was lernen. Seid gewarnt.

Wir steigen ein mit einem SEHR langen Intro und einem Voiceover, die sich redlich bemühen, uns DIE ZUKUNFT!!! nahezubringen – Berlin sieht wie in einem üblichen Hitzesommer aus, wenn der Eiswagen klingeln kommt:

Wohlgemerkt: Der Film spielt nicht 2045. 2045 ist nur das hier bebilderte Jahr des Zusammenbruchs. KAMPFANSAGE spielt ein paar vage Jahrzehnte später. Das mangelnde Gespür, was wichtig ist und was weggelassen werden kann, wird uns in dieser Fotostory noch häufiger begegnen.

Ich hadere mit der Frage, wie hart ich mit diesem Prolog ins Gericht gehen darf, denn Regisseur Jaeger hat bestätigt, dass dieser nachträglich reingedengelt wurde, um dem Film mehr Größe und Backstory zu geben. Er verstolpert sich aber massiv bei dem Versuch, eine Welt zu erklären, die einfach nicht zu erklären ist.

Das fängt schon mit der grundlegenden Frage an: warum kämpfen alle Fraktionen ein paar Jahre nach 2045 mit Handkanten statt mit Handfeuerwaffen? Angeblich, weil in den Wirren nach dem großen wirtschaftlichen Zusammenbruch die Waffen irgendwann kaputt gegangen sind und keiner mehr wusste, wie man sie neu baut oder repariert:

Und so endete die Ära der Pistolen und Gewehre:

Wohlgemerkt: Autos, Motoren, Stereoanlagen, Beleuchtung, Lautsprecher – all das hat überlebt. Aber die vergleichsweise simple Handfeuerwaffe, die ohne Elektrik oder Elektronik auskommt, die ist der Apokalypse anheim gefallen. Und selbst das nicht ganz: die böse Kleo benutzt den ganzen Film über einen Revolver.

Es ist das alte Problem des “world building”, wenn der Autor weiß, wie die Welt für seine Story aussehen muss, aber keine Ahnung hat, wie sie dahin gekommen ist. Wir hatten vor 14 Jahren schon bei der ASTRO SAGA über das Thema gesprochen.

Aber tun wir Johannes Jaeger ruhig den Gefallen und glauben, dass ab 2045 wieder der Faustkampf herrscht – auch wenn man statt auf Pistolen ja auch auf Granaten, Armbrüste, Pfeil und Bogen oder andere Entfernungswaffen hätte setzen können. Martial Arts also.

Jahrzehnte werden mit einem Nebensatz übersprungen – ein “Soldatenkönig” erkennt die Macht der Martial Arts, bildet eine Armee aus und schwingt sich damit zum Herrscher auf.

Herrscher von was? Berlin? Deutschland? Europa? Trotz der Textwüste, die in den ersten vier Minuten vom Blatt abgelesen wird, bleibt das komplett außen vor. Die Frage, wie man in einer Welt ohne moderne Kommunikationsmittel mit einer Armee ohne effektive Waffen irgendwas dauerhaft regieren will, wird ebenfalls nicht beantwortet.

Es wird aber noch wirrer: Angeblich gibt es eine Gruppe von Meistern, die den Soldatenkönig ausgebildet haben, angesichts der Massaker aber doch irgendwann schnallen, dass der jetzt vielleicht nicht so die ganz richtige Wahl war. Also verweigern sie ihm eine mythische “letzte Lehre”, die ihn zum Superobermegameister machen würde.

Der Soldatenkönig (dessen Namen wir nie erfahren – dazu kommen wir noch) beschließt, die Meister zu meucheln, damit wenigstens kein anderer Schüler ausgebildet werden kann – seine Schergen treten zum Massaker an:

Bevor es ihnen an den Kragen geht, schreiben die Meister ihr gesamtes Wissen fix in ein Buch. Auch so eine Idee, die nur in einem Film funktioniert, denn der endgültige Verlust ihres Wissens wäre die sicher bessere Methode, einen weiteren Machtgewinn des Soldatenkönigs zu verhindern. Aber nein, sie müssen ja ein MacGuffin erschaffen, um das die Beteiligten sich balgen können:

So rumpelt der Prolog dahin und etabliert: die Welt im Arsch, alle können Kampfsport, und wer das Buch hat, der ist premium. Wäre das nicht einfacher gegangen?

Falls sich übrigens wer fragt, wer der Erzähler ist – es ist Jonas, ein anderer “letzter Schüler”, über den wir nichts, aber auch wirklich gar nichts erfahren werden. Er halluziniert sich den Prolog für uns zusammen:

Ich schätze mal: Jonas ist so um die 25 (wie Mathis Landwehr 2005 auch). Demnach hat er praktisch nichts von dem, was er gerade fieberträumt, tatsächlich erlebt. Er ist die denkbar falscheste Figur für diese Aufgabe. Seufz…

Zum Ende der ganzen hektisch geschnittenen Nummer sehen wir dann noch die wunderschöne Esther Schweins, deren Rollennamen “Linda” ich in der IMDB nachschlagen musste.

Dass Johannes Jaeger als Drehbuch-Anfänger noch nicht verinnerlicht hat, dass man den Namen einer Figur auch im Film etablieren muss, kann ich verzeihen. Aber da hat wirklich niemand bei action concept mal kurz angerufen und gesagt “Johannes, lass den Jonas wenigstens einmal den Namen von Linda laut aussprechen, okay”? Keiner?

Okay, raus aus dem Prolog, rein in den Vorspann – KAMPFANSAGE schafft es bemerkenswerte sechseinhalb Minuten zu verschwenden, bevor der tatsächliche Film beginnt. Wenigstens darf Mathis Landwehr während der Credits in einem Weizenfeld zeigen, was er so kann – Trainingssequenz!

 

Und ja, der Landwehr ist ein absolut beeindruckender Fighter, der schon in dieser nicht völlig kaputt editierten Sequenz zeigt, wo der Hammer hängt:

Es zeigt sich: man muss Mann und Werk trennen können. Erinnert ihr euch an den schrottigen BRUT DES BÖSEN mit dem Vollhonk Christian Anders? Zu dem schrieb ich seinerzeit:

“Anzumerken ist nur noch, dass Anders selbst nicht das Problem seines eigenen Films ist – das bisschen, was an Ausdruck von ihm verlangt wird, kann er (nachsynchronisiert) liefern, und auch in Sachen Fitness und Fausthiebe ist er kompetent. “

Genauso sieht es auch bei Mathis Landwehr aus. Er ist der richtige Darsteller im falschen Film, hoffnungslos überqualifiziert.

Nun haben wir sechseinhalb Minuten hinter uns, immer noch keine Ahnung, wer Jonas ist – aber wir erkennen, dass es für ihn Zeit zum Aufbruch ist. Er packt seine Stöcke, die wir bald als seine präferierte Waffe in Aktion sehen werden:

Vor dem Wohnwagen, in dem er gelebt hat (?), trifft er auf Linda, und der Dialog zwischen den beiden ist in jeder Beziehung krumm und falsch.

Wer ist Linda? Seine Mutter, seine Nachbarin, seine Geliebte? Sie bittet ihn, mitzukommen – wohin? Er sagt, er müsse zurück – warum? Sie sagt, im Keller ihres Hauses würde er Vorräte finden – was nie wieder aufgegriffen wird. Tatsächlich dreschen die beiden nur leere Phrasen, wo es angebracht gewesen wäre, etwas über die Figuren und ihre Beziehung zu erfahren.

Ich habe bei den STURZFLIEGERN ja immer die Sammelbildchen von der schnuckligen Anja Kling eingestreut und beim DRACULA IN OBERBAYERN die Aufnahmen unbeteiligter Statisten. Im Fall von KAMPFANSAGE weise ich auf alle mehr oder weniger gelungenen digitalen Matte Paintings hin – Nummer 1:

Auch das wirft übrigens wieder Fragen auf: wo sollen die hier angeblich sein? Alpenvorland? Warum? Ob Jonas 10 oder 100 oder 1000 Kilometer von Berlin entfernt weilt, macht null Unterschied, weil er einen Schnitt später bereits wieder vor Ort ist. Das Matte Painting erfüllt keine erkennbare Funktion.

Der Magie des Filmschnitts folgend erreicht  Jonas bald “Himmelpfort”, was augenscheinlich Berlin sein soll, aber mit einem neuen Namen?!

Das echte Himmelpfort kann hier übrigens nicht gemeint sein, das ist ein malerisches Kuhkaff 100 Kilometer nördlich von Berlin.

Matte Painting Sammelbild Nr. 2:

Matte Painting Sammelbild Nr. 3:

Okay, sprechen wir den Elefanten im Raum an: Das sieht scheiße aus. Nicht die Matte Paintings selber, aber der ganze Look des Films. Unscharf, verwaschen, entsättigt, grob aufgelöst und matschig. Und wer jetzt einwirft, das sei vielleicht ein Problem der DVD, den muss ich enttäuschen: Der Film sah im Kino schon so aus. Es wurde nämlich auf DV (digital video) gedreht. Das ist billiger und man kann sorgenfrei hunderte von Stunden aufzeichnen, aber von der Auflösung her war es 2005 schon hart an der Grenze. Die Effekte wurden dann auf das Format runter gerechnet. Und da kommt halt so was bei raus.

Gerade die Verwendung von Matte Paintings und schnell geschnittenen Kampfszenen bedingt gutes HD-Material, um genau das zu verhindern, was wir hier sehen. KAMPFANSAGE hat angeblich gerade mal 300.000 Euro gekostet – aber er sieht nicht einmal danach aus.

Dass die Macher sich hier um der Knausrigkeit willen selber ein Bein gestellt haben, kann ich an einem schönen Beispiel auch gleich belegen. So sieht eins der typischen Matte Paintings in KAMPFANSAGE aus:

Im Detail:

Und das hier ist das hoch aufgelöste Original, das ich auf der Webseite des Grafikdesigners Marcel Weisheit gefunden habe:

Im Detail:

Da liegen augenscheinlich Welten dazwischen.

Beim CLOWN-Kinofilm erinnere ich mich auch an einen massiv abtörnenden Videolook, aber ich bin sicher, dass die wenigstens nicht nur auf DV gedreht haben. Ich weiß nicht, was action concept damals geritten hat, so niedrig aufgelöst zu produzieren und es dann aufzublasen. Das verkürzt das “shelf life” der Produktionen. Es war schon absehbar, dass künftige Formate höhere Auflösungen zulassen und dann auch fordern.

Egal, Jonas hat es also nach Berl… Himmelpfort geschafft, von wo aus einst der Soldatenkönig das Land (?) regierte. Was mit dem passiert ist? Dafür war bisher bei aller Exposition keine Zeit. Es geht direkt in die Action: eine attraktive junge Frau wird von ein paar Schergen gejagt:

Sie versteckt sich in der Halle einer Industriebrache, doch oh Schreck!

Da sind Gammelkinder!

Also auf in die nächste Halle der Industriebrache – da hockt Jonas:

Stillschweigendes Übereinkommen: “Du bist mein Love Interest, oder?”. “Yep”.

Das mittlere Management der Schurken verlangt die Herausgabe von “Marie” – ohne den Namen zu nennen natürlich.

Nur fürs Protokoll: wir haben bisher von KEINER Person den Namen gelernt (Soldatenkrieger, Jonas, Linda, Meister, Marie). Ich schließe mich dem Vorschlag der Gelben Seiten an:

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Was zeichnet die Kampfkünstler so ziemlich aller Martial Arts-Filme aus, von Bruce Lee über David Carradine bis Jean-Claude van Damme? Es ist die Tatsache, dass sie eigentlich nur in Ruhe gelassen werden wollen und jeden Kampf vermeiden, der sich vermeiden lässt. Gekämpft wird nur, um Unschuldige zu schützen oder wenn es keinen anderen Ausweg gibt. Jonas? Nicht doch. Marie ist immer noch sicher versteckt und er könnte einfach Fersengeld geben – aber nein, mit sichtlicher Freude am Fressetreten legt er seinen Mantel ab und fordert zum Tanz:

Wir stellen fest – die Freude am Fressetreten überträgt sich schnell auf den Zuschauer, denn in Sachen Fertigkeiten und Choreographie spielt das zumindest für den deutschen Markt in einer ganz eigenen Liga:

Ruck zuck ist die Fresse dick:

Nicht mit Jonas, nicht mit Commander!

Auch die Sprungkraft von Mathis Landwehr ist nicht zu unterschätzen:

Ganz im Spirit des großen Bruce Lee:

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So wird’s gemacht, mein lieber Herr Gesangsverein!


Matte Painting Sammelbild Nr. 4:

Nun ist der Chef der “Soldaten” dran – dafür holt Jonas sogar die Stöcke raus.

Man sollte meinen, der Typ mit seiner seltsamen Schwertlanze würde eine etwas größere Herausforderung als seine Handlanger darstellen:

Aber nein, nach einem kurzen Fight liegt auch er im Staub:

Zum Abschluss dieses ersten Fights müssen wir leider konstatieren: Theorie und Praxis liegen weit auseinander. Das ungeschnittene Rohmaterial der Kampfszene war sicher spektakulär, aber Johannes Jaeger scheint wild entschlossen, alles am Schneidetisch bis zur Unkenntlichkeit zu verhackstücken. Ultraschneller Schnitt, Perspektivenwechsel, sich überlappende Bilder – dieses Hyper-Editing war damals im Martial Arts-Film durchaus nicht unüblich, aber es ist ein Kardinalfehler, weil es den tatsächlich vorhandenen Fähigkeiten der Beteiligten zu wenig Raum gibt. Wie van Damme in BLOODSPORT braucht Mathis Landwehr keine Hilfe vom Cutter, um beeindruckend Ärsche zu treten. Lasst den doch einfach machen!

Weil es mit der Liebe nicht allzu schnell gehen darf, ist Marie keine Spur dankbar, dass Jonas ihr vermutlich das Leben gerettet hat:

Jonas hingegen ist auch nicht gerade bescheiden, wie es sich für einen echten Helden gehören würde: “Bedank’ dich bloß nicht bei mir.”

Ich habe es mitgestoppt, damit ihr es nicht tun müsst: knapp 23 Minuten seiner Laufzeit bringt KAMPFANSAGE mit neun Fights und Trainingsszenen rum. Das sind – je nach Zählung – ein Viertel oder ein Drittel. Statistisch gesehen eine sehr große Menge. In diesem Fall aber auf jeden Fall ein Vorteil, weil wir zwischen der Klopperei nur Dialoge solcher Qualität geboten bekommen.

Jonas: “Was wollten die von dir?”

Marie: “Die wollen, was Bosco will.”

Was zur Hölle soll das heißen? Wer ist Bosco? Was will Bosco von Marie? Es ist diese Unfähigkeit, auch nur die banalsten Abhängigkeiten und Konflikte zu etablieren, die KAMPFANSAGE so unfassbar träge machen, wenn sich die Beteiligten ausnahmsweise mal nicht die Köppe einschlagen.

Matte Painting Sammelbild Nr. 5:

Marie rauscht ab, Jonas gleichfalls. Der Scherge, der eben noch Fersengeld gegeben hat, wird derweil wegen Arbeitsverweigerung übel zugerichtet:

Ladies and Gentlemen, meet BOSCO!

Es tut mir leid, ich brauche eine Pause.

***hihihi***hiiihiiii***mwahahaa****

Ich verstehe, dass der Film weitgehend aus der Crew der Fighter um Mathis Landwehr gecastet werden musste, aber Christian Monz ist einfach kein Bösewicht. Er ist ein Clown. In seinen Versuchen, total evil zu sein, erinnert er mich fatal an Brisco Schneider:

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Es hilft auch nicht, dass das Drehbuch ihm das Verhalten eines 13jährigen andichtet, der ständig Wutausbrüche hat und rumbrüllt. Ehrlich – wer würde sich denn von DEM regieren bzw. unterdrücken lassen?!

Matte Painting Sammelbild Nr. 5:

Das ist Boscos Hauptquartier, das sehr eindeutig an faschistische Prunkbauten erinnern soll, aber letztlich nur das pittoreske Schloss Sommerswalde ist. Warum es da ein Matte Painting braucht? Weil das Schloss knapp 50 Kilometer von Berlin entfernt liegt und von bezauberndem Baumbestand umgeben ist.

Warum ist Bosco (klingt wie Hundefutter) so böse auf seinen Schergen? Weil er einfach nicht glauben mag, dass der totgeglaubte Jonas wieder zurück ist.

An dieser Stelle hätte es geholfen, wenn wir wüssten, wie lange Jonas nicht mehr in Berlin war. Eine Woche, ein Monat, zehn Jahre? Was verbindet ihn und Bosco? Wieso hat der Scherge nicht beim Kampf bemerkt, dass er es mit Jonas zu tun hat? Warum ist die Tatsache, dass Jonas noch lebt, ein Grund, den Schergen zu töten? Nichts daran ergibt irgendeine Form von Sinn. Alles, was KAMPFANSAGE über “Schüler will den Tod seines Meisters rächen” hinaus erzählt, ergibt keinen Sinn.

Nun braucht es ein neues mittleres Management zwischen den gesichtslosen Horden und dem “Diktator” Bosco. Also setzt er dem nächstbesten Muskelmann das Chef-Käppi auf. Laut IMDB heißt die Figur “Lieutenant Stauder”, aber da das nie erwähnt wird, nenne ich ihn aus offensichtlichen Gründen “Schinken”:

Wir müssen uns übrigens damit abfinden, dass KAMPFANSAGE abgesehen von dem Prolog und den Matte Paintings derart auf Sparflamme gedreht wurde, dass er komplett in Industriebrachen und Ruinenhäusern spielt. Das ist billig, da stört man niemand, da kann man auch mal was kaputt machen. Aus diesem Blickwinkel muss man auch den Prolog vielleicht neu bewerten: Ohne ihn ginge der “production value” schlagartig nach unten, statt einem futuristischen Fighter-Film wäre KAMPFANSAGE dann nur noch eine Ansammlung an Schlägereien auf einem Werksgelände.

In einem der gerade erwähnten Ruinenhäuser findet Jonas nun die Leiche seines Meisters, der offensichtlich monatelang da vor sich hin gemodert hat:

Ehrlich? Die Leiche hat niemand gefunden, niemand entsorgt?

Jonas soll angesichts der Entdeckung angemessen entgeistert drein schauen:

Das Problem: Er WEISS ja, dass der Meister hier tot liegt! Er hat die Ermordung durch Bosco eigenen Auges gesehen! Wie soll da Drama aufkommen, Emotion? In einem Skript von jemandem, der sich mit so etwas auskennt, hätte Jonas gehofft, seinen Meister lebend vorzufinden – zusammen mit dem mythischen Buch. Aber er wäre zu spät dran gewesen. Meister tot, Buch weg. DAS hätte ihn motiviert, Bosco Rache zu schwören.

Und weil das so ist, machen wir das auch so – in einer völlig deplatzierten Rückblende:

Das ist der (natürlich namenlose) Meister, den wir in keiner Szene mit Jonas zu sehen bekommen, weil die Etablierung von Figuren und Beziehungen – ich erwähnte es bereits und werde es wieder tun – in KAMPFANSAGE von minderer Bedeutung ist.

Bosco will das Buch haben, aber da er weder dem Meister noch dem gerade heimkehrenden Jonas gewachsen scheint, knallt seine Schwester Kleo die beiden einfach ab (mit dem Revolver im Zeitalter, in dem es keine Feuerwaffen mehr gibt, remember?).

Boah, was für ein Verhau. Die diversen Flashbacks machen in ihrem Aufbau null Sinn und nehmen total das Tempo raus. Wie wäre es denn damit gewesen?

  1. Der Meister erzählt die Vorgeschichte (er war ja dabei), vielleicht sogar nicht aus dem Off, sondern vor einer Gruppe Schüler
  2. Bosco und Kleo tauchen auf und töten die Schüler und den Meister, nehmen das Buch mit
  3. Jonas kommt zu spät und wird von Kleo hinterrücks erschossen
  4. Linda findet Jonas, päppelt ihn auf, er verliebt sich, kann aber nicht bei ihr bleiben, bevor er Bosco gestellt hat
  5. Jonas trainiert sich gesund und kehrt nach Berlin zurück – entschlossen, sich zuerst das Buch und dann Boscos Kopf zu holen

Keinen Euro teurer zu filmen, linear erzählt, mit klaren Konflikten und der Zeit, die Personen kennenzulernen. Andererseits: Ich bekomme seit 25 Jahren Geld dafür, so etwas zu können. Vielleicht liegt’s daran.

Und weil dieser Moment so gut ist wie jeder andere, möchte ich mal über die selten genannten Figurennamen reden: Linda, Marie, Jonas – hätte man spannender machen können. Nebenfiguren, die Frank, Gregor, Ben und MALTE heißen? Verbesserungsbedürftig. Aber ein Held, der Jonas Klingenberg heißt und gegen einen Bösewicht namens Bosco antritt? Da bin ich raus. Hätte Johannes Jaeger nicht wenigstens mal den Hero Name Generator anwerfen können?

Es fällt auch auf, dass in den wenigen Szenen, in denen Jonas eine starke Emotion durchläuft, die Kamera konsequent sein Gesicht meidet. Hatte Jaeger kein Vertrauen in das darstellerische Vermögen seines Leading Man?!

Jonas findet ein Stück vom mythischen Buch und weiß nun, was er ja sowieso schon wusste – Bosco hat das Buch.

Nächste Rückblende – und nun wird es noch wirrer, sofern das überhaupt noch möglich ist. Der Soldatenkönig wollte wohl auch den letzten Meister (also den von Jonas, den mit dem Buch) töten.

Aber Hochmut kommt bekanntlich vor dem Fall – in diesem Fall wortwörtlich:

So stürzt der Soldatenkönig hinab und ist hinüber:

Was nun? Der Tyrann tot, das Buch in Sicherheit. Da sollte man meinen, es kommen bessere Zeiten – da es aber ein Rückblick ist, wissen wir, es wird schlimmer. Der Soldatenkönig hat nämlich zwei fast gleichaltrige Kinder. Kleo schnappt sich gleich mal mit diabolischem Grinsen den Revolver des Vaters:

Und der kleine Bosco scheint auch wenig begeistert vom Ausgang des Kampfes:

Der Meister? Schaut milde amüsiert zu und macht sich davon.

Nun sollen wir also glauben, dass der Meister kein Interesse hatte, die Kinder des Diktators unter seine Fittiche zu nehmen, damit sie nicht dem Bösen anheim fallen? Und dass Bosco und Kleo als ca. 10jährige Hosenscheißer in der Lage waren, das Imperium ihres Vaters zu übernehmen? Wo ist die Mutter? Wo ist das Jugendamt? Wo ist der Script Doctor?

Das war jetzt übrigens die Rückblende, die 20 Jahre vor der Rückblende von vor fünf Minuten spielt, in der der Meister selbst ermordet wurde. Verhau, ich erwähnte es bereits. Ich verkünde aber an dieser Stelle das erfreuliche Ende der Rückblenden, die immer mehr Chaos in die Handlung bringen, statt sie aufzuschlüsseln.

“Gegenwart”: Bosco hadert wieder mit dem Buch, dessen Inhalt er nicht vollständig entziffern kann, und Kleo macht ihm Vorwürfe, dass Jonas noch lebt und das Buch haben will. Die ganze Keiferei ist allerdings mal wieder selten sinnlos, denn beide haben exakt die gleichen “wants vs. needs”.

Um das etwas genauer zu erläutern: die “wants vs. needs” sind elementare Schlüssel des Drehbuchhandwerks. Sie bestimmen, was eine Figur will, was sie braucht, und warum diese Eigenschaften mit denen anderer Figuren kollidieren. Sie sind der Motor jedes Dramas – und fehlen hier. Was unterscheidet Kleo von Bosco? Was ist ihr Endziel? Was will Jonas – abgesehen von der schnöden Rache?  Wo keine Ziele gesetzt werden, kann sich natürlich auch keine Handlung entwickeln. Wie wir sehen werden.

Jonas hat erreicht, was er Linda am Anfang als sein Ziel geschildert hat: er kann seinen Meister begraben. Das geschieht in einer Nachtsequenz, die mit überzogener Beleuchtung und Kunstnebel an einen billigen Horrorfilm erinnert.

Bosco trainiert derweil neue “Superfighter” nach den Prinzipien des Buches:

Ich weiß, dass es dem Flow dieser Fotostory nicht hilfreich ist, wenn ich immer wieder unterbreche, aber ich muss an dieser Stelle erneut die Pausetaste drücken. Das wirklich einzige Story-Element, das tatsächlich etabliert wird, ist das Buch. Es enthält angeblich Kapitel, die den Schüler zum ultimativen Meister machen. Das ist wahrlich keine neue Idee, die Suche nach dem “letzten Wissen” ist ein Klischee aus der Kampfsport-Kramschublade. Mein liebstes Exemplar der Gattung:

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In KAMPFANSAGE ist das Buch letztlich wertlos – selbst wenn es eine Macht hätte, die es mit Jonas oder Bosco teilen könnte. Weil niemand es je lange genug in Besitz hat, um es zu entschlüsseln. Es wird immer nur davon geredet, was man mit dem Buch machen KÖNNTE. Es ist wieder mal eine vertane Chance.

Das ist umso bedauerlicher, da der Requisiteur sich mit dem Buch wirklich Mühe gegeben hat – das hätte ich gerne als Souvenir im Schrank:

Aus dem Nähkästchen geplaudert wäre das ganz klassisch besser gewesen: Bosco will das Buch haben, er muss es lesen und dadurch übermenschliche Kräfte erlangen. Dann stellt er sich Jonas zum Duell – und verliert, weil Jonas die “wahre Kraft des Kampfes” in seinem Herzen findet. Nicht neu, nicht originell, aber es funktioniert wenigstens.

Hier ist es so, dass wir zum Nachspann einfach die Schulter zucken und sagen “das Buch war wohl doch nicht so wichtig”.

Matte Painting Sammelbild Nr. 6:


Matte Painting Sammelbild Nr. 7 – ein typischer Morgen in Kreuzberg:

Jonas hat seinen Meister ordnungsgemäß verbuddelt – und gleich noch zwei Tonnen Steine draufgepackt, warum auch immer.

Doch er ist in Gefahr – Schinken und seine Männer haben ihn entdeckt!

Jonas sieht zu, dass er Land gewinnt:

Matte Painting Sammelbild Nr. 8:

Ich weiß nicht genau, in was Jonas da flüchtet -Tunnel? Katakomben?

Schinken ist furchtbar wütend, dass seine Leute Jonas nicht aufspüren können…

… der einen Meter entfernt vor ihnen unter einer Mauer hockt:

Besondere Ausdauer oder Motivation hat der Schlägertrupp nicht und zieht ab – Jonas aber tritt in eine Seilschlinge, die ihn an die Decke zieht:

Nun ist er der Gnade dieses Grinsepeter ausgeliefert – Vinzent heißt er, wie wir natürlich erst später erfahren werden:

Man kann es nicht anders ausdrücken: Das Figurenverständnis von KAMPFANSAGE befindet sich auf dem Niveau von hyperaktiven 12jährigen. Bosco ist voll böse, Jonas ist voll gut, die Marie wird seine Freundin, und der Vinzent hier ist natürlich der lange gesuchte “beste Freund”, den unser Held einfach braucht.

Und wie werden Jungs zu Brüdern? In dem sie sich hauen natürlich:

Man merkt, dass Landwehr und Zschiesche seit Jahren ein eingespieltes Team sind – ihr Fight ist locker der Höhepunkt des Films.

Nur leider spielen beide das Duell mit einem derart überzogenen Augenzwinkern, dass wir es in keiner Sekunde ernst nehmen können.

Worum geht es überhaupt in diesem Kampf? Was soll bewiesen werden? Was ist daran mehr als ein pubertärer Schwanzvergleich?

Darf man überhaupt die Frage stellen, wieso Vinzent als Fighter Jonas fast ebenbürtig ist? Schließlich ist er nur ein kleiner Deserteur aus Boscos Armee, wie wir später erfahren werden.

Egal. Hauen, treten, springen, ducken, blocken, zack zack zack.

Aber selbst in dieser – der besten – Kampfszene fällt auf, dass es an Struktur mangelt. Die Fights sind gut, aber sie steigern sich nicht, weder in Technik noch im Einsatz. Es gibt keine innere Dramaturgie, kein auf und ab, nur sehr professionelle Klopperei, bis halt irgendwie Schluss ist.

Als die beiden Kampfhähne keine Lust mehr haben, ist entschieden: nun sind wir die voll besten Freunde. Und bevor ich es vergesse: Marie ist Vinzents Schwester.

Jonas lernt die anderen Mitstreiter von Vinzent kennen. Bei Malte (l.) brauchen wir nur auf den Gesichtsausdruck zu schauen, um zu wissen, was Sache ist:

Macht euch keine Hoffnungen: wir werden nicht erfahren, wie diese kleine Gruppe aus Boscos Armee desertieren konnte. Warum nur Vinzent nennenswert Kampfkunst beherrscht. Wieso sie nicht aus Berlin abgehauen sind. Das wären schließlich Informationen, mit denen man etwas anfangen könnte.

Nach einem harten Tag braucht ein Diktator mal ein entspanntes Schaumbad:

Und eine Schwester, die sich bereitwillig von ihm pimpern lässt:

Jawoll, wir haben Inzest. Völlig unnötig, subkutan ekelhaft, aber vermutlich der Tatsache geschuldet, dass Bosco und Kleo sonst so gar nichts haben, was sie irgendwie interessant macht. Vielleicht soll das (Bad inklusive) auch so eine Art Reminiszenz an die römischen Diktatoren darstellen:

Meiner spärlichen Erinnerung nach ist es ziemlich schwierig, während des Beischlafs die weiteren Pläne zur Erringung der Weltherrschaft zu besprechen, aber Bosco und Kleo gelingt es – Johannes Jaegers Vorstellung von Sex entspricht der von Katusin.

Kleo verlangt von Bosco, Jonas statt der üblichen Handlanger seine neuen “Superschüler” auf den Hals zu hetzen, was Bosco aber nicht will, weil diese noch nicht fertig ausgebildet seien. Wir ahnen: das hat alles nix mit nix zu tun.

Es wird auch noch schwadroniert, man müsse an Jonas den Tod ihres Vaters rächen. Da möchte ich gerne mal die Timeline der Ereignisse fragen: Was sagt die Timeline der Ereignisse dazu? Die Timeline der Ereignisse sagt: PRÖÖÖÖÖÖT!!!! Leider keine Übereinstimmung. Jonas war weder beim Tod des Soldatenkönigs präsent noch irgendwie an ihm beteiligt. Es scheint, als wüssten nicht mal die Figuren selber, was sie erlebt haben oder was sie motiviert.

Ich bin müde, ihr werdet es auch. Gönnen wir uns das einzige “eye candy” des Films – Zora Holt hält das männliche Publikum wach:

Beim gemeinsamen Mahl teilt Jonas seiner neuen Clique mit, dass er beabsichtigt, Bosco in seinem Hauptquartier einen Besuch abzustatten.

Ein weiterer Blick auf Malte garantiert uns: das ist die Ratte der Gruppe.

Vinzent teilt Jonas mit, wo er Bosco finden kann, verbunden mit der Warnung: “Rein kommst du vielleicht, aber raus?”

Was zur Hölle soll das heißen?! Wenn Jonas es ins Hauptquartier schafft und wie geplant Bosco besiegt, dann ist Boscos Herrschaft beendet und es dürfte überhaupt kein Problem sein, rauszukommen. Wen bitteschön sollen die Wachen denn noch bewachen?! Kann nicht mal EIN Dialog irgendwas Plausibles zur Handlung beitragen?!

Ein Laster fährt am Hauptquartier vor – Jonas hängt knaller-unauffällig drunter. Selbst Stevie Wonder würde sich davon nicht täuschen lassen:

Top-Wachpersonal, wohin man schaut:

Ich könnte an dieser Stelle das Fass aufmachen, dass die Schergen von Bosco aus unerfindlichen Gründen Skimützen und Mundschutz tragen, aber das ist natürlich der Tatsache geschuldet, dass die verfügbaren Stuntmänner nur in begrenzter Zahl zur Verfügung standen und auf diese Weise wiederverwendet werdet konnten. Das war in ATOMIC EDEN ja noch krasser.

Die Wachen lenken sich mit Saufspielchen ab – Jonas kann tatsächlich ohne Plan oder Gegenwehr einfach ins Hauptquartier marschieren.

Wäre es ein bisschen zu viel verlangt gewesen, dass Vinzent ihm wenigstens was von einem Geheimgang steckt?! Oder eine Code-Karte für das Sicherheitssystem? Irgendwas, das uns das Gefühl gibt, dass das hier kein Spaziergang ist?

Anscheinend ja. Jonas findet problemlos das Buch in einer verschlossenen Kiste, deren Stäbe so weit auseinander stehen, dass er es mit wenig Geschick an der Seite herausziehen könnte.

Ich fühle mich an das “Gefängnis” von PRINCESS OF MARS erinnert:

Bosco erwischt Jonas auf frischer Tat und ködert ihn mit dem Schlüssel.

Vielleicht fällt nur mir das auf, aber warum zeigt Bosco Jonas den Schlüssel? Einen Kampf wird es so oder so geben und wenn Bosco verliert, weiß Jonas immer noch nicht, wie die Kiste zu öffnen ist. Der Schlüssel als Köder ist so unnötig wie dämlich. But hey – that’s Bosco for ya!

Auch bei dem Kampf zwischen Landwehr und Monz zeigt sich, dass beider Expertise in Sachen Martial Arts von Vorteil ist. Die können das:

Nun haben weder Bosco noch Jonas das “letzte Wissen” des Buches und ihr Kampf ist in etwa ebenbürtig – Jonas wird von der Klingenwaffe allerdings verletzt:

Einen wahren Helden hält sowas natürlich nicht auf:

Und siehe – Jonas hat Bosco tatsächlich den Schlüssel abgeluchst, der eher nach Mofa als nach antiker Metallkiste aussieht:

Als Bosco erneut zum Angriff übergehen will, greift plötzlich Vinzent ein:

Buuuhhh! Halt, Stop! So geht’s ja gar nicht! Es gehört zu den ehernen Kampfsportfilm-Regeln, dass der Held nicht zu Tricks greift, solange es der Bösewicht nicht zuerst tut. Bosco von Vinzent überwältigen zu lassen, ist absolut gegen den Ehrenkodex! Aber der Gesichtsausdruck von Bosco ist mir den extra Screenshot wert.

Jonas und Vinzent schnappen sich das Buch und machen den Pfeil – dieser Sprung vom Vordach kann sich wirklich sehen lassen, auch wenn das Weitwinkelobjektiv die wahrgenommene Sprunghöhe natürlich etwas verfälscht.

Es fehlt mir in dieser Sequenz wieder eindeutig die dramatische Schwere – die Jungs gehen stiften wie zwei Racker, die im Kaufhaus eine CD geklaut haben.


Matte Painting Sammelbild Nr. 9:

Malte beschwert sich über die gefährliche Aktion – man wollte doch den Ball flach halten, um Bosco nicht zu provozieren. Vinzent hält dagegen, dass man doch nicht ewig im Untergrund bleiben kann.

Das ist korrekt. Man kann nicht ewig im Untergrund bleiben, vor allem in Spuckweite des Hauptquartiers des Diktators mit seiner (limitierten) Armee. Was die Frage aufwirft, warum die nicht allesamt ihre Sachen packen und abhauen? Um die Bremer Stadtmusikanten zu zitieren: “Etwas Besseres als den Tod findest du überall.”

Malte könnte übrigens mittlerweile ein T-Shirt mit der Aufschrift “Verräter” tragen.

Jonas erklärt, dass das Buch große Macht verleiht – aber das Thema hatten wir schon: wird es nicht. An keiner Stelle.

Bosco gesteht seiner Schwester, dass sowohl das Buch als auch Jonas über alle Berge sind. Wie konnte er denn auch ahnen, dass es jemanden gibt, der sich auf seine Seite stellt?! Kleo weiß das passende Gegenmittel: einfach die Vorräte der Überlebenden in der Stadt vernichten, damit sie Jonas verraten.

Brisco… ähhh, Bosco ist begeistert von der Idee, während ich mich frage, warum man den Überlebenden überhaupt Vorräte gelassen hat, wenn man doch weiß, wo diese sich befinden. Welche Wert haben diese Ruinenratten für den Diktator?

In einer schlecht gefakten Nachtaufnahme kommt es zu so einer Art Razzia.

Schinken teilt den verängstigten Bewohnern mit, dass sie Jonas bitteschön ausfindig machen und ausliefern sollen.

Tatsächlich schauen die Leute bei Vinzent vorbei und verlangen die Herausgabe von Jonas. Was aber nicht in Frage kommt und das Thema schon wieder erledigt.

Matte Painting Sammelbild Nr. 10:

Es wird beschlossen, dass die Überlebenden mehr Training brauchen, um gegen Bosco und seine Mannen zu bestehen. Also bringt Jonas ihnen geduldig die Geheimnisse der Kampfkunst bei:

Halt, Moment! Ich dachte, Vinzent kann schon superdufte kämpfen? Und wieso können die auf einmal ohne Sorge in aller Öffentlichkeit trainieren? Und wie viel Zeit haben die dafür? Drei Tage, drei Wochen, drei Monate?

Bezeichnend ist übrigens, dass auch Marie beim Training gezeigt wird:

Fakt ist aber: Von ihr sehen wie null kampfsportlichen Einsatz. Ihre gesamte Bedeutung für den Film ist “Freundin, die immer mal wieder in Gefahr gerät”. Genauso, wie Kleo lediglich “die böse Bitch” ist. Dass Johannes Jaeger nicht eine ernstzunehmende weibliche Rolle in seinen Film geschrieben hat, ist auffällig.

Matte Painting Sammelbild Nr. 11 (wobei das hier sogar in 3D animiert ist):

Es wird Nacht, Señorita.

Wir schauen den neuen “Superschülern” von Bosco beim Training zu – wobei die genau genommen keine Superschüler sein können, weil Bosco das Buch nie ganz entschlüsseln konnte und momentan auch nicht mehr besitzt.

Aber wen sehen wir denn da?

Jawoll, das ist Mike Möller, Stuntman und Fighter extraordinaire, über den ich mich im Zusammenhang mit ATOMIC EDEN schon sehr positiv geäußert habe. Er spielt hier nur eine Nebenrolle, bekommt aber einen der besten Fights zugesprochen. Seine sehr üppige Filmographie zu durchforsten erinnert an einen Kaninchenbau, von dem ich nicht weiß, ob ich in ihn hinabsteigen möchte…

Die Restbewohner von Berlin/Himmelpfort sind nun ausreichend trainiert, um sich an den Schergen Boscos zu rächen. Diverse werden der Einfachheit halber durch geschlossene Fenster entsorgt.

Ich verstehe, was diese Szenen repräsentieren sollen: der kleine Mann steht auf, hat seinen “Popeye point“, lässt sich von den Bösen nix mehr gefallen:

Das Problem: Es wird halt auch nie wieder aufgegriffen und ist für die finale Konfliktlösung nicht von Belang. Es ist kein Wendepunkt.

In einer weiteren spektakulären Aktion kapern Vinzent und Jonas den LKW mit den von Bosco geklauten Lebensmitteln:

Wir sollen in dieser Szene glauben, dass es Schokoriegel gibt, die auch nach mehreren Jahrzehnten noch problemlos essbar sind:

Der banale Hintergrund: Nach Aussage des Regisseur gab es hier tatsächlich einen Sponsoring-Deal, der sich mir allerdings nicht erschließt, da man die Marke des Riegels nicht erkennen kann.

Vinzent hat wieder einmal erheblich zu viel Spaß daran, in der lebensfeindlichen Apokalypse um sein Leben zu kämpfen:

Ich merke gerade zu meiner Freude, dass wir die Hälfte der Laufzeit hinter uns gelassen haben. Es geht voran!

Malte macht bei Vinzent wieder mal schlechte Stimmung und man möchte den Bildschirm anschreien: “Du bist der Verräter – mach hinne!”

Nun kommt wieder eine Sequenz, deren Herstellung mich beeindruckt, deren Sinn ich aber nicht verstehe. Vinzenz und Jonas sind mit dem LKW unterwegs:

Da kommt ihnen ein weiterer Truck mit dem Schinken und Konsorten entgegen:

Das läuft auf ein klassisches “game of chicken” hinaus:

Vinzent und Jonas so: “AAAHHH!!!”

Der Schinken und Konsorten so: “AAAHHH!!!”

Statt Crash kommen die Fahrzeuge Zentimeter voneinander entfernt zum Stillstand – was dem ganzen Prinzip des “game of chicken” zuwider läuft.

Vor allem aber: Diese Sequenz ist komplett digital animiert und sieht wie ein Videospiel aus. Was sollte das? Wer hat das entschieden? Wo ist der Mehrwert?

Der Schinken macht erst auf dicke Hose…

… flüchtet dann aber doch wie der Hasenfuß, der er ist:

Die Menschen des Viertels freuen sich über die rückeroberten Lebensmittel und unter triumphaler Musik kommt es zur Verteilung:

Für Schinken ist die Sache erwartungsgemäß nicht gut ausgegangen:

Er ist in diesem Moment auch nicht der einzige, dem nackert die Hände über den Kopf gebunden sind – Malte hat sich endlich zum Verrat durchringen können, was ihn bei Kleo aber auch nicht zum Champion gemacht hat:

Nun kann man legitim die Frage stellen, WAS Malte denn genau verraten könnte. Es ist ja nicht so, dass Vinzent und seine Truppe sich wahnsinnig clever verstecken würden. Der Film umschifft das mit einem weiteren denkwürdigen Ballaballa-Dialog des Diktatoren-Duos:

Bosco: “Was weiß er?”

Kleo: “Alles.”

Bosco: “Gut.”

Bosco (zu Malte): “Wenn du gelogen hast, hänge ich deinen Schwanz raus zum Trocknen.”

Ich hätte länger drüber gelacht, wenn mir die nächste Szene nicht schon wieder alles verdorben hätte. In Anbetracht ihrer Erfolge hat sich die Restbevölkerung von (ach scheiß drauf) Berlin entschlossen, eine Rave-Fete zu feiern:

I shit you not – let’s get this party started!

Man trinkt Red Bull und “BoscoBräu”, die Bässe wummern, der Techno hämmert, der DJ throws his hands in the air like he just don’t care.

Das ist in einem Maße deppert., dass ich es kaum beschreiben kann. Genauso gut könnten die Bosco eine SMS schreiben: “Wir sind gerade im Tacheles, es geht voll ab, komm doch vorbei!”

Vinzent erinnert Jonas bierselig daran, dass seine Schwester voraussichtlich sexuell verfügbar ist, wenn er es richtig anstellt:

In der Tat macht Marie einen auf mächtig lasziv in Jonas’ Richtung:

Jonas so: “Oookay.”

Marie so: “Wollen wir mal vor die Tür gehen?”

Das ist so… pubertär. Wie ich das von Teenager-Partys aus den 80ern kenne. Mich würde nicht überraschen, wenn Jonas fragt, ob Marie mit ihm gehen will.

Tatsächlich nähern sich Jonas Marie einander in einem unfassbar steifen, hilflosen und unnatürlichen Dialog an. Da ist null Chemie, null Charme.

Trotzdem muss, was muss – der Koitus!.

Die beide bekommen in den Krallen der Wollust demnach gar nicht mit, dass die Superschüler von Bosco den Discoabend überfallen, den Malte “verraten” hat (und der vermutlich bis nach Potsdam zu hören war). Mike Möller throws the first punch!

Ganz schick ist, dass der Überfall mit Stroboskop-Effekt gefilmt ist, was immer wieder für eine schicke Art panischer Momentaufnahmen sorgt:

Trotz Jonas’ Training können die tanzwütigen Apokalyptiker (Bezeichnung auf Anfrage als Bandname lizensierbar) den Schurken kaum etwas entgegen setzen:

Vinzent gibt sein Bestes…

… aber da ist ein ganz besonders fieser Fiesling, an dem er sich die Zähne ausbeißt:

Und wumms – geht unser Grinsepeter ganz unkomisch zu Boden.

Regisseure mit etwas mehr Stilbewusstsein hätten es vielleicht interessant gefunden, den Sex von Jonas und Marie mit den Schlägereien in der Disco bis zum Höhepunkt (Orgasmus/finaler Tritt gegen Vinzent) gegeneinander zu schneiden. Aber züchtig wird auf alles verzichtet, was 12jährige hormonell desorientieren könnte und wir schalten gleich zum postkoitalen Kuscheling:

Meine These? Die ganze Rave-Nummer ist ein Überbleibsel der ursprünglichen Fassung von KAMPFANSAGE, als von Apokalypse und faschistischer Diktatur noch gar nicht die rede war. In das Konzept mit der Berliner Automafia passt die Sequenz nämlich deutlich besser.

Vinzent ist nun in den Fängen von Bosco, beziehungsweise seines Henkers – Auftritt Bela B. Felsenheimer, der sich bekanntermaßen für nix zu schade ist:

Wer diese Figur ist, warum sie so entstellt aussieht? Keine Ahnung. Wird nicht erklärt. Ich möchte aber wetten, dass Bela für seinen Text selber verantwortlich war, denn dass Johannes Jaeger allen Ernstes Zitate aus C. F. Meyers „Die Füße im Feuer“ unterbringen wollte, mag ich nicht glauben:

“Ich bin ein Knecht des Königs,
als Kurier geschickt nach Nîmes.
Herbergt mich,
ihr kennt des Königs Rock.
Die nackten Füße pack ich ihm
und strecke sie tief mitten in die Glut.
Er windet sich, aufglüht und zischt
ein Feuermeer, das ihn verschlingt.”

Und so weiter. Man schämt sich schon ein bisschen.

So ganz zufrieden mit der Aktion ist Bosco allerdings nicht. Jonas ist ihm erneut durch die Lappen gegangen. Also muss Malte sich ordentlich verhauen lassen. Wenigstens befindet sich das Buch, um das sich alles dreht und das doch nichts bedeutet, wieder in der Hand des Diktators.

Ich hatte im Zusammenhang mit einem anderen Film, der mir gerade entfallen ist, bereits darauf hingewiesen, dass es wenig Sinn macht, wenn Schurken einen Köder für den Helden legen, der doch sowieso auf der Suche nach ihnen ist. So auch hier: Bosco inszeniert aufwändig die “Hinrichtung” von Vinzent, obwohl es vermutlich reichen würde, das Tor zur Villa nicht abzuschließen.

Und natürlich: Jonas und Marie haben bereits einen halbgaren Plan.

Es hätte mich übrigens gefreut, wenn sich Jonas wenigstens eine Sekunde der Wut und des Selbstzweifels gegönnt hätte, weil sein bester Freund gekidnappt wurde, während er dessen Schwester pimperte. Aber nein – für derlei Gefühlsduseleien ist kein Platz.

Vinzent wird nun im wahrsten Sinne des Wortes Feuer unterm Arsch gemacht.

Bosco und Kleo warten darauf, dass Jonas eingreift.

Jonas greift ein!

Marie hingegen lässt sich gleich wieder gefangen nehmen.

Nach gestoppter Filmzeit von über 50 Sekunden müsste Vinzent eigentlich schon “medium well done” sein, als Jonas ihn endlich befreit:

Der Henker will sich den Absprung vom Schafott nicht gefallen lassen, endet dafür selber als lebende Fackel. Bye bye, Bela!

Der Rest ist im Grunde genommen schnell erzählt – es ist ein einzig Hauen und Stechen in verschiedenen Konstellationen. So werden die Superschüler…

… von unseren beiden Helden…

… im Schweinsgalopp außer Gefecht gesetzt.

Danach heißt es “geteilt zuschlagen, gemeinsam siegen” die Devise. Vinzent stolpert über eine Fighterin und den fast unkaputtbaren Mike Möller:

Jonas stöbert derweil Bosco, das Buch und Marie auf.

Die natürliche Rolle der Frau im pubertären Remmidemmi-Film:

Weil alle Beteiligten die 90 Minuten-Marke reissen wollen/müssen, stellt sich Jonas erstmal der Superschüler aller Superschüler in den Weg, der auch noch Kloppe verdient, weil er ja Vinzent böse (aber anscheinend folgenlos) zu Brei getreten hat:

Gekloppt wird nun auf zwei Ebenen… mal hier…

… mal da…

… und dann wieder hier.

Mit ordentlich Kawuppdich haut Jonas schließlich den Finsterling durch die geschlossene Tür (take that, Jackie Chan!)…

… und damit is Brisc… Bosco der finale Bossfight:

Um der schönen Aussicht willen prügelt man sich ins Obergeschoss und dann nach draußen auf das Dach hinaus:

Ja, es ist nun helllichter Tag. Wollt ihr euch ernsthaft darüber beschweren?!

Links in die Fresse, rechts in die Eier, Kimme Korn, hau den Lukas!

Matte Painting Sammelbild Nr. 12:

Es wird nicht an aufwändigen und beeindruckenden “moves” gespart:

Leider ist der computergenerierte Hintergrund immer sehr offensichtlich:

Ich habe bisher immer nur vermutet, dass Vinzent so gut gelaunt ist, weil er intellektuell weniger gut bestückt ist. “Lieber etwas dümmer als geistig entwurzelt”, schrieb ja schon Botho Strauss. Das beweist sich nun, als ihm nicht dämmert, dass die halbnackte Frau mit der rechten Hand hinter dem Rücken womöglich sinistre Absichten hat. Dafür bekommt er dann auch prompt eine Kugel verpasst.

Jonas hat derweil ohne größeres Drama die Oberhand gewonnen.

In jedem anständigen Kampfsport-Film würde der Held den Bösewicht nie abstürzen lassen, weil das gegen seinen Moralkodex verstößt. Er würde ihn retten, der Bösewicht würde ihn erneut attackieren, und der folgende Tod wäre blanke Notwehr. This is the way!

Dieser Dramaturgie fühlt sich KAMPFANSAGE allerdings nicht verpflichtet – Jonas lässt Bosco einfach in den Tod plumpsen.

Und da liegt er dann wie einst sein Vater. Ironie des Schicksals? Dazu müsste der Film ein rudimentäres Verständnis haben, was das ist.

Jonas befreit Marie, aber damit ist die Gefahr noch nicht ausgestanden…

… denn Kleo hat noch Kugeln im Revolver:

Weil aber niemand in diesem Film ernsthaften Schaden erleidet, wird sie von Vinzent gemeuchelt, für den die Kugel in der Brust wohl eher so etwas wie ein Kratzer ist.

Dann kippt er doch um – tot? Das ultimative Opfer für den besten Freund?

Quatsch. Eine Sekunde später sitzt er schon wieder als Rekonvaleszent auf der Liege und studiert das Buch. Die Chance, sein mögliches Ableben zu einem relevanten emotionalen Moment zu machen, ist für einen Film wie KAMPFANSAGE schlicht zu banal.

Matte Painting Sammelbild Nr. 13:

Ahhh, die Freuden des Happy Ends. Bosco tot, Kleo tot, die Welt befreit von… von was eigentlich? Einem Deppen-Duo mit zwei Dutzend Schlägern? Und deren Ende wird nun irgendwie das Ende der Apokalypse einläuten?

Siehe! Da kommt Linda als Vorhut der Menschen, die nun wieder in dem Drecksloch, als das Berlin im Film portraitiert wird, leben können! Hurra! Nie mehr auf dem gesunden Land mit Tier- und Pflanzenwelt im Einklang! Endlich wieder Ruinen, Müll und Ratten! Berlin Berlin, dein Herz kennt keine Mauern!

Und damit gehen wir in den Nachspann, der von deutschem Gangsta-Rap beschallt und mit Bloopern und Szenen von den Dreharbeiten bestückt wird.

Isch ‘abe fertig.

Damit seid ihr auf dem selben Stand wie ich, nachdem ich KAMPFANSAGE am 31.7.2005 im Kino gesehen hatte. Mein Co-Autor Marc und ich waren uns weitgehend einig: das war massiver Kappes, was umso ärgerlicher war, weil einige Darsteller und sogar die Effekte teilweise Besseres verdient gehabt hätten. Die alte Leier: die Ambitionen waren da, die technischen Möglichkeiten auch, aber Film ist eben in erster Linie Storytelling – und das muss man können. In dieser Beziehung ist KAMPFANSAGE verwandt mit RAPUNZELS FLUCH und IRON DOORS. Der Geist ist willig, aber das Talent ist schwach.

Gut zwei Wochen nach dem Screening raffte ich mich endlich auf, dem Produzenten von action concept meine gesammelten Gedanken zu schicken. Das war natürlich eine heikle Angelegenheit: anders als ehrlich kann ich nicht, aber man will einem potenziellen Geschäftspartner auch nicht vors Schienbein treten. Ich entschied mich, aus meinem Herzen keine Mördergrube zu machen – zumal ich überzeugt war, dass jeder Mensch mit einem rudimentären Verständnis von Storytelling das nicht anders sehen konnte.

Hier die anonymisierte und aus Gründen leicht gekürzte Email, die ich vor diesem Review nicht noch einmal gelesen hatte. Mich überrascht, wie sehr sich meine Gedanken heute mit denen von damals decken:

War wirklich nett, neulich mir dir zusammen zu sitzen. Es ist immer schön, mal jemanden zu treffen, der in der Lage ist, über den deutschen Tellerrand zu schauen.

Zu “Kampfansage”  ein paar Worte: Insbesondere angesichts des tollen Promos konnte der fertige Film nur enttäuschen. Wir alle sind lange genug im Geschäft, um zu wissen, welche Schwächen sich angesichts des Budgets und der Beteiligten nicht vermeiden lassen – und was einfach nicht hätte passieren dürfen. Ich versuche mal, das ein wenig aufzuschlüsseln.

POSITIV: Der Look des Films war (trotz der Video-Qualität auf der großen Leinwand) klasse, und die Kameraarbeit kann sich sehen lassen. Die Choreographie der Kämpfe – jenseits aller Kritik. Auch die Effekte, insbesondere die Matte Paintings, konnten überzeugen, weil sie für diesen Film auch nicht fotorealistisch sein mussten.

Mathis Landwehr hatte genau den richtigen “Look”, ebenso Volkram Zschiesche. Die Regie ist (trotz der Schwierigkeiten – siehe weiter unten) sehr solide. Zusammengenommen – für dieses Budget nachgerade unglaublich.

UNVERMEIDBAR: Häßlicher Videolook auf der großen Leinwand, starke Schwankungen in den schauspielerischen Qualitäten der Darsteller, beschränkte Menge an Locations, mitunter mangelnde Anzahl an Komparsen.

UNVERZEIHLICH: Das Skript. Wir reden hier nicht von “schlecht”, wir reden von “indiskutabel”. Und ihr als Produktionsfirma hättet es sehen müssen – dass Johannes als Amateurfilmer sein eigenes Drehbuch nicht realistisch bewerten kann, ist klar. Aber wenn ihr ihm Geld, Stuntleute, Effektfirmen, und professionelles Equipment verschaffen könnt, dann sollte ein Drehbuch-Profi eigentlich auch noch drin sein. Bei den Dialogen möchte man weinen. Nun ist action concept (leider!) nicht für grandiose Skripts bekannt, aber diesen Kappes hätte es nicht gebraucht. Nur die schlimmsten Aussetzer:

– Die längste Opening Narration seit “Alone in the Dark” erzählt minutenlang, was VOR dem Film passiert ist, schafft es aber an keiner Stelle, die AKTUELLE Welt halbwegs glaubhaft zu erklären.
– Ist Bosco nach dem Tod seines Vaters noch oder wieder Herrscher? Über WAS herrscht er – Himmelpfort, ganz Ex-Deutschland, die Welt? Was gibt ihm und seiner Schwester überhaupt die Macht über irgendwen?
– Was genau soll das Buch bedeuten? Niemand, der es im Laufe des Films besitzt, zieht daraus einen Vorteil.
– Was ist das Ziel des Helden? Warum sind die Kanalratten um Vinzent nicht längst aus der Stadt geflohen? Wieso gibt es nach dem Zusammenbruch der Zivilisation noch Strom für Discos, und Benzin für Trucks? Wie schmecken 20 Jahre alte Schokoriegel? Etc, pp.
– Das “Myth Building”, also die Erschaffung einer halbwegs glaubhaften, in sich geschlossenen Welt ist komplett schiefgelaufen.
– Desweiteren kämpft Jonas für seinen toten Meister, Bosco für seinen toten Vater – Held und Bösewicht haben also nicht einmal ein PERSÖNLICHES Problem miteinander! Kurzum – Martial Arts-Filmklischees werden bedient, aber leider nicht verstanden.

– Der Aufbau des Films ist komplett unverständlich. Da niemand genau weiß, was das Buch soll (und sein Besitz ja auch scheinbar niemandem Vorteile bringt), gibt es keinen “hero’s journey”, keinen inneren Antrieb. Der Film plätschert trotz permanenter Action vor sich hin, und wird schnell langweilig. Es geht ja letztlich um nichts. Oder doch? Geht’s um Köln? Die ganze Welt? Man weiß es nicht. Und als die 90 Minuten voll sind, fällt der Bösewicht vom Dach. Man faßt es nicht.
– Das wirkt sich dann auch auf die an sich guten Martial Arts-Sequenzen aus: Es gibt keine Steigerungen. Der beste Kampf ist eigentlich der von Jonas und Vinzent – und der kommt am Anfang des zweiten Akts. Da hättet ihr von den “Rocky-Filmen” lernen sollen: Erstmal kriegt der Held permanent eins auf die Mütze, dann trainiert er volle Kanne, im großen Endkampf wird er wieder zu Brei geklopft, rafft sich aber wieder auf – und siegt. Bei “Kampfansage” sind hingegen fünf oder sechs größere Kampfszenen beliebig im Film verteilt.

– Während Mathis noch durchgeht (sehr “likable”), und auch Volkram die Sympathien auf seiner Seite hat, geht Christian überhaupt nicht. Der stellt keinerlei Bedrohungspotenzial dar, und lässt den Zuschauer komplett unbeeindruckt zurück. Seine Schwester ist als Charakter unnötig und ärgerlich, zumal sie die Handlung aufhält.

Was mich besonders ärgert: “Kampfansage” hat alles, was man für einen guten Film dieses Genres braucht. Aber der Drehbuchautor Johannes stellt dem Regisseur Johannes so kapital ein Bein, dass es strafbar sein sollte.
Und es wäre ja auch wirklich kein Nobelpreisträger von Nöten gewesen, um die Sachen hinzubiegen. Ich hätte als Autor folgendes geändert:

– Die Opening Narration wird auf zwei Halbsätze gekürzt (“Nach dem Ende der Zivilisation – jenseits des Zeitalters der Feuerwaffen”), und die Vorgeschichte radikal zusammen gestrichen
– Alle Rückblenden fallen raus, inklusive der Verletzung von Jonas
– Das Buch verleiht irgendeine magische Kraft, etwas, dass den Benutzer unbesiegbar macht (siehe Filme wie “Tanz des Drachen”, “Double Dragon”, etc.)
– Jonas muss sich steigernde Gegner besiegen, um zu Bosco zu gelangen
– Jonas überwindet ein Hindernis, hilft den Menschen von Himmelspforten, die sich dann auf seine Seite stellen
– Vinzent wird ermordet, während Jonas mit seiner Schwester rum macht – Jonas fühlt sich schuldig, will aufgeben
– Bosco gilt als unbesiegbar, hat PERSÖNLICH die meisten alten Meister im Ring platt gemacht – und er will Vinzents Schwester für sich selbst haben
– Am Schluss geht es um einen Sturm auf Berlin, das Zentrum der “alten Macht” – und DABEI krachen die Reste des Reichstags zusammen (key visual!)
– Der große Schlusskampf scheint nicht gewinnbar – Bosco hat das Buch und die magischen Kräfte. Aber Jonas beweist, dass wahre Kraft aus dem Herzen kommt, und besiegt ihn

Das ist keine Frage des Budgets oder der Darsteller, das ist eine Frage des Verständnisses von Storydramaturgie. Martial Arts-Klopper sind kein Shakespeare, gerade deshalb sollte das doch nicht so schwer sein. Aber die Grundfrage ist eben nicht: Warum konnte Johannes das nicht? Die Grundfrage ist: Warum habt ihr nicht gemerkt, dass er es nicht kann? Ihr hattet doch die Zügel in der Hand – dem Jungen einen Autor an die Seite zu stellen, wäre eine Kleinigkeit gewesen.

Ein potenziell so interessanter Film sollte an sowas nicht scheitern. Das ist wirklich schade. So, jetzt habe ich es von der Seele, und nun kann man sich neuen Dingen zuwenden.

Wow, im Nachhinein liest sich das erheblich brutaler, als ich es in Erinnerung hatte. Würde ich heute mit Sicherheit SO nicht mehr machen. Aber ich war jung und hatte dicke Eier.

Aber gut: zwischen den Leuten, die hinter den Kulissen werkeln, wird gerne mal Tacheles geredet. “Unter uns Betschwestern” kann man so etwas schreiben. Problematisch war nur, dass der Produzent die Email unkommentiert an Johannes Jaeger weiterleitete…

Ich weiß ehrlich nicht, ob ich mir als Jungfilmer eine solche Email eines Außenstehenden hätte gefallen lassen. Oder ob sie mich schwer getroffen hätte. Wut, Enttäuschung – Zustimmung? Es war für mich zu diesem Zeitpunkt ja unmöglich zu wissen, wie Johannes selber seinen Film beurteilte. Als Reaktion war alles möglich: von “Wie kannst du es wagen?!” bis “Ja, klar, ist am Ende totaler Käse geworden”.

Ich war nicht wenig baff, als ich am 16.8. eine sehr lange Email von Johannes bekam. Der Inhalt überraschte mich, denn der Regisseur und Autor von KAMPFANSAGE war durchaus selbstkritisch, auch wenn er praktisch alle Defizite des Films auf Zeit-, Geld- und Organisationsprobleme schob. Er erklärte einige der auffälligsten Fehler, die durch “studio interference” zustande gekommen waren, ärgerte sich über ein zu hastig zusammen gestoppeltes Skript, und versprach Besserung bei seinen nächsten Filmen.

Ich antwortete ausführlich – auch, weil ich ein schlechtes Gewissen hatte. Es war nie meine Absicht, direkt auf Johannes Jaeger einzuprügeln. Die Email hätte er so niemals lesen dürfen. Aber ich war auch nicht bereit, ihn so einfach von der Leine zu lassen. Eine plausible Kerngeschichte und Figuren mit nachvollziehbaren Beziehungen sind keine Frage von Zeit und Geld. Der Kampfsportfilm ist keine hohe Kunst des Storytelling. Manchmal muss man auch eingestehen, dass man selber überfordert war.

Es freut mich im Nachhinein, dass Johannes und ich nach diesem Austausch ohne tieferen Groll auseinander gehen konnten. Immerhin hatte ich so einen etwas tieferen Einblick in die Produktion bekommen.

Die zeitgenössische Kritik ging ebenfalls nicht zimperlich mit KAMPFANSAGE um. Das “Lexikon des Internationalen Films” urteilte streng, aber gerecht:

“Erster deutscher Martial-Arts-Film, dessen Kämpfe sich durchaus sehen lassen können und dessen digitale Nachproduktion angesichts des geringen Budgets durchaus überzeugend ausfällt. Dafür stellen die klischeebehaftete Story, das undurchdachte Buch und die überforderten Laiendarsteller den Zuschauer auf eine arge Probe.”

Ich kann auch der Kritik bei Badmovies von Kollege Crowley zustimmen:

“Doofe Stories und schlechte Umsetzungen sind wir von B-Kloppern gewöhnt. Und auch hier werden wir mit wirklich netten Fights dafür entschädigt. ABER was hier an visuell Erbrochenem auf den Zuschauer ausgeleert wird, ist schon allerhand und kann einem das ganze doch leicht vergällen. Mit Bier und Freunden (…) macht die ganze Chose aber genug Laune um dem (seeeehr) anspruchslosen Verhaufilmfreund empfohlen zu werden.”

Den Freund hatte ich, das Bier hatte ich – passt schon.

CINEMA.DE schoss beim steten Versuch, dem filmischen Bemühen etwas Positives abzugewinnen, weit über das Ziel hinaus:

.”..perfekt choreografierte Kämpfe, charismatische Darsteller und eine martialische Story. (…) Zwar wirken manche Dialoge banal und hölzern, der Soundtrack unentschieden und die Kameraführung verspielt, doch unausgegorener Amateur-Trash sieht anders aus.”

Und was war nun das Ende vom Lied? Abgesehen vom Fantasy Filmfest wurde KAMPFANSAGE in der Tat ein “direct to DVD”-Release im Mai 2006 und verschwand relativ schnell in der Versenkung. Es folgten sporadische TV-Ausstrahlungen, aber der Vorab-Publicity  konnte der Film an keiner Stelle gerecht werden. Die Hoffnung, um das Team von Landwehr ein deutsches Martial Arts-Genre aufzubauen, blieb unerfüllt, KAMPFANSAGE in Einzelkind.

So muss das finale Urteil lauten: Mutige Idee, miserable Umsetzung – aber nur so kommt die Branche voran. Jede Niederlage ist ein Lernprozess.

Gerade weil ich so hart auf einen Jungfilmer eingedroschen habe, fühle ich das Bedürfnis, meine Kritik durch die weitere Karriere der Beteiligten zu validieren.

Johannes Jaeger hat nie wieder Regie bei einem Film geführt oder ein Drehbuch umgesetzt. Er hat als Autor und Regisseur bei den Kindersendungen TERRA MAX und MYSTERY CHALLENGE gearbeitet.

Mathis Landwehr, sicher das Zugpferd von KAMPFANSAGE, wurde bald darauf für RTL und action concept der Kampfmönch LASKO – DIE FAUST GOTTES. Er hat sich auch darüber hinaus eine solide Karriere als Darsteller und Stuntman (u.a. THE FOREIGNER mit Jackie Chan) erarbeitet. Bei meinen Recherchen bin ich auf Promo-Artwork zu einem leider nicht verwirklichten Projekt gestoßen, das mich ungemein interessiert hätte: KARATE MAN.

Auch Zora Holt blieb RTL und action concept treu – sie spielte eine der Hauptrollen in der neu besetzten und verkürzten zweiten Staffel von WILDE ENGEL:

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Volkram Zschiesche ist immer mal wieder in Film und Fernsehen zu sehen, war dieses Jahr u.a. im Stuntteam von UNCHARTED.

action concept selbst hat den missglückten Versuch, sich als Kino-Produktionsfirma neu zu erfinden, nach einigen weiteren Blindgängern u.a. im internationalen Koproduktionsbereich gut überstanden. Zwar sind die goldenen RTL-Zeiten vorbei und selbst der alte Gaul COBRA 11 trottet in die Rente, aber dafür ist die Firma im Bereich der TV Movies extrem aktiv. Mich wundert, dass die Streamer mit Joha noch nicht massiv ins Geschäft gekommen sind. Das scheint mir ein “match made in heaven”. Andererseits weiß ich vermutlich bloß nix davon.

Gönnen wir uns zum Abschluss noch eine Galerie mit den Character-Postern:

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Das letzte Wort ist jedoch noch nicht gesprochen. Um es mit einem alten Weihnachtslied zu sagen: “Morgen, Kinder, wird’s was geben…”

Morgen. Also: dieser Tage irgendwann. Eventuell. Was weiß denn ich?!



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DSFARGEG
DSFARGEG
6. Juni, 2022 00:45

Jaeger hab ich damals auf dem FFF getroffen, war ein netter Typ und nicht im Entferntesten so selbstbesoffen wie die Amateurhansel aus der Splatter-Ecke.

„Johannes Jaeger hat nie wieder Regie bei einem Film geführt oder ein Drehbuch umgesetzt.“ – Ganz komplett ist das „where are they now?“ damit aber nicht, denn Jaeger ist vor ca. zehn Jahren dann auf Youtube durchgestartet, mit einem Kanal über Brettspiele („Hunter & Friends“). Er hat heute rund 70.000 Abonnenten und lebt dem Vernehmen nach mittlerweile davon. Zumindest also ein Bisschen Happy End.

DSFARGEG
DSFARGEG
7. Juni, 2022 18:10
Reply to  Torsten Dewi

Ich hab mich auch etwas gewundert, aber das sind die Infos, die man findet. Ich glaube, dem Kanal ging es vor ein paar Jahren noch deutlich besser. „Hunter & Friends“ heißt der erst, seit Jaegers Kumpel Cron ausgestiegen ist. „Hunter & Cron“ war in den Zehnern das, was der Held der Steine heute für Lego ist. Ich erinnere mich daran, wie sich auf den einschlägigen Szene-Events jedes Mal Menschentrauben um die beiden gebildet haben. Kann also gut sein, dass Jaeger wirklich eine Weile seinen Lebensunterhalt davon bestritten hat.

Last edited 1 Jahr zuvor by DSFARGEG
Lothar
Lothar
7. Juni, 2022 20:31
Reply to  DSFARGEG

> Lego

“Noppensteine”, sonst gibt’s Post von den Anwälten.

Lothar
Lothar
7. Juni, 2022 23:51
Reply to  Torsten Dewi

Geht beides. Ich finde aber, dass “Noppensteine” mehr Kopfkino mitbringen 😉

Raphael
Raphael
6. Juni, 2022 17:48

Danke für die Besprechung und die ausführliche Recherche. Zu “was aus ihnen geworden ist”: der VFX-Supervisor Steffen Hacker, damals iirc noch Student an der Filmakademie Baden-Württemberg und Betreiber des sehr netten Hobbyfilmer-Forums hackermovies.com (inzwischen offline) ist als Werberegisseur und VFX Supervisor immer noch in der Branche aktiv (siehe auch https://www.imdb.com/name/nm1380198/).

P.S.: Anja heißt Kling

Matts
Matts
7. Juni, 2022 17:43

Aber Hallo: Eine Filmverbrechen-Fotostory zum einem Film, den ich tatsächlich gesehen habe – das ist doch mal was!
Habs mal wieder gerne gelesen, vor allem wegen der interessanten Hintergrund-Infos. Und natürlich dem launigen Text. Beim Vergleich von Bosco mit Brisco Schneider hat´s mich fast vom Stuhl gehauen.
Manchmal vermisse ich die Wochenshow…

Marcus
Marcus
8. Juni, 2022 12:46

Der Landwehr war auch in SCHNEEFLÖCKCHEN.

Dirk
9. Juni, 2022 14:45

Lieber Wortvogel, vielen Dank für diese wieder sehr sehr unterhaltsame und obendrein lehrreich-informative Fotostory. Ein für mich unbekanntes Stück Filmgeschichte sehr anschaulich geschildert, und noch was über das Drehbuchschreiben gelernt. Ich fand übrigens deine Kritik, welche an den Produzenten/Regisseur ging, extrem sachlich und konstruktiv, geradezu vorbildlich.