Der absteigende Ast: Die Popcharts 1985
Themen: Film, TV & Presse, Neues |Ich weiß, dass ich aktuell extrem viele Retro-Themen poste. Das wird sich auch erstmal nicht ändern. Es liegt sehr viel auf Halde aus dem Bereich.
Mittlerweile freue ich mich jeden Monat auf die Chart-Kompilations von Francis Pelletier wie auf Weihnachten. Ein großes Paket voller Wiedersehensfreude, Peinlichkeiten und vergessenen Perlen. Die Jahre 1981 bis 1984 haben sich dabei als die vermutlich potenteste Pop-Ära aller Zeiten entpuppt. Wave, NDW, Rock: All the classics, all the time.
Leider hat das Jahrzehnt seinen Zenit aber 1985 schon erkennbar überschritten. Die NDW ist weitgehend tot, Wave hat Plastik-Pop Platz gemacht, billig produzierter Italo-Disco-Schmand füllt die Leerstellen, der deutsche Schlager erstarkt. Einige große Bands reüssieren mit einigen ihrer schlechtesten Songs. Die wirklichen Klassiker, die auch heute noch gespielt werden, sind rar in diesem Jahr.
Aber bei aller berechtigten Kritik: Wir verdanken dem Jahr auch Moti Special, a-ha, Cock Robin, Paul Hardcastle, Pet Shop Boys und das Comeback von Kate Bush.
Wie üblich habe ich euch ein paar der bemerkenswerteren Stücke in voller Länge rausgesucht und ein wenig geschmacklich eingeordnet.
DER “male self pity”-Knaller des Jahres, in Gold und mit Lorbeerkranz:
Gleicher Preis, Kategorie regional:
Dieser Typ hat unfassbarerweise seine Apologeten, aber ich bin nach wie vor der Überzeugung, dass Fancy auf bemerkenswerte Weise alles verkörperte, was an generischer 80er-Mucke wirklich gar nicht ging:
Wir hatten keine Ahnung, was für ein Monster hier geboren wurde:
Es gab Dinge, für die hat sich Deutschland bis heute nicht ausreichend geschämt:
Es war nicht alles schlecht: Eine Hälfte des Volksmusik-Duos Gitti & Erika schenkte dem ZDF-Adventsmehrteiler PATRICK PACARD den perfekten Fake-Bond-Song:
Paso Doble nahmen immerhin den Sound von Blümchen vorweg:
Da ist es nur konsequent, dass Blümchen 2019 nochmal nachzog:
Aber den Italienern haben wir damals einfach zu viel durchgehen gelassen:
Manche Verbrechen habe ich beim ersten Durchlauf dankenswerterweise verpasst – wer hat DAS denn genehmigt?!
Müsste ich den besten Song des Jahres wählen – der hier wäre weit oben:
Mein persönlicher Lieblingssong des Jahres wäre aber der hier – ich war 16:
Kurioserweise hat diese Übersicht mich auch endlich dazu gebracht, ein Pop-Rätsel zu lösen – das hier war für mich immer ein “guilty pleasure”:
Natürlich ist das unsäglich suppig und David Cassidy nicht satisfaktionsfähig, aber ich war immer überzeugt davon, den Song schon zu kennen. Und siehe da – in unserem Elternhaus hatten wir DIESE Platte mit DIESEM Song:
Sachen gibt’s…
In meiner Jugend habe ich mich irgendwann den härteren, gitarrenlastigeren Klängen zugewandt, aber A-HA und DEPECHE MODE, beide Mitte der 80er groß geworden, habe ich heute noch in meiner Playlist. “Take on me” gehört zu meinen Top 10 Lieblingssongs. Auch das Musikvideo dazu ist absolut fantastisch.
“Hunting high and low” war meine erste selbstgekaufte Platte (auf Kassette).
Ganz fantastisches Debütalbum. An “Hunting high and low”, “Take on me”, “The sun always shines on T.V.” und “Train of thought” kann ich mich nicht satthören.
The Adventures waren richtig gut, wurden aber leider nie richtig erfolgreich, trotz der Tatsache, dass sie von Simon Fuller (später Manager der Spice Girls und vieler anderer sowie Erfinder von Pop Idol) gemanagt wurden. Ihre beiden Platten “Theodore&Friends” und “Sea of Love” sind auch heute noch absolut hörenswert.
Die haben 4 Alben veröffentlicht, die alle sehr gut sind
Oh stimmt ja, ich habe völlig Trading Secrets with the moon und Lions and tigers and bears vergessen, die stehen hier im CD-Stapel, sind auch sehr gut.
Nur 5 Sekunden angespielt und doch lässt mich dieser aus der Versenkung auferstandene furchterregende Ohrwurm nicht mehr los: “”Es macht immer Tut-tut!” Please make it stop!
“Die Glocken von Rom” ist einfach wunderschön, da gibt es nichts zum Schämen. Glasklarer toller Schlager!
Ich finde es irgendwie schaurig-schön, dass es Menschen gibt, denen das gefällt. Es zeigt, dass wirklich jedes Geschmacksurteil ein rein individuelles ist.
Aber selbst wenn einem bei der Stimme nicht das Blut aus den Ohren liefe: Wie könnte man diesen unfassbaren Text ausblenden?
Na ja, die Interpretin ist ja seither nicht wieder aufgetaucht, so weit ich weiß.
Ein mir bekannter Szene-DJ aus der Grufti-Ecke meinte mal zu mir, dass die Gothics immer von “den 80ern” als dem besten Musikjahrzehnt schwärmen würden, dabei aber übersähen, dass sie die Zeit von 1975 – 1985 meinen und der Rest der 80er nur Plastikpop und der Aufstieg des Hip Hop seien. Da hatte er nicht Unrecht mit, ab 1985 wird es ziemlich bitter
Als SAW-Fan kann ich die zweite Hälfte der Aussage nicht unterschreiben. Was aber stimmt: Die Jahrzehnte, wie wir sie wahrnehmen, begannen nicht mit 0 und endeten nicht mit 9. Das ist ja eine willkürliche Festlegung, an der Modegeschmack, Musik, Technik und Kunst nicht ausgerichtet wurden.
Sehe ich auch so. Allein wenn ich nur an Mode denke, kenne ich schon drei verschiedene 90er.
Gerade SAW waren ein extremes Beispiel des Einheitsbreis, der diese Phase des Jahrzehnts prägte. Letztlich waren alle ihre Interpreten austauschbar und die Songs waren alle gleich aufgebaut. Die waren nur die englische Version von Dieter Bohlen. Kann man mögen, geht alles ins Ohr, hat aber keinerlei bleibenden Wert
Ich habe nichts dagegen, wenn man SAW nicht leiden kann. Deren Output aber in einem Satz mit Bohlen zu nennen – VOOOORSICHT!!!
Es geht aber nicht um “nicht leiden können”, sondern um offensichtliche Parallelen. Bei beiden sind die Songs in Struktur und Machart sich immer sehr ähnlich, beide haben eine Aversion gegen echte Musiker und setzen daher auf komplett am Computer erzeugte Klänge und bei beiden ist es letztlich egal, wer das Mikro hält. Das ist die Definition von Plastikpop, diese vollkommene Beliebigkeit bei maximaler Eingängigkeit. Wie gesagt, kann man mögen, erklärt aber, warum bis auf Kylie Minogue keiner der Interpreten langfristig Erfolg hatte.
Du irrst , weil deine gesamte Argumentation daran scheitert, dass SAW gute Popmusik produziert hat und Bohlen Scheiße. Die Mittel sind irrelevant.
Zu meiner Schande, ich habe jetzt wirklich eeeewig gebraucht um aufzulösen was mit SAW eigentlich gemeint ist. Nicht die Filmreihe, das ist klar. 😀
…jaja, irgendwann dämmerte auch mir, Stock Aitken Waterman.
Danke, ich war kurz davor nachzufragen, nachdem ich schon auf der Seite eines Radiosenders aus dem Altmarkkreis Salzwedel gelandet war beim Googeln.
Sagen tun mir die Namen aber weiterhin nichts.
SAW haben die Popmusik der späten 80er dominiert als Produzenten von Kylie Minogue, Jason Donovan, Rick Astley, Bananarama, und diverse andere Acts.
O.K., danke also Kylie Minogue kenn ich. Das ist nicht meine Musik, aber ich glaube, das ist technisch gut gemachter Pop, so weit ich das beurteilen kann. Bei den anderen Acts kenn ich nur die Namen und bestimmt das eine oder andere Lied, ohne es zuordnen zu können – mach mich gleich mal auf die Suche.
Ich glaube, 1985 erschien “Live after Death” von Iron Maiden. Ich hab es aber erst später gehört, 1985 war ich acht. Das ist auch nicht mehr das, was ich heute höre, hat aber dem, was ich heute höre, irgendwie dann doch den Weg geebnet.
Darüber kann man nun wirklich unterschiedlicher Ansicht sein. Garde to disagree
Das sollte natürlich agree to disagree heißen
Zwei nostalgische Favoriten: “Nordseeküste” (das war als Kind gefühlt ein Megahit) und “The unkown stuntman” – ähnlich wie David Hasselhoff und ich denke mit demselben (Serien)Produzenten kam da “Gesangstalent” Lee Majors zu Chartehren…
Tears for Fears! Mein erstes Konzert, Frankfurt 1985, Alte Oper. Zu zweit auffem Moped 70 km nach FFM gegurkt. Die Karte habe ich heute noch. 😀
Und Anne Clark!
Das ganze Jahr die Schultische mit ihren Lyrics vollgekritzelt. Das war übrigens dann mein zweites Konzert in diesem Jahr. Oktober, Frankfurt, Volksbildungsheim (hach). Und da keiner von uns Landeiern schon 18 war haben wir uns damals tatsächlich vom örtlichen Odenwälder Busunternehmen einen Kleinbus samt Fahrer gemietet, der uns dann nach Frankfurt fuhr (wir hatten ja nix!!!).
Fun Fact: Paso Doble (aka das Ehepaaar Oberpichler) machen immer noch Musik zusammen – Kinderlieder. Ich hab widerstrebend deren Vertonung des Kinderbuch-Klassikers Pettersson und Findus auflegen müssen, und war sehr überrascht. Die Songs sind derartig liebevoll geschrieben und arrangiert, dass man blitzschnell mitsummt (während einem ein Zweijähriger alle Lieder textsicher in die Ohren kräht, ein Stück Stockholm-Syndrom ist also sicher auch dabei).
Der Refrain von Computerliebe ist ja toll, aber das drumherum ist schon imo nah dran an Verbrechen an den Ohren. Da hat das Modul sinnvoll gearbeitet und das ganze durch Technotöne getauscht.
https://www.youtube.com/watch?v=4hX8L4R9Yk8
Ein kleiner Spaßfakt: Der Ausschnitt von Alphaville – Jet Set (bei 7:55) zeigt ausgerechnet die wenigen Sekunden, in denen niemand geringeres als Thomas Herrmanns zu sehen ist, ganz vorne links mit roter Tasche! Kaum zu erkennen und ich weiß es nur, weil er es mal in irgendeiner Panel- oder Talkshow erzählt hat.
Endlich habe ich auch mal was von Matt Bianco gehört, die kenne ich nur von einem legendären “stage incident”, bei dem sie sich mit den Fine Young Cannibals in die Haare bekommen haben.
Beides bekannt. Bei Matt Bianco bekamen sie Joghurt auf den Kopf und es gab eine Rauferei. Moderatorin der Sendung war eine sichtlich überforderte Desiree Nosbusch:
https://www.youtube.com/watch?v=yu5RW3C2_mM