03
Apr 2022

Fantasy Filmfest Nights XL 2022: ZALAVA

Themen: FF Nights XL 2022, Neues |

Iran 2021. Regie: Arsalan Amiri. Darsteller: Navid Pourfaraj, Pouria Rahimi Sam, Hoda Zeinolabedin, Amir Salj

Offizielle Synopsis: Iran 1978: Am Vorabend der Revolution wird ein Polizist in ein abgelegenes kurdisches Bergdorf beordert, um einen Unfall aufzuklären. Hier, in Zalava, das vor 100 Jahren vom fahrenden Volk gegründet wurde, scheint die Zeit stehengeblieben und die Einwohner leben in angsterfülltem Aberglauben an blutrünstige Dämonen, die sich in ihrer Gemeinschaft verstecken. Zusammen mit der jungen Ärztin Maliheh versucht Sergeant Masoud gegen die Rituale vorzugehen, mit denen sich die Menschen vor der teuflischen Gefahr schützen wollen. Doch nicht zuletzt ein zwielichtiger Exorzist und ein gläserner Behälter stellen ihren rationalen Glauben in Frage. Derweil braut sich im Hintergrund ein düsteres Unheil zusammen.

Kritik: Ich bin einerseits immer begeistert, wenn das FFF einen Film aus einem Außenseiterland wie Tunesien präsentiert. Andererseits bin ich auch oft enttäuscht, weil das frische Szenario nicht selten mit altbekannten Klischees gefüllt wird. Verständlich ist das: der Kino-Nachwuchs dieser Länder hat kaum eigene Wurzeln, aus denen er Inspiration ziehen kann. Und letztlich soll der Film ja international auch reüissieren.

ZALAVA ist allerdings anders. Hier ist nicht nur das Umfeld fremd, die Zeit, das politische System. Hier wird aus dem Kulturkreis mit seinem Aberglauben, seinen Abhängigkeiten und seinen Autoritäten eine psychologisch komplexe Geschichte über den Kampf zwischen Moderne und Tradition, zwischen nationaler Ordnung und regionaler Selbstbestimmung konstruiert – und alles nur mit Hilfe eines leeren (?) Einweckglases.

Dabei gibt der Film keine einfachen Antworten. Der stoische Masoud (eine George Clooney-Version von Borat) ist zwar unser Held, aber seine Weigerung, auf die emotionalen Bedürfnisse der Dorfbewohner einzugehen, macht ihn blind und gefährlich. Er steht für die gedankenlose Moderne, die den Fortschritt erzwingen will, wo er erarbeitet werden muss. Der Exorzist hingegen ist nur vielleicht ein Opportunist, der den Aberglauben der einfachen Menschen ausnutzt. Er könnte nämlich auch der Einzige sein, der verstanden hat, dass man Aberglauben als Werkzeug der Kontrolle einsetzen kann – mit einem Einweckglas.

Das ist großartig erzählt, naturalistisch gespielt und lebt von den beeindruckenden Bildern in dem bizarren lebensfeindlichen Dorf, das aus der Zeit gefallen an den Berg gespachtelt wirkt. Sicher nicht die übliche FFF-Kost, aber über genau die rege ich mich ja oft genug auf. Das hier ist anders – und gut so.

Fazit: Eine Parabel über den Kampf der Moderne gegen den Aberglauben und die Grenzen der Rationalität angesichts von menschlicher Urangst. Nichts für Gorebauern oder John Sinclair-Leser, aber definitiv ein Highlight dieses Festivals. 8 von 10 Punkten.

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