27
Apr 2022

Arabella Night: Debakel in Nahaufnahme

Themen: Film, TV & Presse, Neues |

Wer hier schon länger mitliest, der weiß ja, dass ich nach meiner Zeit beim GONG und vor meiner Zeit bei TANDEM auch über vier Jahre für Pro7 gearbeitet habe. Vor ein paar Tagen war ich mal wieder in Unterföhring und mein ehemaliger Arbeitsplatz sieht aktuell so aus:

1995 noch hochmodern, heute abgerissen. Wir alle verlieren gegen die Zeit.

In den 90ern war ich beruflich bei vielen Aufzeichnungen von Fernsehsendungen. Großes Entertainment war eigentlich immer der QUATSCH COMEDY CLUB, der in Ismaning vor die Kameras ging. Natürlich auch die BULLYPARADE in den ARRI-Studios in der Türkenstraße. Sowas machte mächtig Eindruck bei ersten Dates. Alternativ konnte man prima Diana Herold beim Hüftschwung angaffen.

RUCKZUCK? GLÜCKSRAD? MARIENHOF? CLUEDO – DAS MÖRDERSPIEL? Es machte mal mehr, mal weniger Spaß.

1996 gab es dann eine Rundmail bei Pro7 – Arabella Kiesbauer bekam aufgrund ihrer phänomenal erfolgreichen Talkshow zusätzlich eine etwas wertigere Sendung am Abend spendiert: ARABELLA NIGHT. Ich weiß noch, dass niemand wirklich einen Bedarf sah, aber man die Moderatorin nicht verlieren wollte. Und es wurden noch Zuschauer für die Aufzeichnung der ersten Folge gesucht. Das wollte ich mir nicht entgehen lassen – und eine liebe Kollegin auch nicht. Also ließen wir uns zwei Plätze reservieren und fuhren nach der Arbeit ins Studio nach Ismaning.

Ein jüngeres, hipperes SCHREINEMAKERS LIVE sollte es werden, was aber niemand laut sagen durfte, weil man offiziell natürlich "was ganz Neues" versuchte. Schon das Intro war so 90er, 90er geht kaum. Überproduzierter Schnickschnack:

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Arabella begrüßte uns, bevor die Kameras liefen. Die übliche Plauderei, um das Publikum anzuwärmen. Sie sprach davon, wie stolz sie auf die Sendung sei, endlich mal was Anderes, endlich mal wieder Abendprogramm, etc.

Dann ging es los.

Ich weiß kaum noch etwas von der Aufzeichnung. Ich weiß nur, dass wir uns alle schämten. Es war wie eine Massenkarambolage auf der Autobahn – schlimm, aber man kann nicht wegschauen. Das war so hohl, so freudlos, Arabella so sichtlich überfordert. Wie kann man in eine Sendung, mit der man die Moderatorin etwas respektabler präsentieren will, als einen der ersten Gäste jemanden einladen, der wegen eines Drüsenproblems permanent nach Schweiß stinkt und mal drüber reden möchte?

DAS ist das einzige Segment, an das ich mich erinnern kann. Ehrlich.

Als es vorbei war, gingen die Lichter an, es gab höflichen, aber hörbar zurückhaltenden Applaus. Arabella wirkte wie versteinert, sagte eisig was wie "Danke, dass Sie da waren" und verließ das Studio nicht – sie flüchtete.

In den kommenden Wochen wurde es nicht besser, die Quoten waren (so ich mich erinnere) mau, und die Kritiken weitgehend vernichtend. Im Fernsehlexikon von Reufsteck und Niggemeier liest sich das so:

Wöchentliche Late-Night-Show mit Arabella Kiesbauer. Sie war eine Mischung aus Comedy, Filmclips und Talk mit Prominenten und unprominenten Gästen. Vor allem aber war sie eine Fortsetzung des Nachmittagstalks mit den gleichen Mitteln. Was, Andy, du hast noch nie mit einer Frau geschlafen? – Nein, sagt Andy, aber mit mehreren Vierbeinern, und die haben auch kein Problem damit: Pferde sind polygam, das bin ich auch.

Das falsche Konzept für Arabella, ein unausgegorener Mischmasch, ungeeignet für die Primetime, nicht mal als Ergebnis eines ersten Brainstormings entschuldbar:

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Man zog es bei Pro7 lange genug durch, um sich nicht der Häme der Konkurrenz und der Kritik aussetzen zu müssen, aber nach ein paar Monaten war Schluss. Arabella schluckte es runter, versuchte sich an neuen Formaten wie ARABELLA SUCHT und gab schließlich ihren Daily Talk auf, als der Sender endgültig auf Laiendarsteller und gescriptete Dramaturgien umsteigen wollte. Eine zuletzt angekündigte Reisesendung mit Arabella wurde nie produziert. Sie hat sich mittlerweile als Moderatorin diverser Shows in Österreich neu etablieren können.

War ARABELLA NIGHT wirklich so schlecht, wie seinerzeit behauptet wurde? Ja. Jeder, der bei der Premierenaufzeichnung dabei war, konnte das sehen.



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Alexander Freickmann
Alexander Freickmann
27. April, 2022 11:09

Was heißt umsteigen wollte? Die Abschlussklasse war doch 100% gescriptet und fester Bestandteil von Arabella. Die hat da doch glaube ich mindestens noch 1 Jahr mitgemacht. Keine Ahnung ob sie da eben nicht eher aus dem Vertrag rauskam, aber das lief definitiv länger mit gescripteten Schauspielern.
Hatte die Abschlussklasse aber um ehrlich zu sein gerne geguckt, aber ich war auch in Klasse 12 und damit im sweet spot fürs Zielpublikum.

Alexander Freickmann
Alexander Freickmann
28. April, 2022 16:06
Reply to  Torsten Dewi

OK, also Arabella hatte sich 2002 noch gegen gesträubt. Das glaube ich auch. Habe grade nachgeschaut, die Abschlussklasse startete im März 2003. Aber mit dem Wechsel zu Constantin (wusste ich bis dato nicht) im Oktober war das doch 100% gefaked?! Ich hatte um die Zeit definitiv Änderungen im Niveau bemerkt (wie gesagt ohne vom Produktionswechsel zu wissen) und am Ende war ich mir auch sicher, dass das alles Schauspieler waren. Das wären dann aber auch noch mindestens 6 Monate "mitspielen" von ihr. Da die Serie da pünktlich zum zehnjährigen zu Ende ging, scheint ihr da ein schöner Bonus doch noch wichtiger als Integrität gewesen zu sein.

Psy
Psy
27. April, 2022 16:37

Ich weiß, das kommt jetzt komplett unerwartet von der Seitenlinie, aber da es in etwa in der gleichen Zeit liegt;
Was wurde eigentlich aus Mo Asumang und 'Liebe Sünde' ?… Mmn ein sehr viel spanenderes Thema ^^

Psy
Psy
27. April, 2022 17:37
Reply to  Torsten Dewi

Uhm.. OK.

Da hätte ich mehr erwartet. Also, von ihr; ausgehend von den Fetzen, an die ich mich noch erinnere. Mo hätte Opfermentalität Mmn doch gar nicht nötig.

Alexander Freickmann
Alexander Freickmann
28. April, 2022 15:45
Reply to  Psy

Ich fand ihre Dokumentation Roots to Germania und die Arier eigentlich sehr gut. Neben Kleine Germanen (wo ich zuerst dachte, die wäre auch von ihr) würde ich die zumindest immer weiter empfehlen um moderne Nazis "zu verstehen".

Alexander Freickmann
Alexander Freickmann
28. April, 2022 16:12
Reply to  Torsten Dewi

Habe ich auch nicht behauptet, aber es hört sich schon fieser an als sie es imo verdient hat. Da gibts (grade heutzutage) doch so manche Schneeflocke, die da anscheinend mehr abgreift. (siehe deutsche Synchro zu Lightyear zB)

Bärbel
Bärbel
27. April, 2022 17:46

Ein änlicher Reinfall war doch auch Anke Engelke mit ihrer Late Night, wenn ich mich korrekt erinnere

Bärbel
Bärbel
27. April, 2022 22:45
Reply to  Torsten Dewi

Ach ok. So gut konnte ich das nicht mehr vorkramen. Hatte nur eine Folge gesehen, wo sie sich gefühlt ne halbe Stunde mit nem Wasserglas beschäftigt.

Ich mag sie sehr, aber nicht in dem Format.

Robert Prätzler
Robert Prätzler
28. April, 2022 08:35

Arabella Kiesbauer durfte ja neulich auf das Traumschiff…

Nummer Neun
28. April, 2022 13:44

Ja gut, aber welcher B-Promi darf das nicht…

Jürgen
Jürgen
28. April, 2022 20:08

So ein Zufall aber auch.
Gib es zu, du hast davon gewusst.
https://www.youtube.com/watch?v=ECITWNRZDWQ