Kino Kritik: MORBIUS (spoilerfrei)
Themen: Film, TV & Presse, Neues |USA 2020/2022. Regie: Daniel Espinosa. Darsteller: Jared Harris, Jared Leto, Kadrolsha Ona Carole, Manoj Anand, Matt Smith, Tom Forbes, Tyrese Gibson
Story: Michael Morbius leidet an einer seltenen Blutkrankheit. Als Biochemiker hat er sein Leben der Suche nach einem Heilmittel gewidmet – auch, weil er damit seinem Freund Milo helfen will. Doch als er sich am Ziel wähnt und einen Selbstversuch vornimmt, entpuppt sich das vermeintlich lebensrettende Serum als ein zweischneidiges Schwert: von allen körperlichen Leiden genesen, ist Morbius nun eine Art Vampir mit übermenschlichen Kräften und einem kaum zu zähmenden Hunger nach Blut. Schon bald meint die Polizei, mit ihm einen brutalen Killer geschnappt zu haben…
Kritik: Es gibt den schönen Begriff des "dead on arrival". Ein deutsches Äquivalent wäre vielleicht "am Start verreckt". Auf manche Filme trifft das zu. Die starten im Kino und der potenzielle Besucher stellt sich Fragen wie: Warum der? Warum mit dem? Warum jetzt? Warum ich? Filme, um die niemand gebeten hat, die keiner braucht, und die keiner – da lehne ich mich mal gefährlich weit aus dem Fenster – sehen will. Vielleicht eine Frage der karmischen Balance, vielleicht muss es für jeden SPIDER-MAN: NO WAY HOME einen BLOODSHOT geben, für jeden THE SUICIDE SQUAD einen BIRDS OF PREY. Talent ist nicht in beliebiger Menge vorhanden, und wenn die Nachfrage das Angebot übersteigt, werfen auch Zwerge lange Schatten.
MORBIUS ist ein Film, der im Sumpf steckt und einen Marathon laufen soll. Stabhochsprung im Rollstuhl. Blindes Billard.
Die Produktionsgeschichte ist eine Geschichte des Scheiterns. Vor über fünf Jahren hat man bei Sony entschieden, diverse Nebenfiguren des Spider-Man-Universums in eigene Filme auszulagern, weil man sonst keine Franchises von Marvel mehr im Köcher hat. Man gab sich dran, aus dem Pseudo-Vampir Morbius einen Blockbuster zu stricken – einer Figur, die weder das Gewicht für einen A-Film hat noch die Popularität. Mit Jared Leto holte man sich einen notorisch schwierigen Hauptdarsteller ohne feste "Fanbase" an Bord, der gleich mal über Drehbuch und Auswahl des Regisseurs mitentscheiden wollte (er bekam denn auch einen Produzenten-Credit). Ich verweise gerne auf die alte Hollywood-Weisheit:
"The last person you want to collaborate with on a story is an actor with power. The last person you want to tangle with on a set is an actor with power."
Gedreht hat man Anfang 2019, aber der Film musste zwei Jahre verschoben werden, was der Erwartungshaltung der Fans sicher nicht gut getan hat. Lahme Trailer und vernichtende Vorabkritiken? Check.
Im Endeffekt ist MORBIUS genau die Summe dieser Teile geworden. Ein vor dem Start schon müder Trittbrettfahrer des MCU, entstanden nicht aus einem genuinen Interesse an einem guten Film, sondern aus der Notwendigkeit, mit minderen Charakteren irgendein Hinterzimmer-Universum für Resthelden zu bauen. Gebaut mit preiswerten Modulen aus dem Story-Regal, teilweise in der Fundgrube billig abgegriffen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Sony sich viel erwartet. Der hier muss kein Blockbuster werden – er muss nur sein Geld wieder einspielen, damit sich niemand schämt.
Es ist eine Origin-Story ohne jede Kreativität, mit einem Helden, der durch Märchen-Science von einer Märchen-Krankheit befreit und mit einem Märchen-Fluch belegt wird. Sämtliche Nebenfiguren dienen nur seiner Story, vom Mentor über den (erschütternd blassen) Love Interest bis hin zu gesichtslosen Schlägern und Polizisten, die absolut nichts zum Plot beitragen, sondern den Film mühsam über die 100 Minuten hieven müssen. Das Drehbuch weiß, wie generisch der Bösewicht ist und gibt sich nicht mal fünf Minuten Mühe, bevor seine Identität enthüllt wird – nicht aber seine Motivation, denn er hat keine. Er ist böse, weil so ein Film einen Bösewicht braucht. That’s it. Man bedient halt die Mechaniken des Genres, ohne sie mit Inhalt zu füllen.
Um die magere Story am Laufen zu halten, muss MORBIUS immer wieder dämliche Haken schlagen und es kommen wahrlich genug Kopfpatsch-Momente dabei rum, dass ich frühestens 2025 eine Fotostory damit bestücken könnte. An dieser Stelle sei ausreichend, dass ich nach dem Kinostart eine Spoilerzone einrichten werde.
Nicht mal die dümmsten und dünnsten Tropen bleiben in der Mottenkiste – mit Stolz darf Jared Leto zeigen, wie er sich erst abgehungert
und dann "hunky" trainiert hat:
Das CGI-Rumgehüpfe von Morbius ist ebenso lustlos wie die für die Jugendfreigabe reduzierte Gewalt, die nicht einmal einen einzigen tatsächlichen Biss des Vampirs zeigen darf. Mehr als einmal wirkt MORBIUS wie ein Mashup von BLADE und DAREDEVIL (der mit Affleck) in seinem völlig identitätslosen Gehopse durch ein New York, das ebenso Hong Kong, London oder Berlin sein könnte. Auch als Pilotfilm einer TV-Serie wäre der Film weder positiv noch negativ aufgefallen. Und nur auf diesem Niveau bietet er vertretbares Entertainment.
Hier ist nichts neu, nichts spannend, nichts überraschend, nichts mutig. Dienst nach Vorschrift: der Film. Vor fünfzehn Jahren, neben PUNISHER, DAREDEVIL und GHOSTRIDER, hätte MORBIUS vielleicht noch bestehen können. Aber wir sind schon so viel weiter. Das MCU, das Snyderverse, DEADPOOL und TV-Serien wie THE BOYS und INVINCIBLE. Die Messlatte liegt mittlerweile höher und MORBIUS versucht nicht mal, sie zu überspringen.
Sprechen wir zum Abschluss noch kurz über die Nachspann-Sequenzen. Es wurde ja schon früh verraten, was Sache ist, und der dort (erneut) eingeführte Darsteller steht in den Castlisten auch ganz weit oben (ich habe ihn aber bewusst rausgelassen). Es gibt keine Überraschung, nur eine völlig witzfreie Überleitung ins reguläre MCU, mit der man künftige MORBIUS-Filme im Universum verankern will. Das mag im Gegensatz zu einigen anderen Nachspann-Sequenzen tatsächlich wichtig sein, aber es ist mit einem spürbaren Desinteresse von allen Beteiligten angetackert. Sitzenbleiben absolut optional.
Das deutsche Plakat verspricht tapfer "Eine neue Marvel-Legende wird geboren". Ich hoffe, angesichts der Vampir-Thematik ist es nicht zu geschmacklos, wenn ich konstatiere: es ist eine Totgeburt. Dead on arrival eben.
Fazit: Ein durch und durch nach Schema F aus dem Jahr 2005 aufgebauter Horror-Helden-Mix, der an keiner Stelle mehr als Pflichterfüllung bietet und bei den Figuren ebenso enttäuscht wie bei den Schauwerten.
Schade. Hatte schon gehofft dass deine Besprechung am Schluß eine überraschende Wendung nimmt und du trotz handwerklicher Fehler den faszinierenden Plot oder den tiefgründigen Hauptcharakter als Gamechanger enthüllst. Aber das Ergebnis des Films war nach der Vorgeschichte zu befürchten. Naja, nicht alle Comic-Verfilmungen können wie ,,S:NWH“ sein.
Mit Jared Leto? HAHAHHAHAHA. Ich bin mir immer noch nicht sicher, ob Jared Leto einfach nur ein mieser Schauspieler ist und alle Szenen einfach schlechter macht oder aber ein kongenialer Methodactor, der das alles bewusst macht.
Da war Ja schon mit zu rechnen. Morbius ist an sich schon eine dämliche Figur, die auch in den Comics nie richtig funktioniert, da wäre ein guter Film schon einem Wunder gleich gekommen. Und Sony plant ja schon die nächsten Gurken. Wirklich niemand wartet auf einen Film über Madame Web, die war immer nur eine Nebenfigur und taugt auch nicht zu mehr.
Das ist halt das Problem, wenn du nur noch die C-List im Programm hast. Andererseits: bei VENOM hat es ja überraschend gut funktioniert.
Finanziell haben die VENOMs funktioniert, ja. Über den Rest breiten wir den Mantel gnädigen Schweigens.
Teil 2 kann nicht viel besser als Morbius sein. Eines der hässlichsten, geistiglosesten Dumm-Dumm-Geschisse ever.
Wobei Venom ja tatsächlich eine beliebte Comic-Figur ist und zumindest zum B-List-Segment gehört, wobei Rated R seinen beiden Filmen deutlich mehr Biss hätte geben können. Moebius oder Madame Web kenne ich zwar noch aus den Comics, aber viele Fans dürften sie nie gehabt haben.
Für den Kraven-Film habe ich auch nicht viel Hoffnung – erst recht nicht mit Sonys unvermeidlichem FSK 12 und ohne Spider-Man im gleichen Film.
Sony hat doch jetzt wieder ihre senioren Spider-Mans reaktiviert. Um ehrlich zu sein, wäre ich schon interessiert daran einen Tobey MaGuire mit Familie oder den nun rehabilitieren Andrew Garfield zu sehen.
"No Way Home" ist zwar technisch ein Sony-Film, aber inhaltlich verantwortlich ist Marvel/Disney. Aber ich gebe zu, dass er durchaus Interesse an Spiderman 4 und Amazing Spiderman 3 gemacht hat, vor allem Garfield ist dadurch richtiggehend rehabilitiert worden.
Von Venom gab es auch sehr schnell Stories, die ihn zum Anti-Helden umfunktionierten. Morbius sollte immer eine tragische Figur sein, so in der Art des Hulk. Das hat aber nie funktioniert, weil Morbius Leute ermorden muss, um zu überleben, bis er sich selbst irgendwann mal heilen kann. Das Grundmotov ist zutiefst eigennützig, deshalb taugt er nicht als Identifikationsfigur
Daran leidet der Film auch massiv – Morbius kann als Protagonist nur funktionieren, wenn er nicht WIRKLICH böse ist, ob absichtlich oder unabsichtlich. Ich werde auf den Disconnect in der Spoilerzone eingehen, die ich voraussichtlich nach den FFF Nights am Montag online stelle.
Vielleicht hatte das Studio so eine Art Iron Man Effekt im Kopf. Auch da gab mit mit Iron Man eine eher blasse Nebenfigur im Superhelden-Kosmos, und mit Robert Downey jr. einen guten, aber mit vielen Problemen kämpfenden Schauspieler. Da hat es dann ja auch geklappt. Allerdings ist die Iron Man Figur im Film rundherum sympathisch, was ich dem Morbus-Gesicht im Trailer eher nicht zusprechen möchte. Die Comicfigur kenne ich gar nicht.
In Iron Man 1 würde ich ihn nicht als rundherum sympathisch bezeichnen, er wird erst als ziemliches Arschloch eingeführt – Weiberheld, arrogant, egoman – aber er muss durch genug Prüfungen gehen, dass man ihn trotz seiner Fehler lieben lernt, da er bei den wichtigen Entscheidungen das richtige macht, auch wenn es für ihn lebensgefährlich wird.
Die beiden Figuren kann man nicht miteinander vergleichen. Iron Man war bei allen Schwächen immer als Held konzipiert, Morbius als tragisches Monster.
Ohne die Figur zu kennen hat allein der Trailer hat bei mir nur ein müdes Achselzucken ausgelöst. Da gab es keinen "Muss ich sehen"-Effekt, sondern eher einen "Vielleicht mal auf Amazon Prime wenn mir langweilig ist"-Effekt. Aber vielleicht ergibt sich daraus später eine spassige "How did this get made"-Folge.
Ich hoffe, dass er nicht den ganzen Film über (wie der Trailer vermuten lässt) mit der "ich bin ein tragischer Held" (Handrücken dramatisch an die Stirn) – Attitüde spielt
Natürlich. Wie jede Vampir-Pussy.
Furchtbar, absolut furchtbar. Ich nehme nachträglich 50% aller gemeinen Sachen zurück, die ich irgendwann mal über die beiden Venoms gesagt habe.