06
Mrz 2022

Abandoned: ZURÜCK NACH WESTERLAND – DER ÄRZTE-FILM

Themen: Abandoned, Film, TV & Presse, Neues |

Über dieses Projekt kann ich nur wenig erzählen, ich kann es nicht mal bebildern. Aber ich will davon erzählen, bevor ich es vergesse. Ist ja auch schon locker 15 Jahre her (und selbst diese Einschätzung basiert auf vagen Erinnerungen).

Es ist bekannt, dass die Berliner Kultband DIE ÄRZTE filmverrückt ist. Sie sind mit Buttgereit befreundet und Bela B lässt keine Gelegenheit aus, sich vor irgendeiner Kamera zu produzieren, und sei es im SAT.1-Vampir-Schmonzes LAILA – UNSTERBLICH VERLIEBT. 1985 hatten die Jungs ja auch schon mal in dem Low Budget Sponti-Streifen RICHY GUITAR mitgespielt:

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Aber das war mir zu wenig. Es ist nicht einzusehen, dass Eintagsfliegen wie Guildo Horn und Dieter Thomas Kuhn von Kinoplakaten grinsen dürfen, die Ärzte (immerhin die “beste Band der Welt” und “DER Geheimtipp in Finnland!”) aber kein filmisches Monument errichtet bekommen. Die Ärzte sind derart geil und ihre Bühnenpersönlichkeiten derart knallig, dass ich also um 2000 herum die Idee entwickelte, einen großen Kinofilm für die Band zu schreiben. Schräg, überlebensgroß, anarchisch – ihr eigener HELP!:

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Und wenn nicht das, dann wenigstens ihr eigener HEAD:

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Der Plan war, einen für diese Sorte sehr typischen Plot zu bauen und diesen dann mit totalem Wahnwitz zu füllen. Alles auf 11. Keine Gefangenen.

Die Ausgangspunkte, die mögliche Produzenten und Interessenten einlullen sollten, waren denkbar konventionell: der Titel des Films referenziert einen der Ärzte-Klassiker, nämlich “Ich will zurück nach Westerland”. Darin geht es  (Ärzte-typisch überdreht) um die Begeisterung für den gleichnamigen Ortsteil auf der Nobelinsel Sylt. Die Handlung dazu – tausendmal gesehen: unsere Helden wollen eine gefährdete wohltätige Institution retten und nehmen dafür an einem Wettbewerb teil, dessen Sieg mit genau dem Preisgeld winkt, das benötigt wird.

So weit, so bekannt. Bei mir sah das allerdings so aus:

Berlin 2030. Die Stadt ist ein BLADE RUNNER-esker Moloch, Straßenkriege zwischen den “Neo-Poppern” und den “Grrrl-Power-Girls” eskalieren. Über allem thront das gigantische Hochhaus der Mulitmilliardäre Bela, Farin und Rod – 150 Stockwerke, gebaut in Ä-Form, sichtbar bis nach Köln und Frankfurt. Die Ärzte sind längst nicht mehr nur eine Band: sie sind Legenden, Elder Statesmen, Superhelden – und zu Tode gelangweilt. Denn im Grunde genommen sind sie immer noch die Jungs von früher und schlafen in einem gemeinsamen Zimmer in Stockbetten. Immer nur Koks und Mädels ist ja auch nicht schön.

Da erreicht die Ärzte ein Notruf: Das Waisenhaus, in dem sie einst gemeinsam anonym abgegeben wurden, soll mangels Finanzierung geschlossen werden! Das können sie nicht zulassen! Aber woher sollen sie die 159.000 Ärzte-Mark nehmen, um die gierigen Spekulanten abzuwehren (und ja, es gehört zu den Idiosynkrasien der Story, dass sie nie auf die Idee kommen, dass sie bereits mehr als genug Geld haben, um das Waisenhaus zu retten)? In diesem Moment sehen sie einen Werbespot im Fernsehen: Schülerband-Wettbewerb auf Westerland! Preisgeld: 158.999 Ärzte-Mark! Und die letzte Mark hat Bela in der Hosentasche!

Was für ein Traum: Das Waisenhaus retten – und noch mal beweisen, dass man es als Band draufhat. Nur leider liegt die Altersgrenze bei 18 Jahren. Unsere Altrocker entscheiden sich, anonym und maskiert unter dem Namen “Schweinchen Furz und die Frettchen” aufzutreten – ist ja auch ehrlicher, weil ihr zwangsläufiger Sieg dann nicht ihrer Prominenz geschuldet ist.

Die Idee, anonym nach Westerland zu reisen, verbietet natürlich den Flug mit dem Ärzte-Jet. Also werden ein paar Capri Sonne und ein paar Raider-Riegel (Bela hat einen legendären Restvorrat aus der Vor-Twix-Ära) in Hallo Kitty-Rucksäcke gepackt und man macht sich auf den Weg.

Der Film schildert dann die Odyssee der Jungs von Berlin nach Westerland mit den erwartbaren und weniger erwartbaren Katastrophen: So scheitert der Versuch einer Bahnfahrt daran, dass der Zug nur im Kreis fährt und immer wieder an einem Fake-Bahnhof mit Schaufenster-Puppen hält. Es handelt sich nämlich um eine lebensgroße Teststrecke von Märklin. Nicht gerade erleichtert wird der Trip auch von der Enthüllung, dass jeder der drei Musiker eine Geheimexistenz lebt: Farin ist ein Super-Agent à la 007, Bela ein Vampir, und Rod ein Ninja. 

Mit Ach und Krach schaffen es die Ärzte nach Westerland zum Schülerband-Wettbewerb – und verlieren krachend gegen die “Mallorca-Matzen”. Es stellt sich heraus, dass die Veranstaltung von Anfang an nur ein Vorwand war, um die Ärzte anzulocken und zu demütigen. Dahinter steckt ein “criminal mastermind” der skrupellosesten Sorte: “Onkel Jürgen” Drews!

Doch natürlich gibt es ein Happy End, die Ärzte bekommen nicht nur das Preisgeld und die Mädels – sie finden auch ihren “band spirit” wieder- Aber kaum daheim im Berlin angekommen, wartet schon die nächste Herausforderung – im Weltraum…

Fortsetzung folgt…

So oder so ähnlich hatte ich mir das damals gedacht. Ehrlich? Ich war überrascht, dass ich auf sehr wenig Gegenliebe stieß, auch bei Produzenten, die sonst keine Probleme hatten, bekannte Marken für knallige Kino-Bonbons zu verwursten. Vielleicht scheute man die erheblichen Kosten, vielleicht verstand man den Witz nicht – ich bekam auch zu hören, dass ZUERST die Ärzte Interesse an dem Projekt bekunden müssten.

Ist natürlich eine Endlosschleife: Mir war klar, dass die Ärzte eher an Bord sein würden, wenn der Vorschlag von einer großen Filmfirma käme. Die großen Filmfirmen wollten aber erst an Bord sein, wenn die Ärzte grünes Licht gaben.

Da das Projekt für mich nie rasende Priorität hatte, erlaubte ich mir nur einen abschließenden Vorstoß – ich traf mich um 2005 im Schwabinger SCHEIDEGGER mit Buddy Giovinazzo, einem amerikanischen Low Budget-Filmer (COMBAT SHOCK), der sich in Deutschland als Drehbuchautor und Regisseur etabliert hatte und mit Bela befreundet war. Wir kannten uns von den BÖSE NACHT GESCHICHTEN, bei denen Bela auch nicht zufällig Buddys Geschichte vorgelesen hatte. Mit ihm hatte ich eine deutlich realistischere Chance, sowohl die Band als auch die Produzenten an einen Tisch zu bekommen.

Aber leider – Buddy konnte mit meiner zweiseitigen Story-Skizze so gar nichts anfangen. Die Idee eines ÄRZTE-Films gefiel ihm zwar, aber so eine Nonsens-Nummer war in seinen Augen nicht der richtige Ansatz. Ich sah das anders – und weil ich auch keine Lust hatte, mir eine andere Idee auszudenken, ließ ich es damit gut sein. Nicht aus jedem Hirnfurz kann ein Klassiker werden und das Schicksal gab mir nicht zu verstehen, dass ich dranbleiben müsse.

Trotzdem – ich hätte ZURÜCK NACH WESTERLAND – DER ÄRZTE-FILM schon gerne als DVD im Regal stehen. Ich bin ziemlich überzeugt, der hätte sehr, sehr geil werden können. Auch wenn ich damit vielleicht sehr allein bin.



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Moepinat0r
Moepinat0r
6. März, 2022 19:59

Also ich finde das hätte sich durchaus sehen lassen können. Lese ich da etwa Otto-esken Humor heraus oder stelle ich mir das nur so vor? Klingt auf jeden Fall lustiger und unterhaltsamer als was man normalerweise von solchen Band-Filmen vorgesetzt bekommt.

Selle
Selle
6. März, 2022 20:17
Reply to  Moepinat0r

Das war EXAKT meine erste Assoziation 😀 Klar, der Plot spielt auf die bekannten Brüder an, aber bei 158.999 Ärzte-Markt muss man einfach an Ottos 9.876 Mark und 50 Pfennige denken.

Abgesehen davon: Vor meinem inneren Auge hat sich beim Lesen so ein Helge-Schneider-Film auf Speed gebildet: Alle Topos drauf haben und dann mit Schmackes pulverisieren, niemals sagen dass man gerade in Texas ist ohne danach ein nordrhein-westfälisches Naturschutzgebiet hinter sich zu stellen. Hätte ich vermutlich sehr geil gefunden.

S-Man
S-Man
6. März, 2022 23:00

Hm, ich glaube, das wäre nix geworden. Ich persönlich halte ausgerechnet das Jahr 2000 für das Jahr, wo die Ärzte nicht mehr DÄ waren. Das Album “Runter mit den Spendierhosen, Unsichtbarer” erschien und war das so ziemlich Un-Ärzte-igste bis dato überhaupt. Ihm fehlte einfach jeder Witz. Das, was DÄ ausmachte, der Witz der 80er und frühen 90er waren entgültig vorbei. Auch das lustige Gequatsche und Spontanitäten auf Konzerten wirkten immer mehr einstudiert. Aus meiner Sicht hätte sowas, wenn dann, ein paar Jahre vorher funktioniert. Bela kann ich mir bei sowas noch vorstellen, aber Farin nicht – und schon gar nicht den doch eher besonnenen Rod.

Aber auch Ritchie Guitar wird seit jeher als Rotes Tuch beschrieben. Meines Wissens, gehen sie nicht gerade hausieren und wollen eher nicht darauf angesprochen werden…

Ich glaube… nein, das hätte nicht funktioniert.

Mina Knallenfalls
Mina Knallenfalls
7. März, 2022 12:07

Die Ärzte. Ich glaube, die verdienen wirklich den Titel “mir fremdeste Erfolgsstory”.

Schon als ich in der Schule war, gab es die. Und jeder mochte die. Außer mir. Weder war ich Außenseiter noch hatte ich ansonsten einen so sehr von allen anderen abweichenden Musikgeschmack (bisschen Hard Rock, bisschen Metal + Bad Religion), aber die Ärzte? Habe ich gehasst, abgrundtief. Weder machen die gute Musik noch mag ich deren Texte noch find ich an denen auch nur irgendwas witzig – und dann sahen die auch noch aus meiner Sicht unsympathisch aus.

Heute, schlanke 25 Jahre später, dasselbe: Party im Familien- oder Freundeskreis, irgendwann kommen immer die Ärzte. Und immer noch mag jeder sie, nur ich nicht.

Lieder, die alternde Kindergärtnerinnen nach zu viel Prosecco textsicher mitkreischen und diese Kichern, dass die ja auch ganz “freche” Texte hätten: Nein. Nein. Dreimal nein.

Vermutlich können die da gar nichts zu. Ich aber auch nicht.

😉

Jake
Jake
7. März, 2022 16:39

Ich konnte und kann mit der Musik der Ärzte weitgehend nichts anfangen. Lediglich die Songs “Friedenspanzer” und “Schrei nach Liebe” fanden vor knapp 30 Jahren mal ihren Weg auf eines meiner Mix-Tapes. Ein komplettes Album habe ich mir von denen nie gekauft.

Weil Torsten sie in seinem Kommentar erwähnt: Die Hosen fand ich einen überschaubaren Zeitraum lang richtig töfte. Die Ende der 80er und Anfang der 90er erschienenen Outputs “Ein kleines bisschen Horrorschau” und “Auf dem Kreuzzug ins Glück” habe ich damals rauf und runter gehört.

Michael
Michael
8. März, 2022 13:22

Puh. Ich habe dabei Szenen vor Augen, die mit mehrfacher Geschwindigkeit ablaufen (zum Beispiel der im Kreis fahrende Zug). Und 90er-Optik. Für mein Gefühl ist es dafür zu spät und die Jungs dafür inzwischen zu erwachsen.
Obwohl ich auch unglaublich gerne einen „Die Ärzte und der lustige Astronaut“ gesehen hätte. Aber eben damals.

Michael
Michael
9. März, 2022 13:07
Reply to  Torsten Dewi

Ich bekomme es nicht auf die Reihe, dass 2005 schon wieder 17 Jahre her ist. Die Zeit scheint schneller zu vergehen als ich gefühlt altere. 🙄

Solus
Solus
11. März, 2022 21:50

Als Nicht-so-Ärzte-Fan verbinde ich ja hauptsächlich “Schrei nach Liebe” mit der Band. Entsprechend wäre für mich der optimale Ärzte-Film eher so eine Art “My fair Nazi”-Musical, in denen die Ärzte mit einer anderen Band (ggf. “Die Prinzen”, weil die wie die Ärzte aussehen) wetten, dass sie einen Neonazi umerziehen können. Das hätte ich mir angeguckt im Kino…