18
Feb 2022

Final Thoughts: PEACEMAKER

Themen: Film, TV & Presse |

Story: Wider Erwarten hat Peacemaker die Ereignisse von THE SUICIDE SQUAD überlebt. Er wird für ein neues Team rekrutiert, das eine Alien-Invasion abwenden soll – und bringt gleich seinen hyperaktiven Sidekick Vigilante und seinen Schoßadler Eagly mit. Dummerweise wird das Team an allen Ecken und Enden belogen, die Teilnehmer können sich nicht leiden – und Peacemaker hadert immer noch mit seinem Vater, einem knochenharten Redneck-Nazi, der ihm die spezialisierten Helme baut…

Kritik: Ich gesteh’s: ich fand schon die Idee einer PEACEMAKER-Serie kappes. Die Figur ist in THE SUICIDE SQUAD gestorben und ich hasse wenig mehr als die Tatsache, dass in Comic-Universen der Tod völlig entwertet worden ist. Sowohl als Handlungselement als auch als emotionale Daumenschraube hat er jede Bedeutung verloren. Klon, Zeitreisen, Parallelwelten, Magie – es gibt unzählige Möglichkeiten, Charaktere im wahrsten Sinne des Wortes zu reanimieren.

Wichtiger noch: Peacemaker ist ein Arschloch und ich hadere seit Jahren damit, dass wir in einer Serienkultur leben, die Drogendealer, Massenmörder, Mafiosi und sonstige Psychopathen zu Helden umdeutet und ihnen damit huldigt. Selbst in UNCHARTED wird die Tatsache, dass Nathan Drake ein Profikrimineller ist, an keiner Stelle als moralischer Malus thematisiert. Haltet mich für einen alten Knacker, aber das ist schlicht… nicht richtig. Zumal es auch selten wirklich gut funktioniert, wie wir gerade in BOBA FETT gesehen haben.

Die Frage: Was sollte mich an einer Serie über einen faschistoiden, brutalen, strunzdummen und empathielosen “Helden” scheren? Die Antwort: Seine Dekonstruktiion. PEACEMAKER geht nicht den bequemen Weg und unterstellt, dass der titelgebende Schlagetot einen weichen Kern unter der harten Schale hat. Ein, zwei Folgen lang wird uns der muskelbepackte Vollidiot als durch und durch unheilbar widerwärtig präsentiert. Es geht nicht primär darum, dass man sich jederzeit entscheiden kann, “ein Guter” zu sein, was der bequeme moralische Twist so vieler Blockbuster ist. Man kann es eben nicht. Weil man geprägt ist von seinem Leben, von Ereignissen, von Verlusten und vor allem… von seinen Eltern.

“Can you maybe up the contrast on the X-ray a little more to show the definition in my muscles?”

Wer an dieser Stelle nicht schon den Finger hebt und “James Gunn!” ruft, hat in den letzten Jahren nicht gut aufgepasst. Der Mann hinter SUPER, GUARDIANS OF THE GALAXY und jetzt eben PEACEMAKER hat “daddy issues” zu seinem dominierenden Thema gemacht, das er teilweise in verschiedenen Ausprägungen gleich mehrfach in jeden Plot quetscht. Vielleicht arbeitet er damit eigene Traumata auf – vielleicht hat er aber auch erkannt, dass “daddy issues” ein zentrales Defizit der aktuellen Generation ist.

Und so schauen wir zu, wie langsam eine traditionelle, aber doch recht sympathisch schräg erzählte Alien-Invasion enthüllt wird, die von einem Team bestenfalls der Klasse B- verhindert werden soll, während Peacemaker in der Interaktion mit anderen gestrandeten Möchtegern-Helden lernen muss, wie zwischenmenschliche Kommunikation ohne Schuldgefühle, Schimpfwörter und Schlampenficks funktioniert. Um es mit einem anderen rechtsgerichteten Vollhonk zu sagen: Dieser Weg wird kein leichter sein.

Weil es James Gunn ist, gelingt das auch sehr gut. Die körperliche Perfektion und strunzige Willenskraft von Peacemaker wird wie die Scheiben einer Zwiebel abgepellt, und es kommt ein verkrüppelter, aber auch mitleiderregender Kern zum Vorschein. Die Serie reflektiert “male aggression” und die Toxizität klassischer Rollenmodelle und entlarvt den Mann selber als Opfer eines kranken “might makes right”-Überlegenheitskultes. Peacemaker muss gebrochen werden, um sich von Grund auf wieder neu zu finden. Back to the drawing board.

Im Gegensatz zum unsäglichen BIRDS OF PREY hätte dieser Film in der Tat den Untertitel “The Fantabulous Emancipation of one Christopher Smith” verdient.

Das klingt nun alles sehr theoretisch und nach viel Sozialpädagogik, aber Gunn wäre nicht Gunn, wenn er diese death/rebirth-Geschichte nicht bis an den Rand mit kruden Figuren, witzigen Dialogen, poppiger Musik, knallhartem Splatter und inszenatorischen Taschenspielertricks füllen würde. Jenseits aller Meta-Ebenen und Subtexte ist PEACEMAKER vor allem Big Fun.

“Fuck Aquaman. He bangs chicks? Good for him. He fucks dudes? Got no problem with that. He starts fuckin’ fish? That’s taking it a step too far.”

In Sachen Remmidemmi wird erfreulich selten nur auf Schauwerte geschielt. Es geht trotz aller Gelacktheit weniger um spektakuläre Effekte und Action, auch die Locations erinnern eher an SHIELD als an FALCON AND WINTER SOLDIER. Die große Budget-Hose aufmachen und sich den Blockbuster blasen zu lassen, das war augenscheinlich nicht Hauptaugenmerk. Das macht PEACEMAKER zum Kid Rock in einer Welt aus Marvel-Coldplay.

“If we have a kid, I’d like to name her Octopussy. And if it’s a boy, Sharknado.”

Natürlich werden letztlich hier die GUARDIANS noch mal erzählt – ein schräges Team an “misfits”, das in der Gruppe deutlich mehr Familie findet als in der Blutsverwandtschaft. Gemeinsam sind wir stark – wenn wir uns nicht vorher umbringen. Kann man so ja auch auf SHAZAM anwenden. Oder die gesamte FAST & FURIOUS-Franchise. Und damit stellt sich natürlich die Frage, ob Hollywood bewusst oder unbewusst die “alternative family” propagiert, in dem man “gute Freunde” zu “Familie” umfirmiert und das Konzept der biologischen Familie ad acta legt. Mir kommen dazu ein paar sinistre Gedanken, aber das würde an dieser Stelle zu weit führen.

110 Prozent Gunn – wer’s mag, der mag’s. Wer nicht, der nicht.

“Wookies have teeth on their asshole. That’s canon.”

Fazit: Eine weniger auf Spektakel als auf Gruppendynamik und beißenden Humor setzende Miniserie, der es tatsächlich gelingt, den Peacemaker glaubwürdig als Helden und John Cena als Schauspieler zu rehabilitieren. Respekt.

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P.S.: Zweite Staffel ist geordert. Wortvogel approves.



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Ulrich Meier
Ulrich Meier
18. Februar, 2022 11:02

Schöner Kommentar, dem quasi nix hinzuzufügen ist.

milan8888
milan8888
18. Februar, 2022 11:25

Na hoffentlich dann bald mal in Deutschland

Sven
Sven
18. Februar, 2022 11:34

Muss man Suicide Squad geguckt haben oder kommt man auch ohne gut zurecht? Sorry, falls es im Text steht, ich wollte evtl. Minispoilern aus dem Weg gehen.

Khaanara
Khaanara
18. Februar, 2022 11:40

Es war aber schon in SUICIDE SQUAD zu sehen, dass er überlebt hatte.

jimmy1138
jimmy1138
19. Februar, 2022 09:21

“ich hadere seit Jahren damit, dass wir in einer Serienkultur leben, die Drogendealer, Massenmörder, Mafiosi und sonstige Psychopathen zu Helden umdeutet und ihnen damit huldigt.”

Gleichzeitig ist das aber gewissermaßen das Fundament des modernen “goldenen Zeitalters” des Fernsehens, das mit Serien wie “The Sopranos” begonnen hat.
Ich denke auch nicht, daß Figuren wie Tony Soprano, Walter White, Vic Mackey & Co. als Helden porträtiert wurden. Auch wenn “Held” oft synonym für “Hauptfigur” verwendet wird, hatte ich da nie das Gefühl, daß ihr Treiben als moralisch korrekt dargestellt wurde. Gewisse Empathie oder Sympathie war natürlich da – der Zuseher wird wohl keine Serie über etliche Staffeln verfolgen, in der die Hauptfigur zutiefst unsympathisch ist – siehe z.B. The Office UK vs The Office US.

jimmy1138
jimmy1138
19. Februar, 2022 10:33
Reply to  Torsten Dewi

Ich möchte nicht soweit gehen, daß ein kausaler Zusammenhang zwischen Antihero-Shows und dem golde age gibt, aber Serien wie “Oz”, “Sopranos”, “The Wire” waren wegweisend.
Und ja, Sympathie ist wie gesagt notwendig, um den Zuseher bei der Stange zu halten – z.B. ein David Brent funktioniert eben nur eine gewisse Zeit. Da gibt es dann immer noch schlimmere Gegner. Trotzdem denke ich, haben die meisten Serien dann doch noch die Kurve gekratzt und die Hauptfigur bekommt in der ein oder anderen Form die Rechnung für seine Taten präsentiert.
Und vielleicht ist das nur ein ganz subjektiver Eindruck, aber in letzter Zeit habe ich den Eindruck, daß viele weibliche Bösewichter prinzipiell bloß als “mißverstanden” dargestellt werden – Maleficent, Cruella, Harley Quinn, Emperor Giorgiu, Scarlet Witch, die Terroristin in FATWS. Mein persönliches Negativbeispiel ist da ja “Orange is the new black”, wo so gut wie alle Insassen eigentlich irgendwie gute Menschen und die Gefängniswärter die wahren Bösewichter sind.
Aber im Prinzip gebe ich recht: Es braucht keine Antihelden für Qualitätsunterhaltung.

Rudi Ratlos
Rudi Ratlos
21. Februar, 2022 14:40

Nur wie und wo guckt man das hierzulande am Besten?