19
Jan 2022

Lie, cheat, steal – whatever it takes: Der Ghostwriter-Scam (3)

Themen: Film, TV & Presse, Neues |

Vor ein paar Jahren habe ich über Amateur– und Profi-Betrüger geschrieben, die fremde Werke umetikettieren und mit neuen Titeln & Covern als eBooks auf den Markt schmeißen. Es ist ein wohl lukratives, aber letztlich immer kurzlebiges Geschäftsmodell. Wer sich für das Thema interessiert, sollte die beiden Artikel vielleicht noch mal lesen. Es gibt zum ominösen Buchverlag Teleprogress auch ein Update: Nachdem man sich komplett unsichtbar gemacht hatte, als der Skandal um die gekaperten Fremdwerke auffiel, wurde die Firma laut eines Eintrags beim Handelsregisteramt 2020 auf neue Besitzer überschrieben. Was die damit anfangen, ist aktuell völlig undurchschaubar.

Nun gibt es aber eine neue Masche, mit der Autoren und Leser getäuscht werden sollen. Und die ist so interessant, dass ich einfach mal die Entdeckungen meines Kollegen Lee Goldberg aufgreife und hier zusammenfasse.

Es geht um ein ganzes Konglomerat an Firmen bzw. Webseiten, die vorgeben, professionelle Ghostwriting-Dienste anzubieten. Wer keine Zeit oder kein Talent hat, selber ein Buch zu verfassen, kann gegen ein Honorar einen Profi ranlassen und das fertige Werk hinterher als sein eigenes ausgeben und vermarkten.

Man kann vom Ghostwriter-Business halten, was man will. Ich persönlich denke, dass man ein Buch, das man nicht selber geschrieben hat, auch nicht als das eigene ausgeben sollte. Der “wahre” Autor hat ein Recht, auch als solcher auf dem Cover zu stehen. Die meisten Promis, die sich ihre “Autobiographien” schreiben lassen, klinken unter ihre Autorennennung mittlerweile wenigstens ein “mit Waldi Tastenschlampe”. Und manchmal ist es ja auch offensichtlich.

Oft ist das Ghostwriting für Influenzer und andere Celebritys ein einträgliches Geschäft für Boulevardschreiber, die ihre Redaktionsbeziehungen in Schreibaufträge ummünzen. Jeder, wie er mag.

Kann man also machen. Aber nicht so wie Central Ghostwriting, Book Writing Inc., Pearson Ghostwriting und vermutlich noch ein paar andere. Sie alle bieten auf professionell gestalteten, sehr ähnlich aussehenden Webseiten ihre Dienste an – ein Top-Team von Autoren, Grafikern und Vermarktern steht angeblich bereit, um DEINE Ideen zum Bestseller zu stricken:

Was es kostet, ein Buch schreiben zu lassen, erfährt man nicht direkt, man wird nur massiv mit Coupons und Chats gelockt, sich ein Angebot einzuholen. Die weiteren Dienstleistungen finde ich recht happig bepreist:

Nun gut, professionelle Arbeit verdient professionelle Bezahlung. Schaut man sich die Webseiten mal genauer an, gehen allerdings alle Alarmsirenen an. Wenn die hier präsentierten Texte ein Indikator für die Qualität des Ghostwritings sind, dann würde ich nicht präventiv Platz im Regal für den Friedenspreis des deutschen Buchhandels freiräumen:

“Our authors have got magical hands; their text makes people attract to their book.”

Alle diese Dienstleister sind auch verdächtig schwer lokalisierbar, die pflichtgemäßen Standortangaben entpuppen sich bei einer Google-Suche wahlweise als Apartmenthäuser und Gewerbegebiete in Los Angeles – beides kaum die richtigen Orte für literarische Agenturen. Die Texte lassen eher vermuten, dass die Hintermänner im indischen oder asiatischen Raum sitzen.

Die angeblichen Top-Autoren, die bereit sind, anonym für dich (ja, DICH!) zu schuften, bringen erstaunliche Expertise mit:

Es gehört nicht viel dazu, um das Bild von “Roseanne Wynter” als Stockfoto einer großen Agentur zu identifizieren:

Der genannte Roman THE FAMISHED ROAD ist auch nicht von Roseanne Wynter, sondern von Ben Okri – der es ganz sicher selbst geschrieben hat.

Andere Autoren werden seltsam vage und holperig vorgestellt. Mein Favorit ist hier “Patricia” G. Johns, deren/dessen Bio sich weniger wie eine Realität und mehr wie eine generische Möglichkeit liest:

Vor allem aber: Patricia G. Johns ist im Verbund der Ghostwriting-Services nicht nur Autor, sondern als Michael Cain auch gleich noch zufriedener Kunde:

Wahrlich, die Jungs haben das perpetuum mobile für Schriftsteller erfunden: man heuert sich selbst an! Was man vorne bezahlt, nimmt man hinten wieder ein!

Perfekt!

Es ist sehr offensichtlich: bei den ganzen Webseiten handelt es sich um Scams. Hier schreiben keine Top-Autoren – vermutlich schreibt überhaupt niemand. Alles nur Köder. Was okay wäre. Muss ja keiner drauf reinfallen. Was aber eben nicht geht und was von Lee Goldberg auch moniert wird: diese Gauner werben damit, veritable Bestseller auf den Markt gebracht zu haben, u.a. von Lee Goldberg:

Das ist im Zweifelsfall auch rufschädigend. Es ist dabei nur eine Fußnote, dass man die Definition des Genres bei der Wikipedia abgeschrieben hat, die wiederum aus der Encyclopedia of Adventure Fiction zitiert.

Bei den Top-Autoren, die angeblich für die Webseite arbeiten, finden sich zumindest die Bilder von echten Bestseller-Schriftstellern, was auch schon erste Konsequenzen hat:

Laut den Webseiten könnte ich meinen nächsten Roman demnach von Joanne K. Rowling ghostwriten lassen. Führt mich nicht in Versuchung…

Nun gehört Lee Goldberg nicht zu den Leuten, die sich so einen Betrug gefallen lassen – er hat eine der Webseiten kontaktiert. Sofort wurden seine Cover zumindest bei dieser einen Webseite auch gelöscht und durch generische und als Symbolbilder gekennzeichnete Versionen ersetzt:

Die schriftliche Reaktion auf die Beschwerde fiel allerdings mau aus:

“We do not intend to take of your credit work.”

Der Chat mit “Steve” war ebenfalls nicht sonderlich erhellend (Auszug):

STUART: Hello, how are you doing today? Are you looking to get some Writing Assistance? Book Writing? Editor? May I know what is your book about? Autobiography? Fiction or Non Fiction.
ME: Fiction, but I am confused. I have been looking at various ghost writing services today, because I want to have a book written by the writer who wrote Lisa Jewell’s THEN SHE WAS GONE, but on your site, you say your author Patricia G. Johns ghost wrote it (though there is a picture of a black guy, also confuses me), but the Pearson Ghostwriting Service says their authors David Johnson & Julie D. Scott wrote it. So who really did? Because that is who I want to hire and I am so confused.
STUART: Hey, I did get the info. What you have just told me is the part of every fir. gf/
ME: I don’t understand what you just wrote.
STUART: let me explain you. Whatever you have seen on the other sites could be the way of marketing but we never quote any fake examples to generate the sale
Also if we have written anything for the famous person so we will share the details else we won’t believe in fake marketing.
Also you can share the details of the book with me we have
We have a team of experts with more than 150 people they are Ph.D. qualified writers and retired professors. Once you will become our customer, I will assign a team of 4 experts on your project and you will be in communication with one of them throughout the process.
ME: I am still confused. So those ghost writers on the other sites are fake ones… but Patricia G. Johns, who is pictured as a black man on your site, is the real one? The woman or guy who really wrote Lisa Jewel’s book?
STUART: Yes she was the part of the team, usually what happens profiles like Patricia or any other senior author worked before as a part time writer with us to give management sessions , to train the young writers as a good gesture we use their pictures and details. Yes?

Kann man sich nicht ausdenken.

Wie viele der lichtscheuen Internet-Betrüger geht man – einmal erwischt – kein Risiko ein: Pearson Ghostwriting ist schon nicht mehr zu erreichen und die anderen Dienstleister beginnen, ihre Webseiten zu säubern.

Ich bleibe mal wieder baff zurück: Ein ganzes Netzwerk an Fake-Ghostwriting-Services aufzuziehen, verlangt eine gewisse Menge an Einsatz und Administration. Ist der Markt wirklich so groß und der Kunde wirklich so dumm, dass sich das rechnet? Andererseits: Über die Webseiten selbst sind die Hintermänner kaum auszumachen. Die ändern zeitnah das Geschäftsmodell. New day, new scam.

Und wie sieht’s bei uns aus? In Deutschland ist Ghostwriting ebenfalls ein Markt, aber weniger in Sachen Roman & Sachbuch und mehr im Bereich akademischer Einreichungen. Da wird’s natürlich noch grauer und das zieht naturgemäß viele Abzocker an, die teilweise leichtes Spiel haben: wer sich eine Haus- oder Doktorarbeit diskret schreiben lässt, hat wenig Interesse, bei Betrug an die Öffentlichkeit zu gehen. Kein Wunder also, dass sich viele schwarze Schafe in der Branche herum treiben. Die Seite GWriters hat eine beträchtliche Liste von Angeboten zusammen gestellt, die angeblich Scams sind, z.B. dieses hier:

Andererseits: GWriters selbst ist ein kommerzielles Angebot für Ghostwriting-Dienstleistungen und man könnte unterstellen, dass hier Eigennutz im Spiel ist. Ich weiß es schlicht nicht. Buyer beware.

Ich habe in meinem Leben durchaus schon für andere geschrieben. Ich war Ghostwriter für Romane, Artikel und Drehbücher, aber nur in einem sehr begrenzten Umfang. Umgekehrt war alles, wo mein Name drauf stand, auch aus meiner Feder. Vielleicht macht es mich deshalb so fassungslos, dass es Menschen gibt, die anderer Leute Arbeit als ihre eigene ausgeben.



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Marcus
Marcus
19. Januar, 2022 15:39

Neil fuckin Gaiman. Das ist so unfassbar dummdreist, man glaubt es nicht…

Warum nicht gleich Stephen King oder George RR Martin? 😆

Lothar
Lothar
19. Januar, 2022 17:46
Reply to  Marcus

George RR Martin wäre für solche Scammer eigentlich perfekt, weil man die Ausrede überhaupt hat, warum das Buch noch nicht fertig ist, auf das man schon so lange gewartet hat.

Zeddi
Zeddi
20. Januar, 2022 19:30

Waren wenigstens alle angeblichen Autoren noch am Leben? 🙂

Martin Däniken
Martin Däniken
21. Januar, 2022 11:51

Ist es das Ende, wenn das erste Buch von Atlas von Boston Dynamics ge-ghost-ge-writert erscheint?
Oder ein Anfang?
Wenn z.B. Atlas eine eigene AI/KI hat und eine andere AI/KI das Buch “schreibt” und dann im Rechtsstreit beide von humanen Rechtsanwälten vertreten werden müssen…
und beide Seiten setzen ihrerseits unterschiedliche AI/KIs ein – für Beratungen, Schriftstücke usw analysieren zu lassen!

AI/KI nehme ich als übergeordnete allgemein verständliche Begrifflichkeit, o.k.
für Expertensysteme usw