03
Jan 2022

Filmverbrechen-Fotostory: SPIDER MURPHY GANG – DER FILM oder: Die Beatles von Bogenhausen

Themen: Film, TV & Presse, Fotostory |

Es gibt wenige Songs, die so sehr die Neue Deutsche Welle definierten wie “Skandal im Sperrbezirk” der Spider Murphy Gang:

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Dazu haben wir abgehottet, das haben wir mitgegröhlt in der Schuldisco damals. Übersehen wird oft, dass SMG genau genommen kein NDW-Act waren. Die erste Platte veröffentlichte die Band 1978 und die Eigenbeschreibung “Rock’n’Roll – aber mit bayerischen Texten” trifft es eigentlich ganz gut. Doch sie kamen in den Sog der NDW, wurden damit erfolgreich – und gingen letztlich auch damit unter.

Tatsächlich hatte die SMG mehr Hits als die meisten NDW-Stars wie Markus, UKW, Hubert Kah oder Trio. Bis heute spielen sie in wechselnden Besetzungen immer noch auf Retro-Festivals und in TV-Shows, auch wenn das ist nur noch “Mitnahme” früherer Lorbeeren ist. Die haben ein echtes und sympathisches Rampensau-Gen.

Weniger bekannt ist, dass SMG im Oktober 1983 auch einen Film in die deutschen Kinos brachten – nicht nur irgendeinen, sondern DEN KINOFILM ÜBERHAUPT!

Damals im Kino – heute praktisch verschollen. Nun bin ich niemand, der einer cineastischen Weltverklärung das Wort redet, aber zumindest in einer “bare bones”-Edition, abgetastet von einer Kinokopie, sollten solche Filme verfügbar sein. Angesichts der Beteiligten ist kaum davon auszugehen, dass es an einem Zelluloid-Original hapert.

Andererseits: vielleicht sind die Beteiligten auch das Problem. Denn SMG (erlaubt mir diese fingerschonende Abkürzung) ist ein gar seltsames Produkt, bei dem sich die Filmförderung, der Neue Deutsche Autorenfilm und die schrabbeligen Softsex-Veteranen von LISA-Film die Hand reichten.

Vertrieben wurde SMG nämlich von dem hier:

Diese Vertriebsfirma war eigentlich vom Jungen Deutschen Film für den Jungen Deutschen Film gegründet worden. Mehrheitseigner war 1983 niemand Geringerer als Rudolf Augstein, Herausgeber des SPIEGEL. Einen NDW-Film ins Programm zu nehmen, scheint auf den ersten Blick abwegig. Aber man hatte mit THEO GEGEN DEN REST DER WELT und MÄNNER ordentlich Profit gemacht, da schaut man vielleicht nicht ganz so genau auf den hehren Anspruch des Projekts.

Zur Aufblende und den Credits starten wir mit der Heimfahrt eines schrottigen Transporters im nächtlichen Regen:

Schwer erkennbar, aber das sind die Jungs von der Spider Murphy Gang: Günther, Barny, Franz und Michael. Alle spielen nur leicht fiktionalisierte Versionen von sich selbst. Frust ist angesagt – beim neusten Gig sind die Rock-Nummern mit dem bayerischen Text wieder mal nicht gut angekommen. Dazu auf dem Soundtrack: “Mir san a bayrische Band”, ein Song, den der Film totspielen wird, weil er wohl so etwas wie das Mantra sein soll, der Schlachtruf.

Eine Blondine im Regen – der Schutzengel? Eine gute Fee? Eine Bordsteinschwalbe? Nein, es ist nur eine Anhalterin namens Rosie. Und wer das Oeuvre der Jungs kennt, der ahnt schon, worauf das hinaus läuft.

Title drop! Ich halte es allerdings für etwas bizarr, dass man dem Filmtitel nicht mal den Zusatz “Der Film” gegönnt hat. Lässt sich ja kaum googeln, sowas.

Wir kommen zur Besetzung – und die lohnt weitgehend kaum Beachtung, denn eine erstaunliche Menge der Darsteller waren “one and done” und sind auch sonst im Netz kaum zu finden. Z.B. Annie Bröhl, die mit ausdruckslosem Gesicht und praktisch textlos die “Rosie” spielt. Von Gabriele Kloske konnte ich zumindest recherchieren, dass sie 1983 gegen ein SS-Treffen das Wort ergriff.

Aber jetzt gehen wir in die Vollen, denn die Namen Jolanda Egger und Susanne B. Winter sind uns/mir bekannt. Ich gehe drauf ein, sobald sie im Film dran sind.

Hier wird’s schon sehr seltsam – einerseits wirkt SMG so gar nicht wie ein Film, der öffentliche Förderung ergattern kann. Andererseits hat man vielleicht über das Lokalkolorit den Eindruck erwecken können, es würde eine genuin bayerische Komödie produziert.

Sieben Leute für einen ungewöhnlichen Credit namens “Drehbuchmitarbeit”:

Klar, da sind die Jungs der Band selber mit dabei. Und Darsteller Hans Brenner. Und ein ansonsten unbekannter “Paul S. Born”. Und… Michael Verhoeven? Der Mann von Senta Berger und seines Zeichens selber Regisseur von hoch geachteten Werken wie DIE WEISSE ROSE, DAS SCHRECKLICHE MÄDCHEN und DIE SCHNELLE GERDI?!

Keine Sorge, wir werden das noch aufdröseln.

Es geht aber noch konfuser: Die IMDB listet satte fünf Kameramänner für den Film, darunter den hier vermerkten “Sepp Vilsmeier”, der ansonsten bei der IMDB nicht auftaucht. Es gehört aber wenig Fantasie dazu, um zu vermuten, dass sich dahinter womöglich der große Joseph Vilsmaier verbirgt, dem wir u.a. HERBSTMILCH, STALINGRAD und SCHLAFES BRUDER verdanken.

Der Name “Joschko Kleffcowski” taucht immer wieder als Nonsens-Credit auf. Man verrät nicht viel, dass sich dahinter der umtriebige (aber fiktive) Manager der Spider Murphy Gang aus dem Film versteckt, der von Hans Brenner gespielt wird.

Noch ein Nonsens-Credit für Joschko:

Die Rückfahrt der Band nach München erlaubt uns zumindest eine genaue Verortung – man passiert den Zirkus Krone nahe der Hackerbrücke:

Hier biegt der Band-Bus bei einer Tanke ab:

Diesel 1 Mark 22 Pfennig. Und das galt damals als Wucher!

Und jetzt wird es wieder ganz spannend – den Weltvertrieb hatte seinerzeit ein “Eginhart Hillenbrand”:

Dieser Mann ist in der IMDB nur mit zwei weiteren Credits vertreten ist, darunter KILLING CARS von Peter Patzak, der u.a. von Julia Kent geschrieben wurde, der langjährigen Lebensgefährtin des LISA-Chefs Karl Spiehs. Und wen finden wir als Weltvertriebler in so ziemlich allen LISA-Filmen?

Ich halte es für keine allzu kühne Behauptung, dass “E. Hillenbrand” ausgeschrieben “Eginhart Hillenbrand” hieß. Das bedeutet allerdings auch, dass der Filmverlag der Autoren einen Musikfilm mit Geldern der Bayerischen Filmförderung in die Hände des schrabbeligen Sex & Crime-Produzenten legte. Wahrlich, hier haben sich seltsame Bettgenossen gefunden.

Anhalterin Rosie bereitet sich darauf vor, ihren Weg allein zu gehen – ohne den sehr offensichtlich spontan verknallten Barny:

Und mit den letzten Credits lüftet sich vielleicht nicht der, aber immerhin ein Schleier – SMG wurde produziert von SENTANA, der Produktionsfirma von Michael Verhoeven und Senta Berger!

Hier scheint wirklich gar nichts zusammen zu passen. Wieso Filmförderung? Wieso LISA? Wieso Playmates (dazu kommen wir noch) und Senta Berger? Kann die Listung des Autors und Regisseur Licht ins Dunkel bringen?

Leider nein. Wer Georg Kostya nicht kennt, wird aus der IMDB erstmal nicht schlau. Nach ein paar kleineren Rollen in den 60er Jahren sind keine Einträge zu finden – bis er plötzlich diesen Film dreht. Danach hatte er noch einmal eine Gastrolle in der Verhoeven/Berger-Serie DIE SCHNELLE GERDI. Er starb 2011.

Zumindest dieses Rätsel lässt sich lösen: Georg Kostya war eine feste Münchner Promi-Größe, aber nicht als Darsteller, Regisseur oder Autor. Stattdessen war er der legendäre Moderator der BR-Sendung “Aus meiner Rocktasche”:

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Mann, die habe ich oft gehört, wenn ich Sonntag nachts von Düsseldorf nach München zurückfuhr – und fand sie so poofig wie ihren Titel. Kostya hatte eine tolle Stimme, aber das war Altherren-Radio.

Aber Kostya war eben auch Entdecker und Förderer junger Bands, zu denen in den späten 70ern die Spider Murphy Gang zählte. Es heißt, dass Kostya zu denen gehörte, die die Band zum Erfolg pushten – und damit erklärt sich die Freundschaft zu den Musikern und die Schirmherrschaft beim gesamten Filmprojekt, für das Kostya vermutlich auf die Hilfe vieler Beziehungen in die Münchner Schickeria zurückgreifen konnte.

Natürlich lässt das auch ahnen, dass alle Fehler, denen wir bei diesem Film begegnen werden, letztlich der Unerfahrenheit Kostyas zuzuschreiben sind, der nie einen Film geschrieben oder gar gedreht hatte. In diesen beiden Schlüsselpositionen herrscht strikte “amateur hour”. Addiert dazu, dass die Bandmitglieder ja auch keine Profis vor der Kamera waren – das hier wird mal wieder ein hartes Brot, oder?

Genug der Vorrede, die Credits sind schon mal geschafft und wir können uns endlich dem widmen, was der Film als “Handlung” versteht. Es ist nicht viel. Außerdem sei um des Anstandes willen vermerkt, dass diese Fotostory erneut Bilder von sekundären weiblichen Geschlechtsmerkmalen präsentiert – ob ihr das als Warnung oder Anreiz seht, liegt bei euch.

Wir starten mit Günther, der in einer Bank arbeitet, aber in Wirklichkeit vom Ruhm des Rock’n’Roll träumt. So zählt er das Geld mit Rhythmus im Blut, was dem Chef der Filiale erwartungsgemäß gar nicht gefällt:

Tatsächlich hat SMG-Frontmann Günther Sigl bei einer Bank gelernt – auch der Rest der Band bleibt bei ihren realen Berufen, auch wenn das letztlich wenig Relevanz besitzt.

Günthers Freundin ist die sehr blasse Uschi (ein weiterer Name, den wir aus einem SMG-Song kennen).

Derweil werden Barny und die anderen Band-Mitglieder in ihrer runtergekommenen Bude zum Mittag aus dem Schlaf gerissen:

Barny hat einen Termin beim Amt – er hätte gerne eine Anstellung als Musiker.

Doch die Dame kann ihn nur an eine andere Abteilung verweisen.

Ich gestehe, der Gag ist gar nicht so schlecht, vielleicht sogar der beste im Film – die andere Dame in der anderen Abteilung ist die selbe, nur mit anderem Outfit und anderer Frisur.

Bei einem smarteren Film hätte ich das als Kommentar über Entindividualisierung im behördlichen System verstanden. Aber hier – vermutlich wollte/konnte man sich einfach keine zwei Kleindarstellerinnen leisten.

Keyboarder Michael studiert derweil Physik – auch das biographisch verbürgt. Dabei träumt er von einer “Rosemarie”, wozu uns leider der Kontext fehlt:

Günther hängt sich ans Telefon, um einen Herrn Kramer an den Apparat zu bekommen. Der ist wohl ein Plattenboss? Ein Promoter? Niemand macht sich die Mühe, das zu erklären – oder warum Günther und Uschi in einer Telefonzelle stehen, obwohl später etabliert wird, das Uschi eine eigene Wohnung mit Telefonanschluss hat. Meine Vermutung: draußen drehen war einfacher und billiger, zumal die Telefonzelle noch mehrfach vorkommt. Man hat das wahrscheinlich alles in einem Aufwasch runtergekurbelt.

Einer Notiz im Netz habe ich entnommen, dass SMG weitgehend in Haidhausen gedreht wurde, bevor der Kiez “in” war – und in der Tat, das war noch ein richtiges “Glasscherbenviertel”, wie ich es selber gar nicht mehr kennengelernt habe.

Das gehört auch durchaus zu den positiveren Aspekten des Films – SMG zeigt München (ähnliche wie KOTTAN ERMITTELT Wien) nicht glamourös oder touristisch attraktiv, sondern bodenständig runtergekommen, als wäre es Berlin vor dem Mauerfall.

Drummer Franz trägt ein nicht weiter erklärtes Brusthaartoupet und zeigt Barny einen “Trick” mit einer Zigarettenschachtel, der “leider” schief geht und die Glimmstengel zerbröselt:

Diese Szene ist symptomatisch für den gesamten Film: weder das Brusthaartoupet noch der Trick sind für sich genommen lustig. Es sind Setups ohne Pointe. Ich hätte Georg Kostya gerne gefragt, was die Zuschauer daran lustig finden sollen.

In den 80ern durchaus noch existent, heute unvorstellbar: In Barnys Bude klappt man die winzige Badewanne aus einem Spind raus:

Und nun wird endlich abgerockt – die Jungs üben fleißig in der Bude:

Wahrscheinlich hätte ich schon mit 15 verstanden, dass der türkische Nachbar nach der Nachtschicht gerne etwas Ruhe hätte:

Aber nein, der wird als dummer Ausländer abgekanzelt: “Für uns jetzt Tag, verstehen?”. Die 1983 vermutlich noch sympathisch rotzigen Sprüchen haben ein unangenehmes Geschmäckle und das wird sich wie ein roter Faden durch den Film ziehen: Was die Jungs rebellisch zeigen soll, wirkt (erst?) heute herablassend bis assig. Die Spider Murphy Gang – das Tommi Ohrner-Quartett?

Nun kommt Franz’ Freundin vorbei. Sie sagt offscreen ihren Namen, den wir nicht verstehen, weshalb die IMDB sie auch “Freundin von Franz” nennt. Sie bekommt die Ansage, die Schürze zu greifen und sich “a bisserl nützlich zu machen”. Was sie tut. Manchmal bin ich weniger entsetzt über das arschige Verhalten der Männer in solchen Filmen als über das unterwürfige Verhalten der Frauen.

Nun ist diese Darstellerin mit zwei, drei Zeilen und keinem nachvollziehbaren Charakterbogen nicht irgendwer. Es ist Jolanda Egger, bwz. Jolanda Suter, bzw. Jolanda Tavoli, bzw. Jolanda Risi – je nachdem, welchen Ehemann sie gerade an ihrer Seite hatte. Sie hat das Kunststück geschafft, gleichzeitig im deutschen und im US-Playboy als Mädchen des Monats zu reüssieren – in Deutschland wurde sie sogar Mädchen des Jahres:

Als ehemalige Schönheitskönigin zierte sie davor und danach diverse Zeitschriften-Cover, verbrachte ein Jahr in Hugh Hefners legendärer Villa in LA und fuhr schließlich Autorennen.

Ich kann mich gut erinnern. Als Junge mit 15 fand man die natürlich sehr hinguckerig. Aber als Mann mit 53 stoße ich mich eher daran, dass sie heute mit großer Freude der Klatschpresse erzählt, wie sie mal (angeblich) mit Schwarzenegger in der Kiste war. Es zeigt sich halt leider, dass zu jedem großmäuligen Frauenaufreißer auch Frauen gehören, die sich gerne aufreißen lassen. Wenigstens lässt sich daraus gut ableiten, dass Frau Egger/Suter/Tavoli/Risi kein Opfer des Systems war, sondern ein Günstling.

Man darf übrigens in diesem Kontext auch die Frage stellen, warum man eine internationale Playmate für zwei Minuten Screentime anheuert, sie aber dabei völlig angezogen lässt. Meine Vermutung: jemand wollte seinem aktuellen Betthäschen ein bisschen Arbeit “im Showbusiness” verschaffen.

Um zu zeigen, wie schwer die Band sich tut, Auftritte zu akquirieren, sehen wir die SMG nun beim erfolglosen Versuch, am Türsteher eines Lokals vorbei zu kommen:

Der “Witz”: Die Bar ist das “Schickeria”, Gegenstand eines der größten SMG-Hits. Sie gab es tatsächlich nicht, Vorlage war die legendäre “Klappe” in Schwabing.

Wir erinnern uns: “Da laßn’s solche Leit wie di und mi erst gar ned nei.”

Der nächste Versuch soll ein schicksalhafter werden – im schrabbeligen Hinterhof-Lokal von Joschko wird angeblich nicht nur eine Serviererin gesucht:

Die Jungs stellen sich vor, aber der grantelige Besitzer ist nur so mittel interessiert:

Doch es fügt sich, dass gerade Frau Weiß vom Kulturreferat vorbeischaut. Ihr Wohlwollen wäre dem Zugang zu städtischer Förderung hilfreich.

Also lässt Joschko die Jungs spielen, um auf die “akustischen Probleme” seiner Bude aufmerksam zu machen. Man ist ja Gönner und Mäzen.

Frau Weiß ist wenig beeindruckt – was irgendwie dabei helfen soll, ihr Geld für die Schallschutzdämmung der Halle abzuringen.

Ihr erinnert euch an das Schild “Junge Serviererin gesucht”?  Willkommen zum Running Gag des Film, wobei “Gag” auch hier wieder sehr großzügig ausgelegt werden muss. Der Joschko geht bei “Mausi” gleich mal auf unangemessene Tuchfühlung:

Die Band ist derweil frustriert wieder abgezogen, weil kein Engagement winkt. Doch der Wind dreht sich: Die “Müllionäre” sagen Joschko ab und er braucht kurzfristig Ersatz. Also nix wie hinter dem Band-Bus her im PS-starken Rollstuhl.

Ja genau. Joschko sitzt im Rollstuhl. Nach eigener Aussage beim Drachenfliegen abgeschmiert, versichert sein “Küchenchef”, er sei einfach besoffen die Treppe runter gefallen.

Nun würde ich es generell gutheißen, dass der Film eine seiner ambivalenten Figuren als körperlich schwerbehindert zeigt, ohne daraus Gags oder einen Subplot zu pressen – wenn es nicht so offensichtlich wäre, dass Regisseur Kostya hier seiner eigenen Persona gehuldigt hat. Schließlich saß er selber im Rollstuhl und war ein Förderer der Band.

Überrascht von dem plötzlichen Interesse des Barbesitzers fährt Barny den Band-Bus gleich in eine (nicht eine – DIE!) Telefonzelle. Das ist übrigens die einzige “Actionszene” des gesamten Films, das kann ich schon mal vorwegnehmen:

In der nächsten Szene sehen wir, dass der Band-Bus nun endgültig schrottreif ist und in die Presse kommt.

Müssten die Jungs nicht eigentlich auch für die Telefonzelle bezahlen? Und was soll die ganze Nummer mit dem Band-Bus, wenn sie kurz darauf einen neuen (mit den alten Problemen) bekommen? Hat hier irgend etwas einen Kontext, eine inhaltliche Konsequenz? Kein Geheimnis: nein.

Barny fährt nun Fahrrad und bleibt auf der Leopoldstraße kurz vor dem Siegestor an einer Ampel stehen, während hinter im ein Ami-Schlitten heran rauscht:


Kurzer Einschub. Diese Szene ist Auftakt zum in meinen Augen größten Mysterium nicht nur dieser, sondern diverser billiger Kino-Klamotten der selben Ära: Warum drehten die immer an den gleichen Stellen in München? Tatsache ist, dass exakt an dieser Stelle, nur auf der anderen Straßenseite, der Schluss von EIN KAKTUS IST KEIN LUTSCHBONBON spielte:

Und beim GURU JAKOB hält Ohrner ebenfalls mit einer roten Ami-Schleuder an ebenfalls dieser Stelle:

Kann man da gut parken? Braucht man da keine Drehgenehmigung? Liegt’s an der Nähe zu den ARRI-Studios in der Türkenstraße? Stecken die Illuminati dahinter?


Zurück zum Film: Auf dem Beifahrersitz des Cabrios entdeckt Barny seine “große Liebe” Rosie. Doch trotz seiner deutlichen Rufe und Gesten zeigt sie sich desinteressiert. She’s just not that into you, bro!

Die ramponierte Telefonzelle wurde von der Deutschen Post anscheinend nicht außer Betrieb genommen. Günther versucht’s mal wieder bei Herrn Kramer, der nun angeblich “verreist” ist. Es ist aber auch ein Kreuz!

Joschko instruiert seinen Mitarbeiter derweil, als moralischer Kompass zu dienen, denn er hat ein Problem: er reißt notorisch seine Serviererinnen auf und feuert sie dann, weil man private und dienstliche Beziehungen nicht vermischen darf. Das soll durch ein waches Auge und frühe Warnungen künftig verhindert werden.

War das anno 1983 komisch? Oder hat man damals einfach mit Achselzucken hingenommen, dass der Typ ein Arschloch ist, das Frauen sexuell ausbeutet und dann auf die Straße wirft – während er sich gleichzeitig als unglückliches Opfer seiner Libido inszeniert?!

Egal, auch das ist letztlich nur Füller und die Band darf ja nun endlich mal in “Kleff’s Corner” ordentlich auftreten. Das Publikum ist überschaubar, aber die Freundinnen sind angemessen begeistert und dürfen ihren Jungs klatschen:

Hier sehen wir zum ersten, aber nicht zum letzten Mal einen Asiaten mit einem Vogel im Käfig. Was der mit dem Tier in einer Bar macht? Welche Funktion er hat? Wurscht. Ich wäre aber gerne dabei gewesen, als der Kostya (vielleicht) sagte: “Setzt den Weng da an den Tresen mit dem Käfig! Das ist super!”. Oder vielleicht war’s der Lieferant vom Asia-Catering.

Ebenfalls zur Dauerbesetzung der Bar gehören Adi und Helmut, die in diesem Genre immer wieder gerne präsentierten “Saufköppe, die dummes Zeug reden”.

Adi (Vordergrund) wird gespielt von Alfred Edel, einem durchaus arrivierten Schauspieler des Neuen Deutschen Films. Er stammt aus dem Stall von Alexander Kluge, der wiederum einer der Gründer und Mitbesitzer des Verleihs Filmverlag der Autoren war. Auch da fällt seltsam passend zusammen, was eigentlich gar nicht zusammen gehört. Das improvisierte Geschwätz von “Adi” stand mit Sicherheit auch nicht im Drehbuch, sondern wurde von Edel in seinem typischen Stil improvisiert, der auch in diesem Radiofeature thematisiert wird:

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Ich habe an dieser Stelle auch mal eine Herausforderung an die Härtesten unter euch: Schaut euch Alexander Kluges Science Fiction-Epos WILLI TOBLER an. Ganz. Ohne Vorspulen. Mit Ton. I dare you.

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Joschko ist mit dem ersten Auftritt der SMG ganz zufrieden und erklärt sich gleich mal zu Manager der Band. Er macht sie auch zu seiner Haus-Band. Schluffig, wie die Jungs sind, lassen sie das auch mit sich machen.

Das ist ein weiteres Problem dieses Films von Leuten, die keine Ahnung von Film haben: die Hauptfiguren sind komplett passiv und letztlich Gegenstand, aber nicht Antrieb der Handlung. Müsste man einen Protagonisten benennen, es wäre ausgerechnet der unsympathische Joschko.

Zum wiederholten Maße bekommt der Barbesitzer an diesem Abend eine Anzeige wegen Ruhestörung. Was das mit der Handlung zu tun hat, welche Folgen das nach sich zieht? Nix und keine natürlich.

Joschko nutzt den sich leerenden Laden gleich mal, um “Mausi” auf seinen Schoß zu ziehen. Was 2021 eine Klage nach sich ziehen würde, kostete 1983 die Kellnerin den Job. Ist ja schließlich ihre eigene Schuld. Irgendwie.

Neuer Tag, neues Glück: “Mausi” musste sich angesichts der Übergriffigkeiten von Joschko abservieren lassen, aber Ersatz steht schon in der Tür und bringt alles mit, was für den Barbesitzer von Interesse ist:

Günther schiebt derweil wieder Schicht in der Bank, beschäftigt sich aber mehr mit dem Texten von Songs als mit dem Abrechnen von Konten:

Uschi lässt ihn unpassenderweise in diesem Moment wissen, dass sie vier Kinder von ihm will – und ich würde verstehen, wenn Günther das zum Dealbreaker machen würde.

Mittlerweile hat sein Chef allerdings die Nase voll von den Spinnereien seines Angestellten und bittet zum finalen Gespräch.

Kleines Quiz: Wird die Arbeitslosigkeit von Günther irgendeine Auswirkung auf die Handlung haben? Werden die resultierenden Geldprobleme thematisiert? Führt das zu einem Konflikt zwischen Uschi und Günther? Kleiner Tipp: Die Antworten auf diese Fragen fangen alle mit “n” an.

Schmier auf der Linse? Filmfans der alten Schule ahnen es gleich – Traumsequenz!

Ja, da tanzen sie alle Ringelreihen und selbst Rosie ist im weißen Smoking dabei.

Barny wird von einem süßen türkischen Mädchen aus Morpheus Armen gerissen. Ich klinge mittlerweile wie eine gesprungene Schallplatte, aber auch dieses Setup zu einem Subplot wird nach dieser Szene nicht weiter verfolgt. Es muss reichen, dass 30 Sekunden rumgebracht wurden.

Erwähnenswert scheint mir nur noch, dass es im Haus wohl einen Schaumstoff-Vertrieb namens “Lamm & Fromm” gibt, was als Pointe nicht taugt und nur bei naiven Trash-Novizen die Hoffnung nährt, es würde im Finale vielleicht noch zu einem Schaumstoff-Schneegestöber kommen. Bei insgesamt acht Leuten mit Drehbuch-Input ist eine solche inhaltliche Stringenz offensichtlich zu viel verlangt.

Es wird wieder geprobt in Barnys Bude:

Dabei hüpft ein junges Mädchen aus dem Bett, um sich eine Badewanne einzulassen. Rollenname? Unbekannt. Darstellerin? Unbekannt. Vor allem aber auch – unwichtig. Weil ihre einzige Funktion ist, das zu tun, wozu Jolanda Egger offensichtlich nicht bereit war:

Natürlich kommt wieder der türkische Nachbar, um sich über den Lärm zu beschweren – und eine weitere Freundin von Drummer Franz namens Sylvia schaut auch vorbei.

Susanne B. Winter. Es hätte mich auch gewundert. Diese Blondine hat sich seinerzeit schon für die SCHULMÄDCHEN 84 und den Playboy ausgezogen:

Aber es zeigt sich erneut der bizarre “disconnect”, dass SMG zwar das Personal der LISA-Klamotten nutzt, aber dessen primäre Vorzüge nicht bedient: Susanne B. Winter bleibt nicht nur angezogen, sondern hat ungefähr 20 Sekunden Screentime und eine Textmenge, die sich in “servus beieinander” erschöpft. Sie darf der anderen Freundin von Franz einen nasskalten Lappen in den Rücken drücken:

Fragt nicht mich. Ich versteh’s auch nicht.

Es zeigt sich: die Band braucht einen richtigen Probenraum. Joschko bietet seinen Kühlkeller an – und verlangt gleich mal 300 Mark im Monat dafür. Die Jungs? Machen’s natürlich. Mir war nicht klar, dass SMG ein Haufen von Weichflöten war. Wo bleibt der Rock’n’Roll?

Michael erwähnt übrigens, dass er keinen Festvertrag unterschreiben kann, weil er zum Bund muss. Und wir können alle im Chor singen, inwieweit das noch für die Handlung relevant sein wird… GARNICHT! GARNICHT! GARNICHT!

Mit der kompletten Ausbeutung der Band hat Joschko scheinbar sein Tagewerk verrichtet und lädt die neue Bedienung Irene in seinen Fahrstuhl ein, den er mit einem Doppelbett ausgestattet hat:

Hallo, Irene! Auf Wiedersehen, Irene!

Die Band hat nun wenigstens einen richtigen Probenraum – auch wenn die Anlieferung von Kühleis der Performance nicht gerade dienlich ist:

Wer sich nun wundert, dass es 1983 noch Kühlräume gab, die mit geliefertem Kühleis betrieben wurden, den kann ich vollends aus den Socken hauen: das Eis kam mit dem Pferdewagen!

Irene heult sich bei der Band raus – normalerweise bekommt man als Gegenleistung für schnellen Sex ja einen Job und nicht die Kündigung.

Der zweite gelungene Gag des Films: Im Probenraum ist es so kalt, dass Irene tatsächlich Eiskügelchen heult.

Aber die Dinge (bzw. Joschko) sind nun mal, wie sie sind:

Günther sucht seine zweite Heimat auf, die Telefonzelle. Mittlerweile ist sie wohl gesperrt, aber kurioserweise nicht abgeschaltet.

Und siehe da: Diesmal bekommt Günther tatsächlich den Schmierlappen Kramer an den Apparat, der gleich zum Zirkus Krone lädt, von wo er die Band zu einem Nachwuchswettbewerb in Miesbach schickt.

Ein bisschen desillusioniert ziehen die Jungs von dannen, aber der Traum, auch mal ein Konzert im Zirkus Krone zu geben – er ist nicht ausgeträumt.

Fun fact: Ich habe einer Freundin mal einen Auftritt der CHIPPENDALE’Sin München zum Geburtstag geschenkt. Ich selber habe zuletzt Nick Cave dort gesehen.

Barny ist wieder mit dem Fahrrad unterwegs und kommt wieder an der gleichen Stelle auf der Leopoldstraße zum Stillstand. Angesichts der sich ständig wiederholenden Locations (Telefonzelle, Zirkus Krone, Apartment, Leopoldstraße) gehe ich mittlerweile davon aus, dass immer “en bloc” gedreht wurde und die “Darsteller” nur die Kleidung gewechselt haben.

Es wird niemanden überraschen, dass Barny wieder Rosie entdeckt, diesmal in dem, was wir früher “grüne Minna” nannten:

Die junge Dame ist, so scheint’s, straffällig geworden. Ein Interesse an Barny zeigt sie allerdings immer noch nicht.

Der nächste Gig in “Kleff’s Corner” steht an und die SMG ist überrascht, dass sich eine Schlange um den Block gebildet hat. Es soll ja eine ganz heiße Band spielen. Wer kann das sein?

Ahhh, der von Bier und Zigaretten geschwängerte Geruch des ersten Erfolges. Das “Kleff’s Corner” ist voll und die Stimmung gut.

Günther singt den Song “Rock’n’Roll Rendezvous”, in dem ja auch Uschi vorkommt:

Polizei, Anzeige, Lärmbelästigung, egal, weiter.

Mittlerweile sehen wir nicht mal mehr, wie sich die Serviererinnen vorstellen – wir sehen nur noch, wie Joschko sie aufreißt – in diesem Fall eine “Helga”:

Aber jetzt kommt’s – der Payoff, die große Pointe, das spektakuläre Finale des gesamten Handlungsstrangs! Joschko ist überzeugt, in Helga “die Richtige” für Bett UND Bar gefunden zu haben…

… aber Helga lässt IHN sitzen!

Glaubt mir: wenn ihr darüber nicht lachen könnt, seid ihr verloren. Lustiger wird der Film nämlich nicht (mehr).

Zeit, den “Handlungsstrang” (using the term loosely) mit dem Kulturreferat wieder aufzugreifen. Die Band schleppt Joschko die Treppe in einer Behörde rauf, die damals schon Behindertenzugang gehabt haben muss:

Zu seiner eigenen Überraschung bekommt Joschko tatsächlich 15.000 Mark zur Schalldämmung der Bar genehmigt, weshalb er die Frau, die er gerade mehrere Minuten beleidigt hat, gleich mal abschmatzt, ohne sofort eine geschmiert zu bekommen.

Niemand erwartet, dass Joschko die 15.000 DM wirklich in Schallschutz investiert – tatsächlich erklärt er der Band bei einer Besprechung, die aus unerfindlichen Gründen an der Isar stattfindet, dass nun die erste Schallplatte der SMG in Angriff genommen werden kann.

Damit blenden wir zu einer dreiminütigen Montage ins Plattenstudio, in deren Rahmen die Band ihre Single “Mir san a bayrische Band” aufnimmt – während Joschko sich ständig bei der Abmischung einmischt:

Ich bin mir nicht ganz klar, warum der Text eingeblendet werden muss:

Vor allem nicht, wenn er dabei auf Hochdeutsch “übersetzt”:

Aber egal, es zählen Resultate – mit großer Begeisterung öffnen die Jungs die erste Kiste mit der ersten eigenen Scheibe:

Ich hab’s recherchiert, damit ihr es nicht müsst – augenscheinlich handelt es sich hierbei NICHT um die echten Pressungen des Songs:

Der Höhenflug geht weiter: Die Band hat nun einen neuen Bus mit werblicher Beschriftung. Der händischen Auslieferung der Single steht nichts im Wege.

Sogar Joschko lässt sich zur Mithilfe hinreißen:

Und ich so: Halt. Halt! HAAAAALLLLT!!!!

Joschko. Ist. Querschnittsgelähmt. Und dieser Wagen ist NICHT umgerüstet. Was zur Hölle soll das? Hat Regisseur Kostya – selber querschnittsgelähmt – das “übersehen”? Sollen wir das unter “künstlerischer Freiheit” verbuchen? Warum regt mich das so auf? Tut es aber!

Diese Szene spielt übrigens vor den Geschäften Obletter (Spielzeug) und Amtliches Bayerisches Reisebüro (Touristik).

Erinnert ihr euch an meinen Einschub, dass diese Filme kurioserweise immer an den selben Orten gedreht werden? Mit dieser Einstellung fing EIN KAKTUS IST KEIN LUTSCHBONBON an:

Gleiche Location, nur andere Kameraperspektive.

Im “Kleff’s Corner” wird derweil “schallgedämmt” – Joschko lässt einfach die beiden Saufbrüder so tun, als würde renoviert:

Mit Isabelle stellt sich auch gleich die nächste Serviererin zum Abschuss vor.

Der Barbesitzer muss den Jungs allerdings gestehen, dass die Single sich nur eher mäßig verkauft – drei Exemplare haben Käufer gefunden, eine davon war Michaels Oma. Das sind Zahlen von SHOWGIRLS EXPOSED-eskem Ausmaß!

Frau Weiß kommt vorbei, um den Fortgang der Arbeiten zu begutachten. Und es wäre ja keine deutsche Kino-Klamotte der 80er, wenn sie dafür keinen Farbeimer über den Kopf bekäme:

Und dann… wird das Haus, in dem die meisten Bandmitglieder wohnen, plötzlich abgerissen. Die Mieter stehen sehr bedröppelt da. Ich hingegen nehme das nonchalant auf, denn ich WEISS mittlerweile, dass auch das keinerlei Einfluss auf die weitere Handlung haben wird.

Nun muss die komplette Band bei Uschi unterkommen:

Michael hat derweil seinen eigenen “magic moment” – er trifft Rosemarie wieder (erinnert sich noch jemand?), die als Verkäuferin in einem Drogerieladen arbeitet. Dummerweise bekommt er kein Wort heraus:

Ist ja auch kein Wunder bei diesem Feger vor dem Herrn:

Also kauft er alternativ eine Trockenhaube und spaziert durch die Fußgängerzone.

Uschi ist derweil stinksauer, weil Günther eher an die Bühnenkarriere denkt als an die Bankerlaufbahn, die Hochzeit und vier Kinder. Mir scheint offensichtlicher als dem Film, dass die beiden einfach nicht zusammen passen.

Barny ist immer noch ein Mann einsamen Herzens und sucht deshalb das sehr plakative “Rotlichtviertel” auf. Doch was sieht er da im Schaufenster der Peepshow?!

Sie isses! Rosie hat den Aufstieg von der Anhalterin über die Kleinkriminelle zur Stripperin auf dem Drehteller geschafft. Skandal im Sperrbezirk!

Ich weiß, dass es solche Etablissements damals gab, auch in meiner Heimatstadt Düsseldorf. Warum jemand sich so etwas (und anderes) angetan hat, ist mir aber schleierhaft.

Wenigstens können wir mal wieder “location spotting” betreiben – diese Spielhalle befindet sich in der Bayerstraße schräg gegenüber vom Hauptbahnhof gleich neben dem Mathäser-Filmpalast. In den 90ern, als ich nach München gezogen war, befanden sich darin schon primär Arcade-Maschinen wie THUNDER BLADE.

Wie lange der Film her ist, lässt sich auch daran festmachen, dass im Fernsehen von einem Fußballspiel berichtet wird, das die Bayern verloren haben – gegen Fortuna Düsseldorf. Da dürfte Campino feuchte Augen vor Freude bekommen.

Wenn ich richtig aufgepasst habe, hat nun Drummer Franz die neue Serviererin aufgerissen (oder ist das schon wieder ein anderes namenloses Mädel?). Sein Brusthaartoupet irritiert mich maßlos. Er schlägt vor, seiner Freundin den “Trick” mit der Zigarettenschachtel zu zeigen (erinnert sich noch jemand?).

Leider kennt das Mädel den “Trick” schon und torpediert ihn mit einer Nagefeile:

Das kann man frech und lustig finden – wenn man nicht bedenkt, dass sie damit dem Drummer einer Band schwere Handverletzungen zufügt. Aber der Film ignoriert’s – warum sollte ich es nicht auch tun?

Die SMG tritt nun beim Nachwuchswettbewerb in Miesbach an (erinnert sich noch jemand?). Man verliert krachend, auch wenn nicht klar wird, warum – der schmierige Kramer und seine Assistentin (?) munkeln verdächtig:

Frust macht sich breit – das mit der Rock’n’Roll-Karriere, es scheint einfach nicht klappen zu wollen. Soll man nicht lieber aufgeben? Ist es das Ende der Spider Murphy Gang?

Das wäre ein guter Moment für das, was Drehbuchautor William Martell den “popeye point” nennt – wenn der Held am Ende scheint und sich gegen jede Erwartung doch noch mal aufrafft. SPIDER MURPHY GANG macht sich das einfacher: im Radio wird bekannt gegeben, dass “Mir san a bayrische Band” ein Hit ist!

Tja, da staunt ihr, was? Nix mit Konflikten, die gelöst werden müssen. Nix mit Problemen, die überwunden werden müssen. Nix mit Lektionen, die gelernt werden müssen. Um es mit Karl Dall zu sagen:

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Damit steht natürlich auch der Weg in den Zirkus Krone offen:

Die Jungs sind ganz begeistert, als sie davon hören, dass der Saal ausverkauft ist – weniger, als sie erfahren, dass damit das Peter Alexander-Konzert gemeint ist.

Bei Joschko stellt sich derweil die nächste Isa vor – da kann man auch gleich nummerieren.

Nun hat sein Mitarbeiter Udo die Schnauze gestrichen voll: er wird Joschko im wahrsten Sinne des Wortes an den Rollstuhl fesseln.

Zur Überraschung aller Beteiligen füllen sich die Ränge im Zirkus Krone:

Franz legt sich schon mal wieder das Toupet an:

Rosemarie kommt, um Michael Glück zu wünschen – was weniger verwunderlich wäre, wenn der Film nicht klar gemacht hätte, dass sie ihn nicht erkannt hat. Oder dass sie kein Interesse an ihm hat. Hier wird einfach nur um den nahenden Endes willen aufgeräumt.

Günther hadert derweil damit, dass Uschi ihm gram ist:

“Hier spricht Detektiv Rockford…” – nicht wirklich, aber Joschko kann nicht ran.

Also muss die Band ohne Manager auf die Bühne:

Ab hier kann ich es mir einfach machen: Die folgenden 20 Minuten sind nämlich ein reines Konzertvideo, augenscheinlich bei einem tatsächlichen Konzert der Band mitgeschnitten. Lediglich in kleinen Zwischenszenen wird noch ein wenig Plot aufgeräumt.

Frau Weiß rettet Joschko aus der Bredouille…

… und die beiden werden unerklärlicherweise ein Paar:

Uschi sieht den Erfolg der Band und ändert ihre Meinung, dass ein Musiker sich nicht als Versorger eignet (spießige Kuh):

Die Band lässt den Profit riechenden Kramer links liegen (obwohl er ihnen genau genommen rein gar nichts getan hat):

Und mit der Zugabe des Konzerts gehen wir dann auch in den Endspurt, denn es sind nur noch drei Minuten Laufzeit zu füllen. Günther versöhnt sich mit Uschi:

Michael bekommt seine Rosemarie:

Und klar, Barny verdient ein Happy End mit Rosie, die mittlerweile als Straßennutte auf den Strich geht und plötzlich ganz wild nach ihm ist:

Man muss sich diesen “turn of events” mal auf der Zunge zergehen lassen: Rosie ist binnen kürzester Zeit von der hoffnungsfrohen Anhalterin auf den Strich gekommen, aber der Film verkauft das als eigentlich voll okay, weil sie ja nun Barny hat. Was wohl ihr Zuhälter dazu sagt?

Es soll vermutlich die gewährleistete Normalität der Jungs zeigen, dass auch ihr neuer Band-Bus liegen bleibt (der Soundtrack spielt in diesem Moment auch die exakt passende Songzeile ein).

Danach trifft man sich in einer Straßenbahn, in der Würstchen und Brezen für alle gekauft und verzehrt werden:

Na denn: Prost auf das Happy End!

Und das war es dann auch “schon” – 93 Minuten, von denen sich 73 mit Wohlwollen als Film anrechnen lassen.

Puh. Das war jetzt gar nicht sooo schlecht – aber dafür wenigstens nicht besonders gut. SPIDER MURPHY GANG profitiert davon, dass der Film keinen “mean streak” hat wie die meisten LISA-Produktionen. Ja, die Attitüde ist chauvinistisch und beim Humor wird noch unter dem Stammtisch agiert, aber das ist nie zynisch oder kalkuliert. Bei der LISA unterstellt man immer, dass niemand ein Interesse hatte, einen guten Film abzuliefern – hier scheitert es eher dran, dass niemand weiß, wie das gehen soll. Nicht Arroganz, sondern Ignoranz regieren, und man muss das als Pluspunkt eintüten.

Andererseits: Als fiktionale Version des Aufstiegs der Band ist das ganze Projekt sehr dünn, es wird keine Art von nachvollziehbarer Handlung versucht, das fehlende schauspielerische Talent der Bandmitglieder kann den unbestreitbaren Charme von z.B. Jürgen Drews nicht wettmachen. Keine zentrale Liebesgeschichte, keine Action, keine (nennenswerten) nackten Tatsachen – ein bisschen mehr Schauwerte hätten’s in “dem Kinofilm überhaupt!” ruhig sein dürfen.

Das hier ist strikt “for fans only”.

Der BRAVO war der Film immerhin eine eigene Fotostory wert, die allerdings etwas knapper ausgefallen ist als meine und schön zeigt, wie komprimiert man die “Story” erzählen kann, wenn man den ganzen Füllkram einfach ignoriert:

Das “Lexikon des Internationalen Films” war milde gestimmt:

“Ein heiterer Rückblick auf den Aufstieg einer Münchener Rockgruppe, die im Gefolge der “Neuen Deutschen Welle” in den frühen 80er Jahren Erfolge feierte. Ohne große Ambitionen inszeniert, aber dank ironischer Zwischentöne recht unterhaltsam.”
Die CINEMA verkniff sich seinerzeit auch jedes harsche Wort:

Dass es 1983 ein Publikum für dieses Gaudi-Projekt gegeben hat, mag ich gerade noch glauben. Um den “Erfolg” von 248.989 Besuchern (ab 250.000 hätte es eine Prämie vom Staat gegeben – ärgerlich!) einzuschätzen, muss man vielleicht mal den Kontext genauer beleuchten. Es war das Jahr der JEDI-RITTER, von OCTOPUSSY und FLASHDANCE, die alle mehr als vier Millionen Zuschauer in die Kinos lockten. Die NDW war mit GIB GAS, ICH WILL SPASS auch noch in den Top 15 vertreten. Filme wie EIS AM STIEL IV – HASENJAGD schafften unglaubliche 1,3 Millionen.

Nach diesem Maßstab war SPIDER MURPHY GANG kein nennenswerter Überflieger. Aber man darf nicht vergessen, dass die NDW bereits ihren Abschwung erlebte, der “girl factor” völlig fehlte und PLEM PLEM DIE SCHULE BRENNT mit 160.000 Zuschauern noch deutlich böser auf die Nase gefallen war.

Für einen Low Budget-Film mit primär bayerischem Appeal ist SMG demnach gar nicht schlecht gelaufen und ich kann mir auch nicht vorstellen, dass die Macher sich mehr erwartet hatten. Begrenzte Ambition trifft auf begrenzte Möglichkeiten und resultiert in begrenztem Erfolg.

Erstaunlicher ist hingegen, dass der Film seither ungewöhnlich mager vermarktet wurde. Meine YouTube-Version stammt aus einer BR-Ausstrahlung. Ähnliche wie der Trio-Film DREI GEGEN DREI (mittlerweile bei Turbine erhältlich) war SMG lange Zeit praktisch verschollen. Es gibt ihn lediglich als Beigabe zu einer Konzert-DVD der Band zum Anlass ihres 25jährigen Bühnenjubiläums 2004.

Und das war’s dann eigentlich auch. Nicht gut, aber für meine Zwecke auch nicht schlecht genug. Aber ein schöner Rückblick in ein grob geschnitztes München, das sich noch nicht als gelackte Weltstadt mit Herz verkaufen wollte.

Für unsere nächste Filmverbrechen-Fotostory ziehen wir dann erneut nach Hamburg weiter…



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Teilzeitinvestor
3. Januar, 2022 22:00

Hab ich die Ironietags übersehen oder du das A bei Michael Degen?

Raphael
Raphael
5. Januar, 2022 07:05
Reply to  Torsten Dewi

Noch ein paar Tippfehler:

– Lichts ins Dunkel
– Entindivisualisierung
– Ringelrein
– weil er zum Bund musst.
– CIHPPENDALE’S (das Apostroph gehört da auch nicht hin)

sergej
sergej
5. Januar, 2022 09:18
Reply to  Raphael

CIHPPENDALE’S
Und H und I sollten die Position tauschen.

Raphael
Raphael
5. Januar, 2022 12:34
Reply to  Torsten Dewi

Wir sind hier ja nicht zum Spaß.

Wenn solche Kommentare wirklich nerven, lass ich sie gerne. Schließlich ist damit ja implizit die Aufforderung verbunden, dass Du noch mehr Arbeit in den Beitrag steckst.
Aber ich bleibe automatisch beim Lesen an jedem Fehler hängen, und möchte das anderen Lesern mit der gleichen Schwäche gerne ersparen.

LiLaLaunebär
LiLaLaunebär
3. Januar, 2022 22:03

Zum Mysterium: da steht Michaela Degen, nicht Michael

sergej
sergej
3. Januar, 2022 22:07

Auf dem Bild steht Michaela Degen.

Dirk
4. Januar, 2022 10:29

Vielen Dank an den Hausherren für diese wie immer wunderbar unterhaltsame Fotostory. Ich würde gerne die folgende These zur Diskussion stellen, um die eingangs erwähnten Fragen “Wieso Sentana, wieso dieser Verleiher, wieso Lisa, und wieso Filmförderung” zu beantworten. Ein Haken an der Filmförderung, wenn man sie denn bekam, war ja, dass man im Falle eines Erfolges an der Kinokasse, den Förderbetrag für einen der nächsten Filme wieder einsetzen musste bzw. an die Filmförderung zurückzahlen musste. Und, wie schon im Text erwähnt, 250.000 Besucher war der Schwellwert um einen Film als Erfolg zu bewerten und die Fördergelder wieder einsetzen zu müssen, wollte man sie nicht zurückzahlen. Es scheint mir kein Zufall, dass die besprochene Produktion sehr exakt unter diesem Wert geblieben ist…Man wollte, das meine These, eben nicht gefördert werden und obendrein wohl einen Förderbetrag aus einem Erfolgsfilm, nun ja, wegproduzieren. Das lag ggf. im Interesse des Filmverlags der Autoren als Verleiher, und der Sentana als Koproduzent. Die LISA fungierte als preiswerter Dienstleister, das filmische Vehikel schnell und günstig zu produzieren, ohne Studio, ohne teure Profis, ohne unnötigen Kleinkram wie ein Drehbuch. So konnte ein Förderbeitrag aus einem Erfolgsfilm verbucht werden, ohne ihn quasi “zurück zu zahlen”. Das ist eine der Seltsamkeiten der bundesdeutschen Filmproduktion, wo tatsächlich sogar die Verleiher oft die Geldgeber waren. Und, nicht zu verachten, man konnte mit diesem Konstrukt sogar noch 250.000 zahlende Besucher gewinnen. Wieviel Umsatz bedeutete das 1983 – ich schätze mal bei einem Eintrittskartenpreis von 3-4 DM also ca. 1 Mio DM “gross”. Macht nach Abzug der Verleihkosten, der Kinokosten und der Produktionskosten noch genau was? Was wird dieser Film gekostet haben? Aber das ist, wie gesagt nur eine Theorie, würde mich freuen, wenn wer dies widerlegen oder ergänzen könnte…

Thomas Bunzenthal
Thomas Bunzenthal
4. Januar, 2022 12:23

Helga läßt den Mann im Rollstuhl sitzen. Sehr gut.

Hopy
Hopy
4. Januar, 2022 13:29

Es war – wie immer – einfach herrlich, ein weiteres Filmverbrechen derartig detailliert aufgeschlüsselt zu lesen. Besten Dank für die viele Arbeit, die du dir immer damit machst.

Pascal
Pascal
5. Januar, 2022 18:35

Ehret den Dewi, denn er schaut auf dass wir nicht schauen müssen!
Ehret den Dewi, denn er hört auf dass wir nicht hören müssen!
Ehret den Dewi, denn er schreibt auf dass wir nicht schreiben müssen!
Ehret ihn!
Scherz beiseite, Alter, dafür würde ich Schmerzensgeld verlangen! Und sowas lief damals echt im Kino?

PabloD
PabloD
5. Januar, 2022 22:13

Der geneigte YouTube-Kritiker ist irgendwie wohlwollender in seinem Urteil:

“So einfach und gut waren damals die filme.Süßer Vogel Jugend,wo bist du nur geblieben.”
😄

Dr. Nick
Dr. Nick
6. Januar, 2022 09:54

Der Film ist völlig an mir vorbeigezogen, auch wenn ich damals die Band sehr gut fand und dachte, ich weiß so ziemlich alles über die.
Susanne B. Winter nannte sich mit dem B. eigentlich immer Susann. Ohne B. nannte sie sich Susanne Winter, ist irgendwie auffällig im Vorspann. Es hält sich hier hartnäckig das Gerücht, dass sie mit mir am gleichen Gymnasium war, deshalb habe ich immer ein wenig den Blick auf sie, obwohl ich mich leider nicht daran erinnern kann.
Über die Band gibt es eine interessante Dokumentation, ‘Glory Days of Rock and Roll’. Anfang der 90er haben sie den Schlagzeuger wg. Alk und Koks rausgeschmissen, was in der Doku auch thematisiert wird. Bei dem entscheidenden ‘Mitarbeitergespräch’ zwischen Günther (dem Sänger und Chef) und Franz gab es wohl zunächst unterschiedliche Auffassungen. Dann hat der Günther gesagt, pass auf, Franz, Du bist ab heute raus. Nimm die – ich meine, 400.000 Mark – und das war es dann.
So wurden damals diese Dinge behandelt, da brauchte man keinen Anwalt. Und ich wunderte mich, dass der Günther auch 10 Jahre nach den großen Erfolgen noch so großzügig mit dem Geld umging. Aber der Schlagzeuger (kürzlich verstorben, über dessen Leben könnte man eine eigene Doku drehen) hat später mal in einem Interview gesagt, alle Rechte für die Songs lägen bei dem Günther, der hätte inzwischen sicherlich über 50 Wohnungen in München.
Dafür gibt er immer noch mit viel Herzblut auch z. B. bei Firmenfeiern die Rampensau.

PabloD
PabloD
6. Januar, 2022 10:25
Reply to  Dr. Nick

Und er hat vor 10 Jahren auch erzählen lassen, was aus Rosi geworden ist…
https://www.youtube.com/watch?v=OPo9gQ-J-TU

Matthias
Matthias
6. Januar, 2022 11:59

Die Peepshow ist übrigens ein Verweis auf einen Songtext der SMG. –> Ich schau dich an.

Matts
Matts
6. Januar, 2022 16:34

Alter Schwede! Ich hatte keine Ahnung, dass es den gab. Schade, dass er eher belangos und unlustig ist. Da musste der Wortvogel für den Humor ganz alleine sorgen.
Aber mit dem Ende wird ja klar, was der Film eigentlich sein sollte: Die Origin-Story von Rosie!

Lothar
Lothar
10. Januar, 2022 10:30

> Die Antworten auf diese Fragen fangen alle mit “n” an.

“Natürlich”?

Thies
Thies
10. Januar, 2022 22:24

Ich oute mich dann mal wieder als einen der wenigen, die für diesen Film ins Kino gegangen sind. Beim Lesen der Fotostory hatte ich aber noch weniger Deja Vus als beim Guru Jakob. Das Vorspielen der Band löste ein Echo aus, auch die Tränen die zu Eis gefroren sind (und die von einem kleinen Ständchen der Band kommentiert wurden) und dass ein Besuch einer Peep-Show mit dem entsprechenden Song unterlegt wurde. Aber sonst war mir das alles sehr fremd.

Ich kann auch nicht sagen, dass ich damals ein großer Fan der Spider Murphy Gang war. Es war offenbar einfach die Gelegenheit beim Sommer-Besuch bei den Großeltern für zwei Stunden in den dunklen Saal zu verschwinden. Zumindest diesen Zweck hatte der Film erfüllt. Der tatsächliche Unterhaltungswert dürfte sich schon damals in sehr engen Grenzen gehalten haben.

trackback

[…] in den nächsten Monaten drankommen, werden meine Nerven bluten lassen. Also Schonkost heute. Mit SPIDER MURPHY GANG und PLEM PLEM DIE SCHULE BRENNT hatte ich ja bereits zwei Filme, die sich im weitesten Sinne in das […]