First (and last) Look: AROUND THE WORLD IN 80 DAYS
Themen: Film, TV & Presse |Ich bin beinhart. Fange ich einen Film an, schaue ich ihn auch zu Ende. Miniserien? Werden durchgezogen. Mag nicht effizient sein, aber ich will mir nicht nachsagen lassen, ich hätte gekniffen. Dammit, ich schaue immer noch alle neuen STAR TREK DISCOVERY-Folgen! Als Nerd muss man mitunter leidensfähig sein.
Ganz selten aber werfe ich die Hände in die Luft und verkünde der Welt "That’s it, I’m OUT!". Meistens, wenn ich was mit der LvA gucke und merke, dass sie sich quält. Das mag ich nicht mitansehen. Wo ist die Reißleine?!
Wir haben uns wirklich auf die Neuverfilmung von AROUND THE WORLD IN 80 DAYS gefreut. Weil David Tennant. Und BBC. Und überhaupt.
Es gibt von dem Jules Verne-Stoff wahrlich viele großartige, mittelprächtige und grottige Verfilmungen. Natürlich war die 1956er-Variante ein großer Spaß, als ich ein Steppke war – aber es war auch artifizieller Hollywood-Bombast:
Die 1989er-Miniserie war nicht minder großartig, ist aber gerade in Sachen Effekte teilweise schlecht gealtert und ich hadere mit Pierce Brosnan nicht generell, sondern nur als Darsteller des Phileas Fogg:
Den hier habe ich komplett ausgelassen – meine Opferbereitschaft hat Grenzen:
Und der hier ist noch gar nicht angelaufen:
Nicht zu vergessen die Trickserie:
Oder das Spiel:
Oder das ANDERE Spiel:
Und das Brettspiel:
Es ist an der Zeit, dass ich einfach mal eine "definitive Version" sehen möchte. Eine, die sich wirklich Mühe macht, den Roman ohne Rücksicht auf Verluste umzusetzen. Mit Aufwand, aber auch Respekt vor der Vorlage. Wie die POIROT-Serie mit David Suchet.
Doppelt gefreut hat uns, dass wir über die ZDF-Mediathek Zugriff auf die Folgen bekamen, bevor sie weltweit irgendwo gelaufen sind – Originalton inklusive. Das ist primär der Tatsache zu verdanken, dass das ZDF Teil einer europäischen Produktionsallianz ist, die die Miniserie finanziert hat. Beste Voraussetzungen für ein Advents-Highlight.
Nach der ersten Folge musste ich meine Frau überreden, die zweite noch anzuschauen. Nach der zweiten waren wir uns einig, dass unsere Lebenszeit für die restlichen sechs zu kostbar ist. Trotz David Tennant. Trotz BBC.
AROUND THE WORLD ist eine Enttäuschung auf dem Level von WAR OF THE WORLDS vor zwei Jahren – eine Adaption, bei der auf dem Papier alles stimmt, aber die grundlegenden kreativen Entscheidungen verbockt worden sind.
Das fängt schon bei der Figurenkonstellation an, die ist nämlich ganz im Sinne der aktuellen Diskussionen prima "woke" umgedengelt worden: Der weiße Mann (Phileas Fogg) ist nicht nur ein exzentrischer Eigenbrötler, sondern ein feiger, impotenter und lebensuntüchtiger Zauderer ohne jeden "sense of adventure". Der schwarze Mann, sein Valet Passepartout, ist hingegen viril, handelnd, politisch bewusst und weltgewandt. Die weiße Frau, die eigentlich ein weißer Mann sein müsste, ist nicht mehr der Gegner von Fogg, sondern sein besseres Spiegelbild, voller Neugier, Begeisterung und Mut.
Und wenn man schon keinen Respekt vor den Figuren der Vorlage hat, muss man beim "Abenteuer" auch nicht so genau hinschauen. Die erste Folge spielt nach dem Prolog fast komplett in Paris und handelt von ersten kommunistischen Aufständen, Straßenschlachten und Erschießungskommandos. Genau das, was Generationen von Jugendlichen an Jules Vernes Romanen begeistert hat.
Zum Ende der Folge finden die "Helden" wenigstens den Ballon, dessen Benutzung eins der "key visuals" der Geschichte ist. Und es lohnt sich wirklich, diese Sequenz genauer zu betrachten, um zu erkennen, dass die Schwächen dieser Adaption kein Zufall sind – sie sind gewollte Verweigerung: weder sehen wir, wie der Ballon mit großen Hoppla startet, noch sehen wir die spektakuläre Bruchlandung. Das, was das Remmidemmi von AROUND THE WORLD ausmacht, den Fun, das Entertainment – man lässt es "off screen" passieren.
Die zweite Episode ist fast noch frecher als die erste – sie spielt komplett in einem Zug und konstruiert als großen Konflikt die Überquerung einer maroden Brücke, um einen kleinen Jungen mit Beinbruch zu retten. Das ist wieder furchtbar ernst, furchtbar poofig – und Foggs "geniale Lösung" ist geradezu hanebüchen.
Nach immerhin 25 Prozent der Laufzeit hat es die Miniserie nach Brindisi in Italien geschafft. Kein Wunder, dass man bereits eine zweite Staffel geordert hat. In dem Tempo brauchen die statt 80 Tagen 80 Episoden.
That’s it, Im OUT!
Wo ist der Humor? Wo ist die Überlebensgröße? Wo sind die Farben?
Dass eine Geschichte, die vom Drang in die Ferne, einem Sinn für Exotik und Technikbegeisterung lebt, SO nicht funktionieren kann, hätte den Machern auffallen sollen. Niemand braucht eine "realistische", gesellschaftskritische Version von AROUND THE WORLD IN 80 DAYS. Yet here we are.
Man kann lange diskutieren, wer die Hauptschuld am Debakel trägt, Klar ist das Skript schwach und auch bei den Dialogen erschreckend dünn, aber ich werde das Gefühl nicht los, dass der Fisch vom Kopf her stinkt. Schließlich ist AROUND THE WORLD die erste Event-Produktion der neuen Senderallianz European Alliance – und ich habe wahrlich genug Zyklen der "Euro-Pappe" erlebt, um zu wissen, dass hier viele Köche den Brei verdorben haben, weil die Drehbücher von mindestens einem Dutzend Instanzen abgesegnet werden mussten. Hier steht keine kreative Vision im Vordergrund, sondern der Kompromiss eines Komitees. Und darin dürfte auch primär begründet liegen, dass es eine zweite Staffel gibt – und dass wir sie zu sehen bekommen, ob wir wollen oder nicht.
Fazit: Eine aufwändige, aber leblose und triste Adaption der großartigen Vorlage, die sich trotz des zeitgenössischen Settings völlig dem sozialkritischen Zeitgeist der Spätgeborenen unterwirft. Wenn nicht mal David Tennant etwas mehr retten kann, ist es verloren.
Sehr schön ist übrigens auch das alte Brettspiel von Ravensburger.
Danke für den Hinweis, habe ich in den Text mit aufgenommen!
Hm, das im Video scheint ein anderes Spiel mit dem Namen zu sein. Ist vielleicht auch gut, aber empfehlen kann ich das: http://www.superfred.de/in80tagenumdieerde.html
Was es nicht alles gibt – danke für den Hinweis.
Ich habe es sogar bis zur dritten folge geschafft, aber dann hatte ich genug.
Muss man heutzutage unbedingt mit aller Gewalt diese wokeness durchsetzen, nur damit sich niemand benachteiligt fühlt?
Mich nervt so etwas nur noch.
Wenn man sich z.b Serien wie American Horror Story oder Slasher ansieht, könnte man nur noch verzweifeln.
Ein ende ist leider auch nicht in Sicht, stichwort Amazon und ihre neuen Regeln.
https://filmpluskritik.com/2021/08/03/neue-amazon-richtlinie-alle-rollen-werden-politisch-korrekt-besetzt/
Gerade bei Amazon dürfte der Markt das schon regeln.
Ich habs komplett durchgezogen, leider wird die Serie nicht besser.
Die woke Besetzung ist dabei nicht mal das Problem. Ich könnte sogar mit den extremen Abweichungen von der altbekannten Romanhandlung leben – das im Artikel erwähnte Computerspiel "80 Days" geht auch in diese Richtung und bleibt dabei durchweg spannend und interessant – wenn die Episoden nicht so beliebig und ohne Schauwerte inszeniert worden wären, als ob jemand eine Genre-Checkliste abhakt. Und durch die riesigen Zeitsprünge zwischen den einzelnen Episoden (gerne mal 10-20 Tage) kommt auch nicht das Gefühl auf, einer richtigen Reise beizuwohnen. So viel verschenktes Potential …
P.S. Nach den Andeutungen am Ende der letzten Folge ist wohl anzunehmen, dass sich Staffel 2 mit 20.000 Meilen unter dem Meer beschäftigen wird …
Habe die Serie nun auch zu Ende geguckt, als Abenteuerserie kein Totalausfall, aber doch sehr sehr enttäuschend. Und ja, die Stimmung einer Reise kommt null auf, nicht einmal der Zeitdruck wird ordentlich vermittelt, immerhin hat Fogg Zeit einer indischen Hochzeit, einer Gartenparty und sogar einen Schiffbruch beizuwohnen. Bei der Gemütlichkeit der Reise ists echt verwunderlich, dass Fogg nie das echte Datum sieht und erst in London von seinem alten Diener drauf hingewiesen wird.
Während der Reise ist dann alles schön woke, was an sich sogar gut hätte sein können, wenns besser vorbereitet wäre. Stattdessen wirken viele Szenen eher als vom Woke-Script Doctor noch reingeschrieben. So ist zB der fiese Triadenboss nur hinter einem Schmuckstück, weil die fiesen Kolonialisten diesen seinen Vorfahren (?) gestohlen haben. Das man die eher politisch inkorrekte Witwenverbrennung (Stichwort Wilde!) gegen eine einvernehmliche Hochzeit ausgetauscht hat, ist auch bezeichnend. Mal von abgesehen, dass die Braut wohl die älteste Unverheiratete auf dem indischen Subkontinent war. Auch ironisch, dass man die doch grade für die Zeit super woke Liebesgeschichte zwischen Fogg und der indischen Witwe durch eine Fix und Passepartout Plot ersetzt hat. Das wäre imo interessanter gewesen, wenn Fix weiterhin ein Mann gewesen wäre.
Je mehr ich drüber nachdenke wäre eine 80 Tage Serie mit vertauschten Rollen bestimmt spannend. Da Frauen damals ja in die ganzen Gesellschaften nicht rein konnten, müsste also Fogg nur ein Aufschneider sein der mit den Taten sein Schwester prahlt oder so ähnlich, vielleicht nicht mal prahlt, sondern nur kundtut damit sie in der wissentschaft bekannt werden.. Aus Unwissenheit nimmt er dann die 80 Tage Herausforderung an und startet dann mit ihr das Abenteuer. interessant wird es ja dann wenn sie als Frau in die originären Abenteuer gerät aber man die historischen Umgangsformen gegenüber Frauen berücksichtigt. Das ist bestimmt spannend wenn sich die skriptschreiber darauf einlassen. ähnlich wie bei der Serie wo die Frau Privatdektiv ist, aber nur ernst genommen wird wenn sie kundtut für ihren toten Vater zu arbeiten.
Das ist grundsätzlich richtig – aber ich würde gerne erstmal eine werkgetreue Verfilmung sehen. DANN reden wir über alternative Interpretationen.
"ähnlich wie bei der Serie wo die Frau Privatdektiv ist, aber nur ernst genommen wird wenn sie kundtut für ihren toten Vater zu arbeiten."
Remington Steele oder Private Eyes?
Vermutlich Miss Scarlet and the Duke:
https://wortvogel.de/2021/11/best-of-british-krimi-deluxe/
Wie wäre es mit einem "Based On Real Events" der Weltreise von Frau Annie Londonderry? (https://en.wikipedia.org/wiki/Annie_Londonderry
Für mich ist die Version schlechthin noch immer die (?DDR?)-Puppenserie aus den 70ern…
Jetzt komm hier nicht mit Obskuritäten!
Schade, da hatte ich auf eine Serie gehofft, die ich mit meinem Sohn ansehen kann, nachdem wir die älteren Verfilmungen schon alle durch haben.
Ah, der Clip mit der Zeichentrick-Serie hat bei mir einen echten Nostalgie-Flash ausgelöst! Die habe ich damals sehr gern geguckt.
Schade um diesen neusten Versuch. Selbst David Tennant ist wohl nicht immer ein Garant für Erfolg…
Ich habe als Kind die Willy Fogg-Serien geliebt. Weniger bekannt ist, das es neben den 80 Tagen auch noch "Reise zum Mittelpunkt der Erde" und "20000 Meilen unter dem Meer gab" – lustiger Weise mit den gleichen Protagonisten.
Auch heute finde ich die noch charmant. Hab sie mir vor 2 Jahren oder so mal wieder gegeben.
Ich kenn bislang ausschließlich (!) die Zeichentrickserie aus den späten 80ern die ich geliebt habe als Kind …
Schade, hätte wirklich Lust auf eine schöne Abenteuerserie.
Evtl. schau ich dann nochmal die Miniserie mit Pierce Brosnan. Hatte ganz vergessen, dass da Peter Ustinov mitspielt. Mit Ustinov ist alles gleich nochmal ein ganzes Stück besser.
Oder kann mir jemand eine nette aktuelle Abenteuerserie empfehlen?
Die Verfilmung von 1956 kann ich mir übrigens nicht mehr ansehen. DIe Stierkampfszene finde ich einfach nur abstoßend.
Empfehlenswert auch "The Secret Adventures of Jules Verne" mit Michael Praed als Bondesker Fogg. Alle Folgen auf YT. Großartig: 1×03 mit Patrick Duffy als Vampir. Auch sonst sehenswert.
Ich müsste unterstellen, der Beitrag sei von mir – ich LIEBE die Serie und wir haben die Effektleute für LOST CITY RAIDERS u.a. deswegen angeheuert. ROCKETS OF THE DEAD ist eine Knaller-Episode. Die erste Serie, die in HD gedreht wurde. Praed ist herausragend. Leider nie "ordentlich" auf Blu oder HD erschienen.